Hey!
Vielen lieben Dank für die Kommentare und Bestirnungen!
Deine Idee, Scal, dass hier die Liebe zur Dichtung selbst besungen wird, gefällt mir richtig gut - ich hab es persönlich tatsächlich eher als ein persönliches Liebesgedicht konzipiert - aber ich glaube, ich "klau" mir Deine Interpretation, zumindest als eine Nebendeutung
Bei dem Titel „Beschwerde vom Versiegen“ müsste das Versiegen = LI selbst sprechen. Das fände ich übrigens ziemlich interessant.. Mal was anderes.
Was Dich hier hier irritiert hat, Wolke9, war, wenn ich das richtig verstehe, das Wörtchen "vom" im Titel, welches Woke im Sinne einer Urheberschaft auffasst, also so, dass eine Art personalisiertes Versiegen, der Urheber des Gedichts bzw. sein Sprecher ist. Tatsächlich kann man aber "vom" ja auch im Sinne einer Objektbezeichnung verwenden, also praktisch Bedeutungsgleich mit dem Wörtchen "über". Für so eine Verwendung des Wörtchens "vom" als Bezeichnung für den besungenen Gegenstand (und nicht den Urheber des Sanges) gibt es ja in der Lyrik viele Beispiele, v. Hofmansthal (Ballade vom kranken Kind), Brecht (Legende vom toten Soldaten), Krolow (Terzinen vom früheren Einverständnis mit aller Welt), Biermann (Ballade vom preußischen Ikarus).
Der andere Aspekt, den Du beanmerkst, ist dass Dir nicht ganz klar wurde, was hier nun eigentlich beklagt wird. Wenn man aber das "vom" als Objektbezeichnung versteht, ist zumindest klar, dass das "Versiegen" beklagt wird. Nun ist im Gedicht vom "Versiegen" im Sinne eines Trockenfallens (eine versiegende Quelle) nicht die Rede, hingegen aber natürlich durchaus vom Siegen, das als etwas Schechtes dargestellt/beklagt wird. In dem Sinn ist das "Versiegen" also (auch) als Neologismus zur Bezeichnung eines schlechten Sieges zu verstehen ("ich habe mich versiegt" als eine ähnliche Fügung wie: "ich habe mich verlaufen"). Das "Versiegen" im herkommlichen Sinn, also im Sinn von zum Erliegen kommen, austrocknen etc. ist aber natürlich auch mitgemeint. Die Zeilen atmen ja einen gewissen abgeklärten Pessimismus des Alters. Wer mag, kanns natürlich dann auch sexuell ausdeuten, das ist zwar def. nicht in meinem Sinn... aber die Gedanken sind ja frei...
LG!
S.