Hallo, Norbert
Du präsentierst hier eine (durchaus vertraute) Geschichte über die logische Fehlleistung eines Roboters (bzw. dessen, was von ihm übrig blieb).
Stilistisch hat Dein Text durchaus schon gewonnen.
Erlaube mir einige Anmerkungen zu inhaltlichen Ungereimtheiten oder sogar logischen Problemen.
Ein roter Zwerg tauchte die Landschaft in ein unwirkliches, dumpfes Licht, [blue]das nie erlosch[/blue].
Ich gewinne den Eindruck, die Welt, auf der sich KE22 befindet, dreht sich nicht um die eigene Achse.
… und eine blutrote Scheibe, die wie [blue]unverrückbar den Mittelpunkt[/blue] des bizarren Anblicks zu sein schien.
Dies verstärkt noch den Eindruck.
Das ist soweit erst mal kein Problem – wird aber später eines.
Es erschien Kampfeinheit 22, als hätte sich dieses Bild mit den Jahrhunderten unauslöschbar in seinen Speicher eingebrannt.
Hier wird KE22 ein ganz klein wenig emotional.
Technisch betrachtet kann sich „das Bild“ nicht „im Speicher einbrennen“, der Speicher enthält nur elektrische Ladungen, dafür ist er konstruiert. Die Optik, bestehend aus einem Chip mit Milliarden Foto-Sensoren (Stichwort: CCD-Sensor), dürfte ebenfalls in der Lage sein, dies zu vermeiden.
KE 22 vernahm das schaurige Heulen der aufgepeitschten Atmosphäre und unbändiges Prasseln von Sandkörnern und kleinen Steinen auf seiner Titanhülle.
…
Nach dreitausend Jahren überprüfte KE 22 seinen sekundären Reaktor, der den Kern seines metallischen Schädels bildete, Sensoren und Prozessoren mit Energie versorgte und mit einem Kraftfeld abschirmte.
Das Kraftfeld dient welchem Zweck? Nicht dem Schutz des Schädels von außen, denn dort prasseln Sand und Steine auf das Titan. Kraftfeld für das innere? Da käme nur das Kraftfeld für die Antimaterie-Eindämmung in Frage.
Seine Leistung hatte sich um dreißig Prozent verringert,
Wohl eher „Seine Energiereserven“, warum sollte sein „sekundärer Reaktor“ weniger Leistung abgeben können?
Der Motor eines Autos hat eine Leistung von 120 PS. Diese Leistung hat er unabhängig davon, wie voll sein Tank noch ist.
… und verringerte die Leistung des Schutzschirmes um 28 Prozent.
Welcher Schutzschirm? Er hat keinen äußeren Schutzschirm, sonst hätten niemals Sand und Steine auf das Titan prasseln können.
Verschiedene Komponenten, die augenblicklich keinen Nutzen erfüllten, versetzte er in den Schlafmodus.
Aus dieser Überlegung heraus würde ich nun erwarten, dass er seine akustischen und optischen Sensoren deaktiviert und die nötigenfalls vorhandenen Funkempfänger und Langreichweiten-Sensoren aktiviert.
Zum ersten Mal konnte KE 22 seine Umgebung detailliert betrachten.
Anscheinend bleibt er bei den beschränkten optischen Eindrücken.
KE 22 erhöhte die Leistungsabgabe für [red]seine[/red] Kraftfeld auf das Maximum.
Dann sah er das Raumschiff.
Tja. Hätte er sich auf andere Sensoren verlegt (z.B. Energiepeilung) hätte er das Raumschiff wesentlich eher bemerkt.
KE 22 schaltete unvermittelt in den Kombatmodus und fuhr den Reaktor auf Volllast hinauf.
Unsinniges Verhalten, er verbraucht unnötig Energiereserven und erhöht das Risiko, entdeckt zu werden.
„Ich krieg dich, Sally“, konnte KE 22 die dünne und helle Stimme des einen Organismus vernehmen.
Problem 1:
Sprache wandelt sich im Laufe der Zeit, vermutlich auch die Sprache der „Menschen allgemein“. Kein Sprachcomputer, der mit „Altgermanisch“ programmiert wurde, könnte das heutige „hochdeutsch“ verstehen.
Problem 2:
Keine Schutzanzüge. Die „Kinder“ laufen herum, spielen Fangen, während der Vater Vermessungen vornimmt. Die neu angefachte Sonne strahlt konstant auf dieses Fleckchen Erde, die Temperaturen dürften unangenehm sein, die atmosphärischen Bedingungen dürften schwer einzuschätzen sein (Stürme, Unwetter).
Problem 3:
Wieso sind überhaupt Kinder dabei?
KE 22 überlastete seinen Antimateriereaktor.
Es ist nicht notwendig, den Reaktor zu „überlasten“. (Später mehr …)
Er registrierte das Sirren der Überladung, die zu einem Kreischen anschwoll.
Showeffekt, B-Movie. Wie das Geräusch der Strahlenwaffen im Weltraum.
Kampfeinheit 22 hatte seine Programmierung [blue]bis zum letzten Elektron[/blue] erfüllt.
Das rührt wohl her vom „er kämpfte bis zum letzten Atemzug“, ist aber im Zusammenhang mit einer Programmierung eher überflüssig.
Das Problem mit dem Planeten:
Durch die fehlende Eigenrotation wird eine Seite (die, wo der Roboterkopf liegt und später das Schiff landet) ständig von der Sonne angestrahlt. Wie in einer Wüste halte ich eine Vegetation und ergiebige Regengüsse für unwahrscheinlich, die Temperaturen dürften unangenehm hoch sein. Die Sonnenabgewandte Seite ist eisig, die Temperaturen dürften dort weit unter dem Gefrierpunkt liegen. Im Grenzgebiet (im Zwielicht, dort, wo die Sonne nur am Horizont hängt) dürfte Chaos herrschen. Luftmassen, die hin und her wirbeln, gigantische planetenumfassende Sturmfronten. Echt ungemütlich!
Lösungsmöglichkeit:
Mach einen normalen Planeten daraus, mit eigener Rotation für eine gleichmäßigere Klimatisierung.
Das Problem mit der Antimaterie:
Die Antimaterie, die er braucht, muss(!) er mitgebracht haben. Es muss dementsprechend ein Depot für Antimaterie im Roboterkopf geben.
Nehmen wir mal an, er verbraucht für seine Systeme nur 10g Materie pro Jahr. Das ist nicht viel (gerade mal ein halbes Schnapspinnchen voll). Dies sind dennoch 10kg in 1000 Jahren. Nach 3000 Jahren macht er seine erste Bestandsaufnahme und stellt fest, dass er erst 30 Prozent seiner Energiereserven (!) verbraucht hat. 3000 Jahre entsprechen einem Verbrauch von 30kg, wenn dies 30 Prozent sind, verbleiben ihm noch 70kg.
Insgesamt hatte er also 100kg Materie (zur Energiegewinnung) im Kopf, davon 50kg Antimaterie. Die muss er zusätzlich abschirmen (Eindämmungsfeld). Sieht man mal von dem ganzen Kleinkram ab (Sensoren, Elektronik, Computer) benötigt er noch ein gewisses Volumen für den MAM-Reaktor selbst sowie für die erforderlichen Energiewandler-Systeme. Mit anderen Worten: ein ganz schön großer Schädel.
Lösungsmöglichkeit:
Nimm einen Wasserstoff-Reaktor. Deaktiviere zwischenzeitlich den Roboter und lasse ihn nur alle paar Jahre zur Eigendiagnose „Aufwachen“. Dies könnte aus einer Energiezelle heraus erfolgen. Ein Wasserstoff-Reaktor könnte aus der Luftfeuchtigkeit einer Atmosphäre seine Speisung finden.
Das Problem mit der Selbstzerstörung:
Ein MAM-Reaktor muss nicht erst „Überladen“ werden. Es reicht, einfach das Eindämmungsfeld für die Antimaterie abzuschalten. Den Rest erledigt die Antimaterie selbst.
Lösungsmöglichkeit:
Ein Wasserstoffreaktor muss überladen werden (ausreichende Wasserstoff-Plasma-Menge), damit er explodiert. Das wirkt dann wie eine kleine H-Bombe.
Das Problem mit dem Raumschiff:
Die Menschen hatten 3000Jahre zuvor noch Krieg mit den Nga-Voy. Da wundert es mich, dass das Raumschiff nicht über entsprechende Sensoren verfügt, die das Antimaterie-System des Roboters registrieren, die das Schiffswrack (Titanium – nicht natürlichem Ursprungs) registrieren. Menschen von heute erinnern sich noch an das Trojanische Pferd, mit diesem Trick erobert niemand mehr eine Stadt. Warum sind die Menschen in dieser Geschichte so sehr viel unvorsichtiger? Der Krieg mit den Nga-Voy hat schließlich ein paar tausend Jahre angehalten. Die kennen also ihren Feind!
Besonders seltsam ist der Umstand, dass dieses einzelne Raumschiff ausgerechnet in der Nähe des Roboterkopfes landet.
Das Problem mit der Roboterlogik
Für eine logisch denkende Maschine (und sowas ist ein Roboter) halte ich es für unwahrscheinlich, dass er zur Überwachung seiner Umgebung keine effektiveren Sensoren einsetzt. Er dürfte mindestens über Infrarot-Augen, Energiesensoren und Massedetektoren verfügen. Dementsprechend sollte er das Raumschiff bereits beim Anflug auf den Planeten bemerken und ihn gegebenenfalls aus dem Stand-by herausholen.
Lösungsmöglichkeit:
Er registriert das Raumschiff und bereitet die Zerstörung vor, weil er die Triebwerkssignatur (Beispielsweise) als „Spezies: Mensch“ erkennt. Die Explosion erfolgt, als die Besatzung aussteigt.
Das Problem mit den Jahrtausenden
Lasse ich einfach mal unbeachtet, spezielle Versiegelungstechniken könnten die Titaniumhülle und die optischen Linsen vor Witterungseinflüssen auch über diese lange Zeit hinaus schützen.
Uff, ist das wieder ein umfangreicher Kommentar geworden. Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht zu sehr demoralisiert.
Ich bin (leider?) zu sehr Techniker aus dem Bereich Energietechnik, als dass ich diese Schwächen übersehen könnte. Offensichtlich besteht von Deiner Seite ein Wunsch, den Text zu verbessern, deshalb habe ich mich so ausführlich damit beschäftigt.
Natürlich sind die 10g Materieverbrauch nur ein Schätzwert. Vielleicht verbraucht ein MAM-Reaktor deutlich weniger, vielleicht aber auch deutlich mehr – niemand weiß das. Eine der Grundformeln zur Berechnung des Materiebedarfs beginnt mit e=mc². Viele weitere Formeln zur Masse- und Bedarfs-Ermittlung würden folgen. Der Leistungsbedarf müsste ermittelt werden (wieviel Leistung verschlingt so ein Antimaterie-Eindämmungsfeld?), Energieverluste müssten geschätzt werden.
Demzufolge betrachte meine Hinweise lediglich als das, was sie sind. Hinweise, mit Tipps, wie man die Probleme umgehen könnte.
Bevor Du auf die Idee kommst, den MAM-Reaktor einfach bei Bedarf hoch- und runter zu fahren: Das Eindämmungsfeld für die Antimaterie muss immer aktiv bleiben.
Da fällt mir noch ein: Eine weitere Lösung für die Energieversorgung wäre eine „kontrollierte Quantensingularität“. Auch dafür wird ein kräftiges Eindämmungsfeld benötigt. Eine Singularität bezieht ihre „Energie“ aus dem Quantenniveau des umgebenden Kosmos. Die Freisetzung (Selbstzerstörung) könnte den ganzen Planeten vernichten.
Eine solche Energiequelle wäre aber höchst gefährlich (wie auch die Antimaterie!). Wenn der Roboter während eines Gefechtes (im Kampfeinsatz) zerstört würde, hätten die Soldaten in seiner Umgebung nichts zu lachen.
Aufmunternde, nächtliche Grüße aus Westfalen
Frank