D
Daudieck
Gast
Tja Benn...
Eine bemerkenswert fundierte Diskussion über den berühmtesten deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Auch ich habe ein zweischneidiges Verhältnis zu ihm, und ich möchte es etwas drastisch formulieren: Mit Gottfried Benn bewundere ich einen Faschisten - von 1933 bis 1937 gab er sich offen als solcher zu erkennen, später schwenkte er um, im Eindruck der zunehmend brachialen Nazis. Zwar brachte Benn Hitler und seinen SA-Schlägertrupps nie Symphatie entgegen, doch seine Gefühlswelt war bestimmt von der Polarisation von Hochmenschentum und Verfall, diesem Spannungfeld konnte er nie entkommen, es prägte ihn zeitlebens - insofern hat mich Benn manchmal an Stefan George erinnert.
Benn war Arzt für Geschlechtskrankheiten, vulgo ein Tripper- und Syphilis-Doktor - in seinem weltbekannt gewordenen Morgue-Zyklus dokumentiert er mit erschütternder Eindringlichkeit seine Verzweiflung am Menschen, an seiner Schwäche, an seiner Vergänglichkeit, an seiner jammervollen Existenz - diese Horrorbilder wurden auch zu Metaphern seines intelektuellen und damit seines lyrischen Menschenbildes. Gottfried Benn hatte es penetrant mit der ach so herrlichen Antike, er war dem Denken des Fin de siècle verhaftet, einer für die Jahrhundertwende typisch deutschen Sehnsucht, die mit dem Ersten Weltkrieg kurzfristig in den Blutseen erstickte, doch mit Versailles umso intensiver wieder von Deutschland Besitz ergriff.
Über Friedrich Nietzsche streitet man sich noch heute verbittert - für mich war Nietzsche der zentrale Wegbereiter des teutonischen Übermenschentums, dieses fiebrigen Irreseins, dieses Wahns, der auch Gottfried Benn wie eine Pest befiel. Er war ein Dichter seiner Zeit, ein großartiger Dichter, ein genialer Lyriker - aber ihm fehlte letzten Endes der Durchblick, er war kein Philosoph, kein unbestechlicher Analytiker des Weltgeschehens seiner Zeit.
Eine bemerkenswert fundierte Diskussion über den berühmtesten deutschen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Auch ich habe ein zweischneidiges Verhältnis zu ihm, und ich möchte es etwas drastisch formulieren: Mit Gottfried Benn bewundere ich einen Faschisten - von 1933 bis 1937 gab er sich offen als solcher zu erkennen, später schwenkte er um, im Eindruck der zunehmend brachialen Nazis. Zwar brachte Benn Hitler und seinen SA-Schlägertrupps nie Symphatie entgegen, doch seine Gefühlswelt war bestimmt von der Polarisation von Hochmenschentum und Verfall, diesem Spannungfeld konnte er nie entkommen, es prägte ihn zeitlebens - insofern hat mich Benn manchmal an Stefan George erinnert.
Benn war Arzt für Geschlechtskrankheiten, vulgo ein Tripper- und Syphilis-Doktor - in seinem weltbekannt gewordenen Morgue-Zyklus dokumentiert er mit erschütternder Eindringlichkeit seine Verzweiflung am Menschen, an seiner Schwäche, an seiner Vergänglichkeit, an seiner jammervollen Existenz - diese Horrorbilder wurden auch zu Metaphern seines intelektuellen und damit seines lyrischen Menschenbildes. Gottfried Benn hatte es penetrant mit der ach so herrlichen Antike, er war dem Denken des Fin de siècle verhaftet, einer für die Jahrhundertwende typisch deutschen Sehnsucht, die mit dem Ersten Weltkrieg kurzfristig in den Blutseen erstickte, doch mit Versailles umso intensiver wieder von Deutschland Besitz ergriff.
Über Friedrich Nietzsche streitet man sich noch heute verbittert - für mich war Nietzsche der zentrale Wegbereiter des teutonischen Übermenschentums, dieses fiebrigen Irreseins, dieses Wahns, der auch Gottfried Benn wie eine Pest befiel. Er war ein Dichter seiner Zeit, ein großartiger Dichter, ein genialer Lyriker - aber ihm fehlte letzten Endes der Durchblick, er war kein Philosoph, kein unbestechlicher Analytiker des Weltgeschehens seiner Zeit.