John Wein
Mitglied
Aus meinem Tagebuch 2018,
24. Juni, Oviedo
Es ist Zeit, hoch am Himmel zieht die Sonne ihre Bahn. Mir ist so anders, ich weiß nicht recht, mir ist nach Horizont und weit, weit weg. Hoch am Himmel zieht die Sonne ihre Bahn. Es ist Zeit.
Tief in den Bergen Asturiens und Galiciens und gehütet wie ein Geheimnis, das man nur wenigen Freunden preisgibt, führt der Camino Primitivo der „Einfache Weg“, als der älteste aller spanischen Jakobswege nach Santiago de Compostela. Er führte im frühen Mittelalter nördlich und unbehelligt am maurisch beherrschten Kastilien vorbei zum Sternenfeld. Man findet auf ihm nicht die Heerscharen des Französischen Weges, der südlich verläuft. Über 300 km führt der „Primitivo“ durch die faszinierende Welt des Hochgebirges, der Cordillera Cantábria. Schnell verlässt man den Küstenstreifen mit südlichem Zitrus- und Palmengewächs. Weiter hinauf, auf verschlungenen Pfaden, dunklen Hohlwegen über blühende Bergwiesen, Heide und Almen, wartet die Gebirgsregion mit robuster Flora auf. Hier schweift der Blick weit über Berge und Täler hinweg. Fern vom Lärm der Zivilisation, atmet man die würzige Höhenluft, kostet die Stille und erfreut sich an der Natur und Einsamkeit.
Ich bin wieder da, in Oviedo, nun zum dritten Mal nach 2014 und 2017 auf meiner Küstenweg Wanderung.
“Buenas dias Señor Wain, que tal?”
Die junge Frau am Empfang erinnerte sich an mich. Ich hatte bereits im Stadthotel Careño logiert.
„Bestens, danke Señora....äh“….?
„Álvarez“,
„ si Señora Álvarez, und ihnen?“
„ Muy bien, gracias“,
in heller Glockenstimme betonte sie das Gracias akzentuiert auf der ersten Silbe.
„Bienvenudos Cherre Wain!“
In allem liegt ein Gehen und ein Kommen. Oviedo, die quirlige, sympathische Hauptstadt des Fürstentums Asturien, liegt ungefähr in der Mitte Spaniens nördlicher Küstenlinie.
Heute ist Sonntag. Die himmlischen Frühlingsarchitekten haben ein sonniges Modell entworfen, in Frühlingstönen aus Pastell. Gern schlendere ich durch die reizvolle Altstadt mit ihren mittelalterlichen Gassen und Plätzen. Blickfang und Richtungsweiser ist, wie oft so auch hier, die imposante gotische Kathedrale. Ich erhoffe mir dort einen ersten Stempel im Pilgerpass. Zwischen der Plaza Constitucíon und der Plaza Fontán schlägt das Herz der Stadt, wer zählt die Cafés, Bars, Restaurants und Siderias, in denen man sich im Straßengestühl das Lebenstheater in original Kulissen vorführen lässt.
In den nördlichen Provinzen Spaniens ist der Cidra, gekeltert aus den Äpfeln der Saison, regionales Markenzeichen. Die neue Ernte reift inzwischen auf knorrigen Zweigen. In Ciderias der Region trinkt man den Most, weniger Bier, zur Erfrischung von Körper und Seele. Ein merkwürdiger Brauch, ein amüsantes Schauspiel, das man sich gerne vorführen lässt, wird da aufgeführt. Bühne ist der Tisch des Gastes und unser Schauspieler der Camarero. In gespreizter Gelassenheit entkorkt er die Flasche mit der Rechten, reckt sie hoch über seinen Kopf und hundertfach inszeniert, gießt er den Cidra gezielt aus luftiger Höhe in das Glas in der Linken unterhalb der Gürtellinie. Natürlich geht dann und wann auch etwas daneben, doch auch ein bisschen Spaß muss sein!
Schlaf muss auch sein, denn schließlich wartet auf mich der neue Morgen mit seiner ersten Etappe. Ich ziehe mir die lila Decke über den Kopf, aber Ruhe finde ich erst einmal nicht. Eine Erregung, die im Grunde unhaltbare und durch nichts begründete Beklommenheit vor dem Beginn, will nicht weichen. Meine Vorbereitungen waren umfassend, doch hab‘ ich an „Dies“ gedacht und um Gottes willen „Jenes“ nicht vergessen?! Was mir im Alter fehlt ist jugendlicher „Leicht Sinn“. Einfach den Rucksack hervorkramen, ein paar Klamotten reingeschmissen und gut iss. Jetzt aber ist alles nicht mehr so einfach, weil man ja selbst nicht mehr so einfach ist. Den Rucksack vollmüllen und fort, das wäre es! Ist es aber nicht!
Irgendwann zwischen all den Gedanken setzt sich meine Seele auf einen Ast und lässt sich sein. Morgen früh ist wieder einmal Anfang.
Fortsetzung folgt
24. Juni, Oviedo
Es ist Zeit, hoch am Himmel zieht die Sonne ihre Bahn. Mir ist so anders, ich weiß nicht recht, mir ist nach Horizont und weit, weit weg. Hoch am Himmel zieht die Sonne ihre Bahn. Es ist Zeit.
Tief in den Bergen Asturiens und Galiciens und gehütet wie ein Geheimnis, das man nur wenigen Freunden preisgibt, führt der Camino Primitivo der „Einfache Weg“, als der älteste aller spanischen Jakobswege nach Santiago de Compostela. Er führte im frühen Mittelalter nördlich und unbehelligt am maurisch beherrschten Kastilien vorbei zum Sternenfeld. Man findet auf ihm nicht die Heerscharen des Französischen Weges, der südlich verläuft. Über 300 km führt der „Primitivo“ durch die faszinierende Welt des Hochgebirges, der Cordillera Cantábria. Schnell verlässt man den Küstenstreifen mit südlichem Zitrus- und Palmengewächs. Weiter hinauf, auf verschlungenen Pfaden, dunklen Hohlwegen über blühende Bergwiesen, Heide und Almen, wartet die Gebirgsregion mit robuster Flora auf. Hier schweift der Blick weit über Berge und Täler hinweg. Fern vom Lärm der Zivilisation, atmet man die würzige Höhenluft, kostet die Stille und erfreut sich an der Natur und Einsamkeit.
Ich bin wieder da, in Oviedo, nun zum dritten Mal nach 2014 und 2017 auf meiner Küstenweg Wanderung.
“Buenas dias Señor Wain, que tal?”
Die junge Frau am Empfang erinnerte sich an mich. Ich hatte bereits im Stadthotel Careño logiert.
„Bestens, danke Señora....äh“….?
„Álvarez“,
„ si Señora Álvarez, und ihnen?“
„ Muy bien, gracias“,
in heller Glockenstimme betonte sie das Gracias akzentuiert auf der ersten Silbe.
„Bienvenudos Cherre Wain!“
In allem liegt ein Gehen und ein Kommen. Oviedo, die quirlige, sympathische Hauptstadt des Fürstentums Asturien, liegt ungefähr in der Mitte Spaniens nördlicher Küstenlinie.
Heute ist Sonntag. Die himmlischen Frühlingsarchitekten haben ein sonniges Modell entworfen, in Frühlingstönen aus Pastell. Gern schlendere ich durch die reizvolle Altstadt mit ihren mittelalterlichen Gassen und Plätzen. Blickfang und Richtungsweiser ist, wie oft so auch hier, die imposante gotische Kathedrale. Ich erhoffe mir dort einen ersten Stempel im Pilgerpass. Zwischen der Plaza Constitucíon und der Plaza Fontán schlägt das Herz der Stadt, wer zählt die Cafés, Bars, Restaurants und Siderias, in denen man sich im Straßengestühl das Lebenstheater in original Kulissen vorführen lässt.
In den nördlichen Provinzen Spaniens ist der Cidra, gekeltert aus den Äpfeln der Saison, regionales Markenzeichen. Die neue Ernte reift inzwischen auf knorrigen Zweigen. In Ciderias der Region trinkt man den Most, weniger Bier, zur Erfrischung von Körper und Seele. Ein merkwürdiger Brauch, ein amüsantes Schauspiel, das man sich gerne vorführen lässt, wird da aufgeführt. Bühne ist der Tisch des Gastes und unser Schauspieler der Camarero. In gespreizter Gelassenheit entkorkt er die Flasche mit der Rechten, reckt sie hoch über seinen Kopf und hundertfach inszeniert, gießt er den Cidra gezielt aus luftiger Höhe in das Glas in der Linken unterhalb der Gürtellinie. Natürlich geht dann und wann auch etwas daneben, doch auch ein bisschen Spaß muss sein!
Schlaf muss auch sein, denn schließlich wartet auf mich der neue Morgen mit seiner ersten Etappe. Ich ziehe mir die lila Decke über den Kopf, aber Ruhe finde ich erst einmal nicht. Eine Erregung, die im Grunde unhaltbare und durch nichts begründete Beklommenheit vor dem Beginn, will nicht weichen. Meine Vorbereitungen waren umfassend, doch hab‘ ich an „Dies“ gedacht und um Gottes willen „Jenes“ nicht vergessen?! Was mir im Alter fehlt ist jugendlicher „Leicht Sinn“. Einfach den Rucksack hervorkramen, ein paar Klamotten reingeschmissen und gut iss. Jetzt aber ist alles nicht mehr so einfach, weil man ja selbst nicht mehr so einfach ist. Den Rucksack vollmüllen und fort, das wäre es! Ist es aber nicht!
Irgendwann zwischen all den Gedanken setzt sich meine Seele auf einen Ast und lässt sich sein. Morgen früh ist wieder einmal Anfang.
Fortsetzung folgt
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