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Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Iss ja voll kafkaesk, Mann.
Aber voll, sag ich dir.
Ja.
Selten was Kafkaeskertes gelesen.
Außer vielleicht bei Dostojewski.
Der hat so was von dostojewskisch geschrieben,
dass es schon fast wieder kafkaestisch war.
Mit einem Hauch freudistisch halt.
Ja, Mann.
Genau.
Mit einem implizierten Dada, versteht sich.
Wobei Dada hier schon wieder fast GaGa ist.
Aber dieses ‚ist‘ nicht im Sinne von Descartes zu verstehen ist.
Höchstens im Sinne des kategorischen Imperativs.
Metaphysik halt.
Genau, Alter.
Voll kafkaesk halt.
Ja.
Aber hallo.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Bleischwarz

Letzte Nacht stahl sich die Nacht
bleischwarz in meine Träume hinein.
Träge, eine krähenschwarze See,
wabte und schwabte sie hindurch,
durchkämmte, Welle für Welle,
[schwarz so schwarz]
meine lichten Träume. Nahm mich mit,
zu den Ertrunkenen meiner Seele.
Blind saßen sie in ihren Zellen,
darauf wartend, mich mit ihren zittrigen
toten Fingern zu berühren.
Sie durchbohrten meine Haut,
mit ledernen modernden Fingern,
umhüllten mein Herz mit Trauer,
ritzten Kerben hinein.
Ihr könnt´ nicht mehr sein, bei mir sein,
wie auch, schrie ich, in mich hinein.
Die Zeit vergeht, raunten sie,
die Zeit vergeht. Schwarz so schwarz
treibe ich träge auf krähenschwarzer See
durch die Nacht, ertrinke,
in meine Träume hinein.

Danke Dylan!
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du!
Es gibt Leut, die gibt’s eigentlich gar nicht.
Nehmen wir nur den Karl.
Der Karl heißt natürlich nicht Karl. Ich nenn ihn nur so.
Also, nicht dass du denkst, Karl.
Du bist es nicht.
Es ist der andere, der, den´s nicht gibt.
Also unser Karl.
Du kennst ja den siebten Sinn, gell!?
Also, den hat unser Karl nicht.
Unser Karl hat den sechsten Sinn.
Also besser geschrieben den sexten Sinn.
Wenn du den Karl triffst, was ich dir nicht wünsche, geht’s direkt los.
Von wegen: Gucke ma der ihr Fahrgestell.
Und was die für Möpse hat.
Du! Wenn die abschnallt…frag nit.
Wenn ich da an mei Olle denk.
Aber die…wenn ich die hernehmen tät.
Ho,ho,ho.
Weißt ja wie des iss, mit den jungen Dingern.
Nee, weiß ich jetzt nicht, Karl.
Ei, weißt doch. Die haben noch keine Ahnung.
Weder vom tuten noch vom blasen.
Vor alle vom Blasen.
Ho, ho, ho.
Was die brauche, iss soen erfahrene Kerl.
Einer der weiß, wos lang geht.
So einer wie du, Karl?
Genau. Weißt schon…
…Lehrjahre sind keine Herrenjahre….ho, ho, ho.
Während dem seine ‚ho, ho, hos‘ frage ich mich, womit das die Welt verdient hat.
Und dem Karl seine Frau.
Überhaupt das ganze Universum. Ho, ho, ho.
Aber unser Karl iss schon bei der Nächsten.
Gucke ma, wie die guckt.
Da siehste doch direkt, dass dies braucht.
Aber guck dir nur den Bub bei der an.
Von dem Milchbubi kann die doch nix lerne.
Die müsst in meine Schule gehen.
Ich denk derweil, warum ich nur so ein gutes Gemüt habe.
Wünsch mir kurzfristig so ein Rambo-Gen.
Und eines von dem seinen Messern.
Und dann würde ich den Kerl zum Mitglied der Regensburger Domspatzen machen.
Stattdessen guck ich nur.
Ich guck durch den Karl seinen Kopf hindurch.
Iss nicht schwer. Da iss ja nix.
Und hinter dem Karl seinen Kopf seh ich dem Karl seine Frau.
Die steht da nur ein paar Meter entfernt und hört alles mit.
Iss nicht schwer, bei dem Karl seinem Organ.
Ich guck die also an und lese ihre Wünsche von ihren Augen ab.
Da steht: Was wär ich so gern eine weibliche Ausgabe von Rambo.
So eine Ramboline.
Und ich sehe das Messer in ihren Augen blitzen.
Und jetzt schmunzelt dem Karl seine Frau, als hätt´ sie die Domspatzen singen gehört.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Zeit ist relativ.

Rosa Flocken schweben auf den gelben Teppich.
Ich stehe dort, beobachte fasziniert wie die Zeit vergeht.
Denke mir nichts dabei.
Konzentriere mich voll und ganz auf den Flug der Flocken.
Mit der Zeit (besser gesagt ohne)
verändern sich die Geräusche der nahen Autobahn.
Nur noch ein Fließen…als würde die Zeit hörbar.
Wind weht über das gelbe Flor des Teppichs.
Die rosa Flocken steigen empor als wollten sie zurück zu ihrem Ursprung.
Ein Auto hupt. Zeit zu gehen.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Karfreitag


Die Kirchenglocken läuten.
Im kalten dunklen Kirchenraum haben sich Menschen versammelt.
Der Pfarrer erzählt die traurige Geschichte vom Tod Jesus.
Von Kreuzgang und Kreuzigung. Vom Himmel, der sich verdunkelte.
Von Tränen und Trauer.
Draußen scheint derweil die Sonne.
Zwei Falken vollführen Balzflüge rings um den Kirchturm.
Ein Storch beobachtet, auf dem Kirchdach sitzend, die beiden Liebenden,
und erzählt dabei etwas vom Klapperstorch.
Etwas unterhalb, auf der Regenrinne gurrt sich ein Möwenpärchen,
die Köpfe aneinander reibend, ihre Liebe zu.
Ich höre Kinder lachen und leise verträumte Töne aus einem Radio.
Überall summt und fliegt es. Es blüht und grünt und duftet nach Flieder und Leben.
Gut, hier draußen zu sein, denke ich für mich.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
http://www.ottis-forum.de/bilder/kleinvieh125.jpg

Du!
Es ist wieder so weit.
Letzte Nacht hatte ich Besuch.
Besuch von der Spaßbremse und deren Freundin ‚Gute Nacht Marie‘.
Ja…die ‚Gute Nacht Marie‘.
Auch bekannt unter ihren Pseudonymen: Good Night Mary…oder kurz Bloody Mary.
Ein teuflisches Paar, sag ich euch.
Wie jedes Jahr eröffnen sie ihre Saison bei mir.
Und das geht so.
PSSSSSS………..PSSSSSSS……..pppppppppsda….ppppssssist…..ppppssser….pssssssja.
Oh…ppppsssss…Jappppppppppsssss.
Nach meiner Entdeckung machen die Beiden erst einmal ein paar Erkundungsflüge.
Marke: Suche nach dem größten Blutfeld.
Nach dem Auffinden… Pssssssssda…ppppssssist…..pppppppsssses……pssssssja.
Oh…ppppsssss…Jappppppppppsssss… wird das Bohrloch gebohrt.
Fuuuuugrunzzisch……ohppppssss….japppssss…….dappppssssist…..ppppssses….pssssssja.
Und schon stehen die beiden vor der sprudelnden Quelle.
Wie damals James Dean in ‚Giganten‘.
Und dann testen die Beiden erst einmal mein kostbares Nass.
Und während sie das tun, bin ich langsam am Ausbluten.
Wach werden ist schon nicht mehr drin…bin schon viel zu geschwächt.
Weißt schon…wie damals die Jungfrau bei Dracula.
Halt nur ohne Jungfrau.
Aber die Beiden wissen ja, was sie an mir haben.
Also verschließen sie rechtzeitig das Bohrloch und warten auf die nächste Mahlzeit.
Morgens werde ich wach und fühle mich wie Rick (Humphrey Bogart) nach einer Nacht
in seiner Bar.
Meine Hypophyse spielt das Lied vom Tod und nur der rote Punkt auf meinem Oberarm
weißt mir den Weg zum Ursprung meines augenblicklichen Seins bzw. Nicht.
Wie immer schleiche ich mich ins Schlafzimmer, suche nach der teuflischen Brut.
Den Pantoffel in der Rechten, immer zum gezielten Schuss bereit….siehe 12 Uhr Mittags,
durchforste ich jeden Winkel, immer den Gedanken im Hinterkopf, dass sie irgendwo sitzen
und sich einen Ast über mich lachen…wenn nicht sogar einen Baum, einen Wald.
Und von nun an werden die Nächte immer nach dem gleichen Muster verlaufen.
Ich liege und lausche. Liege und lausche.
Und genau in diesem Moment, in dem der Schlaf den Wach ablöst:
PSSSSSS………..PSSSSSSS……..pppppppppsda….ppppssssist…..ppppssser….pssssssja.
Und dann fuchtele ich mit meinen Händen durch die Luft. Handkante für Handkante.
Wie damals Bruce Lee in der Teufelskralle.
Ich kämpfe mit offenem Visier.
Nehmt das…und das. Howwaaaaaaaa…….JIIIIIIIIIIIIIIIIIiJAAAAAAAAAaa!
Und ja……Stille.
Kein Ton mehr.
Aber wie sollte auch, habe ich mir doch schon längst die Decke über den Kopf gezogen.
Wie Woody Allen damals im ‚Stadtneurotiker‘.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich weiß nicht was ihn einst erwog,
an mich zu glauben, er hat´s mir nie gesagt.
Jahre später, als ich ihm dankte,
für mein Leben, für mein neues Leben;
voller Träume, auf die ich nie gewagt,
nicht in meinen kühnsten Träumen,
sagte er: Wir haben uns zu danken.
Du mir für dein neues Leben, ich dir dafür,
dass ich in meiner Berufung,
in meinem Traum, Erfüllung fand.



http://www.ottis-forum.de/bilder/mondus32.jpg

Manfred Weimann

Dipl.-Psychologe

27.6.1946 - 12.4.2011


Acht Monate Therapie. Anfangs die Hölle. Dieser Typ, der einem in der Einzeltherapie gegenüber saß.
Schweigend. Durch einen hindurch blickend, nein, in die Seele blickend. 'Erzähl mal was', sagte er.
Ich wusste nicht, was ich diesem Typen erzählen sollte. Also schwieg ich. So lange, bis ich es nicht mehr aushielt und aus dem Raum lief. So ging es einige Male.
Dann, ich war wieder kurz vor dem Verschwinden, öffnete er seine Schreibtischschublade und holte einen Block und einen Stift hervor.
‚Wenn du nicht sprechen kannst, solltest du vielleicht schreiben‘ sagte er.
Am nächsten Tag lagen meine Worte auf seinem Schreibtisch. Mein erstes Gedicht. Er las es durch, meinte: Das ist nicht schlecht. Nein, es ist gut! Du musst schreiben.
Ich schrieb. Schrieb mich durch meine Kindheit, meine Jugend, bis in die Therapie hinein. Er las. Er schwieg. Oft sagte er Dinge wie: Ja…jetzt verstehe ich. Oder:
Gut, dass wir darüber geschwiegen haben.
Die meisten Dinge, von denen er sprach, verstand ich erst viel später. Ich war längst angekommen. In meiner Welt, in meinem Leben.
Ohne ihn, gäbe es mich nicht mehr. Ich wäre schon längst gestorben. Ob körperlich oder geistig, beides, wer weiß?

*Noch eine kleine Episode, die mir gerade in den Sinn kommt. Einmal kam er zu mir, drückte mir einen CD-Player in die Hand. Es war Winter, es lag Schnee, es war bitterkalt.
‚Hier, ist geile Musik drauf und die Kopfhörer schützen vor kalten Ohren. Hinter dem Kloster Eberbach führt ein beschilderter Weg in die Weinberge. Folge ihm. Er führt zu einem Ausflugslokal. Geh zum Wirt. Ich habe bei ihm eine Nachricht für dich hinterlassen‘.
‚Jetzt?! Bei der Kälte!?‘
Ja…er meinte ‚jetzt‘ und ‚bei der Kälte. Ich stapfte also los. Es war wirklich saukalt und anfangs habe ich Weimann bei jedem Schritt verflucht. Aber die Musik war wirklich geil. Und irgendwann spürte ich die Kälte nicht mehr. Da war nur noch die klare, kalte, saubere Luft, die meine Lungen mit jedem Atemzug reinigte. Ich stapfte zum Takt der Musik zum Lokal.
Im Lokal gab mir der Wirt einen Bierdeckel. Darauf stand: Der Weg ist das Ziel.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
er hat es mich gelehrt...von wegen der mitteilsamkeit,
dem schreiben. es ist gut, das drinnen zu beschreiben.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
http://www.youtube.com/watch?v=kv-yJywbtDI&


Immer noch suche ich dich.
Weil es dich gibt.
Suche dich, weil es die Endlichkeit nicht gibt.
Wisst ihr, es ist nur eine Frage des Sehens.
Und das Sehen ändert sich.
Ändert sich durch diese Endlichkeiten, die keine sind.
Sie sind nur Momente in der Ewigkeit.
Und so sehe ich dich. Fühle dich.
In einem Blatt, dass sich mir zu Füßen legt.
Im Wind, der mir zuflüstert.
In jedem Stern, jeder Welle, jedem Staubkorn.
Im Licht, in der Dunkelheit, im Nichts.
Ich sehe dich, weil du bist.
Ewig bist.
 

revilo

Verboten
Manfred Weimann

.............das hat mich berührt...........wie so vieles, was Du schreibst............
LG revilo
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
http://www.ottis-forum.de/bilder/mondus54.JPG

früher dachte ich immer der mond sei die sonne.
nur nachts halt, müde vom vielen scheinen, mit weniger licht.
mal weniger müde, mal mehr.
heute weiß ich, dass ich damals recht hatte. aber ich sags nicht.
ei die weil die großen leute nur erwachsen denken können.
das ist so, weil sie das universum aus den augen verloren haben.
das universum im großen und kleinen. dieses unendliche,
in dem es keinen anfang und kein ende gibt. dieser raum,
der das unmögliche möglich macht.
wenn man klein ist, weiß man darum. natürlich nicht so direkt,
aber man weiß es. so mit dem fühlen und glauben und so.
wenn man groß ist und dennoch immer noch so große kleine gedanken denkt,
ist es besser, die für sich zu behalten. aber dir sags ich...

...einfach nur so. und noch was sag ich dir...komm näher, viel näher.
ja, so iss gut. pass auf. ich verrate dir jetzt das größte geheimnis des universums.
und die lösung des geheimnisses. nein, pass auf, ich sag dir nichts.
viel besser ist es doch wenn du´s selbst ergründest.
das geheimnis und dessen lösung. iss ganz einfach.
du musst nur nach dir suchen. irgendwo da drinnen biste noch. echt!
und wenn du dich gefunden hast, gibt es keine geheimnisse mehr.
versprochen.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Weißt du noch





Wir teilten die Stille.
Vertrauten ihr unsere verschwiegenen Namen an.
Flüsterten sie wortlos den Wellen zu,
und die Gezeiten schliefen ein.

 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
...

Angst ist mein Name, sagtest du.
Allein der meine, antwortete ich.
Und 'Enttäuschung' und 'es kann nicht sein'.
Das sind auch meine Namen.
Die deinen, die meinen, unsere Namen.

Das Meer hörte zu.
Es nahm die Worte mit auf die See,
antwortete im gleichmütigem wellen.
Es klang wie ‚Vertrauen‘, ‚alles wird gut‘.
Wir schlossen die Augen und die Gezeiten schliefen ein.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Schrumpfen Schafe, wenn es regnet?
Werden sie zu Pusteblumen oder plustern sie sich auf,
werden watteweich und wolken am Himmel entlang?

Du weißt, das Fliegen fällt mir immer schwerer,
ich fühl mich wie ein vom Regen vollgesogener alter Sack.
Iss nix mehr, von wegen ‚du, mein Schäfchen‘.

Ist schon gut, sagst du, denn auch dein Engel
schwebt nicht mehr schwerelos dahin.

Schrumpft die Liebe, wenn es regnet?
Wird sie zu Stein? Nein!
Sie wird zu Hammel, flügellosem Engel,
doch der Liebe ist dies alles so was von egal.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
http://www.youtube.com/watch?v=E6n_eEuo2is&feature

Vater, Mutter…ewig ringt ihr in mir.

Dieser Satz, dieser Blick.
Ein Spiegel.
Vorwärts - rückwärts. Ewig. Ewig.
Woher - wohin.
Wer ist dieses 'Ich'?
Wieviel davon bin ich?
Gibt es mich überhaupt?
Oder doch nur die Summe von allem?
Und wenn ich die Summe bin, bin ich dann ewig?
Bin ich die Summe alles gelebten Lebens?
Bin ich das Universum?
Bin ich Gott?
Bin ich also letztendlich Ich?
 
H

Heidrun D.

Gast
Mich hat der Clip auch sehr beeindruckt und der von dir zitierte Ausschnitt. - Da stecken die Grundfragen der Philosophie drin, der ganze Freud und die Antwort:
Eines Tages werden wir weinen
Und alles verstehen

Alles
Liebe Grüße
Heidrun
 



 
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