Das Gedicht ist wundervoll, es gehört zu den besten, die ich je gelesen habe.
Ich fasse es nicht, in was für einem Blödsinn Aligaga hier abundiert. Was für eine Verschwendung von Energie und Zeit! Was er hier schreibt, hat mit Deinem Gedicht nicht einmal peripher etwas zu tun.
"Landratten glauben häufig, dass Kanäle flössen - das tun sie in der Regel aber nicht. Schon gar nicht die in Venedig, das in eine flache Lagune hineingebaut wurde. Da gibt's keine Gezeiten und keine Strömung; der Gondoliere muss immer rudern, ganz gleich, in welche Richtug die Touristen fahren möchten."
Nett, aber die Kanäle "fließen" im Gedicht nicht, es muß ein anderes Gedicht gemeint sein.
"Dass der Ruderknecht soifzte, wenn letztere knutschten, ist eine alberne Vorstellung, die mit der Wirklichkeit weniger als gar nichts zu tun hat. Geseufzt haben auf der gleichnamigen Brücke ganz andere."
Die Gondoliere seufzen nicht auf der Brücke, sondern über die abgenutzen Lügen der Verführer.
"Die zweite Strophe beginnt mit einem falschen Bezug - der vorherige Satzgegenstand sind die Kanäle, die Menschen nur ein Akkusativobjekt. Der Fehler sollte behoben werden, weil er den Text ruiniert."
Das ist ganz neu, bisher hat es noch nie gegolten: Daß eine Strophe sich auf das Subjekt der vorherigen beziehen müsse. Gut, ist es neu - Aligaga macht eine Dichterschule auf. Er sammelt schon fleißig Schüler, vielleicht hat er schon einen gefunden. Und länger behalten, als man zum Lesen seiner losen Behauptungen braucht.
"Sitten und Bräuche könnte man überholen. Märchen nicht. Die sind und bleiben immer welche."
Wie wahr. Und was soll diese Behauptung hier?
"TTip: Den Text entquarken und nach einem weniger an den Haaren herbeigezogenen Schluss suchen - Venedig ist (noch) keine Toteninsel. Die heißt San Michele und liegt mitten in der Lagune. Den Transporto funebre erledigen nicht die Gondoliere mit ihren Kähnen, sondern unter der Regie der Müllabfuhr verkehrende Motorbarkassen."
Ah, jetzt hat Aligaga endlich begriffen, daß das Lied eine Metapher auf den Tod enthält, daß es mehrdimensional ist, daß die Bilder der drei Strophen ineinanderscheinen.
Aber das gefällt ihm nicht, er liest es nicht als Dichtung, sondern als Reiseführerkapitelchen. Das kommt wahrscheinlich daher, daß er selber Reiseführer schreibt, Gedichte schreibt er ja nicht. Das mit den "Metaphern" ist ihm offensichtlich völlig unbekannt. Oder in seiner Schule sind Metaphern verhaßt. Oder er haßt die Dichtung. Oder er hält seine Haßtiraden für originell: Je abwegiger und zorniger, desto treffender und lustiger. Ja, das ists: Er tobt rum, und das nennt er dann lustig. Originell, dieses Oxymoron. Rumpelstelz, der sich selbst zerreißt.