Lieber Walther!
Großes Thema, und anlaßgeboten, wie vor wenigen Jahren mein Gedicht über die Gottesliebe der Sufis, anläßlich des großen Attentats des Da-Isch auf die Sufimoschee auf dem Sinai. Auch da ging es um das Gottesbild religiöser Attentäter, deren Haß sich in erster Linie und mit den größten Opferzahlen gegen die "Gott ist Liebe-Mystiker" richtet.
Ich will mir das mit der Parteilichkeit aller Guten nicht einfach machen, mit der Gemeinsamkeit aller Vernünftigen oder mit dem common sense anspruchsvoller Dichter. Du weißt auch, daß es Dich ehrt, wenn Dein Gedicht kritisch aufgefaltet wird. So ist es jedenfalls gemeint.
Die Frage kennt nur noch ihr Widerhallen:
Ob Gott ein Gott ist, der die Mörder ruft.
Ob Gott ein Gott ist, der mit lautem Knallen
Von Karabinern beten lässt.
Im verwirrenden Einstieg hallt vielleicht etwas von Verwirrung wieder, von Bestürzung. Es ist aber nicht in der Einzelsituation gefangen, etwa Vorwurf und Beschuldigung, sondern reflektiert sich theologisch an der umfassendsten Sphäre, der himmlischen. Das interessiert mich besonders.
Ein Schuft
Wär dieser Gott, kein Herr der Welt, kein Zeichen
Von Menschenliebe, Schöpfungsliebe:
Das sehe ich distanziert, kühl: Die Gegenposition zu einem Gott, der durch die Gewehrläufe spricht wie die rechthaberische ewige Wahrheit in Mau ze Dongs Revolutionsparolen oder durch das Märtyrerpathos der beleidigten Leberwürste - ist vielleicht nicht so sehr ein "Herr der Welt" mit "Menschenliebe" oder "Schöpfungsliebe", als vielmehr die absolut offene Kommunikation, das Selbstbeweis-Gespräch des sich in der Erscheinungswelt entfaltenden und in Myriaden Individuen vervielfachenden hen kai pan. Gott nicht als "Herr". sondern als die "Freiheit" selbst.
Es hat schon einen tiefen Sinn, daß der Ausdruck "Fürst der Welt" im Johannesevangelium nicht gerade den himlischen "Vater" meint. Ja, gewiß: in der ersten Koransure wird "rabbi alamina" unreflektiert üblicherweise so übersetzt, als wäre die um mindestens tausend Jahre ältere Bedeutung von "rabbi" nicht die des "Meisters", des Lehrers (wie "kyrios" bei Paulus nicht mehr den Gott bezeichnet, sondern Christus als Todüberwinder und Lehrer), und "alamina" in den gleichfalls über tausend Jahre älteren hebräischen Texten die Weltzeitenkreise (nicht die Dingaufhäufung, zu denen die "Welt" Alltagsbegriff verkommt). Der "rabbi l' °alamina" wäre in dieser Verwurzelung weniger der "Herr der Welten" als vielmehr der "Lehrer der Zeitenkreise", wenn die Koranleser den Koran ernstnähmen, der die hebräischen Texte durch und durch zur Grundlage hat und die hebräische Sprache als ältere Schwester des Koranarabischen. Ohne das Alte Testament versteht man doch den Koran nicht, er setzt die Kenntnis der Erzählungen dringend voraus, zum Beispiel die Josephs-Geschichte, wie sie in Sure 12 gerade mal angerissen wird - verständlich nur durch gründliches Vorweg- oder Nachlesen im Genesisbuch.
Nein,
Er würde nur den schlimmsten Teufeln gleichen.
Kein Engel würde mit und um ihn sein,
Du kennst gewiß Miltons Messias, der in einer Art Panzer-Maschine auf die armen Teufel niedersaust. Mein Meister William Blake fand das toll. Ich war entsetzt (aber ich liebe Blake und versuche ihn zu verstehen).
Und keine Jungfrau würde ihn erwarten.
Das Paradies wär nicht und auch kein Eden;
Im Ernst?
Nicht zu vergessen: Im Magnifikat (Lukas), wo die junge Säure Maria der alten Base Elisabeth begegnet, singen die beiden ein gesalzenes Lied auf den Sturz der Weltenherrscher. Martialisch, revoluzionär, Dichtung aus den Gewehrläufen.
Weil alle guten Geister Mörder fliehn.
shure?
grusz, hansz