Ich kenne das blaue Brückenwunder in Dresden zwar nicht,
doch ganz gleich wie baufällig die Brücke bereits ist, dieses Sonett übertrifft sie in dieser Hinsicht um ein Mehrfaches, denn ich kann im Sonett "Das Blaue Wunder" keinen roten Faden finden, alles wirkt zusammengesucht und in sprunghaften Bildern zugleich auf sprachlich prekäre Weise ausgedrückt.
"Sie spannt sich über weite Wassertiefen. Die Sonne hängt in ihren starken Streben und ruht sich aus."
Demnach ruht sich die Sonne hier aus.
"Sie trägt mit stillem Beben, die über sie geschritten sind."
Die Sonne wird's wohl doch nicht sein, aber der Satz ist so schlicht wie falsch. Wer bereits über die Brücke geschritten ist, den trägt sie nicht mehr.
"Die Riefen im Makadam, der ihre schlanken Planken bedeckt, sind von den vielen Fahrzeugrädern, die Wegen folgen, die sich flüchtig ädern, gefräst."
Ein schrecklicher Satz, der mittels drei Relativsätzen auf Spurrillen hinweist. Ob gefräste Riefen und geäderte Wege dafür ein passendes Bild abgeben, möchte ich bezweifeln.
"Man sieht, wie Masten zitternd schwanken, wenn viele Tonnen auf den Trägern lasten."
Wozu der plötzliche Wechsel auf die technische Sprache? Lasten nicht immerzu viele Tonnen auf den Trägern? Lässt sich ein Zittern der Pfeiler (hier als Masten bezeichnet) tatsächlich beobachten?
"Die Winde flüstern in den Tragwerkaugen, in denen immer wieder Vögel rasten."
Dünne Stahlstreben vermögen keine "Augen" zu bilden. Das zweifache "in den" mit seinen lapidaren Feststellungen wirkt sprachlich platt und banal.
"Das Rosten bräunt den Stahl."
Zweifellos. Ein Satz so tiefgründig und lyrisch wie "Wasser wäscht die Wäsche".
"Die blauen Laugen bedecken noch die Brüstung, und ein Hasten will alles auf die alte Brücke saugen."
Laugen bedecken die Brüstung? Und nun ein saugendes Hasten? Ist das jetzt alles expressionistisch zu verstehen?
Für mich ergibt das Gedicht wenig Sinn und keine Einheit. Worum geht es eigentlich? Eine Brücke, die schon viel mitgemacht hat und nun vor sich hin wackelt und rostet. Ja und? Wo bleibt hier das Wunder? Ich kann keines finden. Wer würde, allein mit den zitierten Sätzen (ohne Vers-Teilung) auf die Idee kommen, ein Sontett vor sich zu haben? Für mich bleibt das Prosa im Gewand der Lyrik.
Enttäuscht.
JB