Das Meer

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Lastro

Mitglied
Gero (vorher "Das Meer")

Der Wind zerrt an seiner offenen Jacke. Hartmut steckt die Hände in die Hosentaschen und zieht die Arme an den Körper. Sein Blick wandert über das aufgeraute Meer. Mit flatternden Haaren steht er vor der heranrollenden Brandung.

Ohne sich umzuwenden, tritt er zurück, bis er die ansteigende Düne spürt. Er hockt sich hin, umschlingt die Knie, birgt sein Gesicht darauf und schließt die Augen. Umhüllt vom Rauschen des Meeres gibt er sich seinem Inneren hin. Doch findet er keine Ruhe.

Er erhebt sich und lässt sich vom Wind auf den trockenen Strandstreifen treiben. Geleitet von schäumenden Wellen und Dünen bewegt er sich auf das Schiffswrack zu, das ihn in der Ferne erwartet. Schritt für Schritt erscheint es größer.

Gero, sein Freund aus Kindertagen, wurde Matrose. Das Reisebündel über der Schulter, verkündete er: „Ich fahre zur See. Lebt wohl! Ich werde euch schreiben, wie es ist,“ und ging davon. Zu Fuß zum nächsten Städtchen, von dort mit dem Überlandbus drei Tage in die große Hafenstadt, um anzuheuern.

Ein paarmal hat Gero geschrieben. Seine kleine Schwester lief, die Wangen rot, mit dem von der langen Reise zerknitterten Brief hoch in der Hand durchs Dorf: „Post von Gero! Post von Gero! Post von Gero!“

Bald darauf saßen sie in der Stube seines kleinen Elternhauses beisammen. Die Schwester las vor, alle hörten zu, mit aufmerksam gesenkten Köpfen. Seine Mutter bedeckte die Augen halb mit einer Hand, die andere hielt ein besticktes Taschentuch, und sein Vater stand aufrecht neben ihr, mit drei Fingerspitzen auf der Tischplatte abgestützt.
Sie hörten von fernen Ländern und fremden Völkern aber auch von Stürmen und harter Arbeit, von lieben Mädels und süßen Früchten, die sie niemals essen würden. Und immer wieder: „Macht euch keine Sorgen. Es geht mir gut. Ich denke an euch. Ich komme wieder!“

Bis eines Tages die Briefe ausblieben, und stattdessen die Frage im Dorfe umherging: „Lange nichts gehört von unserem Gero, wie es ihm wohl geht?“ Und man senkte den Blick. Eines Tages kam sein Vater zu Hartmut und bat ihn, einen Brief zu schreiben, an das Hafenamt in der großen Stadt: „Wisst ihr was über Gero? Seine Familie macht sich Sorgen“. Eine Antwort haben sie nie erhalten.

Hartmut nähert sich dem Schiffswrack und tritt heran an diesen einst stolzen, hölzernen Segler, dessen Mast auf halber Höhe weggesplittert ist, das löchrige Deck in Schräglage. Wie vom Meeresgrunde hochgespült liegt es da.

Durch die Lücken zwischen den Planken späht er in das dämmrige Innere. Es knarrt und wispert wie Stimmen im Wind.

„Gero?“

Kein vertrautes „Hallo Hartmut!“ schallt aus dem düsteren Gerippe, kein Lachen, bei dem man seine Zahnlücke sah, kein Schluchzen. Keine Spur von ihm, kein Taschentuch, keine Mütze. Nur Sand, spärlich Gras und ein paar Schnecken auf moderndem Holz.

Auf der zerbrochenen Takelage sitzen Möwen. Darunter schichtet sich ihr Dreck. Von hier fliegen sie zum Fischen hinaus, kehren zurück und ruhen oder schwatzen. Das Wrack ist ihr Heim.

Hartmut wendet sich ab. Er schließt seine Jacke und geht weiter. Die Schultern eingezogen, die Hände in den Hosentaschen. Den Blick dorthin gerichtet, wo er seine Spur tritt.



(Bitte meinen Kommentar #23 auf Seite 2 lesen)
 
Zuletzt bearbeitet:
Was für eine traurige, melancholische Geschichte. Sehr sympathisch geschrieben, aber als Leser ist man Ende doch recht unbefriedigt. Im Grunde ist es ein Stimmungsbild - aber es wäre halt schön gewesen, wenn dem Autor ein bisschen was eingef zu der Geschichte. So ist es doch arg karg.
 

Lastro

Mitglied
Ach, endlich mal eine Rückmeldung zu dieser Geschichte. Vielen Dank, Jürgen.

Ich bin mir selber ja unsicher, wie sie rüberkommt. Ob die Stimmung fühlbar wird oder nicht, etc. Ich bin in der Tat alles andere als ein ausladender Schreiber. Ich sehe, was du meinst.

Es folgen noch zwei weitere Geschichten über Gero, sehr verschieden in sich und von dieser. Die Bearbeitung wird allerdings noch dauern. Vielleicht ergeben die drei zusammen ja ein Bild, das eher zufrieden stellt. Über eine weitere Rückmeldung würde ich mich freuen.

Zwischen den Zeilen geht es um einen Abschied, eine Trauerverarbeitung des Hartmut. Allerdings sind die drei Texte einem größeren Zusammenhang entnommen. Vermutlich ist sowas immer riskant.

Auf jeden Fall ist mir deine Kritik willkommen und hilfreich.

LG Lastro
 

Else Marie

Mitglied
Hallo Lastro,
ich mag melancholische Geschichten. Und ich mag das Meer. Da hab ich deine Erzählung natürlich gern gelesen.
Ich würde dir raten, etwas weniger Adjektive zu verwenden. Bei Begriffen, die bereits beschreibend und ausdrucksstark sind, würde ich nicht noch zusätzlich ein Adjektiv verwenden. Dann ließt sich alles geschmeidiger.
Den Teil mit der Post fand ich etwas langweilig. Ich denke, das könntest du sogar weglassen. Und einfach nur schreiben, dass Hartmut, einen Stapel Briefe in einer Schublade hat. Wertvolle Briefe. Kurz schildern, von was die Briefe erzählen.
Und vielleicht kommt ganz am Ende die Schwester mit einem Brief angerannt, und vielleicht zieht sich Hartmuts Herz zusammen... Dann kannst du das Ende offen lassen.
Noch eine Idee: Den Namen Gero könntestt du schon ganz am Anfang einbauen. Entweder als kurzer Gedankenfetzen oder einfach nur als Frage.
Ich könnte mir vorstellen, dass man die Erzählung gut als Kurzgeschichte schreiben kann.
Deine Beschreibungen gefallen mir an sich gut! Scheint mir schon eine Stärke von dir zu sein. Das Thema hat mich gefesselt. Das Thema Abschied kommt nicht so ganz rüber, das müsstest du noch stärker einbauen. Wie fühlt sich die Trauer für ihn an? Was tut er konkret, um sich zu verabschieden? Etwas ins Meer werfen, den Möven etwas zurufen...
Ich bin gespannt darauf, mehr von dir zu lesen!
Liebe Grüße,
Else Marie
 

juliawa

Mitglied
Hallo Lastro,

Das war eine melancholische Geschichte. Hat mir gut gefallen. Vor allem das letzte Bild, wie er gegen den Wind heimwärts geht. Da spürt man sein "Verlorensein". Mir ist nur eine Stelle aufgefallen, die ich nicht verstehe: "Er gibt sich seinem inneren Dunkel hin. Doch er findet keine Ruhe". Das war doch auch nicht zu erwarten, oder ?

LG,
juliawa
 

Lastro

Mitglied
Hallo Else Marie, hallo juliawa,

herzlichen Dank für eure Rückmeldungen. Die kritischen Blicke auf die Erzählung nehme ich gerne an.
Momentan zielt meine Aufmerksamkeit besonders darauf, für die LeserInnen ein dramatisches Gerüst einzuziehen, direkt oder auch zwischen den Zeilen, das den Ablauf, zumindest als Gefühl, stimmig macht.

Es scheint nicht deutlich genug rüberzukommen, dass Gero Hartmuts Jugendfreund war, also nicht Mitglied der Familie. Die Schwester, von der die Rede ist, gehört zu Geros Familie. In dem kleinen Dorf nimmt die ganze Gemeinschaft an den Neuigkeiten teil.
Hartmut ist am Anfang nicht unbedingt bewusst, was ihn so ruhelos macht (er versucht vergeblich, in seinem inneren Dunkel „Ruhe“ zu finden). In der Begegnung mit dem Schiff, zu der ihn das Schicksal (der Wind) drängt, kann er seine ungelöste Trauer projizieren. Ungelöst, weil er nicht weiß, was mit Gero wirklich geschah.

In zwei weiteren Texten, die zu überarbeiten wären, geht es um Hartmuts endgültigen Abschied von Gero. Um den Faden für die LeserInnen zusammenzuhalten, bedarf es reichlich der Änderungen. Vermutlich ist es einfacher, etwas Neues zu schreiben.

Liebe Grüße
Lastro
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Lastro,
Dein Stimmungsbild fand ich sehr gelungen. Vielleicht könnte man es aber noch ein wenig hier und da kürzen, einen Schliff geben.
Ich als Leser war in deinem beschrieben Bild rasch drin. Ich glaube, zwei Zeilen würden reichen, um diesen Strand mit seinen Möwen und den Wind, zu beschreiben. Dass Gero nur Hartmuts Jugenfreund war, schreibst du ja sehr deutlich. Und alles was du in deinem letzten Kommentar geschrieben hast, ist in der Geschichte deutlich. Ein schónes Bild. Gestört hat mich nur, das übefrachten am Anfang. ;) Neu schreiben solltest du es nicht! Nur ein wenig hier und da schleifen. Hast du mal daran gedacht, eine Kurzprosa daraus zu machen? Das könnte ich mir auch vorstellen.
Mit Gruss, Ji
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Lastro,

ich möchte mit einem Zitat der Kollegin Else Marie beginnen, wo es heißt: „Ich mag melancholische Geschichten. Und ich mag das Meer. Da hab ich deine Erzählung natürlich gern gelesen.“
Dazu wäre anzumerken, dass ein bisschen Meer und viel Melancholie natürlich noch keine Erzählung ausmachen. Das Unterforum „Erzählungen“ wurde eingerichtet, um Texten Raum zu geben, die sich von der Struktur und von der Länge her deutlich von der Kurzgeschichte unterscheiden. (siehe auch Forentext). Ich muss immer den Kopf schütteln, wenn hier ein Textlein von gerade mal reichlich 3.500 Anschlägen erscheint und als Erzählung deklariert wird. Na gut – viele wissen nicht wohin damit. Zugegeben, ich wüsste es bei diesem Text auch nicht so genau.

Jürgen Hoffmann spricht von einem "Stimmungsbild". Das kommt der Sache meines Erachtens sehr nahe. Dafür haben wir aber hier kein Unterforum. Ergo – wir lassen „Das Meer“ hier stehen, wobei ich glaube, dass dieser Titel leider nichtssagend ist. In dem Text spielt das Meer zwar eine Rolle, aber die Handlung selbst wird vom Schicksal dieses Gero und die daraus bei Hartmut erwachsenden Gefühle bestimmt.

Doch nun zur Kritik..
Was äußerst angenehm auffällt, ist die Tatsache, dass absolut keine Rechtschreibfehler enthalten sind. Das kommt leider in letzter Zeit immer seltener vor. Auch grammatikalisch gibt es aus meiner Sicht kaum etwas zu beanstanden.
Und stilistisch?
Else Marie merkt in ihrem Kommentar sinngemäß an, dass sie es besser gefunden hätte, wenn weniger Adjektive verwendet worden wären. Es wäre natürlich hilfreich gewesen, sie hätte diese auch benannt. Ich habe nach ihnen gesucht und bis auf zwei „Wackelkandidaten“ nix gefunden. Das kann aber auch daran liegen, dass ich selbst ein bekennender Adjektivist bin. Ansonsten lässt sich stilistisch nur wenig bemängeln. Die oft theatralische und ein bisschen ins Sentimentale abgleitende Sprache ist mit Sicherheit gewollt und … sie wird auch konsequent durchgehalten. Na klar – auch ein paar Klischees dürfen nicht fehlen. Aber mal ehrlich: So ganz ohne kommt man selten aus.

Inhaltlich möchte ich auf den Text nicht weiter eingehen. Auf der Leselupe geht es weniger darum, worüber geschrieben wird, sondern ob es handwerklich gut gemacht ist. Ich sage es ehrlich – inhaltlich ist der Text nicht mein Ding, aber wie man an Hand der anderen Kommentare sieht, ist das schließlich reine Geschmackssache.
Eines hat mich allerdings verwirrt, ich konnte die Handlung zeitlich einfach nicht einordnen. Darauf komme ich zurück, wenn ich in den Text direkt „hinein“ gehe. Das mache ich bei den meisten meiner Kommentare so. Bei Allem, was in blauer Schrift gehalten ist, handelt es sich um Anmerkungen oder Vorschläge aus meiner Sicht. Ob sie akzeptiert, als hilfreich empfunden oder verworfen werden, ist allein deine Sache. Der Autor hat das letzte Wort. Durchgestrichen sind die Textteile, die meines Erachtens entfallen könnten. Fett gedruckte Wörter weisen auf Wortwiederholungen hin. Die Abkürzung NZ bedeutet „Zeilenumbruch“.
Also: Rein in den Text:

Das Meer

Der Wind zerrt an der offenen Jacke. Er (Hartmut – Den Namen spätestens hier einzufügen, macht deshalb Sinn, weil man sofort weiß, wer der Knabe ist. Man könnte auch schon den Wind an Hartmuts Jacke zerren lassen. So wie du es formuliert hast, steckt lediglich ein „er“ die Hände in die Tasche, wobei sich das "Er" sogar (ungewollt) auf den Wind bezieht) steckt die Hände in die Hosentaschen und zieht die Arme an den Körper. Sein Blick wandert von den Ausläufern der gischtenden Brandung über das weite, aufgeraute Meer. Mit flatternden Haaren steht Hartmut vor den heranrollenden Fluten.

Ohne sich zu wenden, tritt er einige Schritte zurück, bis er die ansteigende Düne spürt. Er hockt sich hin, umschlingt die Knie, birgt sein Gesicht darauf und schließt die Augen. Umfangen von Brandungsrauschen, Luftstrom und Sand gibt er sich seinem inneren Dunkel hin. (Der Satz scheint nicht richtig zu funktionieren. Vom Brandungsrauschen kann man möglicher Weise umfangen sein. Vom Luftstrom (Wind, Sturm) ist man eher nicht umfangen, sondern ausgesetzt. Und von Sand ist man auch nicht umfangen – der Junge hat sich ja nicht eingegraben – sondern umgeben.) Doch findet er keine Ruhe.

Er erhebt sich und lässt sich vom Wind auf den trockenen Strandstreifen treiben. Geleitet vom Wellen schmetternden Meer („wellenschmetternd“ finde ich originell – es ersetzt die ausgelutschten Adjektive wie „tosend“, tobend, aufschäumend u. ä.), von den hohen Dünen und dem kalt-blauen Himmel mit den ausgefransten Wolken, bewegt sich Hartmut auf das Schiffswrack zu, das ihn dort in der Ferne erwartet. Schritt für Schritt erscheint es größer.

Gero, sein Freund aus Kindertagen, er wurde Matrose. So wie immer einer aus dem Dorfe, der das Meer sehen will und den die Sehnsucht nach fernen Ländern treibt, sich eines Tages entschließt und dann allen, das Reisebündel über der Schulter, verkündet: „Ich fahre zur See. Lebt wohl! Ich werde euch schreiben, wie es ist.“(Reichlich verschachtelt. Vielleicht ließe sich der Satz in zwei oder drei Sätze spalten) (NZ)

Und sie gehen davon. (Ist dieser Zeitenwechsel gewollt? „Gero wurde Matrose, aber sie gehen davon) Zuerst zu Fuß zum nächsten Städtchen, und von dort mit dem Überlandbus (Dieser Überlandbus bot mir einen ersten Anhaltspunkt für die Zeit, in der die Geschichte spielen könnte. Gero dürfte also kaum früher als in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf die Reise gegangen sein) drei Tage (Ich weiß zwar nicht, aus welcher Gegend die Protagonisten stammen, aber die Namen lassen mich auf Deutschland schließen. Gibt es dort wirklich Strecken, für die man mit dem Bus volle drei Tage braucht?) in die große Hafenstadt, um anzuheuern.

Gero hat ein paarmal geschrieben. Seine kleine Schwester lief, die Wangen rot, mit dem von der langen Reise zerknitterten Brief hoch in der Hand durchs Dorf. (Punkt, NZ)
„Post von Gero! Post von Gero! Post von Gero!“ (NZ)
Und bald darauf saßen sie in der Stube seines kleinen Elternhauses beisammen. Und Die Schwester las vor, und alle hörten zu, mit aufmerksam gesenkten Köpfen. Seine Mutter bedeckte die Augen halb mit einer Hand, die andere hielt ein besticktes Taschentuch (Punkt). und Sein Vater stand aufrecht neben ihr, mit drei Fingerspitzen auf der Tischplatte abgestützt. Sie hörten von neuen Häfen (Was ist mit neuen Häfen gemeint? Für wen sind die neu und was sind dann die alten?) und fremden Völkern, aber auch von Stürmen und harter Arbeit, von lieben Mädels und süßen (wohlschmeckenden? Na ja - eines so klischeehaft wie das andere) Früchten, die sie niemals essen würden. (Na ja – geht so) Und immer wieder: „Macht euch keine Sorgen. Es geht mir gut. Ich denke an euch. Ich komme wieder (zurück – auch wegen der Wortwiederholung). Macht‘s gut!“
Bis eines Tages die Briefe ausblieben, und stattdessen die Frage im Dorfe umherging: „Wie es wohl dem Gero geht (ergehen mag) ? Lange nichts gehört von unserem Gero.“ (NZ)
Und man senkte den Blick. Und (Irgendwann) dann kam sein (Geros) Vater zu Hartmut und bat ihn, einen Brief zu schreiben, an das Hafenamt in der großen Stadt:(NZ)
„Wisst ihr etwas über Gero (Familienname? Die Jungs vom Hafenamt müssen ja wissen, wer gemeint ist) Seine Familie hat lange nichts von ihm gehört und macht sich Sorgen“. (NZ)
Sie haben nie eine Antwort erhalten. (Das erscheint mir nicht ganz glaubwürdig. Schiffe und vor allem deren Ladung (weil versichert) sind registriert. Auch wenn ein Schiff verschollen ist, wird man zumindest diese Auskunft geben können)
Hartmut geht entlang (nähert sich der Stelle? Das würde aber eine Wortwiederholung mit sich bringen. Hm.), wo sein Freund verschwand. Im Geiste sieht er ihn und fragt sich, ob er noch lebt, der Gero. Er nähert sich dem Schiffswrack und tritt heran an diesen einst stolzen, hölzernen Segler, dessen Mast (Hier bin ich, zumindest was die Zeit der Handlung angeht, mächtig gestolpert. Ein hölzernes Segelschiff - obendrein mit nur einem Mast – befährt die Weltmeere, transportiert Fracht in weit entfernte Länder. Gut, das mit dem Einmaster lässt sich ändern, indem man schreibt, dass einer der Masten weggebrochen ist. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass zu Zeiten, wo bereits Fernbusse verkehrten, längst Dampfschiffe auf den Fernrouten unterwegs waren. Lastensegler verkehrten da höchstens noch in küstennahmen Gewässern) „auf halber Höhe weggesplittert ist, das löchrige Deck in Schräglage. Wie vom Meeresgrunde hochgespült liegt es da. (Das Deck?)
Durch die Lücken zwischen den verrotteten Planken späht er in das dämmrige Innere. Keine Schuhe von Gero, kein Taschentuch, keine Mütze. Kein Lachen, bei dem man seine Zahnlücke sieht, kein Schluchzen, kein vertrautes „Hei Armin!“ (Dieses „Hei“ (oder ist Hi gemeint?) irritiert mich. Ist das zeitgemäß? Noch mehr irritiert mich aber der Armin. Es ist doch immer von Hartmut die Rede) schallt aus dem düsteren Gerippe. Nur Sand darin, spärliches Gras und ein paar Schnecken auf moderndem Holz. (Wenn das Wrack so desolat aussieht, muss Hartmut ja fast schon ein alter Mann sein)
Auf der zerbrochenen (wohl eher zerstörten – nicht alles, was zur Takelage gehört, wird zerbrochen sein. Das Tauwerk (gehört auch zur Takelage) schon gar nicht) Takelage. sitzen Möwen. Darunter schichtet sich ihr Dreck. Von hier fliegen sie zum Fischen hinaus, kehren zurück und ruhen oder schwatzen. Den Möwen ein Heim ist dieses Wrack nun. Jenen, die über dem Meer kreisen und in den Wind schreien.
Hartmut wendet sich ab. Er schließt seine Jacke und geht heimwärts (Er "geht heimwärts" suggeriert, dass das Wrack gar nicht so weit weg von Hartmuts Heim unbeachtet herum liegt - ach so - nur drei Tage Busfahrt). Gegen den Wind, die Schultern eingezogen, die Hände in den Hosentaschen. Den Blick dorthin gerichtet, wo er seine Spur tritt.

Nun bin ich durch. Es bleiben noch Fragen offen. Vor allem würde mich interessieren, wie denn der gute Hartmut das Wrack gefunden hat, von dem er obendrein weiß, das Gero damit unterwegs gewesen ist. Es muss auch eine gottverlassene Gegend sein, wo sich niemand um den gestrandeten? Segler kümmert.

In einer deiner Antworten schreibst du: „Allerdings sind die drei Texte einem größeren Zusammenhang entnommen. Vermutlich ist sowas immer riskant.“
Dem kann ich nur zustimmen. Trau dich doch, die Geschichte mit dem „größeren Zusammenhang“ zu posten. Vielleicht kann man dann eine richtige Erzählung lesen.

Gruß Ralph
 
Auf der Leselupe geht es weniger darum, worüber geschrieben wird, sondern ob es handwerklich gut gemacht ist.
Ich habe hier kurz hereingeschaut, den Text noch nicht gelesen, aber dieses Statement hat mich gerade erschüttert. Ich würde mal sagen, es geht sowohl um das Handwerk als auch um den Text auf der Leselupe (und nicht nur dort). Wenn ein Text handwerklich gut gemacht, der Inhalt aber todlangweilig ist, dann nutzt auch das beste Handwerk nichts.

Sorry Lastro, ich musste das gerade loswerden. Zum Text äußere ich mich noch.

LG SilberneDelfine
 
Da man ja die Kommentare nicht mehr editieren kann: es geht sehr wohl auch darum, worüber geschrieben wird.
Die Geschichte habe ich jetzt gelesen. Ich muss sie mir noch durch den Kopf gehen lassen,ehe ich etwas dazu sagen kann.

LG SilberneDelfine
 

Lastro

Mitglied
Hallo Ji Rina,


vielen Dank für deinen Kommentar.

Wenn du ein praktisches Beispiel für eine Kürzung hättest, könnte ich sehen, ob ich mich damit auseinandersetzen müsste, einen Balken aus dem Drama-Gerüst zu ziehen. ;)

Den Anfang zu setzen, war nicht einfach. Ich empfinde ihn als etwas holperig:
Er enthält seine geistige Abwesenheit (schließt die Jacke nicht, der schweifende Blick), sein emotionales Frösteln (Arme an den Körper), die heranrollenden Themen der Trauer und des Abschieds (die Fluten, Emotionen). Aber vielleicht muss es für die Leser ja nicht so dicht gepackt sein.

Die Zuordnung des Textes (Kurzprosa, Erzählung, etc.) erfolgte eher grob, zumal mir die einzelnen Kategorien hier nicht so klar abgegrenzt erscheinen. Ich lasse mich da gern beraten.

Das Schreiben eines neuen Textes bezieht sich auf die zwei Folgegeschichten, die den Trauerprozess fortführen und abschließen. Muss ich erst anverdauen.

Schön, dass „Das Meer“ auch für sich stehen kann und „wirkt“.

LG Lastro
 

Lastro

Mitglied
Hallo Ralph,

da ist mir doch tatsächlich der Name „Armin“ aus dem alten Text in die Geschichte gerutscht. Natürlich soll es Hartmut heißen. Die Geschichte spielt vor etwa einhundert Jahren. Das Land ist Fiktion.

Ich bedanke mich für deine sehr ausführliche Betrachtung und Kritik, für die Anmerkungen und Vorschläge! Gern nehme ich sie als Anregungen an.

Einiges zu deinen Bemerkungen und Fragen:
Es handelt sich nicht unbedingt um das Wrack des Schiffes, auf dem Gero einst zur See fuhr und mit dem er vielleicht versank.
Hartmut kann auf die „Zerbrochenheit“ dieser einst stolzen Schiffsgestalt seine ungelöste Trauer projizieren. Allein dazu ist das Wrack da. Jedes andere wäre auch dafür geeignet.

Eine Schlüssigkeit des Textes aus „sachbezogener“ Perspektive ist für mich zweitrangig.

Z.B.: Umfangen von Brandungsrauschen, Luftstrom und Sand gibt er sich seinem inneren Dunkel hin.
Dazu bemerkst du: (Der Satz scheint nicht richtig zu funktionieren. Vom Brandungsrauschen kann man möglicher Weise umfangen sein. Vom Luftstrom (Wind, Sturm) ist man eher nicht umfangen, sondern ausgesetzt. Und von Sand ist man auch nicht umfangen – der Junge hat sich ja nicht eingegraben – sondern umgeben.)

Man könnte interpretieren, dass dieses „Umfangen-Sein“ Hartmuts Sehnsucht nach Geborgenheit im Dasein meint, die durch den Verlust eines Freundes erschüttert ist.
Wenn man am Meer ist, kann man sich, meiner Erfahrung nach, durchaus von der Gesamtatmosphäre umfangen (geborgen) fühlen.

Es geht mir um den Aufbau einer „Atmosphäre“, die im Leser eine Gefühlswelt und -logik berührt. Das scheint zum Teil gelungen zu sein. Der Begriff „Stimmungsbild“ kommt meiner Absicht nahe. Allerdings ist das Bild kein Stillleben, sondern schildert einen Bewusstseinsprozess. Wo Hartmut zuerst diffuse Unruhe erlebt, zeichnen sich im Verlauf Umrisse ab.

Ich würde auch Kritik begrüßen, die darauf eingeht, wie sich die innere, gefühlsmäßige Dynamik verstärken oder dämpfen ließe, noch schlüssiger gestalten könnte.
Lesern, denen die Logik der äußeren Realität einziger Fokus bleibt, wird der Text wohl nicht viel geben können. Ein Glätten sachlogischer Unklarheiten könnte allerdings den Einstieg in die Stimmung des Bildes erleichtern.

LG Lastro
 
Hallo Lastro,

ich finde auch, du hast ein schönes Stimmungsbild entworfen (Stimmungsbilder passen allerdings eher zur "Kurzprosa"). Inhaltlich habe ich nichts zu meckern, man kann sich die Szene am Meer und auch die mit der Familie lebhaft vorstellen.

Was mir aber nicht so gut gefällt, sind folgende Dinge:

Ohne sich zu wenden
Hier sollte man vielleicht besser "ohne sich umzuwenden" oder "sich umzudrehen" schreiben.

er sich seinem inneren Dunkel hin.
Mit dem "inneren Dunkel" kann ich als Begriff auch nichts anfangen. Vielleicht "gibt er sich seinen melancholischen Gedanken" oder "seiner düsteren Stimmung hin".

Auch das "Wellen schmetternde Meer" klingt komisch.

Gero, sein Freund aus Kindertagen, er wurde Matrose.
Der Satz klingt etwas umgestellt viel besser: "Sein Freund Gero aus Kindertagen wurde Matrose."

Und bald darauf saßen sie in der Stube seines kleinen Elternhauses beisammen. Und die Schwester las vor,
Es kommt mir ein paarmal zuviel "und" im Text vor. "und bald darauf" und "und die Schwester". Das ist nicht gut gemacht, das sind zuviel Wiederholungen (es sind noch mehr Sätze, die so beginnen).

Meine Meinung von gestern muss ich jetzt teilweise revidieren: Dieser Text würde enorm gewinnen, wenn er handwerklich etwas besser gemacht wäre.

Ich habe nicht alle Kommentare ganz durchgelesen, sondern wollte davon unbeeinflusst kommentieren, also sorry, wenn manches schon geschrieben wurde.

LG SilberneDelfine
 

Else Marie

Mitglied
Hallo,

zu den Adjektiven kann ich noch sagen, dass sich für mich der Lesefluss verbessern würde, wenn ein paar Adjektive rausgenommen werden würden, z.B. so:

Der Wind zerrt an der offenen Jacke. Er steckt die Hände in die Hosentaschen und zieht die Arme an den Körper. Sein Blick wandert von den Ausläufern der (gischtenden --> du schreibst vom Wind und von Fluten und später von schmetternden Wellen. Das wäre für mich schon ausreichend) Brandung über das weite, aufgeraute Meer. Mit flatternden Haaren steht Hartmut vor den (heranrollenden) Fluten.

Er erhebt sich und lässt sich vom Wind auf den trockenen Strandstreifen treiben. Geleitet vom Wellen schmetternden Meer, von den hohen Dünen und dem kalt-blauen Himmel (mit den ausgefransten Wolken), bewegt sich Hartmut auf das Schiffswrack zu, das ihn dort in der Ferne erwartet. Schritt für Schritt erscheint es größer.

Durch die Lücken zwischen den (verrotteten) Planken späht er in das dämmrige Innere. Keine Schuhe von Gero, kein Taschentuch, keine Mütze. Kein Lachen, bei dem man seine Zahnlücke sieht, kein Schluchzen, kein vertrautes „Hei Armin!“ schallt aus dem düsteren Gerippe. Nur Sand darin, spärlich Gras und ein paar Schnecken auf moderndem Holz.

Verrottet und modernd sind für mich ähnlich, genau wie dämmrig uns düster. Damit es nicht zu überladen wirkt, würde ich je eines weglassen.
Zumindest würde es sich für mich dann klarer lesen, ohne dass es den Inhalt oder deine Intention verändern oder verfälschen würde. Klar ist das Geschmackssache. Es ist nur einfach meine Meinung.


Liebe Grüße, Else Marie
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Lastro,

Hier ein Beispiel für eine evtl. Kürzung, ich habs mal ganz grob, ohne Rücksicht auf anderes, Zeilenabsätze, etc, probiert.

Das Meer

Der Wind zerrt an der Jacke. Er steckt die Hände in die Hosentaschen und zieht die Arme an den Körper. Sein Blick wandert von den Ausläufern der Brandung über das weite, Meer. Mit flatternden Haaren steht Hartmut vor den heranrollenden Fluten.

Er tritt einige Schritte zurück, dreht sich nicht um, spürt die ansteigende Düne. Er hockt sich hin, umschlingt die Knie, birgt sein Gesicht darauf und schließt die Augen. Umfangen von Brandungsrauschen und hochwirbelnden Sand gibt er sich seinem inneren hin. Aber er findet keine Ruhe.

Er erhebt sich und lässt sich vom Wind auf den trockenen Strandstreifen treiben. Geleitet vom Wellen schmetternden Meer, bewegt sich Hartmut auf das Schiffswrack zu, das ihn in der Ferne erwartet. Schritt für Schritt erscheint es größer.

Gero, sein Freund aus Kindertagen, wurde Matrose. So wie immer einer aus dem Dorfe, der das Meer sehen will und den die Sehnsucht nach fernen Ländern treibt. Einer, der sich eines Tages entschließt und dann allen, das Reisebündel über der Schulter, verkündet: „Ich fahre zur See. Lebt wohl! So ging auch Gero davon. Zuerst zu Fuß zum nächsten Städtchen, und von dort mit dem Überlandbus drei Tage in die große Hafenstadt, um anzuheuern.

Ein paarmal hat er geschrieben/ ein paarmal schrieb er noch. Seine kleine Schwester lief mit dem von der langen Reise zerknitterten Brief hoch in der Hand durchs Dorf: „Post von Gero! Post von Gero! Und bald darauf saßen sie in der Stube seines Elternhauses beisammen. Die Schwester las vor, und alle hörten aufmerksam zu. Sie hörten von fremden Völkern, von Namen neuer Häfen, aber auch von Stürmen und harter Arbeit, von Mädels und süßen Früchten, die sie niemals essen würden. Und immer wieder: „Macht euch keine Sorgen. Es geht mir gut. Ich komme wieder“

Bis eines Tages die Briefe ausblieben, und stattdessen die Frage im Dorfe umherging: „Wo ist der Gero? Lange nichts gehört von unserem Gero.“ Man senkte den Blick.
Eines Tges kam sein Vater zu Hartmut und bat ihn, einen Brief zu schreiben, an das Hafenamt in der großen Stadt: „Wisst ihr was über Gero? Seine Familie macht sich Sorgen“.
Sie haben nie eine Antwort erhalten/ eine Antwort kam nie.

Hartmut nähert sich dem Schiffswrack und tritt heran an diesen einst stolzen, hölzernen Segler, dessen Mast auf halber Höhe weggesplittert ist, das löchrige Deck in Schräglage. Wie vom Meeresgrunde hochgespült liegt es da.

Ob Gero noch lebt?

Durch die Lücken zwischen den verrotteten Planken späht er in das Innere. Kein Zeichen mehr von Gero. Kein Lachen, bei dem man seine Zahnlücke sieht, kein Schluchzen, kein vertrautes „Hei Armin!“ schallt aus dem düsteren Gerippe. Nur Sand , Gras und ein paar Schnecken auf moderndem Holz.

Auf der zerbrochenen Takelage sitzen Möwen. Darunter schichtet sich ihr Dreck. Von hier fliegen sie zum Fischen hinaus, kehren zurück und ruhen oder schwatzen. Den Möwen ein Heim ist dieses Wrack nun. Jenen, die über dem Meer kreisen und in den Wind schreien.

Hartmut wendet sich ab. Er schließt seine Jacke und geht heimwärts. Gegen den Wind, die Schultern eingezogen, die Hände in den Hosentaschen. Den Blick dorthin gerichtet, wo er seine Spur tritt.


*****

Die Stelle neben dem Schiffswrack, da wo Hartmut nach einer Mütze, nach einem Taschentuch sucht, fand ich verwirrend, weil Gero ja nicht an der Stelle verschwunden ist, sondern irgendwo auf der Welt (so zumindest hab ich Deinen Text verstanden). Du schreibst, Hartmut projeziere seine Sehnsucht auf das Schiffswrack – da würde ich es dann so wie oben, belassen. Alles andere wäre, meiner Meinung nach, eine Herausforderung an den Leser.

Alles beschreiben geht m_E. nicht, denke man muss (leider) immer auf einiges verzichten. Wie du oben schreibst: ( Abwesenheit (schließt die Jacke nicht, der schweifende Blick), sein emotionales Frösteln (Arme an den Körper), die heranrollenden Themen der Trauer und des Abschieds (die Fluten, Emotionen). All das ist viel...und liesse dem Leser keinen Raum mehr, eigene Bilder im Kopf zu produzieren. Und wenn du fürchtest, der Leser könne nicht die Stimmung wahrnehmen, die du im Text ausdrücken möchtest: Dem ist nicht so. Der Text tut es, absolut. Im Gegenteil: Hier wäre weniger mehr Du schreibst ja kein Drehbuch.

Was das Genre angeht: m.E. nach, ist es keine Kurzgeschichte und auch keine Erzählung. Am besten würde es wohl noch in die Kurzprosa passen.
Ist nur meine Meinung.
Ich wünsch dir noch viel Spass mit dem weiter experimentieren!
Mit Gruss,
Ji
 

Lastro

Mitglied
Hallo Else Marie,

deine Beispiele, die Adjektive und Bildinhalte sparsamer, gezielter einzusetzen, sind mir sehr wertvolle Hinweise.

Natürlich soll z.B. das Bild mit den hohen Dünen, dem Wellen schmetternden Meer und dem blauen Himmels mit den ausgefransten Wolken (Wind) eine Schicksals-Gasse darstellen, deren Richtung er nicht entweichen kann.

Mir stellt sich aber die Frage, ob die Szene für die Leser nicht zu eng wird.
Es ließe sich durch ein „nicht so bestimmendes“ Bild vielleicht mehr innere Bewegung ermöglichen, die den Leser trotzdem zum Ziel führt, auf für ihn freiere Art und Weise.

Mein Schreibstil ist eher der eines Bildermalers. Ein paar Pinselstriche weniger könnten einen größeren inneren Spielraum im Leser gestatten.
Das ist für mich zur Zeit eine wichtige Thematik, und ich bin für den Austausch darüber sehr dankbar.

(Diese Antwort ergänzt sich mit denen zu Ji Rinas und SilberneDelfines Beiträgen.)

Liebe Grüße, Lastro
 

Lastro

Mitglied
Hallo SilberneDelfine,

schön, dass die Stimmung für dich so gut spürbar wird und vielen Dank für die hilfreichen, kritischen Anmerkungen.

Einige Gedanken dazu:

... ohne sich zu wenden ...
... „der Hut flog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht“ ... aus dem „Lindenbaum“ in der Winterreise ist eine meiner Lieblingsmetaphern.
Der Zusammenhang ist natürlich den Lesern nicht unbedingt nachvollziehbar. Wichtig ist mir, dass er sich nicht abwendet.

... inneren Dunkel ...
Es wäre verständlicher ausgedrückt, körperlicher, wenn ich schriebe: Er schließt die Augen.

Die Dorfszene ist nahe der kreativen Entstehung belassen und wenig verändert. Sie ist sehr „dörflich“ im alten Sinne gefühlt, deshalb einfach und mit vielen Wiederholungen gesprochen. Sie hat für mich diese ursprüngliche, naive Unbefangenheit und Lebendigkeit. Ich werde sie aber überarbeiten.

(Diese Antwort ergänzt sich mit denen zu Ji Rinas und Else Maries Beiträgen.)

LG Lastro
 

Lastro

Mitglied
Hallo Ji Rina,

vielen Dank für deine Fassung des "Stückes" (der Begriff rutscht mir so in den Sinn).

Was du zum Schluss bemerkst, trifft‘s auf den Kopf! (Ich hatte mir schon ein paar Notizen in der Richtung gemacht, siehe auch meine Antworten auf die Beiträge von Else Marie und SilberneDelfine).

Du sagst: „Alles beschreiben geht m_E. nicht, denke man muss (leider) immer auf einiges verzichten. Wie du oben schreibst: ( Abwesenheit (schließt die Jacke nicht, der schweifende Blick), sein emotionales Frösteln (Arme an den Körper), die heranrollenden Themen der Trauer und des Abschieds (die Fluten, Emotionen). All das ist viel...und liesse dem Leser keinen Raum mehr, eigene Bilder im Kopf zu produzieren. Und wenn du fürchtest, der Leser könne nicht die Stimmung wahrnehmen, die du im Text ausdrücken möchtest: Dem ist nicht so. Der Text tut es, absolut. Im Gegenteil: Hier wäre weniger mehr Du schreibst ja kein Drehbuch.“

Ich hatte in der Tat das Gefühl, dass die metaphorische Dichte für die Leser einengend werden könnte, auch immer näher ans Kitschige geriet.
Die bestimmende Beschreibung oder Überladung der Bilder kommt allerdings nicht aus einer Befürchtung, die Inhalte nicht deutlich genug vermitteln zu können, sondern aus meiner Art und Weise der Kreation des Textes.

Meist gestaltet sich in mir eine Szene zuerst visuell. Ich beziehe mich, auch wenn ich etwas verändern will, auf dieses innere Bild, verändere es, bevor ich den Text verändere.
Das heißt, ich sehe Bilder, bewegte Szenen, empfinde deren tiefere Bedeutung und übertrage das Wahrgenommene in einen metaphorischen Text.
Doch möchte ich meine Blickrichtung von den Einzelheiten der Bilder und deren Bedeutung mehr auf die Struktur des Gesamtprozesses lenken. Es geht mir darum, den Lesern mehr Raum, Freiheit für das innere Mitschwingen zu geben.
Eure Rückmeldungen sind mir deshalb sehr wichtig. Sie helfen mir, ein Gefühl für den größeren Pinselschwung zu entwickeln.

Noch ein paar Bemerkungen zum Text:

Das „Stück“ spielt eigentlich zwischen dem Zerren des Windes an der offenen Jacke und dem Schließen derselben. ;)

Die dörfliche Szene ist aus dem Bauch geschrieben und wenig verändert worden. Mir ist das Milieu bekannt.
Die starke Involviertheit, oft Distanzlosigkeit, die vielen Wiederholungen, die kleine, aufgeregte Schwester (deswegen das „Brief von Gero!“ drei- und nicht nur zweimal), der fehlende Familienname. Das alles ist mit Absicht gesetzt. Diese Enge ist auch ein Grund, warum junge Leute dem Milieu oft entfliehen wollen. (Mein Vater hinterließ seinen Abschiedszettel mit einem Messer in den Küchentisch gerammt, fuhr drei Tage mit dem Fahrrad nach Hamburg und dann 18 Monate zur See. Allerdings kam er aus einem bürgerlichen Milieu).

LG Lastro
 

Lastro

Mitglied
An dieser Stelle möchte ich allen danken, die bis jetzt zu diesem (für mich) ungewöhnlich langen Thread beigetragen haben. Die Beiträge helfen mir, mich einerseits abzugrenzen, anderseits eingefleischte Arbeitsweisen zu hinterfragen und neue Perspektiven zu entwickeln.

Sternchen leuchten zwar schön, sind aber nicht sehr auskunftsfreudig ;).
LG Lastro
 

Ji Rina

Mitglied
Gerne Lastro! So macht es doch Spass!;)
Und einen herzlichen Glückwunsch an dich. Immerhin steht dein Text jetzt am Sternenhimmel.
Also nicht mehr so sehr den Kopf zerbrechen - Und ran an die Feder!
Gruss, Ji
 



 
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