Bruchstücke

4,60 Stern(e) 72 Bewertungen

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Von überall und nirgendwo klingklangt der Herbst
Blätter fegen wie grobes Schmirgelpapier über die Wege
Alte ausgedorrte Zweige knarzen vor sich hin
Die Stille wird je vom Murmurmeln des Nordens unterbrochen
Kamine heulen; von unsichtbaren Geistern bewohnt
Kraniche erzählen von Bildern, die vor ihnen liegen
Und Regentropfen klopfen ein Vergiss-mein-Nicht ans Fenster


Wir standen unter Tannhäusers Bogen, umarmten das Kreuz des Südens
In diesem Moment wussten wir um die Endlichkeit in dieser Ewigkeit
Aber es machte nichts, überhaupt nichts…uns genügte dieser Augenblick

Damals las ich in deinen Augen die Zukunft, den Tod
Und ich las in ihnen über dein Wissen darum

Wir tanzten und träumten eine Liebe
Unter Tannhäusers Bogen, am Kreuz des Südens

http://youtube.com/watch?v=Yyrmh4QKUGE
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ein Heidenlied

Dort
Wo die Schnucken weiden
Das Bunt der Landschaft
Pedantisch aggregatisch
Scheint
Dort möcht´ ich sein
Und fragen: Lönt es sich?
Mit einem Ja und etwas
Von dem roten Kraute
In den Atemwegen
Vor hin mich weg
Und dünken gar
Von Welten weit
Und wunderbar
Von Gräsern die da pfeifen
Träumen
Dem Kling und Klang
Der Heide lauschen
Der schnöden öden Welt
Entfliehen
Auf wilden Heiden
Weiden
Blöckend
Mit dem Schnuckenvolk
Und einem Löns
Im Denkgebälk


Für E. und C. und B.

P.S. Natürlich auch für X. Y. und Z.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du!
Irgendwo da oben muss es von Zeit zu Zeit Verkehrsschilder geben.
Kranichverkehrsschilder.
Von wegen Kranichkreisverkehr und so.
Und ´ne Flugbahn muss es da auch haben.
So eine Richtung Süden.
Und Kranichstoppschilder hat´s da gewiss auch.
Und das alles direkt über Delkenheim.
Ja und Anfang November werden die Schilder da oben aufgehängt.
Und haste nicht gesehen kommen die Kraniche.
In kleinen übersichtlichen Gruppen.
Da kannste von unten zuhören, was die da oben erzählen.
Nervös und aufgeregt sind die, glaubste nicht.
Erzählen von Urlaub in Spanien und so.
Ja…und dann passierts.
Die Kraniche so mir nix dir nix am Fliegen und STOP!- und Kranichkreisverkehrsschilder.
Und du…die machen das. Da kennen die nix.
Stundenlang fliegen die da oben im Kreis.
Und von Stunde zu Stunde kommen immer mehr Kraniche hinzu.
Und alle wogen und tanzen im Kreis.
Und unten, hier bei mir auf der Erde, kannste fast dein eigenes Wort nicht mehr verstehen.
Ein Kranichorchester…nicht von dieser Welt.
Ja…und irgendwann wissen die da oben, dass alle da sind.
Vielleicht zählen die im Orchester ja die ganze Zeit durch.
Wer weiß?
Auf jeden Fall nimmt dann einer die Schilder ab und hängt ein anderes auf:
Flugbahn Süden.
Und dann geht’s los…
Eine dunkle, singende Vogelwolke winkt mit ihren Flügeln und zieht davon.
Und ich stehe da und winke ihnen hinterher.

http://www.ottolenk.de/bilder/kraniche.jpg
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du!
Die Irma hat´s nie leicht gehabt.
Der ihr Leben war so, wie wenn du mit ´nem Kompass am Nordpol stehst.
‚So ist das Leben eben. Kannste nichts machen’ pflegte sie zu sagen.
Damals, als ihr erster Mann nicht mehr aus dem Krieg kam.
Nicht einmal ein Grab…nichts.
Später dann, als der zweite Mann mit einer anderen ging,
die zwei Söhne bei ihr ließ.
‚So ist das Leben eben. Kannste nichts machen’ pflegte sie zu sagen.
Als sich die Kinder entzweiten, ihr nichts anderes übrig blieb,
als sich für einen der beiden zu entscheiden.
Die Enkelchen brauchten schließlich eine Oma.
Ja, und dann verbrannten Sohn, Schwiegertochter und die beiden Enkelkinder im Auto.
Sie stand allein am Grab.
Der verlorene Sohn war nicht heimgekehrt.
‚So ist das Leben eben. Kannste nichts machen’ pflegte sie zu sagen.
Irma ging kaum noch außer Haus.
Und sah man sie doch einmal, war es, als begegnete man dem Schatten eines Menschen.
Gestern fand man sie.
Irma hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten.
Ich denke, ich kenne ihre letzten Gedanken.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Vogonengedicht V

Chrizzmis Narrbiss
So raunte sie
mit leichtem Cres und Cendo
in der Kehle

Das war´s
was zu hören ich erträumte
doch nie niemals für möglich hielt
Was kümmert da der Sterne Augenblick
und was die Aussicht auf die Ewigkeit?

Chrizzmis Narrbiss
Oh ungezügelt Lust in meinen Lenden
Bei diesen Worten gehe ich dahin
und du mit mir
Und all die andren Du´s in dir
in euch
Wie sie erst weichen
ängstlich krümmend
vor der Stärke meines Leibes
meiner Lust
und ja
auch meines Geistes
um sich dann
erliegend meinem Alls
ja meiner Ewigkeit
ergebend
lustvoll stöhnend
in meinen Armen sterben

Chrizzmis Narrbiss
Stöhnst du
Stöhnt ihr
Ich bin das All
Die süße kleine Ewigkeit

Nun schlaft
für jetzt
und alle Zeit

http://moviesmedia.ign.com/hhgttg/i...guide-to-the-galaxy-the-20050209041405791.jpg
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
sie flüstern bereits vom weiß und den tagen danach,
an denen es angeblich bunt werden soll. sie wollen erfahren haben,
dass dies alles eine vorübergehende laune der natur sei,
der man nicht allzu viel beachtung schenken solle.
sie tuscheln bereits von wärme, ja selbst das wort grün
soll gefallen sein.
aber die vögel erzählen ja viel, wenn der tag lang ist.

http://www.galerie-photo.com/images/parkeharrison5.jpg
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Und ich - Und du

Da steh ich nun,
mit meinem kleinen runden Kopf.
Und da stehst du. Erzählst
vom Universum: Wie so alles ist
und wird, in alle Ewigkeit
und weiß der Kuckuck noch.
Und ich,
mit meinem kleinen runden Kopf,
ich denk, wie soll das alles rein,
ins Runde, wo es doch so klein.
Und du,
du nimmst mich bei der Hand,
sagst, schau hinauf
und schließe deine Augen.
Und gleich darauf
versteh ich Universum,
Zeit und Raum und Ewigkeit,
und weiß der Kuckuck noch.

Wie wundervoll erklärend doch
die Sprache deiner Lippen ist.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du!
Unsern Manfred. Mein Nachbar.
Meiste Zeit seines Lebens armes Arschloch.
Ödipussi Scheißdreck dagegen.
Immer die Mama, die Mama, die Mama.
Dann ist sie endlich ins Endlich gegangen.
Manfred von heut´ auf morgen ganz anderer Mensch.
Alles geändert. Name auch.
Von jetzt auf gleich Mani!
Unsern Mani.
Und unsern Mani gleich mal nach Teneriffa gereist.
Und natürlich gleich mal verliebt.
Und natürlich gleich mal voll auf die Fresse gefallen.
Die Alte hat den so was von ausgenommen.
Unsern Mani vollkommen am Ende.
Keine Mamabrust zum Ausheulen.
Also an der Alkoholbrust ausgeheult.
Und du. Hat funktioniert.
Unsern Mani jeden Abend singend vom Adler nach Haus.
Immer gut druff, unsern Mani.
Und da beim Adler hat er schließlich die Tilly kennen gelernt.
Witwe und auch gern gut druff.
Und von da an sind die beiden immer gemeisam singend zum Mani.
Und dann ist die Tilly beim Mani eingezogen.
Ja...und jetzt kommt´s.
Hör ich die Tilly doch gestern Abend schreien.
Ich gleich gedacht, dass die sich was getan hat.
Wollt schon rüber und fragen, ob ich helfen kann.
Doch dann hab ich die Tilly wieder schreien gehört.
Von wegen, dass es unsern Mani ihr machen soll und so.
Du!
Da ist mir ja alles aus ´em Gesicht gefallen.
Die zwei alte Knöpp.
Die Tilly und unsern Mani.
Und nix von wegen Trab. Voller Galopp sag ich dir.
Und in dene ihr Gestöhne konnt ich richtig den Hohn hören.
Von wegen: Da kannste mal sehen, mein Lieber.
Du!
Da war ich so was von sauer.
Solche Angeber.
Ja haben die denn so was nötig. In dene ihrm Alter.
Über 70! sag ich nur.
Die war´n extra laut.
Nur für uns.
Also wollten die uns sagen: Nicht so wie bei euch oder so!
Du.
Was geht die unser Sexualleben an?
Nix!
Und außerdem…nein, ich sag nix.
Gar nix.
Je oller, je doller.
Echt wahr.
Da kann man mal sehen, was aus de´ Leut so wird.
Wenn das dem Mani sei Mama sehen könnt.
Und was hat die sich immer eine Mühe mit dem Manfred gegeben.
Aber aus den Augen, aus dem Sinn…wie man so schön sagt.
Jetzt sag doch mal selbst!
Könne die nicht spazieren gehen?
Wie die alte Leut das so machen.
Oder die lustigen Musikanten gucke?
Aber nein!
Sodom und Gomorrha, sag ich.
Sodom und Gomorrha!
 
G

Gelöschtes Mitglied 7520

Gast
hallo otto,

bin gerade bei deinen stachelbeeren. die mischung aus kafka und calvin & hobbes ist gnadenlos absurd! absoluter wahnsinn...

grüße
nofrank
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Fensterbank bleibt leer.
Gerne habe ich dort halt gemacht.
Der alten Dame gezeigt, wo sie gerade Löcher in die Luft geguckt hatte.
‚Hier ist eins…und dort’!
Oh ja…sie konnte lächeln, auch wenn andere Stimmen behaupteten, sie sei aus Stein.
Gewiss, sie hatte etwas von einem Stein, wenn sie auf der Fensterbank ruhte.
Stundenlang. Ein Leben lang.
Weiß der Himmel wo sie in Gedanken war.
Nein, nein, sie war nicht einsam.
Einsam ist anders.
Sie war gerne dort, an diesem Andersort.
Dieser Platz am Fenster genügte ihr.
Er war ihr Aus- und Einblick.
Einmal sagte sie, als wir über Elvira sprachen, der Herbst trage den Tod in sich.
Heute stand ich an ihrem Fenster.
Ihre Ellenbogen haben Kuhlen ins Holz gebohrt.
Und Sie war da.
Sie wird immer da sein.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
inaniel

ein dumpfer glockenton
er nicht verklingt.
ein bild,
aus asche auferstehend,
sich immer wieder
selbst verbrennend.
ein hoffnungsschimmer,
der im traum beginnt
und stirbt.
eine träne,
die ihren weg nicht findet.
eine trauer,
die das leben bindet.
ein sterben,
das nie wirklich endet.
ein ich,
das leise ist.
dessen wesen
in all jenem mündet,
das ihn geformt
und still beweint.

aus 'denk mal'
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
lieber gott

sollte es dich doch…
…verzeih
ich bin halt
wie ich bin
es ist meine natur
- die deine -
drum verzeih

Uns
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ver-rückt

Halt mich für verrückt
Ich halt es aus
Doch bedenke!
Vergiss-Dein-nicht
In dieser Irrerei
Denn seien wir doch ehrlich
Ohne dich, gäbe es sie nicht
Diese irre-wirre Liebelei
Die für manch Menschenkind
- So soll es sein -
Den Eindruck wecken mag
Der hat ´nen Stich und zwar
Von der besonders spitzen Sorte
Doch ich halt´s aus – denn
Bedenk ich´s recht:
Ich bin verrückt
Nach dieser Liebelei
 



 
Oben Unten