Liebe seefeldmaren,
deine Antwort in #7 gibt mir den Mut, mich etwas eingehender mit deinem kleinen Gedicht zu beschäftigen, denn so kann ich hoffen, dass meine Anregungen dazu von dir auch erwünscht sind.
Ein kurzes Gedicht, das mit einem interessanten Thema aufwartet, dabei formstabil und in den Worten einfach und verständlich gehalten ist. Kreuzgereimte Jamben, in denen sich die harte Kadenz von Vierhebern mit den klingenden Kadenzen der Dreiheber abwechselt. Das liest sich gut und flüssig, bis auf den letzten Reim, dessen metrisch erzwungene Betonung (
aufheben) Petra in #6 bereits als Holpern empfand. Ich würde das (auch abseits von Spaßgedichten) nicht als schwerwiegend ansehen, sofern das betreffende Wort einen besonderen Schlüssel zum Verständnis liefert, den ich hier allerdings nicht entdecken kann, zumal "aufheben" in seiner Doppelbedeutung von "bewahren" und "neutralisieren" nicht genutzt wird. Man könnte es im letzteren Sinne leicht durch ein anderes Wort ersetzen, das besser ins Metrum passt. Aber das nur am Rande.
Was mir beim wiederholten Lesen einiges Kopfzerbrechen bereitete, sind semantische Probleme, die sich aus den Wortbezügen ergeben.
1. Beispiel
Ein Traum ist jene fremde Welt,
die nur im Innern bliebe,
Wenn du im Konjunktiv ('bliebe') schreibst, erwartet der Leser im Folgenden eine Bedingung, unter der die obige Möglichkeit eintritt. Folglich müsste ein '
wenn' (,'sofern', 'falls' ...) folgen, das so eine Bedingung einleitet.
doch kaum, dass Licht ins Dunkel fällt,
verliert sie ihre Liebe.
Mit dem hier folgenden 'doch', das als Konjunktion stets einen Gegensatz einleitet, überspringst du die erwartete Bedingung und machst das erste Verspaar zu einer sicheren Aussage (anstelle einer Möglichkeit). Dann aber stimmt der Konjunktiv ('bliebe') nicht mehr.
Vorschlag: Das zweite Verspaar zu einer Bedingung umwandeln:
Ein Traum ist jene fremde Welt,
die gern im Innern bliebe,
denn kaum, dass Licht ins Dunkel fällt,
verliert sie ihre Liebe.
2. Beispiel
Dann bleib ich lieber träumend blind,
wo Blumen weiterleben,
weil Augenblicke flüchtig sind
und wach sich selbst aufheben.
Mit dem ersten Verspaar der 2. Strophe wird der Wunsch aus der 1. Strophe abgeleitet, das Träumen nicht aufzugeben, um (je)den Augenblick festzuhalten. Durch das letzte Verspaar wird dessen Flüchtigkeit noch einmal bestätigt und das Gedicht zum Anfang hin schließend abgerundet.
Dieser Wunsch wird in den beiden Versen ausgedrückt:
1. Wie: Ich bleib lieber träumend blind
und
2. Wo: [Ich bleib lieber dort,] wo Blumen weiterleben.
Allerdings lassen sich die beiden Aussagen des wie und wo nur schlecht kombinieren, wie es hier durch den auf beide Verse bezogenen Anfang erfolgt: "
Dann bleib ich lieber ...", weil
"träumend blind" kein Ort ist, auf den das
"wo" sich beziehen könnte.
Vorschlag:
Dann bleib ich lieber träumend blind,
weil Blumen weiterleben,
wenn Augenblicke magisch sind,
die nicht ins Helle streben.
Das sind natürlich nur Vorschläge, die dich anregen sollen, am eigenen Text zu arbeiten. Es ließe sich noch einiges aus diesem kurzen Gedicht herausholen. Mir gefällt die Deutlichkeit, mit der hier ein unkonventioneller Wunsch formuliert wird.
Allerdings sehe ich noch ein Problem bei den Blumen, die als Geschöpfe des Lichts sich nur schwer dazu in einen Gegensatz bringen lassen, bei Pilzen ginge das schon eher. Doch wer möchte schon gern von Pilzen träumen?
Gern kommentiert
JB