Das Ende eines karibischen Idylls

onivido

Mitglied
Oliver war allein. Seine Söhne waren ausgewandert. Auch seine Ehefrau hatte es vorgezogen nach Europa zu übersiedeln und ihre Schwiegertöchter mit periodischen Besuchen zu beglücken. Er hatte sich in einem Häuschen am Rand eines kleinen Fischerdorfs niedergelassen. Häuschen war nicht ganz zutreffend. Es war nicht viel mehr als eine Hütte, aus Ziegelsteinen erbaut, mit einem Wellblechdach und dem Luxus eines Badezimmers und eines Computers.
Man hätte das Dörflein paradiesisch nennen können. Es schien vor sich hinzuträumen, eingeklemmt zwischen einer Cordillera, die schroff in den tropischen Himmel ragte und einer palmenbewachsenen Bucht. Auf den Steilhängen um das Dorf gediehen unter den Baumriesen Café- und Bananenstauden. Mangobäume spendeten Schatten zwischen den meist aus Lehm gebauten, weiss getünchten Häusern. Auf dem Landweg war der Ort nur über eine enge Schotterstrasse zu erreichen. Sie schlängelte sich von nebeliger Höhe hinunter zum Meer durch düsteren Regenwald und Schlammlöcher, manchmal nur einen Fuss breit von tödlichen Abgründen entfernt. Dies half den Ausflügleransturm an den Wochenenden in Grenzen zu halten. Dennoch hatte sich das Leben im Dorf gewandelt. Die Zeit war nicht stillgestanden. Eine Flasche Rum zum gerösteten Fisch und dem gelegentlichen “baile de tambor “– dem Tanz zu den Trommeln waren jetzt nicht mehr genug. Motorräder, Fernseher, Videokameras, Mobiltelefone, Playstations und Laptops hatten ihren Einzug gehalten. Viele der jungen Leute aus dem Dorf arbeiteten in den Grossstädten, hausten dort in den Elendsvierteln und hatten Slum-Gewohnheiten eingeschleppt. Diebstähle und Drogenhandel waren die Folge.
Oliver lebte bescheiden von seinen eigenen Avocados, Mangos und Bananen und dem Erlös aus gelegentlichen Computerarbeiten.
Im Dorf munkelte man, er hätte Geld, sei nur zu geizig um es auszugeben. Das verhalf ihm trotz seines fortgeschrittenen Alters, - vor einer Woche hatte er seinen dreiundsiebzigsten Geburtstag nicht gefeiert, - zur Aufmerksamkeit der mehr oder weniger stark pigmentierten, welkenden Dorfschönheiten.
Patricia hatte sich die Ungunst mehrerer Geschlechtsgenossinen zugezogen, weil Oliver gerne eine Fischsuppe bei ihr ass. Ihre Neiderinnen tuschelten über nächtliche Besuche Patricias im “Rancho” Olivers. Das war zwar nur ein Gerücht, aber Abelardo, der Eigentümmer eines Peñeros hatte die beiden einmal nach Chichiriviche mitgenommen. Das ist ein von Touristen überlaufener Ort, ein gutes duzend Seemeilen entfernt. Dort hatte Oliver Patricia in der Boutique eines Hotels eine “manta guajira” gekauft, ein farbenprächtiges, knöchellanges Kleid, wie es die Wayuufrauen tragen. Sie hatte es nach der Anprobe nicht mehr abgelegt. Danach hatten sie im Hotel gegessen und sogar getanzt.
Das berichtete Abelardo und Abelardo war ein Mann der selten lügte und fast nie übertrieb.
“Una manta guajira! Wahrscheinlich damit er ihre Fettpolster nicht sieht”, geiferte Inocencia, als ihr die Sache zu Ohren kam.
“Na, und ihr Riesenarsch fällt auch nicht so auf “, ergänzte Juana.
“Ihr seid ja nur neidsch”, spottete Sujei eine Nichte Patricias, die jung und hübsch genug war, um solche Gefühle nicht zu hegen, “weil sie keinen Fettwanst hat wie ihr.”.
Und so kam es, dass Oliver trotz seines bescheidenen Lebenswandels in den Ruf eines begüterten Mannes kam. Die Geschichte ging von Mund zu Mund, verbreitete sich von Dorf zu Dorf und Oliver wurde beim Weitererzählen immer wohlhabender und schliesslich war er als reicher Eigenbrödler bekannt.
An dem Tag, an dem sein beschauliches Dasein ein plötzliches Ende fand, war er gerade von einem morgendlichen Strandbesuch zu seinem Häuschen geschlurft, hatte sich unter der Dusche das Salz von der Haut geschwemmt und döste in der Hängematte unter dem Vordach.
Ein Stoss, er fiel auf den Steinboden, versuchte aufzustehen, erhielt einen Fusstritt, fiel wieder und blieb liegen.
“Steh auf alter Drecksack! Rück deine Moneten raus!”
Jemand packte ihn an der Schulter und zerrte ihn nach oben. Oliver sah drei bullige Männer. Einer hatte eine Pistole auf ihn gerichtet; eine Pistole wie sie Polizisten im Dienst benutzten. Sie hatten ihre Gesichter nicht vermummt. Das bedeutete, dass es ihnen nichts ausmachte, wenn er sie wiedererkennen konnte. War das sein Todesurteil?
Oliver hob den Blick und sah die Laubkrone seines Mangobaumes. Was würde aus seinem Lieblingsbaum werden, wenn sie ihn umlegten? Würde man ihn absägen, um das Haus vergrössern zu können? Wann würden seine Söhne von seinem Tod erfahren? Was würde seine Frau sagen?
“Selber schuld! Er wollte ja unbedingt in diesem Land bleiben.”
Würde jemand eine Träne nach ihm weinen?
Patricia? Wer weiss?
Er hatte keine Angst vor einem schnellen Tod. Alt genug war er. Besser so, als ein einsames Dahinsiechen. Aber dennoch, von diesem Abschaum würde er sich nicht hinrichten lassen, nicht kampflos. Er war ein alter Mann, aber eben ein Mann.
Aus den Augenwinkeln sah er Patricia auf das Haus zukommen. Noch ehe er einen Warnschrei ausstossen konnte, war einer der Gangster an ihrer Seite und presste ihr eine Pistole in die Rippen.
“Komm her, Negra! Sieh mal, wie dem alten Knacker die Knie schlottern vor Angst.”
Patricia stiess einen schrillen Schrei aus. Ein brutaler Schlag ins Gesicht liess sie verstummen. Der Mann zerrte sie ins Innere der Behausung. Die beiden Typen an Olivers Seite schoben ihn hinterher.
“Damit du siehst wie man eine Frau richtig fickt.”
Der Mann an der Seite Patricias versuchte sie auf den Rücken zu zwingen, aber da sie keineswegs zierlich gebaut war, versagte er kläglich. Er nahm die Pistole zu Hilfe.
“Auf den Boden, puta!” schrie er sie an.
Oliver hinkte einen Schritt auf die beiden zu, stolperte und fiel zu Boden. Auf den Knien krabbelte er auf sein altes Fernsehsofa zu. Ein Fusstritt in sein Gesäss ; bäuchlings schlitterte er auf dem gewachsten Tonfliesenboden mit dem Kopf gegen das Möbel. Seine ausgestreckten Arme waren bis unter das Sofa gelangt. Als er sich auf den Rücken drehte und die Arme unter dem Sofa hervorzog, hielt er eine Glock in der rechten Hand. Sein erster Schuss traf den Mann in den Bauch. Der zweite ins Gesicht. Er fiel auf Oliver. Der Kerl, der Patricia bedroht hatte, zielte auf Oliver. Drei Kugeln durchbohrten ihn, ehe er abdrücken konnte. Die Waffe des überlebenden Banditen klemmte. Er flüchtete.
Patricia wimmerte leise. Oliver umarmte sie.
“Es ist schon alles vorbei”, flüsterte er und küsste sie auf die Stirn. So standen sie aneinandergeklammert, bis sich die ersten Dorfbewohner näherten, von den Schüssen angelockt, mit Macheten und Schrotflinten bewaffnet.
“¡Cuida la casa, mi reina!” sagte er, - “pass auf das Haus auf!”
Patricia schwieg.
“Ich muss für eine Weile verschwinden”, erklärte er.

“Ultimas noticias “– Zwei Agenten der Policía Nacional wurden gestern bei einer Hausdurchsuchung in Puerto Cruz kaltblütig ermordet. Der mutmassliche Täter befindet sich auf der Flucht…..

Peñero: offenes Fischerboot mit Aussenbordmotor
Manta Guajira:
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo onivido, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Deine Geschichte finde ich gelungen, Du solltest nur noch ein paar kleinere sprachliche Unebenheiten glätten (z.B. hat er seinen Geburtstag sehr wohl gefeiert, er war ja nicht verstorben. Du meintest, dass er kein rauschendes Fest gegeben hat, nehme ich an.). Den Link am Ende habe ich entfernt, das ist unzulässig, Du müsstest den Begriff kurz erklären.


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 

Wipfel

Mitglied
hi onivido,

flott erzählt - mit einigen Ungenauigkeiten.

Der Kerl, der Patricia bedroht hatte, zielte auf Oliver. Drei Kugeln durchbohrten ihn, ehe er abdrücken konnte.
Bezugsfehler. Demnach ist Oliver tot.

“Ich muss für eine Weile verschwinden”, erklärte er.
So wie es aussieht muß er nicht nur für eine Weile verschwinden, oder? In seinem vorgerücktem Alter wird er eine Verjährung nicht erleben. Und auch nicht gesellschaftliche Verhältnisse, die einen fairen Prozess in Ausicht stellen...

Gern gelesen

Grüße von wipfel
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo onivido,

so ganz überzeugt mich Deine erste Geschichte nicht – ich sehe sie als schnell geschriebene, mit Fehlern behaftete Räuberpistole ohne große Spannung.

Dass Du grundsätzlich kein „ß“ verwendest, lässt auf eine ausländische Tastatur schließen. Das kann man durchgehen lassen.

Allerdings sehe ich einige Logikfehler in dieser Geschichte, z. B. würde ich bei der paradiesischen Lage der Wellblechhütte nicht vermuten, dass hier ein Computer-/Internetanschluss zum Arbeiten besteht. Aber ich weiß nicht wirklich, was heute alles technisch möglich ist.
Auf den Steilhängen um das Dorf gediehen unter den Baumriesen Café- und Bananenstauden.
Soweit ich weiß, ist die Kaffeepflanze (richtige Schreibweise) keine Staude, und dass Bananen und Kaffee auf gleicher Höhe unter Palmen wachsen, möchte ich zumindest bezweifeln. Aber ich lasse mich gerne belehren.

Den Eigenbrödler schreibt man übrigens mit t, das Imperfekt von lügen heißt log. Über einige Kommas solltest Du auch noch einmal nachdenken.

Gruß Ciconia
 

onivido

Mitglied
@DocSchneider
Guten Morgen,
Herzlichen Dank fuer die Begruessung und den Hinweis auf die Geburtstagsfeier. Der Nebensatz sollte ausdruecken, dass der Umstand 73 Jahre alt geworden zu sein, kein Grund zum Feiern fuer den Oliver war. Die Tips fuer Neulinge habe ich jetzt auch gelesen.
Wuensche einen schoenen Sonntag///Onivido
@Wipfel
Hi,
Da habe ich also den guten Oliver umgebracht , bevor er die Boesewichte erledigen konnte. Pech gehabt. Ich gelobe mich zu bessern. Vielleicht bringe ich es hin mit der Zeit.
Das mit dem Verjaehren wird bei uns nicht so genau genommen. Bei der Zahl der gewaltsamen Todesfaelle vergisst man sowas einfach, oder es wird unter den Tisch gekehrt. Es koennte auch sein, dass der tatsaechliche Sachverhalt aufgeklaert wird. Eher unwahrscheinlich. Wichtig ist zunaechst den Fall zu beruhigen.
Danke fuers Lesen und den Kommentar.
Gruesse///Onivido
@Cicona
Hallo Ciconia,
Ja, das mit der Spannung ist nicht mein Ding. Ich bring das einfach nicht zustande. Wenn ich was schreibe, ist das immer mehr ein Bericht, als eine Geschichte. Zu deinen Einwaenden:
Das mit der auslaendischen Tastatur stimmt. Die Umlaute schreibe ich mit “alt 132,alt 148, alt129”. Das “scharfe S” habe ich nicht gefunden. Offensichtlich ist es so unnoetig wie eine Blindarmentzuendung und wurde deshalb nicht beachtet.
Schlimm,das mit dem “luegte”. Ich bitte um Nachsicht. Meine Umgangssprache ist Spanisch, meine Muttersprache ist Bairisch, meine Schulsprache ist Deutsch. Da habe ich offensichtlich in der Schule nicht aufgepasst, vielleicht getraeumt, oder ich habe es einfach vergessen. Einer der Gruende warum ich versuche Geschichten zu schreiben ist, dass es mit dem Vergessen nicht allzu schlimm wird. Ich benuetze zwar eifrig das Portal Deutscher Wortschatz, aber wie ich sehe nicht oft genug.
Internetanschluesse koennen ebenso wie Fernsehempfang drahtlos vermittelt werden. Das ist bei den meisten abgelegenen Doerfern der Fall. Neuere Techologie kann auch Stromleitungen zur Datenuebertragung benutzen.
Nun das mit den Kaffeestauden. Da habe ich wieder ein Problem. Was ist der Unterschied zwischen einer Staude und einem Busch. Die Kaffeepflanzen die hier gedeihen sehen alle eher wie Buesche aus, nicht wie Baeume. Ja, und sie werden zusammen mit Bananenstauden und Kakaobaeumen zwischen hohen Baeumen angepflanzt. Das heisst im Regenwald wird nur das Unterholz gerodet und die Nutzpflanzen werden zwischen den grossen Baeumen (Schattenspender) gepflanzt. Das gilt allerdings nur fuer sogenannte “conucos”, dass heist Pflanzungen fuer den Eigenbedarf und dem Verkauf des Ueberschusses, nicht fuer industriellen Anbau.
Jetzt moechte ich mich fuer den ausfuehrlichen Kommentar bedanken und eine vergnueglichen Tag wuenschen.
Gruesse///Onivido
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo onivido,

danke für Deinen erklärenden Kommentar – dann wird es wohl alles so sein, wie du geschrieben hast. Da habe ich in Bezug auf die Technik wieder etwas dazugelernt!

Danke auch für die Erklärung der “conucos“, auch dieser Begriff war mir neu.

Ich hoffe, Du verlierst nicht den Mut im Umgang mit Deiner Muttersprache. Es wird hier immer genügend "Lektor/Innen" geben, die Dich gern unterstützen. ;)

Ich freue mich auf weitere abenteuerliche Geschichten aus dem schönen Venezuela!

Gruß Ciconia
 

onivido

Mitglied
Oliver war allein. Seine Söhne waren ausgewandert. Auch seine Ehefrau hatte es vorgezogen nach Europa zu übersiedeln und ihre Schwiegertöchter mit periodischen Besuchen zu beglücken. Er hatte sich in einem Häuschen am Rand eines kleinen Fischerdorfs niedergelassen. Häuschen war nicht ganz zutreffend. Es war nicht viel mehr als eine Hütte, aus Ziegelsteinen erbaut, mit einem Wellblechdach und dem Luxus eines Badezimmers und eines Computers.
Man hätte das Dörflein paradiesisch nennen können. Es schien vor sich hinzuträumen, eingeklemmt zwischen einer Cordillera, die schroff in den tropischen Himmel ragte und einer palmenbewachsenen Bucht. Auf den Steilhängen um das Dorf gediehen unter den Baumriesen Café- und Bananenstauden. Mangobäume spendeten Schatten zwischen den meist aus Lehm gebauten, weiss getünchten Häusern. Auf dem Landweg war der Ort nur über eine enge Schotterstrasse zu erreichen. Sie schlängelte sich von nebeliger Höhe hinunter zum Meer durch düsteren Regenwald und Schlammlöcher, manchmal nur einen Fuss breit von tödlichen Abgründen entfernt. Dies half den Ausflügleransturm an den Wochenenden in Grenzen zu halten. Dennoch hatte sich das Leben im Dorf gewandelt. Die Zeit war nicht stillgestanden. Eine Flasche Rum zum gerösteten Fisch und dem gelegentlichen “baile de tambor “– dem Tanz zu den Trommeln waren jetzt nicht mehr genug. Motorräder, Fernseher, Videokameras, Mobiltelefone, Playstations und Laptops hatten ihren Einzug gehalten. Viele der jungen Leute aus dem Dorf arbeiteten in den Grossstädten, hausten dort in den Elendsvierteln und hatten Slum-Gewohnheiten eingeschleppt. Diebstähle und Drogenhandel waren die Folge.
Oliver lebte bescheiden von seinen eigenen Avocados, Mangos und Bananen und dem Erlös aus gelegentlichen Computerarbeiten.
Im Dorf munkelte man, er hätte Geld, sei nur zu geizig um es auszugeben. Das verhalf ihm trotz seines fortgeschrittenen Alters, - vor einer Woche hatte er seinen dreiundsiebzigsten Geburtstag nicht gefeiert, - zur Aufmerksamkeit der mehr oder weniger stark pigmentierten, welkenden Dorfschönheiten.
Patricia hatte sich die Ungunst mehrerer Geschlechtsgenossinen zugezogen, weil Oliver gerne eine Fischsuppe bei ihr ass. Ihre Neiderinnen tuschelten über nächtliche Besuche Patricias im “Rancho” Olivers. Das war zwar nur ein Gerücht, aber Abelardo, der Eigentümmer eines Peñeros hatte die beiden einmal nach Chichiriviche mitgenommen. Das ist ein von Touristen überlaufener Ort, ein gutes duzend Seemeilen entfernt. Dort hatte Oliver Patricia in der Boutique eines Hotels eine “manta guajira” gekauft, ein farbenprächtiges, knöchellanges Kleid, wie es die Wayuufrauen tragen. Sie hatte es nach der Anprobe nicht mehr abgelegt. Danach hatten sie im Hotel gegessen und sogar getanzt.
Das berichtete Abelardo und Abelardo war ein Mann der selten log und fast nie übertrieb.
“Una manta guajira! Wahrscheinlich damit er ihre Fettpolster nicht sieht”, geiferte Inocencia, als ihr die Sache zu Ohren kam.
“Na, und ihr Riesenarsch fällt auch nicht so auf “, ergänzte Juana.
“Ihr seid ja nur neidsch”, spottete Sujei eine Nichte Patricias, die jung und hübsch genug war, um solche Gefühle nicht zu hegen, “weil sie keinen Fettwanst hat wie ihr.”.
Und so kam es, dass Oliver trotz seines bescheidenen Lebenswandels in den Ruf eines begüterten Mannes kam. Die Geschichte ging von Mund zu Mund, verbreitete sich von Dorf zu Dorf und Oliver wurde beim Weitererzählen immer wohlhabender und schliesslich war er als reicher Eigenbrödler bekannt.
An dem Tag, an dem sein beschauliches Dasein ein plötzliches Ende fand, war er gerade von einem morgendlichen Strandbesuch zu seinem Häuschen geschlurft, hatte sich unter der Dusche das Salz von der Haut geschwemmt und döste in der Hängematte unter dem Vordach.
Ein Stoss, er fiel auf den Steinboden, versuchte aufzustehen, erhielt einen Fusstritt, fiel wieder und blieb liegen.
“Steh auf alter Drecksack! Rück deine Moneten raus!”
Jemand packte ihn an der Schulter und zerrte ihn nach oben. Oliver sah drei bullige Männer. Einer hatte eine Pistole auf ihn gerichtet; eine Pistole wie sie Polizisten im Dienst benutzten. Sie hatten ihre Gesichter nicht vermummt. Das bedeutete, dass es ihnen nichts ausmachte, wenn er sie wiedererkennen konnte. War das sein Todesurteil?
Oliver hob den Blick und sah die Laubkrone seines Mangobaumes. Was würde aus seinem Lieblingsbaum werden, wenn sie ihn umlegten? Würde man ihn absägen, um das Haus vergrössern zu können? Wann würden seine Söhne von seinem Tod erfahren? Was würde seine Frau sagen?
“Selber schuld! Er wollte ja unbedingt in diesem Land bleiben.”
Würde jemand eine Träne nach ihm weinen?
Patricia? Wer weiss?
Er hatte keine Angst vor einem schnellen Tod. Alt genug war er. Besser so, als ein einsames Dahinsiechen. Aber dennoch, von diesem Abschaum würde er sich nicht hinrichten lassen, nicht kampflos. Er war ein alter Mann, aber eben ein Mann.
Aus den Augenwinkeln sah er Patricia auf das Haus zukommen. Noch ehe er einen Warnschrei ausstossen konnte, war einer der Gangster an ihrer Seite und presste ihr eine Pistole in die Rippen.
“Komm her, Negra! Sieh mal, wie dem alten Knacker die Knie schlottern vor Angst.”
Patricia stiess einen schrillen Schrei aus. Ein brutaler Schlag ins Gesicht liess sie verstummen. Der Mann zerrte sie ins Innere der Behausung. Die beiden Typen an Olivers Seite schoben ihn hinterher.
“Damit du siehst wie man eine Frau richtig fickt.”
Der Mann an der Seite Patricias versuchte sie auf den Rücken zu zwingen, aber da sie keineswegs zierlich gebaut war, versagte er kläglich. Er nahm die Pistole zu Hilfe.
“Auf den Boden, puta!” schrie er sie an.
Oliver hinkte einen Schritt auf die beiden zu, stolperte und fiel zu Boden. Auf den Knien krabbelte er auf sein altes Fernsehsofa zu. Ein Fusstritt in sein Gesäss ; bäuchlings schlitterte er auf dem gewachsten Tonfliesenboden mit dem Kopf gegen das Möbel. Seine ausgestreckten Arme waren bis unter das Sofa gelangt. Als er sich auf den Rücken drehte und die Arme unter dem Sofa hervorzog, hielt er eine Glock in der rechten Hand. Sein erster Schuss traf den Mann in den Bauch. Der zweite ins Gesicht. Er fiel auf Oliver. Der Kerl, der Patricia bedroht hatte, zielte auf Oliver. Drei Kugeln durchbohrten ihn, ehe er abdrücken konnte. Die Waffe des überlebenden Banditen klemmte. Er flüchtete.
Patricia wimmerte leise. Oliver umarmte sie.
“Es ist schon alles vorbei”, flüsterte er und küsste sie auf die Stirn. So standen sie aneinandergeklammert, bis sich die ersten Dorfbewohner näherten, von den Schüssen angelockt, mit Macheten und Schrotflinten bewaffnet.
“¡Cuida la casa, mi reina!” sagte er, - “pass auf das Haus auf!”
Patricia schwieg.
“Ich muss für eine Weile verschwinden”, erklärte er.

“Ultimas noticias “– Zwei Agenten der Policía Nacional wurden gestern bei einer Hausdurchsuchung in Puerto Cruz kaltblütig ermordet. Der mutmassliche Täter befindet sich auf der Flucht…..

Peñero: offenes Fischerboot mit Aussenbordmotor
Manta Guajira:
 

onivido

Mitglied
Oliver war allein. Seine Söhne waren ausgewandert. Auch seine Ehefrau hatte es vorgezogen nach Europa zu übersiedeln und ihre Schwiegertöchter mit periodischen Besuchen zu beglücken. Er hatte sich in einem Häuschen am Rand eines kleinen Fischerdorfs niedergelassen. Häuschen war nicht ganz zutreffend. Es war nicht viel mehr als eine Hütte, aus Ziegelsteinen erbaut, mit einem Wellblechdach und dem Luxus eines Badezimmers und eines Computers.
Man hätte das Dörflein paradiesisch nennen können. Es schien vor sich hinzuträumen, eingeklemmt zwischen einer Cordillera, die schroff in den tropischen Himmel ragte und einer palmenbewachsenen Bucht. Auf den Steilhängen um das Dorf gediehen unter den Baumriesen Café- und Bananenstauden. Mangobäume spendeten Schatten zwischen den meist aus Lehm gebauten, weiss getünchten Häusern. Auf dem Landweg war der Ort nur über eine enge Schotterstrasse zu erreichen. Sie schlängelte sich von nebeliger Höhe hinunter zum Meer durch düsteren Regenwald und Schlammlöcher, manchmal nur einen Fuss breit von tödlichen Abgründen entfernt. Dies half den Ausflügleransturm an den Wochenenden in Grenzen zu halten. Dennoch hatte sich das Leben im Dorf gewandelt. Die Zeit war nicht stillgestanden. Eine Flasche Rum zum gerösteten Fisch und dem gelegentlichen “baile de tambor “– dem Tanz zu den Trommeln waren jetzt nicht mehr genug. Motorräder, Fernseher, Videokameras, Mobiltelefone, Playstations und Laptops hatten ihren Einzug gehalten. Viele der jungen Leute aus dem Dorf arbeiteten in den Grossstädten, hausten dort in den Elendsvierteln und hatten Slum-Gewohnheiten eingeschleppt. Diebstähle und Drogenhandel waren die Folge.
Oliver lebte bescheiden von seinen eigenen Avocados, Mangos und Bananen und dem Erlös aus gelegentlichen Computerarbeiten.
Im Dorf munkelte man, er hätte Geld, sei nur zu geizig um es auszugeben. Das verhalf ihm trotz seines fortgeschrittenen Alters, - vor einer Woche hatte er seinen dreiundsiebzigsten Geburtstag nicht gefeiert, - zur Aufmerksamkeit der mehr oder weniger stark pigmentierten, welkenden Dorfschönheiten.
Patricia hatte sich die Ungunst mehrerer Geschlechtsgenossinen zugezogen, weil Oliver gerne eine Fischsuppe bei ihr ass. Ihre Neiderinnen tuschelten über nächtliche Besuche Patricias im “Rancho” Olivers. Das war zwar nur ein Gerücht, aber Abelardo, der Eigentümmer eines Peñeros hatte die beiden einmal nach Chichiriviche mitgenommen. Das ist ein von Touristen überlaufener Ort, ein gutes duzend Seemeilen entfernt. Dort hatte Oliver Patricia in der Boutique eines Hotels eine “manta guajira” gekauft, ein farbenprächtiges, knöchellanges Kleid, wie es die Wayuufrauen tragen. Sie hatte es nach der Anprobe nicht mehr abgelegt. Danach hatten sie im Hotel gegessen und sogar getanzt.
Das berichtete Abelardo und Abelardo war ein Mann der selten log und fast nie übertrieb.
“Una manta guajira! Wahrscheinlich damit er ihre Fettpolster nicht sieht”, geiferte Inocencia, als ihr die Sache zu Ohren kam.
“Na, und ihr Riesenarsch fällt auch nicht so auf “, ergänzte Juana.
“Ihr seid ja nur neidsch”, spottete Sujei eine Nichte Patricias, die jung und hübsch genug war, um solche Gefühle nicht zu hegen, “weil sie keinen Fettwanst hat wie ihr.”.
Und so kam es, dass Oliver trotz seines bescheidenen Lebenswandels in den Ruf eines begüterten Mannes kam. Die Geschichte ging von Mund zu Mund, verbreitete sich von Dorf zu Dorf und Oliver wurde beim Weitererzählen immer wohlhabender und schliesslich war er als reicher Eigenbrödler bekannt.
An dem Tag, an dem sein beschauliches Dasein ein plötzliches Ende fand, war er gerade von einem morgendlichen Strandbesuch zu seinem Häuschen geschlurft, hatte sich unter der Dusche das Salz von der Haut geschwemmt und döste in der Hängematte unter dem Vordach.
Ein Stoss, er fiel auf den Steinboden, versuchte aufzustehen, erhielt einen Fusstritt, fiel wieder und blieb liegen.
“Steh auf alter Drecksack! Rück deine Moneten raus!”
Jemand packte ihn an der Schulter und zerrte ihn nach oben. Oliver sah drei bullige Männer. Einer hatte eine Pistole auf ihn gerichtet; eine Pistole wie sie Polizisten im Dienst benutzten. Sie hatten ihre Gesichter nicht vermummt. Das bedeutete, dass es ihnen nichts ausmachte, wenn er sie wiedererkennen konnte. War das sein Todesurteil?
Oliver hob den Blick und sah die Laubkrone seines Mangobaumes. Was würde aus seinem Lieblingsbaum werden, wenn sie ihn umlegten? Würde man ihn absägen, um das Haus vergrössern zu können? Wann würden seine Söhne von seinem Tod erfahren? Was würde seine Frau sagen?
“Selber schuld! Er wollte ja unbedingt in diesem Land bleiben.”
Würde jemand eine Träne nach ihm weinen?
Patricia? Wer weiss?
Er hatte keine Angst vor einem schnellen Tod. Alt genug war er. Besser so, als ein einsames Dahinsiechen. Aber dennoch, von diesem Abschaum würde er sich nicht hinrichten lassen, nicht kampflos. Er war ein alter Mann, aber eben ein Mann.
Aus den Augenwinkeln sah er Patricia auf das Haus zukommen. Noch ehe er einen Warnschrei ausstossen konnte, war einer der Gangster an ihrer Seite und presste ihr eine Pistole in die Rippen.
“Komm her, Negra! Sieh mal, wie dem alten Knacker die Knie schlottern vor Angst.”
Patricia stiess einen schrillen Schrei aus. Ein brutaler Schlag ins Gesicht liess sie verstummen. Der Mann zerrte sie ins Innere der Behausung. Die beiden Typen an Olivers Seite schoben ihn hinterher.
“Damit du siehst wie man eine Frau richtig fickt.”
Der Mann an der Seite Patricias versuchte sie auf den Rücken zu zwingen, aber da sie keineswegs zierlich gebaut war, versagte er kläglich. Er nahm die Pistole zu Hilfe.
“Auf den Boden, puta!” schrie er sie an.
Oliver hinkte einen Schritt auf die beiden zu, stolperte und fiel zu Boden. Auf den Knien krabbelte er auf sein altes Fernsehsofa zu. Ein Fusstritt in sein Gesäss ; bäuchlings schlitterte er auf dem gewachsten Tonfliesenboden mit dem Kopf gegen das Möbel. Seine ausgestreckten Arme waren bis unter das Sofa gelangt. Als er sich auf den Rücken drehte und die Arme unter dem Sofa hervorzog, hielt er eine Glock in der rechten Hand. Sein erster Schuss traf den Mann in den Bauch. Der zweite ins Gesicht. Er fiel auf Oliver. Der Kerl, der Patricia bedroht hatte, zielte auf Oliver.Ehe er abdrücken konnte durchbohrten ihn drei Kugeln. Die Waffe des überlebenden Banditen klemmte. Er flüchtete.
Patricia wimmerte leise. Oliver umarmte sie.
“Es ist schon alles vorbei”, flüsterte er und küsste sie auf die Stirn. So standen sie aneinandergeklammert, bis sich die ersten Dorfbewohner näherten, von den Schüssen angelockt, mit Macheten und Schrotflinten bewaffnet.
“¡Cuida la casa, mi reina!” sagte er, - “pass auf das Haus auf!”
Patricia schwieg.
“Ich muss für eine Weile verschwinden”, erklärte er.

“Ultimas noticias “– Zwei Agenten der Policía Nacional wurden gestern bei einer Hausdurchsuchung in Puerto Cruz kaltblütig ermordet. Der mutmassliche Täter befindet sich auf der Flucht…..

Peñero: offenes Fischerboot mit Aussenbordmotor
Manta Guajira:
 



 
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