Bruchstücke

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Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Musik des Regens. Gesprächsfetzen.
Porzellanklingklang vermischt mit dem Zischen der Kaffeemaschine.
Dazwischen ein Kinderlachen. Ich folge dem Lachen.
Dort kniet ihre Besitzerin. Blickt aus dem Fenster.
Wischt mit ihren Handscheibenwischern über die Scheibe.
Aus ihren Händen formt die Kleine eine Schale und fängt die Regenperlen auf.
Sie reiht die Perlen auf dem Tisch und bastelt eine Kette daraus.
Mit einem Lächeln legt sie die Kette ihrer Mutter um den Hals.
Draußen frischt der Wind auf.
Die Kleine bläst ihre Backen auf und pustet die letzten Blätter hinweg.
Mir kribbelt es zwischen den Fingern und Fußnägeln, von all den Dingen, die mir da gerade durchrinnen.
Ich frage die Bedienung nach Bierdeckeln und beginne mit dem Bau eines wundersamen Turmes.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied

Ein Wort und ein Wort

Wer Blätter herbstliche
Herabgeweht
Auffängt mit der Hand
Kann den Sommerbaum doch nicht zusammenfügen
Die vom Steinwurf zersplitterte Scheibe
Stellt sich nicht wieder her.

Nur ein Wort und ein Wort und ein Wort
Wahlos aus dem Sprachnetz gerissen
Zueinandergeschleudert
Umarmen sich.
Sind sogleich eine
Sind meine Welt.

Marie Luise Kaschnitz




Lyrik ist der Versuch, das, was man nicht lebt, lebendig werden zu lassen.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Immer wieder die gleichen Wege.
Alles, alles alles tausend Mal erlebt,
tausend Mal gefühlt und gefühlt.
Es lässt mich kalt, so kalt.
Bin es leid, so leid.
Etwas muss sich ändern.
Alles muss sich ändern.
So stehe ich vor dem Spiegel.
Sehe alles.
Alles, wirklich alles.
Wenn nicht jetzt, wann dann,
denke ich.
Radikal muss es sein.
Ein Schnitt.
Durchs Leben.
So stehe ich vorm Spiegel.
Nehme den Kamm.
Nehme den Kamm und setze
meinen Scheitel zwei Zentimeter weiter
nach links.
Ja, denke ich. Ja.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Getrocknete Scheiße hängt an seinem viel zu langen Unterhemd.
Die Storchenbeine darunter können sein Gewicht kaum noch tragen.
Seine Versuche mit dem Gehfrei hat er längst wegen dem Unverständnis der Bremsfunktion aufgegeben.
Die Augen ruiniert durch das ständige Tragen einer Leselupenbrille.
Grotesk die riesigen Augen im Totenkopfschädel.
Durch die Größe wird seine Taubheit noch deutlicher.
Fragend blicken gigantische schwarze Löcher in den Raum.
Dali, schreie ich in mich hinein, sag mir, dass das alles ein Bild ist, dass die Realität dahinter surreal ist.
Dass dies alles kein Leben sein kann.
Bitte schreie, Dali!
Nur ein Traum.
Alles nur ein böser Traum den meine Wirklichkeit rahmt.
 
E

equinox

Gast
Für Dich Otto,


Draußen vor dem
Fenster sinkt
ein Wolkenschiff
in eine Erde
die nicht riecht
nach Blumen
und bunten Farben
die Uhr tickt
tickt und
dreht ihre Zeiger
zurück

auf Erinnerung
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe den Text noch ein wenig geändert. Hier die neue Fassung.


Getrocknete Scheiße hängt an seinem viel zu langen Unterhemd.
Die Storchenbeine darunter können das Gewicht kaum noch tragen.
Seine Versuche mit dem Gehfrei hat er längst wegen dem Unverständnis der Bremsfunktion aufgegeben.
Die Augen ruiniert durch das ständige Tragen einer Leselupenbrille.
Riesige groteske Augen im Totenkopfschädel.
Durch ihre Größe wird seine Taubheit noch deutlicher.
Fragend blicken gigantische schwarze Löcher in den Raum.
Dali, schreie ich in mich hinein, sag mir, dass das alles ein Bild ist, dass die Realität dahinter surreal ist.
Dass dies alles kein Leben sein kann.
Bitte schreie, Dali!
Nur ein Traum.
Alles nur ein böser Traum den meine Wirklichkeit rahmt.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Nachgedacht

Vor ein paar Minuten auf der Autobahn.
Vor mir ein alter BMW. Baujahr ‘69.
Und schon öffnet sich das Zeitfenster.
Stehe mit den Jungs an unserem Treffpunkt...

Unsere Wiese.
Links das Rollkontor, rechts das Lager der Zigeuner,
in der Mitte wir.
Feste Grenze zu den Zigeunern.
Dazwischen ein Weg. Pufferzone – Niemandsland.
Oma faselte immer von Dieben. Von Zauberei.
Von Messern und Gewalt.
Ich sah von meiner Seite aus die Lagerfeuer.
Hörte die Musik, träumte vom Zauber.

...Quartett.
Ich voll am angeben.
Von wegen, dass keiner meine 115PS schlagen kann.
Und dann der Peter, der alte Sack.
Zeigt mir seine Karte.
Jaguar E-Typ. 269 PS.
Sein gewinnendes Lächeln eine Demütigung.
‚Her mit den Karten, Jungs‘
Irgendwann kam Monika dazu.
Sie kam immer dazu.
Herz….Bummdidibumm.
Drei Kerle verliebt in dieses süße Ding.
Und natürlich wusste sie darum.
Spielte mit uns.
Aber nicht um unserer Willen.
Nein, nein.
Ihr Blick ging immer hinüber zu den Zigeunern.
Zu dem Jungen mit dem langen schwarzen Haar.
Wir wussten es alle, taten so, als wolle sie uns eifersüchtig machen.
Später winkte sie immer zu uns hinüber.
Und wir hassten diesen Typ mit seinen schwarzen langen Haaren.
Dieses Gesicht, aus dem so viel Anarchie sprach.
So erwachsen, so selbstbewusst.
Wir wären alle gerne so wie er gewesen.
Irgendwann wurden die Zigeuner vertrieben.
Monika war noch da.
Aber sie kam nicht mehr zu uns.
Der Rollkontor brannte ab.
Aus unserer Wiese wurde das Finanzamt.
Peter ist im Himmel.
Was aus den anderen Beiden wurde, weiß ich nicht.
Sie sind weg. Ihre Gesichter…alles.
Selbst ihre Namen.
Moni ging später mit mir in eine Klasse.
Irgendwie verloren wir uns anschließend aus den Augen.
Jahrzehnte später sahen wir uns bei einem Klassentreffen wieder.
Ich fragte sie nach dem Jungen mit den langen schwarzen Haaren.
Sie schwieg, aber ihr Lächeln erzählte mir alles.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
http://www.wdr.de/Fotostrecken/wdrde/2012/03/poesie.jsp?hi=Kultur

Welttag der Poesie 2012

Ich möchte mich ganz herzlich bei der Poesie bedanken. Nicht nur, dass sie mir Gedanken schenkte, nein, sie schenkte mir das Wort.
Ein kleiner Dank meinerseits an dich, geliebte Poesie (prosaisch in diesem Fall);)

Fragte man ihn, würde er antworten, er sei von mittlerer Statur.
Dächte er anschließend eingehender über seine Antwort nach, würde er diese,seine Aussage, nicht nur bekräftigen, nein, er würde sie fett unterstreichen und mit einem Ausrufezeichen versehen. Er ginge sogar so weit, vor der mittleren Statur das Wort minderer zu setzen. Dieses minderer stünde für seine gesamte Gestaltung, also nicht nur die augenscheinliche, nein, sie stünde gerade auch für seine innere Haltung. Ja, dächte er, das bin ich:
Ein Mensch von minderer mittlerer Statur.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
überDacht

Die Zeit verfing sich
Im Netz unserer Liebe
Alles stand still
Nur unsere Seelen
Bewegten sich
Um das Fragment
Leben
Dieses kurzlebige
Atom
Das aufblitzt
In diesen Momenten

und stirbt
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Fragte man ihn, würde er antworten, er sei von mittlerer Statur.
Dächte er anschließend eingehender über seine Antwort nach, würde er diese, seine Aussage, nicht nur bekräftigen, nein, er würde sie fett unterstreichenund mit einem Ausrufezeichen versehen. Er ginge sogar so weit, vor der mittleren Statur das Wort minderer zu setzen. Dieses minderer stünde für seine gesamte Gestaltung, also nicht nur die augenscheinliche,nein, sie stünde gerade auch für seine innere Haltung. Ja, dächte er, das bin ich:
Ein Mensch von minderer mittlerer Statur.

Durchschnittlich, hörte er eine Stimme sagen.
Allerdings hätte er nicht sagen können, ob es seine oder eine fremde Stimme war, die da sprach. Wobei, dachte er, über seine Gedanken sinnierend, es keinen Unterschied zwischen seiner und und einer fremden Stimme gäbe. Durchschnittlich, dachte er und fand, dass durchschnittlich das überdurchschnittlichste aller Wörtersei. Es träfe die Sache im Kern, dachte er.
Es träfe ihn im Kern.
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo otto,

zu "nachgedacht"

ein schöner blick hinter die fassade
der gegenwart. wie schnell diese doch
einreisst - ich denke zum glück -
und so etwas freilegt...etwas vom wesentlichem
im leben:
den erinnerungen

lg
ralf
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Auf der Mauer
Auf der Lauer
Saß der kleine Zweifel
Schaute runter auf die Leute
Die da liefen
Liefen liefen
um ihr Leben um ihr Leben
Glaubten alle
Alle alle
Dass sie etwas wären
Und der Zweifel
Böse böse
Schürte sich in sie

Auf der Mauer
Auf der Lauer
Saß der kleine Sinn
Schaute runter auf die Leute
Die da liefen die da liefen
Voller Zweifel voller Zweifel
Um ihr Leben um ihr Leben
Glaubten alle
Alle alle
Dass sie gar nichts wären
Und der Sinn
So lieb so lieb
Gab sich ihnen hin

Auf der Mauer
Auf der Lauer
Sitzt ein kleiner Witz…
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich stelle die Uhr eine Stunde vor.
Einstein streckt mir die Zunge raus.
Im Radio läuft eine Umfrage unter Jugendlichen:
Warum wird Ostern gefeiert?
Häufigste Antwort – Jesus hat Geburtstag.
Aus einem Fenster winkt ein bleicher Engel in die Welt.
Du öffnest die Tür ‚Wir‘ und ich bin bei dir.
Die Zeit bleibt stehen – Einstein lächelt.
Wir spielen Romeo und Julia.
‚Nun sag schon, holder Romeo, liebst du mich…
…nun sag schon, liebst du mich?‘
‚Oh Julia! Wenn ich dein Bild im Sonnenauf- und Untergang
entdecke, lieb ich dich!‘
Der Raum schließt sich. Wir sitzen in einem Lokal.
Oma blickt aus dem Fenster auf einen blauen Container.
Ihr Mund öffnet und schließt sich wie zum stummen Gebet.
Vielleicht sieht sie in diesem Blau den Himmel – die Erlösung.
Ich bin nicht bei mir.
Diese ewige Unruhe frisst mich auf.
Der Tag lässt endlich nach.
Lese in den Hyperion – Gesängen…
‚…erlebten den Tod nochmals, und die alten Wunden brachen wieder auf!‘
Ja.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Ei der Daus

Ich zog andenwärts. Vorbei an Lamas, Agutis und Machu Picchus. Angetrieben vom ewig fortschreitenden Forschergeist und dem Spott der überheblichen Forscherclique,die meinem Vorhaben wieder einmal null Chancen auf Erfolg orakelte.
Immer weiter nach Süden zog es mich. Feuerland war mein Ziel.
Endlich war ich hier, nein dort, denn nur dort, also hier, konnte ich es finden.
Ein Jahrzehnt theoretischer Forschung war vergangen, nun stand ich hier, nein dort,im feuerländischen Land. Meine Suche konnte beginnen. Die Suche nach dem sagenhaften Ei der Daus. Ich war der Auserkorene, der, der das Ei der Daus aus dem Reich der Mythen und Sagen in unsere Welt, von dort nach hier, hinüberheben würde.
Die Daus, jenes sagenhafte Wesen, dessen Ruf Jahrtausende über die Höhen und Tiefen des Tierra del Fuegos zog. Auf Höhlenzeichnungen, datiert um 9000 v. Chr., gemalt von denUreinwohnern Feuerlands, den Paläo-Indianern, fanden sich erste Spuren des sagenhafen Halbeies. Forscher aller Zeiten kamen immer wieder zu dem Fehlschluss, dass es sich hierbei
keineswegs um ein Halbei handele, sondern um ein Vollei, welches zur Hälfte im sandigen Boden stecke, was dem zusätzlichen Schutz gegen das feuerländische Klima diente.
Ich hingegen war von Anfang an der Meinung, dass es sich bei dem Ei der Daus um das einzige natürliche Halbei handelt. Was auf den Höhlenmalereien der Paläos zu sehen ist, davon war ich überzeugt, waren also keineswegs zur Hälfte in der Erde vergrabene Eier, nein, es handelte sich um Eier, die mit ihrer flachen Seite auf der Erde stehen.
Um dieses zu beweisen, zog es mich über Anden, Agutis, Lamas und Machu Picchus ins Land des Feuers. Und dort, nein hier, stehe ich nun, bereit den Weg zu gehen, den richtigen Gedankenweg, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und sie Schritt für Schritt ins Wahrhaftige umzusetzen.

Wird fortgesetzt.
 

Otto Lenk

Foren-Redakteur
Teammitglied
Seit 51 Tagen bin ich unterwegs.
Ziehe über weite Ebenen, den Llanos im Norden nicht unähnlich; nur karger. Befinde mich ungefähr 200km südlich von Punta Arenas, ganz in der Nähe der alten Festung Bulnes. Vor mir liegt der Hafen des Hungers. In einer Höhle, landeinwärts, finde ich Zeichnungen der Manekénks. Jagdszenen.
Wildpferde, Riesenfaultiere. Nicht die geringste Spur eines Daus, geschweige denn eines Dauseneies. Ich studiere die Reiseberichte von Phillip Parker King. Dies ist die Route, die er entlang der Brunswickküste einschlug.
Irgendwo hier entstand die Zeichnung des versteinerten Eies.
Meine Vorräte werden nicht ewig reichen. Wenn ich nicht in den nächsten zwei Monaten fündig werde, muss ich aufgeben. Ich male mir die spöttischen Gesichter meiner Gegner aus. Dies spornt mich an.


Wird fortgesetzt
 



 
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