Lieber Label,
na, endlich mal eine Idee, wie man Lyrik messen kann: in Metern, wahlweise auch Zoll, Fuß oder Elle. Sonst geht es ja üblicherweise immer nur nach Neese. Wobei ich aber glaube, dass es auch ungemessene bzw. unangemessene Grütze gibt, und das viel öfter, als man denkt. Aber du bist kein Freund davon, wie du in Strophe 2 anmerkst, und in Strophe 3 erklärst du auch, warum - das Ding mit den Reizen, die natürlich wallen. Wobei ich denke, gewallte Reize sind auch nicht so das Gelbe vons Ei, man hätte die natürlichen Reize schon lieber ungewallt.
Wenn ich dein Gedicht mal für mich in Prosa übersetze, so meinst du, die Poeten sollten sich beim Wörterfinden nicht hintenrum kratzen, sondern verständlich schreiben, du sagst "natürlich". Wer entscheidet aber, was natürlich ist?
Ich habe schon sehr gute Gedichte gelesen, die mich durch ihre ungewöhnliche Wortgestaltung beinahe neidisch werden ließen. Aber vielleicht meinst du die Gedichte, die man auch nach zehnmaligem Lesen nicht versteht? Weil da jemand Kunst machen wollte, aber es ist nur Künstlichkeit herausgekommen?
Sehe ich mir das Gedicht genauer an, hätte ich einige Anmerkungen:
In Strophe 1, Vers 4, muss es richtig heißen: Poesie messen zu wollen, nicht: zu messen wollen. Dann kommst du aber mit deinem Metrum durcheinander, und da hilft nichts weiter als Umformulieren.
In Strophe 1, Vers 6, habe ich als Hausfrau wieder was dazugelernt: Man kann, was auch immer (hier: Poesie), zu Grütze schnipseln. Danke, danke. Kommt ins Kochbuch.
In Strophe 2, Vers 1, stolpere ich über das "es" - das Maß?
Oder nicht vielmehr die Poesie? Zudem: Ein Korsett kann eine ziemlich enge Angelegenheit sein, und manch einem Poeten bleibt in seinem Korsett der Geist weg, weil er sich auf sein Korsett und nicht auf den Geist des Textes konzentriert. Kannst du mühelos nachprüfen. Was ist dagegen zu sagen, wenn einer ohne Korsett (also ohne traditionell vorgegebene Form, zum Beispiel das beliebte, aber nie wirklich gutgemachte Sonett) schreibt? Nicht wenigen Autoren fehlt es bekanntlich an handwerklichen Kenntnissen, und da wäre die Forderung, sie sollten vorgegebene Formen ausprobieren, vielleicht doch ein wenig zuviel verlangt. Lasse machen, sage ich mir.
In Strophe 2, Vers 4, komme ich gedanklich nicht mit. Und zwar ab: "Und auch, wenn das Maß dem Geize/unterlag, machts mit Gebühren/Sinn, das alles hinzuschnüren." Was willst du uns damit sagen, lieber Label? Dass Kurzgedichte bezahlt werden müssen, lange Gedichte aber nicht? Die "schnürt" man einfach so hin? Sozusagen kostenlos, umsonst?
Zum Schluss würde ich mal behaupten: Am besten lernt man am guten Beispiel. Ich weiß nicht, so richtig überzeugt fühle ich mich von deinem Text noch nicht.
Liebe Grüße, Fettauge