Das Zeitreiseexperiment

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Das Zeitreiseexperiment (überarbeitet)


Damian Darrosch war den kurvenreichen Weg zu Fuß gegangen. Es sollte der letzte Test sein, um zu überprüfen, was er geschaffen hatte. Er erreichte nun das letzte Hinweisschild zu Burg Hollebell. Dort hatte er ein Zeitportal eingerichtet. Den Impulsgeber hielt er in der Hand. Er aktivierte ihn und setzte den Weg fort. Ein kurzes Aufblitzen, als er das Portal passierte.
Noch verdeckten die dichten Büsche den Blick, doch nach wenigen Metern machte der Weg einen scharfen Knick nach rechts, dann sah man das strahlende Banner mit dem Namen des Anwesens. Und fünfzig Meter weiter, hinter dem folgenden Knick nach links, war aus dem alten, grauen Gemäuer ein prächtiges Schloss geworden, das es einst gewesen sein mochte.
Damian Darrosch war zufrieden, denn auch seine Kleidung hatte sich gemäß den Einstellungen der gewünschten Epoche angepasst, als er die Türschwelle des Schlosses passierte.

Katharina Belforte leitete erstmals eine Auktion. Sie rief das nächste Versteigerungsobjekt auf. Es war ein Rolls-Royce Phantom VI, Baujahr 1969, goldfarbene Speichenfelgen, Weißwandreifen, die Seiten von unten her bis zur Zierfalz goldfarben, der gesamte Rest perlmuttfarben, walnussfarbenes Lederinterieur, Rechtslenker. Einstiegsgebot 100.000 Euro.
Damian Darrosch saß im Bietersaal. Den muss ich haben, dachte er. Aber auch die Dame am Auktionatorpult gefiel ihm außerordentlich.
Den Zuschlag erhielt er bei 175.000 Euro. Am nächsten Morgen konnte er den Wagen abholen.

Mit einem strahlenden Lächeln betrat er das Büro. „Einen wunderschönen guten Morgen, Verehrteste. Damian Darrosch mein Name. Ich wollte meinen Rolls abholen.“
Katharina Belforte schaute kurz auf. „Guten Tag. Ich warte noch auf die Bestätigung, dass ihr Scheck eingelöst wurde.“
Er kam näher, schaute auf das Namensschild, das auf dem Tisch stand, und schmunzelte. „Katharina! Was für ein großartiger, ja stolzer Name.“
Sie lächelte nur kühl, ging nicht auf seine Avancen ein. Dann kam die Bestätigung, auf die sie gewartet hatte. Sie griff zum Telefon. „Ja, der Herr Darrosch wäre jetzt da.“
Damian verzog das Gesicht. „Oh, warum führen Sie mich nicht zu meiner Neuerwerbung? Das ist bedauerlich, meine Liebe.“
Ein Mann gehobenen Alters kam aus seinem Büro nebenan. „Herr Darrosch. Ich freue mich, Sie erneut bei uns begrüßen zu dürfen. Wie weit sind Ihre Bemühungen, aus dem alten Gemäuer wieder ein ansehnliches Ausflugsziel zu machen, gediehen?“
"Sie meinen die Burg Hollebell, ja? Oh, das wird gewiss noch ein wenig dauern. In einem Jahr kann man aus einer halben Ruine kein strahlendes Schloss machen", verkündete er mit einem strahlenden Lächeln. "Aber es geht voran. Es soll schließlich kein gewöhnliches Schloss werden. Vielleicht kann ich dem Stadtbild bis dahin mit meinem neuen Auto ein wenig Glanz verleihen." Und wieder setzte Damian dieses strahlende Lächeln auf.
"Ja, das Auto. Wenn Sie mir bitte folgen wollen."
Bevor er dem Herrn nachging, verabschiedete er sich noch mit einer angedeuteten Verbeugung von Katharina: „Habe die Ehre, Teuerste.“
Katharina verdrehte die Augen. Für wen hält der sich eigentlich?

Katharina Belforte machte um halb sechs Feierabend. Sie ging kurz nach nebenan in das Büro des Chefs, um ihm mitzuteilen, dass sie nun das Haus verlassen wolle.
Es war ein sommerlich warmer Tag im August. Sie grüßte den Pförtner, wünschte einen schönen Abend und trat hinaus. Ein Rolls-Royce Phantom VI stand vor dem Haus, genau der, den sie gestern versteigert hatte. Und der neue Eigentümer stieg aus und trat an die junge Frau heran: „Verehrte Katharina. Darf ich Sie an meinem Arm zum Einstieg geleiten?“
Sie antwortete kühl: „Sie wollen mich wohl eher auf den Arm nehmen, was?“
Er reagierte mit einem verwegenen Lächeln. „Wenn Sie es wünschen, dann trage ich Sie auch auf meinen Armen um den Wagen herum zu ihrem Platz.“
Katharina war perplex. Aber sie wollte nicht klein beigeben. „Herr Darrosch, was erlauben Sie sich bitte? Auf den Gedanken, dass ich längst vergeben sein könnte und auf dem Weg zu einer entsprechenden Verabredung wäre, wollten Sie wohl gar nicht kommen, was?“
„Ich würde es außerordentlich bedauern, Verehrteste.“ Erneut hofierte er die Dame und bot ihr seinen Arm, um sie um das Fahrzeug herum führen zu dürfen, da der Rolls das Lenkrad standesgemäß natürlich auf der rechten Seite hatte.
„Sie sind ein unverschämter Charmeur, Herr Darrosch.“
„Oh, bitte, Katharina, nennen Sie mich doch bitte beim Vornamen. Damian, bitte, verehrte Katharina.“
„Sie bringen es fertig und bringen Eis mit ihren Worten zum Schmelzen. Dreimal 'bitte' in so wenigen Worten.“ Oh, mein Gott, dachte sie dann, jetzt schmier ich ihm auch noch Honig ums Maul.
Er führte ihren Satz, garniert mit einem hoffnungsvollen Blick, weiter. „... und Sie schmelzen dahin.“
„Oh, nein! Ganz gewiss nicht!“, wies sie ihn brüsk zurück.
„Teuerste Katharina, ich hatte auch nicht die Absicht, Sie gleich am ersten Abend zu verführen.“
„Unterstehen Sie sich!“ Eine falsche Bewegung, und er kriegt eine gescheuert, dachte sie.
Damian Darrosch war der perfekte Gentleman. Er reichte ihr den Arm und geleitete sie zur linken Fahrzeugseite, öffnete die Tür und bat Katharina hinein.
„Wo wollen wir denn hinfahren?“
„Auf mein Schloss, meine Liebe.“
„Diese Straße führt doch nur zu dieser alten Burg hinauf.“
„Diese Burg war einst ein wundervolles Schloss. Es mag von außen nicht so aussehen, aber bald wird das wieder so sein. Wie Sie wissen, habe ich diesen Berg im letzten Jahr gekauft.“
„Ach, ja, richtig. Jetzt weiß ich, woher mir ihr Name dunkel bekannt vorkam.“
„Erlauben Sie, dass ich starte?“
Sie schaute ihn erstaunt an. „Okay, aber bilden Sie sich nichts darauf ein. Ist das klar?“
„Oh, Teuerste, glauben Sie wirklich, ich ...“
Sie unterbrach ihn etwas grob: „Ja!“
Damian verstummte und konzentrierte sich auf die Fahrt. Aber trotzdem lässt sie sich drauf ein, dachte er vergnügt.

Der Wagen passierte das letzte Hinweisschild – dann ein kurzes Aufblitzen - und stoppte fünfzig Meter weiter nach einem engen Bogen vor dem Portal der Burg, die jetzt bereits zum Schloss mutiert war. Der farbige Rahmen wirkte frisch heraus geputzt. Der Name des Anwesens war deutlich lesbar.
Katharina spürte, dass sie weiche Knie bekam, doch sie wollte sich nichts anmerken lassen.
Dann war das Ziel erreicht. Damian stieg aus, ging um das Fahrzeug herum, öffnete die Tür und reichte Katharina die Hand, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.
Dankbar nahm sie diese Stütze an. „Oh, Damian, Sie verwöhnen mich. Aber ich lasse mich nicht verführen. Das können Sie gleich vergessen.“
„Wo denken Sie hin, teuerste Katharina? Etwas Derartiges habe ich heute gar nicht im Sinn. Aber ich möchte Sie gerne überraschen.“
„Das ist Ihnen sicher schon gelungen, aber ...“
„Warten Sie ab, bis wir eingetreten sind.“
Er führte seine Dame zum Eingang, ergriff den Türklopfer und schlug gegen die Holzplatte. Nur Sekunden später öffnete ein Butler die Tür, und Damian konnte Katharina hinein führen. „Jetzt bitte nicht erschrecken“, bat er eindringlich und hielt ihre Hand etwas fester.
„Um Himmels Willen, was ist denn das?“ Katharina wusste nicht, ob sie begeistert oder entsetzt sein sollte.
Vor ihnen tat sich ein Ballsaal auf, der reich geschmückt war, in dem sich schon gut ein Dutzend Paare tanzend tummelten, Menschen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Und die Musik, zu der getanzt wurde, klang sehr fremd, ebenso waren es die Kleider der Leute. Wie aus einer längst vergangenen Zeit. Und Katharina stand mittendrin, konnte es kaum fassen.
Erst jetzt realisierte sie, dass sich auch ihr Äußeres verändert hatte. Sie gab einen schrillen Schrei von sich. „Was passiert hier? Was soll das? Wie komme ich zu diesem Kleid?“
„Ein Blick in die Vergangenheit, verehrte Katharina.“
"Ich verstehe nicht. Wie komme ich in dieses Kleid? Es ..." Sie zupft ein wenig am Ärmel und am Rock. "Es ist schön, aber ..."
"Es besteht kein Grund zur Sorge, Teuerste. Es ist alles echt und doch Illusion."
Was für eine schöne Illusion, dachte sie. „Welche Epoche, welches Jahr haben wir? Ich meine, hier zu diesem Fest, das Sie mir hier vorgaukeln wollen.“
„1802, meine Liebe.“
Katharina lachte. „Und wo ist Napoleon? Ist der auch eingeladen?“
„Er lässt sich entschuldigen. Er ist vor wenigen Augenblicken fort gegangen. Vielleicht kommt er am späten Abend noch einmal zurück.“
Wieder lachte sie, denn sie glaubte, Damian hätte ebenfalls einen Scherz gemacht.
„Darf ich Sie zum Tanz auffordern, meine Liebe?“
„Oh, ich fürchte, ich beherrsche diese alten Tänze nicht. Darum würde ich mich lieber noch ein wenig umschauen, wenn Sie erlauben.“
„Ich kann Ihnen natürlich gerne die Räumlichkeiten zeigen.“
„Das klingt gut. Gehen wir?“
Sie gingen die große Freitreppe hinauf, die in einem sanften Bogen die fünf Meter Höhe zur oberen Etage überbrückte.

Drei große Räume hatten sie besichtigen können, bevor sie das erste von insgesamt sieben Schlafzimmern erreichten.
„Das ist ja atemberaubend schön!“ Katharina bestaunte das riesige Himmelbett ganz in weiß. „Aber glauben Sie mal nicht, dass ich deswegen schwach werde.“
„Oh, ich kann mich nur wiederholen, Teuerste. Heute hatte ich so etwas gewiss nicht im Sinn.“
„Heute?“, rief sie erregt. „Glauben Sie bloß nicht … Wagen Sie es nicht!“ Ihre Stimme schwankte. Sie war sicher, dass er sie nur einlullen wollte, um sie bei nächster Gelegenheit zu verführen. Aber sie wollte seinem Werben widerstehen.
„Sie sind eine außerordentlich intelligente Frau, verehrte Katharina. Aber werte Katharina, Sie enttäuschen mich. Ich hatte nichts Anstößiges im Sinn. Ich erweise Ihnen nur die Ehre, die einer schönen Frau gebührt.“
„Tut mir leid, aber das ist mir ein wenig zu dick aufgetragen. Ich fand diesen Ausflug sehr amüsant, aber machen Sie sich lieber keine Hoffnungen, mich überzeugen zu können. Ich lasse mich nicht um den Finger wickeln.“
„Oh, liebste Katharina ...“
„Das geht zu weit, guter Mann!“
Damian versuchte sie wieder versöhnlich zu stimmen. „Entschuldigen Sie bitte. Genießen Sie doch einfach diesen Abend.“
„Dann gehen wir vielleicht wieder hinunter und schauen uns die Tänze an. Vielleicht ist Napoleon ja jetzt auch wieder da“, meinte sie mit einem albernen Lachen, weil sie sicher war, dass das nicht möglich sein könne.
„Wenn das Ihr Wunsch, meine Verehrte.“
Mit strafendem Blick sah sie ihn an und ließ sich an seinem Arm hinunter führen.

Eine Weile bewunderten sie das bunte Treiben.
Katharina hatte nicht bemerkt, dass sich ein eher kleiner Mann von der Seite genähert hatte, der sie nun mit einem extrem französischen Akzent ansprach: „Mademoiselle Katharina Belforte, ich bin erfreut, Sie kennen lernen zu dürfen.“
Erschrocken drehte sich Katharina um. Da stand tatsächlich Napoleon Bonaparte vor ihr. Nein! Das konnte ja gar nicht sein, aber er stellte sich trotzdem genau so vor. Aber Katharina fragte sich dann, woher dieser Herr ihren Namen kennen konnte.
Der seltsame Franzose wurde von einem anderen Herrn angesprochen und gebeten, ihn zu begleiten. Aber warum hatte der andere diesen Napoleon mit Konsul angesprochen? War das seinerzeit nicht der tatsächliche Titel des echten Bonaparte?

Damian durchbrach Katharinas Gedankengänge. „Verehrte Katharina, bei der ersten Verabredung unterhält man sich für gewöhnlich über persönliche, aber nicht zu intime Dinge.“
„Verabredung? Sie haben mich ja eigentlich entführt, nicht wahr?“
„Oh, verzeihen Sie. Aber es scheint ihnen dennoch Freude zu bereiten. Erzählen Sie mir ein wenig über sich.“
„Über Sie weiß ich ebenso wenig. Warum erzählen Sie nicht zuerst?“
„Was wollen Sie wissen, meine Teure?“
„Herr Darrosch!“, sagte sie streng.
Doch er besänftigt sie sofort: „Damian. Liebe Katharina, bleiben Sie doch bitte bei Damian.“
„Es war bisher ein sehr schöner Abend, Herr Darrosch. Damian ... Vielen Dank, aber ...“
„Ich habe zu danken für ihre bezaubernde Gesellschaft“, warf er unverzüglich ein. Dann entschuldigte er sich dafür, sie unterbrochen zu haben.
Sie schüttelte den Kopf, aber ein kleines Schmunzeln konnte sie dann doch nicht unterdrücken. Irgendwie fühlte sie sich trotzdem geschmeichelt.

Damian erzählte ein paar Dinge aus seinem Leben, durchaus auch von seinen wissenschaftlichen Arbeiten, beließ es aber bei Andeutungen, was das Zeitreisen betraf.
Nun wagte auch Katharina, ein wenig aus sich heraus zu gehen, aber sie war nicht gewillt, diesem Aufschneider, für den sie Damian Darrosch hielt, mehr als nötig aus ihrem Privatleben preiszugeben. Und doch entspann sich eine reizvolle Unterhaltung. Das reichhaltige Buffet, das dargeboten wurde, trug ebenso zur guten Laune bei. Gegen Mitternacht bat Katharina darum, nach Hause gebracht zu werden. Keine halbe Stunde später stoppte Damian den Wagen vor ihrer Haustür.
„Das war ein sehr schönen Abend, Herr Darrosch. Auch wenn ich noch nicht so ganz weiß, was Sie im Schilde führen. Ja, doch, ich kann es erahnen, aber ...“
„Ich wage fast, keinen Hehl mehr aus meinem Begehren zu machen, verehrte Katharina. Sie sind eine wunderschöne und äußerst intelligente Frau im besten Alter. Ich denke, wir würden ein vorzügliches Paar abgeben.“ Das war gewagt, wusste Damian, aber er wollte nicht mehr um den heißen Brei herumreden.
„Herr Darrosch!“, wies sie ihn wütend in die Schranken. „Das geht entschieden zu weit!“
„Oh, verehrte Katharina, ich bin untröstlich.“
„Das geht mir zu weit. Sie sind ein Fremder für mich. Und so leicht bin ich nicht zu haben. Das möchte ich einmal klarstellen, bitte.“
„Sie beschämen mich, Teuerste. Aber erlauben Sie mir trotzdem, Sie weiterhin Katharina nennen zu dürfen. Bitte“, flehte er mit schmachtendem Blick.
Als er aussteigen wollte, um ihr als perfekter Gentleman die Tür zu öffnen, meinte sie: „Bemühen Sie sich bitte nicht. Ich schaffe das auch allein. Gute Nacht, Herr Darrosch“, sagte sie sanft und stieg aus dem Wagen.
„Es war mir eine große Freude, ihre Gesellschaft an diesem Abend genießen zu dürfen. Gute Nacht, meine Liebe.“
Er lässt ja nicht nach mit seiner Schwärmerei, dachte sie ein wenig belustigt, drehte sich um und verschwand zügig im Haus.

Katharina konnte lange nicht einschlafen. Sie dachte über das an diesem Abend Erlebte nach. Sie glaubte an eine perfekte Illusion, eine holographische Inszenierung, die ihr jedoch zweifellos gefallen hatte.

Am nächsten Morgen studierte sie gerade die Post, da kam Damian Darrosch herein.
„Einen wunderschönen guten Morgen, Verehrteste. Wie kann ich ihnen den Tag versüßen?“
Sie lächelte ihn kühl an. „Verschaukeln Sie mich nicht. Aber ich möchte jetzt auch keine boshafte Äußerung machen, ja? Was machen Sie hier?“
„Haben Sie denn süß geträumt, meine Liebe?“
Katharina dachte nach. Ihre Augen schmerzten ein wenig. Und dann erinnerte sie sich. „Was war das für ein Aufblitzen, als wir gestern zu ihrem Schloss hinauf gefahren waren?“
„Das waren gewiss die Sonnenstrahlen, die sich irgendwo reflektierten, Verehrteste. Was sollte es denn sonst sein?“
Doch sie überführte ihn der Flunkerei. „Und bei der Rückfahrt dann wieder? Da war es bereits dunkel.“
Jetzt war Damian gefordert. Katharina war eine kluge Frau, würde sich nicht so leicht hinters Licht führen lassen. „Sie werden es nicht glauben, aber das geschieht immer, wenn ich durch das Portal fahre. Erst dann wird aus dem alten Gemäuer dieses herrliche Schloss. Es ist nur eine Illusion.“
Katharina schaute ihn wütend an. „Ich glaube Ihnen in der Tat kein Wort!“
„Aber unser gestriges Erlebnis dort war keine Illusion. Das war real, liebe Katharina.“
„Ich wage auch das zu bezweifeln.“
„Dann kann es nur ein wundervoller Traum gewesen sein. Ein Traum, der sich gerne wiederholen dürfte.“
Katharina fühlte sich bedrängt. „Was wollen Sie?“, schrie sie ihn an.
Statt einer Antwort schenkte Damian ihr einen liebevollen Blick, ein sanftes Schmunzeln und einen leisen Seufzer.
Der Kerl ist doch völlig durchgeknallt, dachte Katharina. Und doch gestand sie sich ein, dass der gestrige Abend ein schönes Erlebnis gewesen war. Seine Augen waren unvermindert auf sie gerichtet, suchten die ihren, die sie jedoch immer wieder abwand, weil sie nach weiteren Ausflüchten suchte, um ihn zu entmutigen. Es gelang ihr nicht.
„In welcher Epoche würden Sie heute Abend mit mir ausgehen wollen, verehrte Katharina?“
Sie sprang jedoch auf und stürmte in das Büro nebenan, schlug die Tür hinter sich zu und kämpfte mit den Tränen.

„Katharina, mein Kind. Was ist mit dir?“
„Papa, ich weiß nicht, was ich tun soll.“
„Ist er dir zu nahe getreten? Ich habe durchaus bemerkt, dass du gestern mit ihm fortgefahren bist. Was ist passiert?“
„Ach, nichts ist passiert. Aber ich denke, er würde gerne mehr.“ Sie grübelte kurz. „Er will mehr!“, sagte sie dann grimmig.
„Und was willst du, mein Kind?“
„Er hat mich in der Tat beeindruckt. Aber ...“
„Du bist nicht dumm, Katharina. Fordere ihn heraus.“
Die junge Frau sah ihren Vater erschrocken an. „Ich soll mich auf seine Spielchen einlassen?“
„Zwinge ihm deine Bedingungen auf. Du kannst das!“
Entschlossen öffnete sie die Tür, blieb sofort im Türrahmen stehen, sah Damian streng an und rief: „Zwanziger Jahre!“
Doch Damian sah sie nur an und lächelte. „Heute Abend, gleiche Zeit?“
„Was? Ach …“ Sie wirkte überrascht. „Ja, ja, gewiss. Sie machen Witze, oder?“
Er setze das gewohnte Lächeln auf, deutete eine Verbeugung an und verschwand ohne ein Wort.

Pünktlich um halb sechs erwartete Damian seine Katharina, reichte ihr den Arm und überschüttete sie wieder mit Komplimenten. Sogar ein Vers kam ihm über die Lippen: „Wenn ich in ihre Augen schau, schöne Frau, dann fühl ich mich dem Himmel so nah.“
„Zur Hölle sollen Sie gehen, wenn Sie es wagen ...“
„Oh, Katharina. Verehrte Katharina. Ich werde Sie nicht enttäuschen. Versprochen.“
Stumm stieg sie ein. Und auch auf der Fahrt hinauf zum Schloss redeten sie nicht miteinander.
Erst, als Katharina wieder dieses Aufblitzen bemerkte, sagte sie: „Da! Da war es wieder.“
Er reagierte nicht, fuhr die letzten Meter und hielt dann vor dem Schloss an.

Als sie auf den Eingang zugingen, fragte Katharina: „Werden wir jetzt wieder in zeitgemäße Kleider gehüllt?“
„Selbstverständlich, meine Liebe. Im Innern dieses Bauwerkes wird alles so sein, wie es sich 1927 zugetragen haben könnte.“
„Wie kann das alles sein?“
„Wir machen eine Reise in die Vergangenheit, verehrte Katharina.“
„Das ist nicht möglich.“ Ganz sicher nicht, dachte sie, aber wie macht er das?
Und tatsächlich fand im Schloss ein schönes Fest statt, alles im Stile des Jahres 1927.

Auch auf der Rückfahrt bemerkte Katharina das Aufblitzen, als sie das Zeitportal passierten, sagte aber nichts. Vor ihrem Haus angekommen, ließ sie Damian diesmal gewähren und wartete, bis er ausgestiegen und herumgekommen war, die Tür öffnete und ihr die Hand reichte.
„Verehrte Katharina, Sie schenkten mir auch heute glückselige Stunden in ihrer bezaubernden Gesellschaft. Mein Herz sehnt sich nach mehr, meine Liebe. Ich kann und will es nicht mehr verbergen. Ich bin hoffnungslos in Sie verliebt.“ Dann ging er vor ihr auf die Knie.
Oh, mein Gott, dachte sie, jetzt ist alles zu spät. Was soll ich denn dazu jetzt sagen? „Damian, bitte, machen Sie sich nicht lächerlich. Stehen Sie auf.“ Sie reichte ihm ihre Hand, die er sofort ergriff und sich langsam erhob.
„Ich weiß, es gibt wenig Hoffnung, aber ...“
„Damian, bitte!“, rief sie. „Damian, das war erneut ein wundervoller Abend. Vielen Dank dafür“, fügte sie dann mit sanfter Stimme hinzu. „Aber wie ...“ Ihre Gedanken trieben plötzlich wilde Blüten. Wie, so dachte sie, soll ich mich dafür denn dankbar zeigen?
Und in diesen Gedanken hinein wagte Damian unter Auferbringung aller Kühnheit, Katharina in die Arme zu schließen und sie leidenschaftlich zu küssen, ohne sie jedoch weiter zu bedrängen, als er ihre Gegenwehr spürte.
Es kam das, was er erwartet hatte. Sie löste sich, schaute ihn wütend an und gab ihm eine Ohrfeige. Allerdings fiel diese nicht so hart aus, wie er befürchtet hatte.
Katharina drehte sich um, um zu gehen, doch dann blieb sie stehen. Sie kämpfte mit sich. Der Tod ihrer Mutter im vergangenen Jahr hatte sie gefühlsmäßig arg aus der Bahn geworfen. Sie hatte sich sehr zurückgezogen, hatte sich nur um Vater und den Job gekümmert. Doch heute ... Verdammt, dachte sie, jetzt kommt dieser Kerl daher und …
Ruckartig drehte sie sich erneut und machte zwei schnelle Schritte auf ihn zu, packte ihn vehement im Nacken und küsste ihn wild, bis sie sich erschöpft in seine Arme fallen ließ, von denen sie sicher war, dass sie sie halten würden.

Eins war klar für Katharina. Wenn sie sich ihm jetzt ergeben sollte, dann nur in einem dieser traumhaft schönen Himmelbetten im Schloss ...
 
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ahorn

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Moin Rainer Zufall,
mmmh.
Deine Protagonisten kann man zumindest vom Sprachverhalten unterscheiden. Schreibst du wirklich eine Geschichte?
Deine Dialoge super, sauber formuliert und inhaltlich ohne ‚Fehl und Tadel‘.
Ich habe einzig das Gefühl, dass du eines Reporters gleich, neben deinen Protagonisten stehst, ihre Worte aufnimmst und dabei ihre Handlungen, Gestik und Mimik kommentierst.
Geschmackssache. Vielleicht zur Zeit angesagt?
Es fehlt mir Tiefe. Mal ehrlich! So geht es mir. Wenn ich fünf, sechs Dialog-Schläge gelesen habe, dann wird mir langweilig.
Ein Anfang ist vorhanden:
Die Dame lächelte ein wenig gequält, weil sie auf derartige Avancen nicht in der vom Hofierenden gewünschten Form reagieren wollte.
Bloß bin ich gerade bei ihm, nicht bei ihr auf der Schulter. ;)
Warum springst du nicht über deinen Schatten, machst mal etwas anderes, Gewagtes und erzählst.
Achtung! Steine fliegen.
Erzähl, erkläre mit indirekter Rede und salze das Ganze mit pointierten Dialogen, knapp, aussagekräftig, gefühlsecht.
Es ist schwer, ich weiß, versuch mich selbst daran, aber vielleicht interessanter als elendig lange Dialoge. ;)

Nebenbei:
Damian Darrosch war Wissenschaftler. Er experimentierte mit virtuellen Realitäten, die er holographisch erzeugen konnte. Und er hatte auch eine Möglichkeit entdeckt, eine Zeitschleife zu erzeugen.
Der Anfang lädt nicht zum Verweilen ein.

Liebe Grüße
Ahorn
 
Oh, ahorn,

ja, es ist schwer. Ich werde mich dransetzen, wenn ich mehr Zeit habe.
Eine Sache habe ich aber schon geändert. Die zwei Zeilen vom Anfang habe ich weiter hinten, da, wo sie es ebenso erklären können, untergebracht. Da gebe ich Dir recht, sie sind kein guter Einstieg.

Klar, Geschmäcker sind verschieden. Du hast einen völlig anderen Schreibstil, habe Dir dazu auch schon etwas gesagt. Wir sind alle hier, um zu lernen. Und jeder entwickelt seinen eigenen Stil. Der lässt sich durch gutgemeinte Ratschläge gewiss formen. Aber das ist ein Prozess, der langsam vonstatten geht. Ich bin erst seit weniger als viereinhalb Monaten dabei, habe vorher nur geschrieben, wie es mir in den Sinn kam, ohne mir eine Meinung dazu zu holen.
Gut Ding will Weile haben ... :)

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

jon

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Teammitglied
Hallo Rainer!

Für meinen Geschmack funktioniert die Story nicht besonders gut. Abgesehen davon, dass ich nicht verstehe, warum Katharina (anfangs) auch so geschraubt wie Damian spricht, stecken zu viele "Absichten" im Plot. Da ist zum einen die Sache mit der VR, dann das Bezirzen von Katharina, die Bewerbung um den Job bzw. dass er ihn dann hat (was plötzlich kein Thema mehr ist) und dazu noch die Andeutung (es wirkt so "nebenbei", obwohl das laut Titel das Hauptthema sein soll) mit der Zeitschleife.
Wenn Damian VR oder Zeitschleife ausdrücklich benutzen würde, um K. zu bezirzen, wäre das vollauf genug und würde einen schönen Plot abgeben. Es könnte auch sein, dass das Bezirzen nicht das momentane Hauptziel ist, sondern nur das Testfeld für VR oder Zeitschleife. Ich meine: Im Moment läuft alles wie zufällig mit gleicher Wichtung (und zwar eher geringer) parallel nebeneinander her. Spannung entsteht aber nur, wenn der Held etwas (in einem so kurzen Text nur 1 Sache!) spürbar anstrebt und man als Leser sehen will, wie und ob er es mit den gewählten Mitteln erreicht.

Hinweis:
Ich weiß, dass das immer wieder gern so benutzt wird, aber Katharina kann keine Erinnerung an den ersten Durchgang haben - mit Rückstellen der Zeit ist der für sie nicht passiert.
Ich würde an deiner Stelle Katharina gar nicht als Point of View benutzen. Zumal die Story sich nicht mal ansatzweise dazu äußert, was das Problem mit diesen Erinnerungen sein soll.

Inhaltlich nicht logisch:
Wieso strebt Damian einen Job an – hat er nicht schon einen (Wissenschaftler)? Okay: Vielleicht wird er dafür nicht bezahlt. Aber warum gerade den (was qualifiziert ihn)? Was sind das für Referenzen?
Wieso entscheidet die Empfangsdame, ob die Referenzen so exorbitant genial sind, dass man den Bewerber stante pede zum Chef schicken sollte?
Was ist das mit der Kammer? Damian geht rein, damit er sich nicht selbst begegnet(*). Klingt im ersten Moment logisch. Aber damit der Damian der ersten Runde in die Kammer geht, muss der der zweiten Runde ihn dahin schicken - sie treffen sich also doch.
(* Dopplereffekt ist was anderes!)


Zu den Einzelheiten wie Zeitfehlern (also den grammatischen jetzt ;) ) oder die wenigen für meinen Geschmack nicht perfekte Stil-Details schreib ich bei Gelegenheit was, wenn du möchtest.
 
Hallo jon,

ich gestehe, Du hast mich überführt ... ;) Logische Fehler sollten selbst in einer SF-Geschichte nicht passieren. Auch wenn es da Dinge sind, die nicht realistisch und dementsprechend nicht nachprüfbar sein würden. Das mit dem Schloss ist ja eine VR, die in dieser Form gar nicht möglich wäre, aber es sollte im Grunde auch eher wie eine echte Zeitreise rüberkommen. Dass ich dann aber auch noch die andere Version der kurzen Zeitreise (nur einen Tag zurück) noch obendrauf packe, war zu viel des Guten. Stimmt schon.
Wenn ich mal Zeit dafür finde (mein Urlaub ist leider vorbei), dann werde ich die Sache mal überarbeiten.

Irgendwie hatte ich durchaus darauf gehofft, dass Du Dich dieser Geschichte mal annimmst. Deshalb danke ich für die dezenten Hinweise. Wenn es nicht zu viel Mühe macht, darfst Du Dich auch gerne zu den anderen angedeuteten Einzelheiten äußern. Ich habe da keine Probleme mit ... :)

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

jon

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Teammitglied
Na dann …
(Ich mache mal Lektorat, kein Korrektorat.)

Damian strebte eine neue Arbeit an. Er betrat das historische Gebäude, in dem sich ein Auktionshaus befand. Entschlossen ging er auf die Empfangsdame zu und sagte: „Damian Darrosch mein Name. Ich habe gehört, dass in Ihrem Hause ein Auktionator gesucht wird.“
Der erste Satz erzeugt die Erwartung, dass es im Folgenden um den neuen Job geht. Meiner Meinung nach kannst du ihn einfach streichen, musst nicht was Besseres suchen.
Das Unterstrichene ist eigentlich überflüssig - dass er in diesem Haus Auktionator werden will, reicht meiner Meinung nach.

„Aber sicher, Teuerste“, hofierte er die attraktive Blondine. Sogleich reichte er ihr seine ledergebundene Bewerbungsmappe, schaute dann auf das Namensschild, das auf dem Tisch standKOMMA und sagte mit einem Schmunzeln: „Katharina, was für ein großartiger, ja,KEIN KOMMA stolzer Name.“
Das "sogleich" halte ich für einen Missgriff. Das Wort benutzt man, wenn man die rasche Abfolge von Ereignissen betonen will. In dem Fall reicht das "normale Tempo" aber aus - es wäre eher erwähnenswert, wenn er zögerte.

Die Dame lächelte ein wenig gequält, weil sie, wie er bemerkte, auf derartige Avancen offenkundig nicht in der vom Hofierenden gewünschten Form reagieren wollte. Sie blätterte in den reichhaltigen Unterlagen und meinte dann: „Ja, sehr beeindruckend, mein Herr. Ich werde sehen, ob ich Sie zum Chef schicken kann.“
Er kann das nicht bemerken (also durch sehen/hören/spüren feststellen). Auch ist es nicht offensichtlich - sie könnte auch nicht können oder er könnte sich sogar in Sachen "etwas gequält" täuschen. Er kann das nur vermuten. Dieser ganze Teil wirkt eigentlich nur sperrig.
Das Unterstrichene ist recht altmodisch, man benutzt es nur noch in sehr selten. Dass Damian so sprechen würde: okay. Aber die toughe Katharina?

„Habe die Ehre, Verehrteste.“ Er verabschiedete sich mit einem frechen Grinsen in Richtung Aufzug.
Seit einiger Zeit wird in allen möglichen Texten frech gegrinst - ich reagiere da inzwischen allergisch. Geht auch "schelmisch"? Wobei: In dem Fall verstehe ich die Belustigungen eigentlich nicht, das ist doch eine (wenn auch gestelzte) völlig neutrale Grußformel.

Erst nach fast zwei Stunden kam Damian Darrosch wieder aus dem Aufzug ins Erdgeschoss und steuerte auf Katharina zu: „Hochverehrte Katharina. Sie dürfen mich willkommen heißen in Ihrer elitären Gemeinschaft. Bis sehr bald, meine Liebe“, säuselte er und verabschiedete sich mit einer angedeuteten Verbeugung.
Was ist das für ein durchgeknallter Vogel, dachte sie amüsiert.
Warum säuselt er? Das wirkt auf mich nicht durchgeknallt, sondern schmierig.
Wie gesagt: Ich würde K. als PoV streichen.

Ein vornehm gekleideter Herr stieg aus und öffnete seine Arme mit den Worten: „Verehrte Katharina. Darf ich Sie an meinem Arm zum Einstieg geleiten?“
Schlechte Idee, Damian nicht beim Namen zu nennen! Ich sehe an der Stelle immer einen Kerl, dessen Namen Katharina nicht kennt. Also ausdrücklich nicht Damian.

Sie antwortete kühl: „Sie wollen mich wohl eher auf den Arm nehmen, was?“
Wenn ich versuche, das so zu sprechen, wirkt es albern. Ich würde das Wortspiel auf nur eine Wendung beschränken:
Damian Darrosch stieg aus und lud sie mit großer Geste zum Einsteigen ein. "Verehrte Katharina, würden Sie mir die Ehre erwiesen?"
Sie runzelte die Stirn. "Sie wollen mich wohl auf den Arm nehmen?"
Er reagierte mit einem verwegenen Lächeln. „Wenn Sie es wünschen, dann trage ich Sie auch auf meinen Armen.“


Er reagierte mit einem verwegenen Lächeln. „Wenn Sie es wünschen, dann trage ich Sie auch auf meinen Armen auf die andere Seite.“
Wieso "andere Seite"? Er wollte sie doch nicht mit dem Auto über die Straße fahren.

Oho, gekonnt gekontert. Herr Darrosch, was erlauben Sie sich bitte? Auf den Gedanken, dass ich längst vergeben sein könnte und auf dem Weg zu einer entsprechenden Verabredung wäre, wollten Sie wohl gar nicht kommen, was?“ Sie blieb weiter distanziert.
Zu geschraubt!
Das Unterstrichene ist keine Distanz - damit lässt sie sich auf das Spiel ein.
Die Inquit-Formel wirkt angehängt. Wir hören/sehen in der Rede, welcher Art ihre Reaktion ist. Und die spricht nicht wirklich von Distanz.

„Ich würde es außerordentlich bedauern, Verehrteste.“ Erneut hofierte er die Dame und bot ihr seinen Arm, um sie um das Fahrzeug herum führen zu dürfen, da der Rolls das Lenkrad standesgemäß natürlich auf der rechten Seite hatte.
Füllwort

Und doch konnte sie ein Schmunzeln nicht verbergen. „Sie sind ein unverschämter Charmeur, Herr Darrosch.“
Ich verstehe das "und doch" nicht. Ein "Nun" würde ich verstehen (wenn das - wie eben gesagt - vorher nicht distanziert ist).

Also ließ sie sich auf dieses gefährliche Spiel ein.
Wieso gefährlich?

In diesem Augenblick durchfuhren sie das Stadttor.
Anmerkung: Stadttore liegen längst innerhalb der Städte. Die Funktion wie hier im Text haben sie nicht mehr.

Da habe ich aber Glück gehabt, dachte er. „Das war ein Fehler, Teuerste. Sie werden staunen“, versicherte er ihr dann.
Burg Hollebell war niemals ein Schloss gewesen. Alle, die das Gemäuer kannten, wussten das. Doch Katharina wusste es eben nicht, weil sie nicht aus dieser Gegend war.
Logikfehler: Wenn er nicht weiß, dass sie das nicht weiß, ist es echt dumm von ihm, es drauf ankommen zu lassen.
Allerdings: Ich habe nicht die geringste Vorstellung davon, was das überhaupt für eine Bedeutung hat.
Massiver Standpunkt-Fehler: Es ist weder Katharinas Sicht (sie weiß nicht, was sie nicht weiß), noch die von Damian (er weiß nicht, dass sie nicht von hier ist und dass sie es nicht weiß; sie sagt nur, sie war nie dort).

Der Wagen passierte das letzte Hinweisschild – dann ein kurzes Aufblitzen - und stoppte fünfzig Meter weiter nach einem engen Bogen kurz vor dem Portal der Burg. Der farbige Rahmen des Tores wirkte frisch heraus geputzt. Der Name des Anwesens war deutlich lesbar. Dann öffnete sich das schmiedeeiserne Tor, der Wagen fuhr hinein auf den Schlosshof. Der Weg führte durch einen bunten und sehr üppigen Garten. Schließlich hielt Damian direkt vor dem Schloss an.
Mein Problem: Die hier suggerierte Struktur und Lage passt nicht zu einer Burg. Das ist von Anfang an ein Schloss gewesen.

Wie aus einer längst vergangenen Zeit. Aber genau das war es auch. Eine Szene aus einer längst vergangenen Epoche.
Wieso "aber"?
Satz eins und drei sind doppelt gemoppelt.

Ihr schlichtes, aber zum Glück mit Rüschen besetztes Kleid fiel ein bisschen aus dem Rahmen, aber es war trotzdem nicht völlig unpassend.
Das ist völlig unglaubhaft. Bei dieser Mode hier würde sie vielleicht mit einem entsprechenden Nachtkleid nicht auffallen.
Am Rande: Wie hat Damian sie dazu gebracht, gerade dieses Kleid anzuziehen?
Frage: Warum schaut sich niemand nach der komisch gekleideten Frau um? (Nein, so passend kann es gar nicht sein, dass der feinen Gesellschaft nicht auffällt.)

„Und wo ist Napoleon? Ist der auch eingeladen?“ Katharina lachte, weil sie einen Scherz machen wollte.
Das ist überflüssig und wirkt, als sei der Autor so unsicher, dass er alles erklären muss. Ja natürlich macht sie einen Scherz! Sie weiß ja nicht, dass es echt ist

„Immer wieder sagen Sie, was Sie heute nicht im Sinn hätten. Was haben Sie denn heute im Sinn?
Nach dieser Betonung des "heute" ist die nächste(! nicht erst die übernächste) Frage: "Wann haben Sie denn das vor?" Vor dieser Frage hier muss die Betonung auf "nicht" liegen.

Ich bringe Sie in Verlegenheit? Das ist sehr lustig." Sie lachte ein wenig abschätzig. "Wie kommen Sie denn auf diese abwegige Idee?
Ich verstehe diese Frage nicht - ich sehe da keinen logischen Zusammenhang.
Das mit der Verlegenheit ist schon extrem kühn - wer redet denn die ganze Zeit von Verführung?

„Sie sind eine außerordentlich intelligente Frau, verehrte Katharina.“
Ich verstehe auch das nicht. Der Wortwechsel geht doch so:
Er: Ich will heute keinen Sex mit dir.
Sie: Wann denn dann?
Er: Du bringst mich in Verlegenheit.
Sie: Ich dich?
Er: Du bist intelligent.

Das fühlt sich für mich sehr unrund an.

„Ich möchte Sie ungern vor den Kopf stoßen, guter Mann. Aber ich meine es sehr ernst. Da wird nichts laufen, okay?
Massiver Stilbruch: Wenn Katharina so redet, wie sie bislang redet, passt das hier überhaupt nicht. (Aber ich schrieb ja schon, dass es sowieso nicht passt, dass sie so redet.)

An dieser Stelle: Diese Katharina reitet so auf "Verführung klappt nicht" rum - wieder und wieder und wieder -, dass ich das Gefühl nicht loswerde, dass sie in Wirklichkeit genau das will, dass sie eigentlich am liebsten Damian die Wäsche vom Leib reißen würde.

Mit schmachtendem Blick sah er ihr hinterher, bis sie im Hauseingang verschwunden war.
Er ihr? Mal ehrlich: So wie sie sich aufgeführt hat, hätte er jetzt nur mitzugehen brauchen.

Am nächsten Morgen hatte Katharina Belforte einen versiegelten Umschlag auf ihrem Schreibtisch liegen. Er kam von irgendwo aus Übersee, war gewiss über eine Woche unterwegs gewesen, bis er sein Ziel erreicht hatte. Sie öffnete ihn.

Der Tag verlief ohne besondere Vorkommnisse. In der Mittagspause ging Damian kurz zum Stadttorturm, wo er wohnte. Dann drehen wir die Uhren jetzt nochmal auf gestern Nachmittag zurück und versuchen das erneut, dachte er. Es sollte sein erster Test unter realen Bedingungen werden.
Das bitte als Gedanke erkennbarer machen (z. B. kursiv) oder "Er dachte" vorn dran, damit man es sofort als Gedanke lesen kann.
Wie kann man Zeit-Reisen unter "nicht realen Bedingungen" testen?

Damian Darrosch war Wissenschaftler. Er experimentierte mit virtuellen Realitäten, die er holographisch erzeugen konnte. Dazu gehörte die alte Burg, die er zu einem Schloss werden lassen konnte. Und er hatte auch eine Möglichkeit entdeckt, eine Zeitschleife zu erzeugen. Ihm war es gelungen, den Dopplereffekt zu umgehen, indem er in einem speziell dafür eingerichteten Raum in seinem Domizil im Stadttorturm verweilte, während sein zeitreisendes Ich seinen Platz in der erzeugten Vergangenheit übernahm.
Hier kommt wie als schneller Nachschub, fast vergessene Erklärung das Titelthema. Da hakt was und zwar mächtig.
Es ist doch keine "erzeugte" Vergangenheit …


Korrektorat mach ich, wenn die überarbeitete Version da ist.


Einen schönen Abend wünsch ich noch!
 
Hallo jon,

ich weiß, wo mein Problem liegt. Ich schaffe es noch nicht so recht, Charaktere sauber zu zeichnen und sie dann im weiteren Verlauf auch so reden und handeln zu lassen.
Nun ist es aber so, dass die Grundidee durchaus war, dass Damian Katharina mit seinen Fähigkeiten beeindrucken und am Ende auch erobern will.
Deine Kritik an den logischen Fehlern muss ich aber weitgehend gelten lassen. Da habe ich nicht sauber gearbeitet. Es wird aber, wie schon gesagt, nicht so ganz schnell gehen, bis ich die Geschichte überarbeitet haben werde.

Schöne Grüße,
Rainer Zufall
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Hallo Rainer,

wenn es um Figuren geht, weise ich oft darauf hin, dass man nicht nur der Regisseur im entstehenden Kopf-Kino-Film ist, sondern auch die Schauspieler. Manchem (mir z. B.) hilft es, die Rollen tatsächlich (in seiner Vorstellung) zu spielen. Dabei "fühlt" man recht schnell, ob etwas stimmig ist. Es braucht eventuell etwas Übung, mehrere Rollen zugleich zu spielen (und nicht im ersten Durchgang eine und im nächsten dann die andere).

LG von jon
 
Hallo jon,

es ist vollbracht, schneller, als erwartet. Dem gestrigen Streiktag sei Dank. ;)
Ich habe ein paar Kleinigkeiten rausgeschmissen, dafür etwas Neues angefügt. Deine Anmerkung zum Thema Verführung klappt durchaus genau so, weil der Gentleman natürlich darauf hoffen möchte, dass sie den ersten, oder zumindest den entscheidenden Schritt macht. Dass es am Ende dazu kommt, habe ich jetzt als krönenden Abschluss dran gesetzt.
Ich hoffe, so gefällt es besser.

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

ahorn

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Hallo Rainer Zufall,
deine neue Einleitung ist gefällig, leider schöpfst du nicht alle Möglichkeiten aus, die diese bittet.
Der Weg, der kurvenreichen Weg ist mehr als eine Straße, er ist eine Metapher für den Erkenntnisweg eines Erfinders. Schlage den Boden, stelle dar, wie er seinen Weg gemeistert hat.
Noch verdeckten die dichten Büsche den Blick. Eine Metapher für das berühmte Brett vorm Kopf.
Und fünfzig Meter weiter, hinter dem folgenden Knick nach links. Erfolg und Misserfolg!
Wenn du an diesen Stellen mehr von ihm, seiner Seele, seiner Arbeit Berichtes ohne die Quintessens preiszugeben, dann würdest du den Leser mehr fesseln, ihn fazinieren, mehr von seinem Leben wissen zu wollen. ;)

Ahorn
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Den Plot jetzt empfinde ich jetzt als runder, stimmiger.

Stolperer 1:
Das hier "hoppelt" irgendwie - der Ablauf war mir erst nach genauerem Nachdenken klar. Und die an die sichtbare Szene angehängte Erklärung wirkt eben genau so: Angehängt. (Kleines Betonungsproblemchen am Anfang: Das klingt, als bedauere er, nicht zur Neuerwerbung geführt zu werden. Es redet sowieso recht geschwollen, da kann man auch den Satz umstellen.)
Damian verzog das Gesicht. „Oh, Sie führen mich nicht zu meiner Neuerwerbung? Das ist bedauerlich, meine Liebe.“
Ein Mann gehobenen Alters kam aus seinem Büro nebenan. „Herr Darrosch. Ich freue mich, Sie erneut bei uns begrüßen zu dürfen. Wie weit sind ihre Bemühungen, aus dem alten Gemäuer wieder ein ansehnliches Ausflugsziel zu machen, gediehen?“
Bevor er antwortete, verabschiedete er sich noch mit einer angedeuteten Verbeugung von Katharina: „Habe die Ehre, Teuerste.“
Auch das Areal um die alte Burg Hollebell hatte im Jahr zuvor zur Versteigerung gestanden. Und Damian Darrosch hatte den ganzen Berg für über zwanzig Millionen Euro von der Stadt erworben. Der Bürgermeister persönlich hat mit dem Verkauf ein Anliegen zum Ausdruck gebracht, dass Burg Hollebell zu einem Touristenmagneten ausgebaut werden solle. Dem wollte Darrosch auch nachkommen, doch gut Ding will Weile haben, sagte er sich. Bevor es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann, müssen alle Einrichtungen auf Herz und Nieren geprüft werden. Schließlich hatte er etwas ganz Besonderes vor.
Ich würde es in diese Richtung ändern:
Damian verzog das Gesicht. „Oh, nicht Sie führen mich zu meiner Neuerwerbung? Das ist bedauerlich, meine Liebe.“
Ein Mann gehobenen Alters kam aus seinem Büro nebenan. „Herr Darrosch. Ich freue mich, Sie erneut bei uns begrüßen zu dürfen. Wie weit sind Ihre Bemühungen, aus dem alten Gemäuer wieder ein ansehnliches Ausflugsziel zu machen, gediehen?“
„Sie meinen die Burg Hollebell?"
„Eben diese", bestätigte der Mann und erklärte, an Katharina gewandt: „Herr Darrosch hat sie voriges Jahr bei uns ersteigert. Samt des Berges, auf dem sie steht. Etwas über zwanzig Millionen Euro brachte das dem Stadtsäckel damals, wenn ich mich recht erinnere."
Sie warf Darrosch einen nur schwer zu definierenden Blick zu, der sowohl Erstaunen als auch Bewunderung oder Vorwurf ob so einer Geldverschwendung ausdrücken konnte.
„Sie erinnern sich recht, mein Lieber", erwiderte Damian und zwinkerte Katharina verschwörerisch zu. Zu ihrem Chef sagte er: „Ich hoffe, der Herr Bürgermeister hat Sie nicht beauftragt, den Fortschritt der Bauarbeiten zu prüfen. Ein Weilchen wird es schon noch dauern, ehe die Burg als Touristenmagnet taugt. Vielleicht kann ich bis dahin dem Stadtbild mit meinem neuen Auto ein wenige Glanz verleihen."
„Ah ja, ja natürlich - das Auto. Ich führe Sie zu ihm. Wenn Sie mir bitte folgen würden?"
Bevor er sich dem Mann anschloss, verabschiedete er sich noch mit einer angedeuteten Verbeugung von Katharina: „Habe die Ehre, Teuerste.“
Sie sah ihm nach und versuchte sich einzureden, dass er ein unerträglicher Angeber sei.



Stolperer 2
Die beiden Kuss-Formulierungen könnten aus einem Kitsch-Roman stammen. Zugegeben: Die Story an sich bedient ja bestens das Muster solcher Romane, aber mir das dann doch zu süßlich.

Stolperer 3:
Verdammt, dachte sie, seit Mutters Tod im letzten Jahr hatte ich nicht mehr den Mut gehabt, eine Beziehung einzugehen.
Das mag als zeitliche Verortung gemeint sein, aber man fragt sich als Leser unwillkürlich nach dem kausalen Zusammenhang. Es klingt irgendwie, als hätte Katharina eine "Beziehung" mit ihrer Mutter gehabt.

Stolperer 4
Erst jetzt realisierte sie, dass sich auch ihr Äußeres verändert hatte. Sie gab einen schrillen Schrei von sich. „Was passiert hier? Was soll das? Wie komme ich zu diesem Kleid?“
„Ein Blick in die Vergangenheit, verehrte Katharina.“
Was für eine schöne Illusion, dachte sie. „Welche Epoche, welches Jahr haben wir? Ich meine, hier zu diesem Fest, das Sie mir hier vorgaukeln wollen.“
„1802, meine Liebe.“
Das geht viel, viel zu schnell.
Erst jetzt realisierte sie, dass sich auch ihr Äußeres verändert hatte. Sie gab einen schrillen Schrei von sich. „Was passiert hier? Was soll das? Wie komme ich zu diesem Kleid?“
„Ein Blick in die Vergangenheit, verehrte Katharina.“
„Ich verstehe nicht. Was hat das mit diesem Kleid zu tun?" Dabei zupfte sie an Ärmeln und Rockteil des Kleides. „Erzählen Sie mir nicht, das sei nur eine Projektion oder soetwas."
„Es gibt keinen Grund zum Misstrauen, meine Teuerste. Stellen Sie es sich wie einen magischen Trick vor." Er breitete die Arme aus. „Wie all das hier - ein Tor zu fernen Zeiten, ermöglicht mit der passenden Technik."
„Eine Täuschung also?"
„Ein wenig Illusion mag schon dabei sein", wich er aus, was sie zum ihrem eigenen Erstaunen bereitwillig hinnahm.
Was für eine schöne Illusion, dachte sie. „Welche Epoche, welches Jahr haben wir? Ich meine, hier zu diesem Fest, das Sie mir hier vorgaukeln wollen.“
„1802, meine Liebe.


Stolperer 5
„Oh, ich kann mich nur wiederholen, Teuerste. Heute hatte ich so etwas gewiss nicht im Sinn.“
„Heute?“, rief sie erregt. „Glauben Sie bloß nicht … Wagen Sie es nicht!“ Ihre Stimme schwankte.
Hier verstehe ich den Gedankengang nicht, der hinter den Worten steckt.
"Heute?", rief sie erregter, als sie hatte klingen wollen. "Sie hoffen doch wohl nicht auf eine weitere Chance!"
 



 
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