Noch etwas Senf. Hat etwas gedauert, der Einfühlung wegen und dem Werk etwas Respekt zu zollen. Wie du weißt, Sufnus, wollte ich mich ja schon damals auf der Wiese mühen, mehr zurückgeben zu können. Wenn du etwas Hilfreiches sehen solltest, behalte es und nimm es mit! Und wenn nicht, dann wirf es in den Zeilenmülleimer! Aber: Diskurs schadet nicht.
Deine lyrische Darstellung des Herzens in diesem Gedicht ermöglicht mir, eine persönliche Verbindung zu meinen eigenen Erfahrungen herzustellen. Das Bild des Herzens, das durch die Vertickung zahlreicher Stunden gealtert ist, weckt Erinnerungen an Momente der Erschöpfung und des inneren Verschleißes. Ähnlich wie in Leonard Cohens Lied “Anthem”, in dem er die Risse als Ort des Lichts betrachtet (wenn ich nicht falsch liege
), kann ich hier die Vorstellung von Alter und Erfahrung als gestaltende Elemente der individuellen Existenz erkennen.
(“conditio sine qua non” interpretiert werden – eine unerlässliche Bedingung für die Existenz des Selbst)
Die Beschreibung des müden Tieres, dessen Augen sich schwer öffnen, erzeugt für mich eine lebhafte Vorstellung von emotionaler Ermattung. Dies erinnert mich an T.S. Eliots “The Love Song of J. Alfred Prufrock”, in dem die Figur durch die Zeilen “I grow old… I grow old…” eine ähnliche Reflexion über das Altern und den emotionalen Abrieb durchlebt. Allerdings müsste ich meine Verweise nochmal überprüfen, da ad hoc, wird aber schon zutreffen, denke ich.
Die metaphorische Reise durch Gitter, Mauern und Schranken, die die Welt zu konstituieren scheint, eröffnet durchaus einen Raum für eine introspektive Korrespondenz mit den Tiefen unserer Seele. Ein „Blooming“ der Metaphorik. Hier sehe ich eine Parallele zu Franz Kafkas “Das Schloss”, in dem der Protagonist durch undurchsichtige Institutionen? und Barrieren navigieren muss. Dieser literarische Bezug will eigentlich ein sanfter Hinweis im Lyrikherzgschungel sein, der die Perspektive des Gedichts, indem es auf die Vielschichtigkeit individueller Lebenskonstruktionen hinweist, aufzeigen. Nunja, vielleicht auch nicht. So verballert wie ich manchmal bin.
Allerdings könnte eine präziserer Sprachhabung, dem Herz zu liebe, eine subtilere Verbindung zu der literarischen Referenz (Rilke) die Eindringlichkeit des Gedichts weiter stärken. Hier will ich zu Arno Schmidt und seinen Hippies in Bargfeld verweisen. Ich weiß nicht genau, in welche Richtung mich das Werk schlägt! Vielleicht ist mir der Wellengang zu intensiv (positiv!). Andererseits ist die Reduktion des Herzens auf eine Dingebene eine interessante, ja fast kühne, Maßnahme das Herz von Cholesterin zu befreien, und dem Muskel eine lyrische Stimme anzuhängen.
Für das Endprodukt würde ich dir vier Sterne geben. Der Mut jedoch verdient fünf!
Das soll’s gewesen sein, der Herr!
Gruß zur Nacht! Adios, adios.