Christa Paulsen - Der letzte Fall 31. Morbus Kobold - Wenn alle Schlafen

ahorn

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Morbus Kobold
Wenn alle schlafen


Was Werner im Genauen in seine Mülltonne warf, dabei die Welt verfluchte, interessierte Christa in keiner Weise. Es war seine Tonne, in welche er das haarige Braune stopfte. Der schwarze BMW auf seinem Hof zog sie eher in seinen Bann, ließ ihre Pein schwinden, Werner mit leeren Händen anzusprechen. Im Fall der Schmiererei, der Erpressung war sie kein Deut weiter. Der Ermittlungsstand auf dem Stand eingefroren, den er vor Monaten hatte.

Christa stellte ihr Fahrrad ab und schritt auf Werner zu. Sie wies erst auf den BMW, dann auf den Platz, an dem zuvor der Kombi gestanden hatte. »Hat Lutz den Wagen getauscht.«
»Wie?«, grummelte Werner. »Die Angeberkiste gehört dem Theo.«
»Theo?«
Er zuckte mit den Achseln. »Geh von aus. War gestern mit der Kiste da.«
»Wann?«
Werner ergriff einen Besen »Als ich zur Berta. Sie hat gekalbt.«
»Wann?«
»Fragen stellst.« Werner stützte sich auf dem Besenstiel ab und betrachte den Himmel. »War dunkel.«
»Am Abend?«
»Abends ist’s meist dunkel.«, brummte er und schob mit dem Besen eine Handvoll Stroh beiseite. »Ansonsten hätte ich sie klarer gesehen.«

»Wen?«
»Die Perle vom Theo.« Er hob den Besen an und wies zur Hausecke. »Geknutscht haben sie.«
»Seine Frau?«
»Na! Den laufenden Meter hätte ich erkannt. Die geht mir grad bis zum Bauch.«
Werner übertrieb. Christa hatte Theos Frau bei Hildes Begräbnis gesehen. Sie hatte eine Statur wie Anong.
»Genauer?«
Er stützte sich erneut auf dem Besenstiel ab und grinste. »Ob mit oder ohne Zunge habe ich nicht gesehen.«
Christa ballte die Rechte zur Faust. »Werner!«
»Einen Zollstock hab ich nicht geholt.«
»Wie sah sie aus?«
»Hab gesagt, es war dunkel.«
»Dass es eine Frau war, hast du gesehen?«
»Habe ihr nicht zwischen die Schenkel geklotzt. Trotzdem kann eine Frau von einem Mann unterscheiden.«
Christa kam ein Verdacht. »Wie?«
»Sie trug keine Büchs.«
»Was dann?«
»Was Frauen so anhaben. Kleid?«
»Rock?«
»Kann sein«, murmelte Werner und kehrte das Stroh zur Hauswand. Er zog den Inhalt seiner Nase herauf. »Geile Schenkel hatte sie.«
Christa stemmte ihre Fäuste gegen ihre Taillen.
»Das sahst du?«
»Sag doch, war eine Frau?«
»Haare, Gesicht, Statur?«
Werner zuckte mit den Achseln. »Hab nur ihre Schenkel gesehen.«
»Aber Theo hast du erkannt?«
»Von hinten!«
»Werner!«
Er stellte den Besen ab. »Komm!«
Werner stampfte zur Hausecke. »Also.« Er klopfte gegen das Mauerwerk. »Sie drückte ihren Rücken gegen die Wand, der Theo zwischen ihren Schenkeln, seine Hände an ihren Arsch und ihre Arme um seinen Hals.«
Werner hob seine Mütze an. »Wenn ich mich genau erinnere, hatte sie nur ein Arm um seinen Hals. Mit der anderen Hand war sie in seiner Büchs.«
»Wann hast du sie gesehen?«
»Nach den Nachrichten.«
Christa zog ihre Augenbrauen zusammen, sodass sich ihre Stirn kräuselte. »Welche?«
»Nach dem Heute Journal bin ich raus.«
»Gleich oder später?«
Werner drückte den Besenstil gegen seinen Oberkörper. »Bin eingenickt. Hab nicht auf die Uhr geglotzt.«

Christa kratzte sich am Genick. Die Zeit passte. Wanjas Körperlänge erhöht mit ihren Schuhen, kam der von Theo nahe.
»Du bist dir sicher, dass es Theo war?«
»Gestern Nacht nicht, war ja dunkel, aber seine Karre stand auf‘m Hof.«
»Werner?«
»Hab dir gesagt, ich bin zur Berta. Ich habe mein Fahrrad aus dem Schuppen geholt und bin dann hinten herum zur Straße, da ist er mit der Karre an mir vorbei. Und vorhin stand er mit dem Nichtsnutz hier neben der Kiste auf‘m Hof. Jetzt lass mich, ich habe zu tun. Such lieber die Verbrecher.«
Christa deutete auf den Platz, auf dem vor Kurzem der Toyota stand. »Stand Lutz Wagen gestern Nacht zur selben Zeit hier?«
Werner stellte den Besen an die Hauswand. »Jo!«
»Die letzte Frage. Saß seine Freundin mit im Wagen.«
»Lutz hat keine Freundin.« Werner lehnte seinen Kopf zur Seite. »Soweit ich weiß. Wer noch schöner. Kann nicht mal für sich sorgen.«
Christa beugte ihren Oberkörper. »In Theos Wagen?«
»Vorhin?«
»Nein! Gestern Nacht.«
Werner zuckte mit der Achsel, schüttelte seinen Kopf und trottete zum Schuppen.
»Ist Lutz da?«, rief ihn Christa hinterher.
»Soweit ich höre. Ja!«, schrie er und verschwand.

Christa atmete ein. Wie oft war der erste Verdächtige der Täter. Sie schritt zur Hausecke, hörte Musik und versank im Gartenboden. Neben dem Haus war Werners Gemüsegarten. Christa schritt weiter. Sie hockte sich hin, strich über die Erde und steckte ihren kleinen Finger in das erste Loch. Wie Einschusslöcher eines Maschinengewehres reihten sich in Schrittweite die Eindrücke bis zur Gartenpforte.
Es waren eindeutig Abdrücke von Absätzen. Sie steckte die Puzzleteile ineinander. Theo traf Wanja auf dem Campingplatz. Sie schliefen miteinander. Vielleicht hatte Wanja sich vor Kurzem von ihrem Verlobten getrennt.
Christa schüttelte den Kopf. Theo war ihr Freund?
Sie kommen aus dem Zelt. Theo bemerkt, dass Lutz Wagen nicht mehr an Ort und Stelle war. Er beabsichtigte sich ein weiteres Mal, mit ihm zu treffen. Deswegen fährt er mit Wanja zu Werners Hof. Ein Streit oder nur ein Unfall ergriff Wanjas Leben, beförderte sie ins Jenseits. Er bugsierte sie in Lutz Wagen. Der Schlüssel steckte. Verbrachte sie. Er hatte ihr die Ehe versprochen, aber wusste seine Frau davon. Der Klassiker schoss es Christa durchs Gehirn.

Christa kratzte sich am Genick. Ihre Fantasie ging mit ihr durch. Wanja war bereits tot und die Frau Madam X jene, welche Wanja auf den Randstreifen geworfen hatte.
Theo war bei Lutz, sah, dass dieser volltrunken, und ging wieder. In der Zwischenzeit erreichte Madam X mit dem Toyota Werners Hof und läuft Theo in die Armen. Sie kannten sich. Gegebenenfalls war sie eine Verflossene von ihm. Der Kuss! Sie musste ihn küssen, denn zur gleichen Zeit kam Werner aus seinem Haus. Der sie ebenfalls kannte. Theo brauste ab und sie floh durch den Gemüsegarten, da Werner zum Schuppen entschwand.
Christa rieb sich an der Nase. Wer war sie? Kalina schloss Christa aus und Wanja war tot. Zumindest kannte sie Lutz, wie hätte sie sonst ihre Anwesenheit Theo erklärt. Es wäre denn, Theo war der Mörder.


Kaum zu glauben

Den ersten Gedanken eine Großverhandung auszurufen verwarf Christa. Sie hatte Zeit. Zeit, um letzte Indizien zu sammeln. Es war ihr klar, weshalb Theo erschienen war. Er hatte vor, Lutz Wagen zu reinigen, die Spuren zu beseitigen und Fingerabdrücke zu hinterlassen. Denn kein Spezialist der Welt war in der Lage den Zeitpunkt auf Stunden genau zu nehmen. Dafür half keine Reinigung, alle Hinterlassenschaften einer Leiche zu tilgen.

Christa folgte der Stimme von Mick Jagger, welche von Schritt zu Schritt an Intensität zunahm. Bei Jaggers Worten Tell me, sweetie, what's my name? stieß sie das Türblatt zu Lutz Zimmer auf.
Lutz saß wie bei ihrem ersten Besuch vor seinem Laptop, nur mit dem Unterschied, dass er seine linke Hand in ein Gurkenglas versenkte und die Unordnung in seinem Zimmer zu einem Chaos mutiert war.
Die Stones weiterhin in ihren Ohren schrie sie seinen Namen.
Lutz fuhr zurück. »Christa, hast du mich erschreckt. Was machst du wieder hier? Aber wo du hier bist. Hast du gesehen, wo ich meinen Schlüsselbund hingelegt habe?«
Christa schritt auf ihn zu und öffnete ihre Handtasche. »Pardon!« Sie zog den Bund aus ihrer Tasche. »Habe ich aus Versehen eingesteckt. Wollte ihn dir gerade vorbeibringen.«

Lutz fischte eine Gurke aus dem Glas, steckte diese in seinen Mund, schnappte sich den Schlüsselbund und warf ihn auf sein Bett. Ein Geräusch, welches dem Wort Danke ähnelte, quetschte sich über seine Lippen.
»Ich dachte, Theo wäre bei dir?«
Lutz schluckte. »Schon ab! Dessen Scheiß Bayernkarre hat den Geist aufgegeben. Hat irgendwas mit der Kupplung. Stimmt‘s, im Dorf ist ein Mord passiert. Theo sagte, es wimmle von Bullen. Hat’s den Walter, den Fascho erwischt.« Lutz ergriff das Gurkenglas und hielt es in die Höhe. »Gurke?«

Hunger hatte Christa, aber die Vorstellung eine Gurke aus einem Glas zu fischen, in dem vor Sekunden die schwarz unterlegten Fingernägel von Lutz steckten, rief ihr einen Brechreiz entgegen.
»Danke!« Sie strich über ihren Bauch. »Ich habe gefrühstückt.«
Das Knurren ihres Magens ignorierte sie. Sie setzte sich erneut auf den Sessel und überschlug die Beine.
»Warum ruft Theo keinen Pannenservice?«
»Hat einen Termin.«
»Termin?«
Lutz griente. »Er ist seinen Staubsaugern treu geblieben.«
»Staubsaugern?«
»Er hat Morbus Kobold.«
»Was für eine Krankheit?«
Lutz schlug an seine Stirn. »Man, kennst dich nicht aus. Morbus Kobold! Er hat’s mit’nem Staubsauger getrieben.« Er schwang seine Zeigefinger, als rühre er einen Teig. »Zapp, zapp, zapp, da war die Eichel ab.«
Christa zog ihre Augenbrauen zusammen und streckte die Arme von ihrem Körper ab. »Wie?«
Lutz schüttelte den Kopf. »So’n langen hatte er nicht. Nicht so’n Ding zum Hinterherziehen, sondern«, er schob seine Hand vor und zurück, als kehre er mit einem Besen, »so’n Ding, bei dem der Motor am Stil ist.«
»Handstaubsauger?«
»Von mir aus.«
Christa präferierte den Bodenstaubsauger, obwohl Gesine sie davon zu überzeugen versuchte, dass die Saugleistung eines Handstaubsaugers aufgrund der Bauart höher sei.
»Ich dachte, es wäre ein Biss gewesen.«
»Quatsch.«
»Er hat es dir erzählt.«
»Nee, gesehen habe ich es.«
Christa tippte an ihre Schläfe. »Hast es ihm vorgemacht?«
»Bin ich behämmert.«
»Dann hat er es dir gezeigt?«
»Hast du was auf den Ohren. Gesehen nicht dabei. Ich wollte zum Krämerladen von Fred mir nee Brause kaufen. War aber Mittagspause. Ich also auf’n Hof. Lutz legte sich ja immer im Lager auf’s Ohr. Seh durch Fenster und zapp, zapp.«
Christa verschränkte die Arme. »Weil er weiterhin mit Staubsaugern onanierte ist er ihnen treu?«
»Witzig! Nee, hat vor ein paar Jahren beim Hersteller als Klinkenputzer angefangen. Jetzt ist er Sklaventreiber. Das Aushängeschild für die Qualität hat er ja immer dabei.«
»Lutz, du hattest von einem Termin gesprochen, zu dem Theo wollte.«
»Personalmangel. Seit einem dreiviertel Jahr kreist er einmal im Monat in unserer Gegend herum. Dann treffen wir uns am Donnerstagabend, einen zischen. Na ja. Ich gebe mir die Kante. Er trinkt ja nicht. Dann geht er mit seinem Kollegen auf Tour.«
»Kollegen?«
»Ex. Der macht jetzt auf Töpfe und Pfannen. Gastro! Stiller Typ. Hab ihn gestern kennengelernt. Kriegt sein Maul nicht auf.«
Christa kratzte sich am Genick. War es möglich, dass er sich jeden Monat mit Wanja getroffen hatte. Dass er der Serienmörder war, schloss sie endgültig aus. Er hatte kein Motiv. Seine Verletzung hatte eine andere Ursache. Dennoch hakte sie nach.
»Hat er irgendwas mit Prostituierten?«
»Wer? Theo? Nuten?« Lutz zeigte ihr einen Vogel. »Der ist seiner Alten hundertprozentig treu.« Er rieb über seine Lippen. »Obwohl? Man hört es ja oft, dass wenn die Frauen werfen, den Alten nicht mehr ranlassen.«
»Theo hat ein Kind.«
»Philipp! Nein. Nicht Theo. Dem könnt ich meine Braut nackt auf den Bauch binden und er würde nichts passieren.« Er beugte sich vor. »Jetzt sag’s endlich, wenn hat man abgemurkst?«

Christa zweifelte daran, dass Lutz mit dem Tode von Wanja etwas zu schaffen hatte, warf sie in die Tonnen. Dafür war sein Verhalten zu normal. Was konnte sie verlieren? Im Gegenteil, denn es bestand die Möglichkeit, dass Wanja und Kalina sich kannten.
Sie holte ihr Smartphone aus ihrer Handtasche, suchte ein humanes Bild der Toten und zeigte es Lutz.
Er zuckte zusammen. »Wanja!«
»Du kanntest sie?«
»Natürlich kenne – kannte ich Wanja.«
Seine Reaktion zeigte ihr seine Betroffenheit.
»Woher?«
»Ich habe sie vor drei Jahren bei einem Kongress kennengelernt. Hardcore!«
»Hardcore?«
»Tiere befreien, Schiffe kapern und Wände verschönern. Volles Programm halt.«
»Hattest du etwas mit ihr?«
»Ja! Nein! War schon scharf auf sie. Heißer Feger, aber mehr als ein bisschen rumknutschen war nicht drin.« Er hob die Schulter. »Sie war nicht so weit. Nicht am Ende ihres Weges.« Er schlug mit der Faust auf sein Bett. »Dann sehe ich sie vor einem Jahr aufgetakelt mit so einem Bonzen in Hamburg.«
Christa spitze die Ohren. Hatte sie sich getäuscht.
»Eifersucht?«
»Wie ich? Die kann ficken, mit wem sie will. Nee, ich habe dir gerade gesagt mit so’n Bonzen. So’n Typ, dem die Firmen gehören, welche die Tiere quälen. Sie hat die Seite gewechselt, unsere Ideale verraten.« Er schlug sich mehrmals an die Stirn. »Bin ich doof! Ich hätte sie beschützen müssen, anstatt ihr Vorhaltungen entgegenzuwerfen.«
»Du hast sie getroffen? Wann?«
»Gestern bei Günter.«
Christas Instinkt sagte ihr, dass sie auf dem rechten Weg war.
»Deswegen warst du bei ihm, nicht wegen Benno.«
»Ach, ich wusste gar nicht, dass sie dar war. Habe Benno Dope aus Holland mitgebracht. Aber das spielt keine Rolle. Der Dreckstyp hat sie umgebracht.«

Christa verstand nur Bahnhof. »Warum sollte ihr Verlobter sie ermordet haben?«
Wenn er überhaupt einer war, dachte sich Christa.
»Wieso Verlobter?«
Christa biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte gegen eine eiserne Regel verstoßen. Niemals Zeugen oder mutmaßlichen Tätern Indizien preiszugeben.
»Habe ich das gesagt?«
»Ja!«
»Vermutung. Sie hatte was mit ihm, wie du erzählt hast, und sie ist Bulgare.«
Den Ring verschwieg sie.
»Kalina und ich sind auch nicht verlobt, trotzdem vögeln wir.«
Christa versuchte aus der misslichen Lage herauszukommen. »Wo ist deine Freundin geboren?«
»In Bremen.«
Sie klatschte in die Hände. »Ziehst. Das ist der Unterschied.« Christa legte einen darauf. »Hättest du dich damals mit ihr verlobt, dann wärt ihr jetzt ein Paar.« Sie zwinkerte. »Sie war nicht so weit.«
»Geht nicht. Er ist verheiratet.«
Christa verschränkte ihre Arme. »Das weißt du?«
Lutz klopfte auf sein Laptop. »Was glaubst du, worüber ich meine Promotion schreibe?«
»Wanjas Freund?«
»Quatsch. Um es mit einfachen Worten zu sagen, Ökonomie und Ökologie von internationalen Tiertransporten.« Er beugte sich vor, bis seinen Lippen Christas Ohr berührten. »Die Bombe!«


Wanja in geheimer Mission

Was Christa von Lutz erfuhr, schlug ihr fast die Hacken weg. Wanja war kein Mauerblümchen, sondern eine vernarrte Tierschützerin. Er kannte die Geschichte vom Hörensagen, wenn die Hälfte zutreffend war, dann ging sie weit, sehr weit.
Bei einer Befreiung von Versuchstieren lenkte sie den Pförtner ab. Nicht mit guten Worten oder zureden, sondern mit dem Einsatz ihres Körpers. Während sie ihre Beine spreizte, dem Pförtner Einlass gewährte, verhalfen ihre Kumpane den Tieren zur Flucht. Dass der Pförtner nie über sein Verfehlen sprach, lag auf der Hand.
Lutz berichtete ihr von den abscheulichen Tiertransporten. Rinder, die von Norddeutschland in den Balkan verfrachtet würden, dort undeklariert, als Gerippe im Nahen Osten anlandeten, um diese dort zu schächten.
Der Mann, welchen Christa für Wanjas Verlobten hielt, war einer der Drahtzieher. Wanja hatte sich an diesen, wie Lutz vermutete, herangemacht, ihn bezirzte. Mit der Macht einer Frau hatte sie ihm seine Geheimnisse entlockt.

»Lutz okay. Gehen wir davon aus, dass Wanja irgendwie an irgendwelche Information gekommen war und diese in irgendeiner Weise ans Tageslicht befördern wollte. Warum sollte er ihr etwas antun?«
»Weil es ein Schwein ist. Der wäre fertig.«
»Glaubst du dieses wirklich?«
»Nein! Es gibt Kurzschlusshandlungen.«
»Weißt du, wie er aussieht? Hast du ihn gestern gesehen?«
»Ersten habe ich Wanja mit ihm gesehen. Zweitens ist sein Foto in jeder Managerzeitung und drittens nicht direkt.«
»Wie nicht direkt?«
»Seine Bonzenkarre habe ich gesehen.«
»Die du kennst?«
»Nein. Eine dicke, fette schwarze Limo mit Hamburger Kennzeichen auf Günters Campingplatz. Wer soll das sein? Außerdem stand diese neben Wanjas Zelt.«
»Warst du in ihrem Zelt?«
»Nein. Bin nach dem Streit hinter ihr her. Wanja ist in ihr Zelt und hat mir einen Stinkefinger zugeworfen.«
»Wo ist ihr Zelt?«
»Neben dem Eingang vom Männerclo.«
»Parkte die Limousine, vor oder nachdem du an ihrem Zelt gewesen warst, an der Stelle?«
»Definitiv danach. Ich war mit Sabine ein Karnickel holen. Sonntagsbraten weißt. Als wir zurückkamen, stand die Kiste da.«

Christa zupfte an ihrem Kinn. »Wo war Kalina gestern?«
»Was hat meine Braut damit zu schaffen?« Er lehnte sich vor. »Ich verstehe, du verdächtigst mich, wegen Alibi und so.« Er stützte sich auf dem Bett auf. »Wir waren zusammen.«
»Den ganzen Tag?«
Lutz klopfte auf den Deckel seines Laptops. »Wann ist - na ja – du weißt schon Wanja?«
»Darf ich dir nicht sagen.«
»Wird abends passiert sein, sonst wären die Bullen gestern hier aufgeschlagen.«
»Deine Vermutung. Also wann? Den ganzen Tag kann es nicht gewesen sein, denn du warst mit Werner in Holland.«
»Okay, aber weder meine Braut noch ich haben irgendetwas mit dem Tod von Wanja zu tun. Wir trafen uns am Nachmittag in Uetze.«
»Wo?«
»Im Hotel.«
»Weshalb?«
»Das fragst du?«
»Was hat sie vorher gemacht?«
»Ich habe sie vom Bahnhof abgeholt. Sie war drei Wochen in der Heimat ihrer Eltern.«
»Strandurlaub?«
»Quatsch! Verwandtenbesuch.«
»Warum?«
»Christa, du fragst einen Bullshit. Warum wohl?«
Lutz strich über seinen Bauch.
Christa plusterte sich auf. »Alle wissen es, einzig dein Vater nicht.«
»Sind auch nicht solche Stinkstiefel wie er.«
»Was habt ihr gemacht? Wie lange wart ihr zusammen?«, fragte sie und klatschte in die Hände.
Lutz schüttelte den Kopf. »Hey, wir haben uns drei Wochen nicht gesehen. Gefickt haben wir, was sonst.«
»Wie lange?«
»Du wirst intim.«
»Wie lange wart ihr zusammen?«
Lutz blickte gen Zimmerdecke. »Bis wir uns gestritten haben.«
»Gestritten?«
»Kinderkacke! Meine Braut will das Kinderzimmer in Rosa und ich in Weiß. Sie ist raus und ich bin hinterher. Ich habe sie nicht eingeholt. Dann musste ich zu den Kaninchen. Wir haben uns wieder vertragen. Heute Morgen habe ich sie auf der Arbeit angerufen.«
Christa grinste. »Wer hat gewonnen?«
»Wer wohl?«
»Wenn es ein Junge wird?«
»Meinst den interessiert die Farbe des Kinderzimmers.«
Christa strich über ihr Genick. »Wir haben eine Lücke, zwischen eurem Streit und dem Telefonat.«
»Hätten wir uns nicht gestritten, wäre sie sowieso gleich zu ihrer Freundin gefahren.«
»Mit dem Zug.«
»Nein! Mit ihrem Wagen.«
»Lutz?«
»Ihr Wagen hatte sie in Uetze geparkt, bevor sie nach Bulgarien gefahren ist.«
»Name?«
»Blümchen«
Sie verdrehte ihre Augen. »Von ihrer Freundin?«
»Kenne ich nicht. Ich weiß nur, dass sie sich einmal im Monat mit ihr trifft. Wir vertrauen uns.«
»Das freut mich. Was machst du, wenn sie mit ihrer Freundin unterwegs ist?«
»Habe ich dir gesagt. Ich treffe mich mit Theo.«
Christa stand auf. »Dann lasse ich dich in Ruhe arbeiten.«

Sie schritt zur Zimmertür, umfasste die Türklinke und wandte ihr Gesicht Lutz zu. »Eine Frage habe ich noch.«
»Bitte!«
»Kannten sich Wanja und Kalina?«
»Ja.«
»Waren sie Freundin?«
»Nee!«
Christa schlug sich an ihrer Stirn. »Du und Wanja. Klar.«
»Hey! Ich habe dir erzählt, ich hatte nichts mit ihr.«
»Hatte. Du hast, hatte, gesagt.«
Lutz runzelte seine Stirn. »Sie ist tot.«
»Stimmt.« Christa schritt auf Lutz zu. »Woher kannten sie sich?«
»Ich lernte«, er räusperte, leckte über seine Oberlippe, »Kalina durch oder mit Wanja kennen oder so ähnlich.«
»Klare Sätze helfen weiter.«
»Es war bei einem Kongress in Holland.«
»Immer Holland.«
»Der Hauptsitz meiner Organisation ist in Amsterdam.«
»Ach so!«
»Sie hatten ein gemeinsames Zimmer.«
»Somit kannten sie sich.«
»Nein! War Zufall. Meine Braut war Gastrednerin.« Er schloss seine Augen. »Ich habe sie zuvor nie gesehen«, er hob sein rechtes Augenlid und fuhr fort: »und Wanja? Ich habe keinen blassen Schimmer, weshalb sie da war. Am Abend sind ein Kumpel und ich mit einer Flasche Wein auf das Zimmer der Mädels.«
Christa tippte sich an ihre Schläfe. »Du Holland und Wein.«
»Okay! Ein paar Joints. Ich habe mich an Wanja und mein Kumpel an sie herangemacht.«
»Langsam für eine alte Frau. Du hast mir erzählt, dass du Kalina bei der Arbeit kennengelernt hast.«
»Stimmt! Ist ein Kongress ein Vergnügen. Ich verstehe? Meine Braut arbeitet in der Uni«, er stockte, dann schoss »Bremen« über seine Lippen.

»Einverstanden. Kommen wir wieder zu deinem Vergnügen. Ihr habt euch unterhalten.«
»Jetzt spinnst du. Ich gehe nicht auf ein Zimmer mit zwei Mädels für einen Small Talk. Ich habe Wanja vernascht und mein Kumpel ...«
»Ich dachte, du hast nie mit Wanja.«
»Habe ich nicht. Wir haben uns geküsst und ich habe an ihren Titten herumgespielt. Wir brauchten Nachschub. Ich habe den Kürzen«, Lutz grinste, »besser gesagt, den Längeren gezogen. Ich bin zum nächsten Coffeeshop. Als ich zurückkam, war Wanja besetzt.«
»Besetzt?«
»Bist du bieder. Wanja lag die Beine gespreizt auf dem Bett. Mein Kumpel klemmte zwischen ihren Schenkeln, hob und senkte sein Becken. Was haben die wohl gemacht?«
»Du bist dann raus und hast Kalina gesucht?«
»Warum sie saß im Sessel?«
Christa kniff ihr linkes Auge zu. »Hat sie zugeschaut?«
Lutz zuckte mit den Achseln. »Ob sie den beiden beim Vögeln zugesehen hat, kann ich die nicht sagen, jedenfalls hat sie nicht ihre Fußnägel lackiert. Jedenfalls habe ich ihr ausgeholfen.« Er schloss seine Augenlider. »Hat gleich Wum gemacht. Seitdem sind wir ein Paar.«

»Dein Damenbesuch gestern. War die Dame Kalina?«
»Gehe davon aus.«
»Bitte!«
»Ich war knülle. Jedenfalls«, er deute auf das Etuikleid, »ist das ihr Fummel oder glaubst du, ich schleppe sternhagelvoll irgendwelche Weiber an. Dann in Schnuckeheide.«
»Das ist ihr Kleid?«
»Hundertpro! Auf der Brust ist das Symbol meiner Organisation.«
Christa zog ihre Augenbrauen zusammen und dachte an ihren Bankberater. »Dann ist es dein Kleid.«
»Nimmst du Drogen? Versteh!« Er lachte. »Meine Braut hat ein paar Mal bei Spendensammlungen ausgeholfen.«
»Wann war sie bei dir?«
»Ich war dicht.« Er leckte über seine Oberlippe. »Warte ich überlege. Nachts bin ich raus. Pinkeln! Dabei bin ich auf meine Uhr getreten. Mein Alter schnarchte vorm Fernseher.«
»Wie spät war es?«
»Warte, das haben wir gleich.« Er zog seine Beine auf das Bett, robbte zum Kopfende, lehnte sich über die Bettkante und wühlte durch seine Ordnung. »Ich habe sie vorhin gesehen. Das muss hier gewesen sein. Ja! Da ist sie.« Er kroch zurück zu seinem angestammten Platz und überreichte Christa seine Armbanduhr. »Ich muss das Glas kaputt getreten haben.«
»Zehn vor zwölf«, murmelte Christa.
»Plus minus einer Viertelstunde, so genau nehme ich es nicht.«
»Kann ich die mitnehmen?«
»Von mir aus, die ist eh hin.«

Christa verließ den Raum. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Lutz war glücklich. Hauptsache er bekam es nicht raus, dass Kalinas Freundin Theo hieß. Von ihr auf keinen Fall.


Weiter zu
Oh Günter
 
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