Sprachlich ist sicherlich die neue Variante der letzten Strophe besser und glatter, lieber R,
doch von der Aussage her ist deine Erstversion schon stimmiger. Ich kenne das auch, dass, wenn man dann noch spontan etwas umschreibt, man zwar dem richtigen Impuls folgt, der einen gefühlt nach einer Verbesserung suchen lässt, dabei aber etwas Wesentliches der ursprünglichen Verse verliert.
jemand starb
wir nannten es Tod
formten den Schmerz
nennen es Leben
wir fürchten den Tod
wer weint findet den Schmerz
wer lacht die Freude
jemand starb, wer nannte es Tod
wir formten aus Schmerz das Leben
und fürchten nun den Tod
wäre wer lachend geboren
würde er lachend sterben
Vor allem die Aussage der beiden letzten Verse der Urversion vermisse ich in der neuen Variante. Ev. haben dich die "wer" etwas irritiert, denn die sind sprachlich nicht ganz so elegant und kommen verhältnismäßig oft vor. Man könnte vorsichtig umformulieren und ich wage hier einen bewusst vorsichtigen Vorschlag, denn ich weiß, dass ich natürlich nicht exakt deine "Dichtersprache" spreche.
In allem Werden
dieser Schmerz
das erste Lachen
vergeht, verlorener
Verlust, Liebe genannt
nichts als die Wahrheit
Nichts ist Wahrheit
flüstert die Stimme
die ich mit mir fand
sie redet über das Nichts
als ob wir nicht in ihm geboren
als wären wir nicht Nichts
zwischen den Dingen
wer weint findet den Schmerz
wer lacht die Freude
wer lachend geboren
würde lachend sterben
jemand starb
wir nannten es Tod
formten den Schmerz
nennen es Leben
und fürchten
den Tod das Ende
Wie gesagt, nur ein Vorschlag im Sinne einer Veranschaulichung. Du findest sicher noch die Lösung, die für dich perfekt passt.
Diese Stimme, die da LyrIch die große Wahrheit über die Nicht-Wahrheiten ins Ohr flüstert...das ist ein sehr fein gemaltes Bild für das Erlangen einer Erkenntnis, die die eigene Sicht auf das Leben grundlegend verschiebt. Das finde ich wirklich toll gemacht! Das Leben und den Tod als Eins zu begreifen und somit das Loslassen der Furcht vor der eigenen Endlichkeit zu schaffen...ein großes Glück, wem dies gelingt!
Beim "verlorenen Verlust" mag ich die Alliteration und die Doppelung des Wortes. Trotzdem irritert er mich zugleich auch . Ich weiß - der ist nicht als bloßer Doppelmoppel gemeint (und man kann es nach ein wenig Denkarbeit auch verstehen), aber da denke ich mir schon während des Lesens einen kleinen Knoten ins Gehirn und das wirft mich kurz aus dem Lesefluss. Man könnte salopp sagen: der überfordert mich ein wenig.
Aber dein Spiel mit Nichts, Wahrheit, Liebe, Furcht, Schmerz und Freude finde ich höchst gelungen!!!!
Das ist schon verdammt nah dran an der Essenz dessen, was Leben bedeutet. Toll!
Sehr gerne gelesen!
Liebe Grüße,
fee