Betrachtung mit Habichtmotiv

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sufnus

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Betrachtung mit Habichtmotiv

für Ted Hughes

Der Tod im Grünen (Paradies für Hobbydichter)
punktierte Körperhöhlen Prädatorentraum
Singvögelköpfchen Nesterrest ein Rupfplatzgrund
so nonchalant (nun ja) mein stummer Beuteflug

Ich glaube was ich sehe und ich sehe gut: Im Gras
Urinverluste weicher Nagertrupps
gekreuzt von einem jungen Pärchen
beim Waldbad (wo man stehen kann)

Das Grausamkeitsformat domestizierter Tiere
die beiden gehen Hand in Hand
sie malt ein Meisenlachen in die Luft
er wird sie heute nacht betrügen.
 

Tula

Mitglied
Hallo sufnus
Ein weiser Habicht, der auch ins dunkle Herz zu schauen vermag ... Mit einer Zeile habe ich Deutungsprobleme, d.h. der vierte Vers in Strophe 2. Dass sich die Pfade von Mensch und Nager auf geheimnisvolle Weise kreuzen, leuchtet mir ein. Das 'wo man stehen kann' weniger, es sei denn der spähende (spannende?) Nager (Biber?) auf zwei Beinen? Irgendwie auch ein witziges Bild.
Wie dem auch sei, ein beflügelndes Gedicht :cool: Den Ted Hughes kannte ich noch nicht, aber da bin ich wahrscheinlich nicht der einzige.

LG
Tula
 
Wie schlau man doch plötzlich mit wiki wird ... nun hab ich mich durch den Tierdichter Hughes durchgeackert und dein Text hat Konturen angenommen Suf, wenn auch nur vage .... ich entnehme daraus, dass domestizierte Nager grausam sind und es im Stehen treiben. Ganz oben fliegt der unbeteiligte Beobachter und mimt den Voyeur. Eigentlich ganz einfach oder liege ich falsch?
Gerne rumgerätselt.
Beislgrüße
 

sufnus

Mitglied
Hey, Ihr Lieben!

Wenn man seine Verse bestimmten Personen widmet, erzeugt das immer auch ein bisschen eine Lesebarriere für diejenigen, die sich leicht frustriert fragen, wer zum Henker jetzt dieser Widmungsträger sein soll und in welcher Beziehung der wohl zum Gedicht steht und warum der "Dichter" einem jetzt diesen Namen reindrückt. Dieses Vorgehen wirkt also immer auch ein bisschen manieriert, bildungshuberisch oder Name-dropping-mäßig.
In Zeiten von google & co. kann der Leser natürlich die asymmetrischen Verhältnisse recht schnell einebnen (im Zweifelsfall reicht der Horizont des Autors auch nur bis zum einschlägigen Wikipedia-Artikel).
Umsomehr ist die Frage zu stellen, ob dieses Widmungsverfahren auch einen inhaltlichen Mehrwert hat.

Hier habe ich Ted Hughes ins Spiel gebracht, weil tatsächlich die Lektüre seines Gedichts "Hawk Roosting" Ausgangspunkt meiner Verse war.
Ted Hughes ist - wie Beisl schon schrieb - einer der paradigmatischen Dichter, die "Objekte" der belebten und unbelebten Natur in Versen besungen haben, vom Habicht weiter zum Jaguar, zum Fuchs, zum Mauersegler, zum Hecht, zur Drossel oder zum Zaunkönig. Eine vergleichbare Reihe lässt sich bei Hughes auch für Elemente der Flora bilden. Ted Hughes war kein urbaner Mensch; der ländlichen Tier- und Pflanzenwelt dürfte er sich verbundener gefühlt haben als den Menschen. Schon in seinem etwas vierschrötigen Äußeren wirkt er bäuerlich, erdverbunden, ein Landei. Zugleich war Ted Hughes einer der Vertreter des literarischen Establishments seiner Zeit: Poete Laureate des britischen Königshauses und auch mit dessen Mitgliedern in vertrautem Umgang (regelmäßige Angelausflüge mit der Queen Mom in Balmoral sind verbürgt, ebenso wie ein gemeinsames Picknick mit ihr und Charles nach dem Besuch einer Blumenschau nahe Sandringham), ein hochgeehrter Dichter, der konsequenterweise in der Poets' Corner der Westminster Abbey verewigt wurde.
Aber was hat das jetzt mit dem Themen der Grausamkeit "domestizierter Tiere" und der Treue in einer Partnerschaft auf sich?
Dazu ist zu sagen, dass bei allem Ruhm, den Ted Hughes für seine Gedichte errang, sein Wirken doch (zumindest zu Lebzeiten) vom Selbstmord seiner Ehefrau Sylvia Plath überschattet wurde, selbst eine der bedeutendsten lyrischen Stimmen des 20. Jh. Die Ehe von Hughes und Plath muss ungeheuer turbulent gewesen sein und beide taten sich ganz bestimmt nicht gut. Sylvia Plath war von schweren Depressionen geplagt und verdächtigte Hughes der Untreue. Insider behaupten, ihre Vorwürfe seien anfangs unbegründet gewesen, aber zum Ende Ihrer Ehe hin hatte Hughes ein Liebesverhältnis mit einer anderen, Assia Wevill, die um die Zeit von Sylvia Plath Selbstmord von Ted Hughes schwanger war. Auch Assia Wevill beging später Suizid und tötete dabei auch das zu dem Zeitpunkt vierjährige gemeinsame Kind. Den späteren Selbstmord eines Sohnes von Ted Hughes und Sylvia Plath hat Hughes nicht mehr erleben müssen. Die Grausamkeit domestizierter Tiere.

Soviel zum Hintergrund der Verse.

LG!

S.
 
G

Gelöschtes Mitglied 24479

Gast
hallo sufnus,
einen lyriker mit einem gedicht zu ehren und bekannt zu machen (für uns unwissende) - große sache.
und dann noch so. wow.
liebe grüße
charlotte
 

sufnus

Mitglied
Hi charlotte!
Ah ... das freut mich sehr, wenn ich bis dato nicht bekannte Lyriker ggf. ins Spiel bringen kann. :) Es gibt einen schönen zweisprachigen Gedichtband mit Ted Hughes-Gedichten in der Übersetzung von Jan Wagner mit dem etwas sperrigen Titel Wodwo.
Dieser Wodwo ist eine von Ted Hughes bedichtete Figur, die dem Wald-Mann (oder Wilden Mann), engl. wild man of the woods, im Mittelenglischen woodwose, entspricht.
Na ... jedenfalls ... das ist ein sehr lesenswerter Gedichtband. Und der Hughes'sche Habicht kommt auch drin vor. :)
LG!
S.
 
G

Gelöschtes Mitglied 24479

Gast
danke, steht auf der liste.
liebe grße
charlotte
 



 
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