Bruchstücke

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Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Eindrücke V

Wie soll ich sagen?
Also! Manche Tage sind ewig lang.
So kaum zum aushalten lang.
Denkste, du wärst ein Fuß von ´nem Tausendfüßler,
der nicht von der Stelle kommt.
Weil Fuß aus Beton, oder Patex dran, oder so.
Und dann das Bild. 999 Füße wollen vorwärts.
Aber ist nichts. Immer auf der Stelle.
Weil ich Pattex-Beton-Fuß.


Und dann gibt’s noch die anderen Tage.
Die, die nicht aufhören sollen.
Weißt schon. Leben eben.
Wie das ist? Jetzt pass auf!
Das ist so, als stehe man auf einer Wiese.
Wartest, dass der Bumerang zurückkommt.
Und mit der Zeit fängste an zu denken.
Und dann drehste dich auf einmal um.
Weil du gedacht hast, dass er von hier kommen muss.
Wegen einmal um die Erde und so.
Und wartest weiter.
Weil das ist ja nicht schlimm.
Wer hat schon mal einen Bumerang um die Welt geworfen?
Nur du! Also warten. Hat ja Zeit.
Ich mein, ist ja ´ne ganz schöne Strecke.
Und wenn er nicht kommt?
Auch nicht schlimm. Vielleicht hängen geblieben.
An der Antenne vom Empire State. Weißt schon.
King Kong und so.
Oder ein Sherpa. Hand gehoben und gefangen.
Oben auf dem Everest.
Oder dieser eine, der auf den Anderen wartet.
Egal. Hauptsache warten. Auf das, was kommt.
Oder nicht.
Egal.

Und heute? Heute ist alles gut, irgendwie.
Ich stehe am Fenster und warte.

Und nicht das du denkst.
Von wegen Langeweile und so.
Da gibt’s viel zu sehen,
wenn man so steht und wartet.
Die Geiße Karin haben sie heimgebracht.
Mit ´nem Krankenwagen.
Und die Keim und die Fink auf der anderen Straßenseite.
Spätestens in einer Stunde.
Weißt schon was ich meine.
Und Blätter kamen vorbei geflogen.
Auf einen Wink sozusagen.
Und überhaupt geht draußen alles so weiter.
Nur hier scheint alles zu stehen.
Fast schon rückwärts.
Als würden die Sandkörner der Sanduhr…
…in Zeitlupe umkehren. Nach oben zurück.
Und keine Krähen.
Weil die sind auf der anderen Seite des Hauses.
Da wo die Kirche ist.
Sie leben im großen Turm.
Kannste dir was denken bei, wenn du willst.
Aber nicht das du denkst.
Aber schon komisch.
Gestern die Totenglocke. Bim Bam.
Und die Krähen um den Turm herum.
Wie in Trauer.
Schlechtes Omen sagt der Theiss.
Der ist alt, muss es wissen.
Es gibt ja noch andere Fenster.
Na ja…weißt schon.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Eindrücke VI

Also gestern. Ich las ein Buch.
Und da stand es. Und Dings!
Und dann ich am überlegen.
Das kennste doch. Und dann:
Blitz! Die Ulrike. Die Buchhändlerin.
Die war´s! Bei jedem zweiten Satz:
Und Dings!
Und ich wieder am überlegen.
Gibt’s doch nicht.
Die Ulrike. Noch eine Rolle.
Also nicht, dass du denkst.
Die Ulrike ist echt ´ne Liebe.
Volle Hochachtung und so.
Allein erziehend. Zwei Kinder.
Job im Krankenhaus. Nachmittags Bücher.
Immer so voll das Ich.
Und nun das: Und Dings.
Die war immer so durch und durch echt.
So das volle Programm.
Und was ist? Rolle!
So wie du und ich.
Und Dings. Hätte ich nicht gedacht.
Aber bei mir denk ich´s ja auch nicht.
Bis ich mich so beobachte.
Und Dings. Rolle!
Vielleicht muss das so sein.
Nur so im ganz Kleinen ein Ich.
Der Rest? Und Dings, oder so.
Weißt schon was ich meine.
Oder?
Aber nicht, dass du denkst.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lasst es sein.

Scheiß auf dies Blau!
Warum nicht schwarz?
Ja, schwarz!
Lasst uns dies Schwarz erheben.
Das Blau zur Ruhe betten,
in einem dunklen Tuch
aus Herbst.

Lasst es sein.
Einfach traurig sein.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Eindrücke VII

Ich weiß nicht. Mir ist nicht gut.
Dabei hab ich gut geschlafen. Frag nicht.
Auch die Schmerzen sind gleich viel.
Und trotzdem. Du kennst das doch!
So ein unbestimmtes Unwohlsein.
Etwas in der Art.
Und beim Aufstehen war alles ok, denk ich.
Erst beim Frühstück, ja, beim Frühstück.
Bei dieser Überschrift in der Zeitung:

Die Störche fliegen nicht mehr in den Süden

Das war´s vielleicht. Ja, bestimmt sogar.
Dieses leichte Stechen…tief drin.
Dabei! Ist doch schön, oder?
Das ganze Jahr Störche. Nein, nicht gut.
Was soll das? Das ist nicht gut.
Kann es nicht mal erklären, nur fühlen.
Da ist so was Verlorenes in mir.
Ich stell sie mir vor, im Schnee, die Störche.
Geht nicht. Sie sind einfach nicht da.
Ich weiß nicht. Kann es nicht erklären.
Ich kann sie mir nicht vorstellen.
Da fällt mir was ein! So vielleicht?
Du sagst einem Kind, es soll einen Storch im Schnee malen.
Und nach einigen Minuten gibt es dir das weiße Blatt Papier zurück.
Ja, so vielleicht!
Weißt schon was ich meine.
Da ist so was Verlorenes in mir.

Die Störche fliegen nicht mehr in den Süden.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Eindrücke VIII

Ans Nichts anlehnen!
Könntest du jetzt sagen:
~Ans Nichts kann man sich nicht anlehnen~
Und ich:
Ist ja auch mehr so grüblerisch, ein Gedanke halt.
Aber die Karin denkt grad so wie du, denk ich.
Vielleicht aber...
Also. Die Karin ist doch heim gekommen.
Eine Woche Krankenhaus. Weißt schon!
Ich zu ihr. Gute Nachbarschaft und so.
Früher! Öfters mal ~Hoch die Tassen~
Frag nicht!
Die machen ihren Wein noch selbst.
So mit Hängen, Reben und Weinkeller.
Und mit riesigen Fässern voll von dem geilen Zeugs.
Und wir, also…da war der Karin ihr Mann noch am Leben,
ja genau, der Erwin, also wir und noch ein paar,
öfters unten im Keller und über das Leben philosophiert.
Klar, über den Wein auch. Leben eben. Geile Zeit.
Ist dann ruhiger geworden, seit der Erwin nicht mehr da ist.
Aber halt gute Nachbarschaft.
Ich also hin und ~Hallo, wie geht’s dir denn?~
Und die Karin ein Blick wie Herbst.
Und ich gleich gedacht: Oh, oh. Der Erwin ruft.
Und die Karin: Vielleicht Weihnachten noch.
Und ich: Und jetzt?
Weiß schon was du denkst. Von wegen blöde Frage.
Aber steh du mal da. Möchte ich mal deine Worte hören.
Und die Karin: Nichts!
Und wir Beide dann da gestanden.
Irgendwie der Tod zwischen uns.
Dann weg. Alles Gute gewünscht.
Na klar! Du schon wieder.
Man sagt so was halt ohne tiefer zu denken.
Vielleicht wünscht man hinter den Worten ein einfaches Sterben.
Was weiß ich schon?
Aber zu Hause nachgedacht.
Dieses Nichts im Kopf.
Und immer wieder dieser Gedanke.
~Kann man sich ans Nichts anlehnen~
Aber was bleibt einem sonst?
Eben…nichts!
 
B

bonanza

Gast
das ist mir zu experimentell. sprachlich ordentliche
stimmungsbilder, die aber an mir abprallen.
da fehlt mindestens das salz in der suppe, um der
konstruktion ein lebendiges flair zu verleihen.
dass es bruchstücke sind, kann ich als entschuldigung schwer
akzeptieren.
ich liebe bruchstücke. die müssen dann allerdings total
authentisch wirken.

experimentell ja - tagebuch nein.

bon.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
es ist mein tagebuch. ich schreibe es so, wie ich gerade fühle und denke. für mich geht es nicht anders.

alles liebe dir
 
B

bonanza

Gast
okay. so schreibst du dein tagebuch also?
etwas gekünstelt ist das schon.
vielleicht hast du dich da in eine form hineingesteigert.
und warum sollen wir dem in dieser ausuferung folgen?
womöglich überlas ich deine erklärung.

nichts für ungut.
ich fände es besser, wenn ein werkethread auf einen text
fixiert bleibt. der übersichtlichkeit wegen.
kommentare sollten kommentare bleiben und keine gedicht-
beiträge sein.
zumindest in den konventionellen werkeforen.
experimentell kann ich mir ein solch "offenes tagebuch"
gerne vorstellen.
innovativ ist das sammelsurium zweifelsohne.
ja, das lupanum wäre auch geeignet.

es tut mir leid um die teilweise gute "tagebuchlyrik",
die in dem thread verschwindet wie in einem gulag, in
dem sie schnell zur forenleiche wird.
wobei du sie natürlich durch jeden neuen beitrag wieder
an die oberfläche holst ...

echt scheußlich!

bon.
 
B

bonanza

Gast
danke otto. ich bin halt nicht mit derart viel weisheit
gesegnet.
ich mache mir lieber etwas vor, bevor ich vor lauter
absicht nicht mehr merke, dass ich mir etwas vormache.

alles gute.

bon.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
...und warum sollen wir dem in dieser ausuferung folgen?

bon,

wenn sich einer zum wir erhebt, wird er mir suspekt. ich mag dir nicht mehr folgen.

danke und alles liebe otto
 
B

bonanza

Gast
ich erhebe mich immer dann zum "wir", wenn ich in einem
forum, einer straßenbahn oder in einer kneipe unterwegs bin,
wo sich in einem raum wie auch immer ein "wir"-gefühl
aufdrängt.
das mußt du nicht nachvollziehen können.
das "ich" wird dadurch nicht vernachlässigt.
wir sind "wir".
ohne "wir" wäre ich nichts.
und du?

bon.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
...auf meine lippen

ich schreibe
ein wort
auf deine lippen.
wärme
atemlos
hingehaucht
auf raureifes rot.
dein mund schmilzt.
malt
gedanken...
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Eindrücke IX

Also. Ich komm grad vom Sodi.
Glaubste nicht.
Die reden immer noch.
Vom Tod der Pfarrerstochter.
Immer noch das gleiche Geschwätz.
So ganz genau wisse man ja immer noch nicht.
Grüßen hätt´ sie eh nicht gekonnt.
Und dann hat die Keim mich angeschwätzt.
Sach doch mal selbst, Otto.
Wohnst doch in der Straße. Hörste da nix?
Ich den Taubstummen gegeben.
Aber innerlich. Frag nicht. Schlechter Klima.
Und dann doch noch Klimawechsel.
Hat doch der Sodi im Regal Wundertüten liegen.
Echte Wundertüten! Mann oh Mann. Gibts doch gar nicht.
Ich nun voll der Zwiespalt. Was tun und so.
Was sollen die nur denken.
So ein alter Sack wie ich…und Wundertüten.
Und dann voll der Ausweg.
Mein Enkelchen ins Spiel gebracht.
Von wegen schönes kleines Geschenk und so.
Ja, ja…ich weiß. Sicher hätt´ ich.
Du hast ja auch leicht reden. Kennst die Keim ja nicht.
Also ich den lieben Opa gegeben und drei Tüten gekauft.
Und dann nix wie ab. Voll nervös.
Überleg, überleg. Was wohl drinnen ist?
Anfühlen…wie damals.
Und dann…und dann: Sesam öffne dich.
Wow! Ein Doppeldecker.
Und der kann fliegen. Mit nur zwei Fingern.
Und dann…ein Kreisel.
Einer der sich nicht mehr aufhört zu drehen.
Wahnsinn. Für so einen kriegt man drei Zehner Murmeln.
Mindestens. Oder einen Winnetou mit Pferd.
Wow. Echt geil!
Und in der dritten Tüte…ein Ring.
Mit ´nem echten Diamanten. Ich schwör`s.
Den kriegt mein Schatz heute Abend.
Und dann wird sie mächtig glücklich sein.
Weißt schon was ich meine.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Dabei, muss ich jetzt sagen:
Die Pfarrersleut echt cool.
Voll Gemeinde und so.
Und zwei Kinder adoptiert.
Aus Indien. Junge und Mädchen.
Junge voll das Leben.
Mädchen mehr so in sich gekehrt.
Still. Blick immer so auf der Suche.
Nach Heimat vielleicht. Wer weiß.
Manchmal so weit weg, dass sie die Leute übersah.
Und dann natürlich Geschwätz.
Von wegen grüßt nicht und so.
Ja und dann tot. Einfach so.
Mitten aus dem Leben heraus.
So plötzlich wie ich´s schreib.
Ohne Übergang. Und dann die Leut.
Von wegen dem Umgang. Und das grüßen
bzw. nicht. Und Drogen.
Und Aids und haste nicht gesehen.
Na ja. Dorf halt.
Trypanophobie war´s.
Angst vor Spritzen. So groß,
dass sie ihren Eltern die Schmerzen verschwieg.
Bis es nicht mehr ging. Aber da war es zu spät.
So ist das Leben.
Und das Geschwätz musste aushalten.
Ist halt so. Hier im Dorf.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Eindrücke X

Gestern noch voll das Leben.
Und heute?
So schnell kann´s gehen.
Da denkste schon ans nächste Jahr,
von wegen Urlaubsplanung und so,
und dann, dings. Aber hallo!
Volles Programm.
Kannste schon mal umplanen.
Wenn dein Geist noch planmäßig rotiert und so.
Wenn nicht…na ja, weißt schon.
Vier Wochen Bad Schwalbach, voll die Reha,
wenn de Glück hast.
Wenn nicht, dann liegst de da, wie der Jürgen.
Weißt schon. Guckst ihn an und suchst ihn.
Weil da iss nix mehr von dem Jürgen.
Selbst sein Gesicht. Alles so verzogen.
Na ja. So ist das.
Kann ja jeden treffen.
Aber grad letzte Woche hab ich gehört,
vorne beim Sodi,
also da waren die Fink und die Keim,
und ich, nur so im vorübergehen,
also nicht, dass du denkst,
man kann ja schließlich die Ohren nicht abschließen,
also so im von hier nach da,
hab ich gehört, dass der selber schuld gewesen sei.

Das musste ja so kommen.
Haste dem seine Augen gesehen?
Und gezittert hat er, wie verrückt.
Und die Hilde hätt erzählt,
dass sie ihn beim Real gesehen hätte.
Eine Flasche Wein im Einkaufswagen.
Da könnt mer wieder mal sehen.

Jetzt hab ich dem Jürgen gestern alles erzählt.
Der kann ja ruhig wissen, was die schwätzen.
Na ja…gesagt hat er nix dazu.
Und geguckt hat er nur an die Decke.
Tremor ist das mit dem Zittern.
Hat mir der Jürgen mal erzählt.
Nach dem Tod von seiner Moni ging das los.
Und jetzt liegt er da und zittert gar nicht.
Kannste mal sehen wie das geht.
Und dann hab ich dem Jürgen gesagt,
dass er ruhig gehen kann.
Weil, dass wollt er ja immer,
seit die Moni nicht mehr da ist.
Die Kinder sind ja schon groß.
Hab ihm gesagt,
dass das doch kein Leben mehr sei.
So nur noch an die Decke gucken und so.
Und dann bin ich ans Fenster,
und hab ihm die Aussicht erzählt.
Alles voller Herbst.
Und die Blätter sind geflogen.
Glaubst du nicht. Wie verrückt.
Und über allem lag so was wie sterben.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Bruchstücke XI

Jetzt pass auf.
Gestern 100jähriges unseres Turnvereins.
Volles Programm. Mit Ortsvorsteher,
Humtata und haste nicht gesehen.
Und dazwischen der Feixe Rudi.
Im Rollstuhl. Ehrengast sozusagen.
Weil bis vorm halben Jahr Turnwart.
Gute Seele des Vereins und so.
Wo dee Rudi war, war das Leben.
Bei jeder Feier. Und überhaupt.
Immer so ein kleiner Spitzklicker.
Weißt schon. Frauen necken…
bisschen anzüglich und so.
Und die Frauen…Ach Rudi! Hör doch auf.
Aber die wollten ja gar nicht, dass er aufhört.
War ja so was wie „du alter Charmeur“.
Und dann dem Rudi seine Frau.
Bei jeder Gelegenheit. Voll das Knorrhuhn.
So böser Blick und Eifersucht hoch 10.
Kannste sagen, keine schöne Ehe für sie.
Für ihn weiß ich nicht.
Sie immer nur mit den Weibern vom Rudi beschäftigt.
Also immer voll der Griesgram im Gesicht.
Wenn du die Beiden gesehen hast:
Der Lachende und das Knorrhuhn.
Na ja…und dann vor einem halben Jahr.
So mitten in ein Lachen vom Rudi hinein ein Schlaganfall.
Aber volles Programm.
Nix schwätzen, nix laufen, nix lachen.
Immer so ´en schräges Gesicht.
Also voll das Elend und so.
Aber glaubste nicht.
Seit dem ist dem Feixe sei Frau ein einziges Lächeln.
Wo du die beiden siehst.
Die schiebt den Rudi im Rollstuhl durchs Dorf.
Lachen. Gestern bei dee Feier. Lachen.
Und dee Rudi. Sitzt da und schräges Gesicht.
Da kannste mal sehen wie das geht.
Leben eben.
Aber ich will nix gedacht haben.
 

wolfgang

Mitglied
Ist das ein Lied? Jedenfalls erinnert es mich irgendwie an den Willie von Konstantin Wecker. Deine Methode besteht wohl darin, alltägliches mit dramatischem zu verbinden, ist irgendwie melancholisch ohne kitschig zu wirken.

Gruß

wolfgang
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Eindrücke XXII

Jetzt pass auf.
Gestern Nacht ist mir im Schlaf der Tod begegnet.
Ganz theatralisch kam er daher.
Mit Totenschädel in der einen, Sense in der anderen Hand.
Mein erster Gedanke: Na jetzt aber.
Gleich wird er anfangen…von wegen Sein oder Nichtsein.
Aber denkste. Nix dergleichen.
Er setzte sich auf die Bettkante und schwieg.
Eines von den bedeutsamen Schweigen.
Wo du denkst…Jetzt kommt gleich der Hammerspruch.
Und was passiert.
Als ich fast eingeschlafen bin, vor lauter Schweigsamkeit,
(und das im Schlaf…kannste dir das denken?)
fängt er an zu schwätzen.
°Ich hab keinen Bock mehr° sagt der plötzlich.
Tiefster Bariton versteht sich. So mit Erdbeben im Bauch.
Und ich.
°Was heißt das? Hättste dir dafür keinen andern Platz suchen können?
War doch nur ein Zufall, dass dee grad hier bist, oder?°
Und darauf der.
°Eigentlich nicht. Bin geschäftlich unterwegs.
Ist doch die Dekan Lindenbein Str. 1, oder?°
Und ich denk…jetzt nur keinen Fehler machen.
°Nö, da biste falsch. Ist schon die Dekan Lindenbein,
aber nicht die Nummer 1. Die ist…denk ich°
Und in diesem Moment voll die Panik.
Frag nicht. Wollt grad zum Sensemann sagen,
dass die 1 gegenüber ist.
Aber dann grad noch tief gedacht.
Was dann. Dann geht er rüber. Vielleicht zu dee Ulrike.
Oder der hübschen Blonden, die immer so lieb lächelt.
Na ja…der blöde alte Sack wäre nicht so schlimm.
Aber was weiß ich. Keine Garantie.
Und dann ich die volle Verantwortung. Nee, nee.
Also ich ganz kleinlaut…
°Na ja, ist schon die 1.
Aber glaubste nicht, dass es noch zu früh ist?°
Und er.
°Ich hab keinen Bock mehr!
Immer der einzig Lebende in diesem Geschäft.
Mit der Zeit stinkt das einem. Kannste glauben.°
Und ich schon wieder denk. Aber frag nicht wie.
Unterstützen heißt es jetzt.
Ich muss den Typen in seinen Gedanken unterstützen.
°Jo…das versteh ich jetzt, Alter. Scheiß Job.
Wie wär´s mal mit ´ner Pause?
Einfach mal fallen lassen. So voll das Omm und so.°
Und jetzt er.
°Jo! Geiler Gedanke irgendwie.°
Und haste nicht gesehen, legt der sich neben mich ins Bett.
°Bin so müde°, sagt er noch und schon voll das Dings.
Und soll ich dir was sagen.
Bett auf einmal Nordpol. Volles Programm.
Außer Eisbär und so.
Und ich denk: °Jetzt ganz cool bleiben°
Und weil ich nix zu tun, da im Schlaf,
guck ich mir den Tod mal näher an.
Alt kann ich dir sagen. Sehr alt. Und Geruch. Älter.
Und dann seh ich einen Reißverschluss.
Läuft so vom Kehlkopf nach unten.
Und ich schon wieder denk. Ach! Verarsche.
Halloween und so. Kostümlottel.
Ich also am Reißverschluss gezogen.
Aber glaubste nicht. Als ich den aus ´em Kostüm geschält,
ist doch da noch ein Tod unten drunter.
Wieder mit Reißverschluss. Und ich wieder zieh und aus.
Und wieder das ganze Theater. Und wieder und wieder.
Und der Tod wird immer dünner und dünner,
bis er auf einmal nicht mehr da war.
Hatte ihn ausgezogen. Vollkommen.
Mann. Glück gehabt. Hätte auch in die Hose gehen können,
denk ich, und schlaf dabei ein. Im Schlaf…verstehst schon!
Auf einmal der Typ wieder neben mir.
Ich erst voll den Horror. Aber haste nicht gesehen.
Kenn mich ja aus. Also ran an den Reißverschluss.
Und wie ich versuch ihn zu öffnen, merk ich:
Scheiße! Klemmt.

Und nicht das du denkst.
Von wegen wach werden und fertig.
Denkste! Ich voll in der Schlafschleife eingeklemmt.
Und jetzt! Volle Panik.
Ich wach geworden. Im Schlaf versteht sich.
Und denk. Mann oh Mann. Jetzt müssteste aufwachen.
Wäre Zeit und so. Wäre echt Zeit...
Aber kennste doch. Wenn du wieder und wieder.
Immer ein und dieselbe Passage. Wie früher.
Auf Schellack. Beispiel:
Elvis.
Immer wieder die eine Stelle…
°Muß i’ denn, muß i’ denn, zum Städtele hinaus,
Städele hinaus, Städele hinaus, Städele hinaus…°
Oh! Jetzt hängt’s. Kennste das?
Wenn du so ’en Teil vom Lied im Kopf hast.
Endlosschleife sozusagen.
Jetzt Doppelhänger sozusagen.
Wäre Zeit aufzuwachen – Städele hinaus,
wäre Zeit aufzuwachen – Städele hinaus…
und ich mittendrin. Verstehste?
Jetzt versuch du mal zu denken.
Wenn dee im Hinterkopf zwei Platten hast.
Ich mich also erst mal zur Ruhe gezwungen.
Sozusagen Selbstgespräch.
°Alles nur ein Traum.°
Hinterkopf: Städele hinaus –wäre Zeit aufzuwachen.
Und schon waren wir drei.
Städele hinaus-wäre Zeit aufzuwachen-alles nur ein Traum.
Und ich nur noch ein Gedanke. Jetzt denk nur nix mehr.
Und schon vier.
Städele hinaus-wäre Zeit aufzuwachen-alles nur ein Traum-
jetzt denk nur nix mehr -
Da verstehste auf einmal so Sprüche:
Nicht mehr im Kopf aushalten können und so.
Jetzt weißte ja Bescheid. Also ich.
Darfst nix mehr denken. Weil jeder neue Gedanke.
Hänger! Aber da fängts ja wieder an.
Das ist ja schon ein Gedanke.
Und fünf.
Ich also nix mehr gedacht.
Schwere Übung sag ich dir.
Nur noch der Melodie gelauscht.
Plötzlich wird der Tod wach.
°Was ist denn das fürn Scheißsong.°
Ein kräftiger Schlag mit seinem Totenschädel gegen den meinen…
…und du mein Schatz bleibst hier.
Erlösung. Erst mal. Dann wieder Problem.
Der Tod liegt neben mir im Bett und stinkt.
Und ich.
°Wie wär´s denn mit ’nem Frühstück?°
Und er.
°Lass uns noch ’ne Runde schlafen.°
Und ich merk, dass ich ganz müde werde,
so im Schlaf, und schlaf ein.
 



 
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