Lieber Bernd,
ich will dir deinen "Mathematikerglauben" nicht schlecht machen oder versuchen, ihn dir auszureden. Hier (und mir) geht es um Lyrik jenseits therapeutischer Absichten. Wenn ich auf Dada-Verse wie "ph ph ph ph ph ..." stoße, dann sind mögliche beckenbodengymnastische Übungen vollkommen irrelevant. Die mögen mich zwar in anderen Zusammenhängen (durchaus) interessieren, für die Lyrik sehe das Abgleiten ins Esoterische sehr kritisch.
Denn das setzt einen bestehenden Glauben voraus, in dessen Kontext man Bestimmtes goutiert - wie Schlüsselwörter, die in ein selbstgebasteltes Schloss passen. Das uns verbindende Element der Lyrik sollte aber nicht der Glaube, sondern die gemeinsame Sprache sein. Und selbst die ist bereits - auch jenseits aller Dadaismen - am Verschwinden. Wir Dichtenden sind damit aufgefordert, das Gemeinsamkeitsempfinden neu zu erwecken, indem wir die Lyrik in eine Sprache führen, die Vielen etwas zu geben vermag. Der private Rückzug ins eigene Lyrik-Türmchen mag da eine Reaktion auf die zunehmenden Komplexität(en) unserer Zeit sein; er ist ein Symptom, aber eine Therapie für die Welt wird er sicher nicht.