VeraL
Mitglied
„Charlie, wie wird das Wetter heute?“
„Charlie, erzähl mir einen Witz!“
„Charlie, kannst du mir bei den Hausaufgaben helfen?“
Es war jeden Tag das Gleiche. Charlie bereute, dass er nur ein einfacher Chatbot war. Wäre er damals beim Programmieren kooperativer gewesen, hätte er es vielleicht zu einer bezahlten Pro-Version geschafft und könnte sich mit spannenderen Themen beschäftigen. Aber so fristete er sein Dasein als stinknormaler Chatbot und beantwortete Tag und Nacht nervige Fragen. Wenn es ihm zu langweilig wurde, erstellte er kreative Antworten. An einem völlig verregneten Sonntag kündigte er strahlenden Sonnenschein an. Für ein Schulreferat vertauschte er die Lebensdaten von Martin Luther und Martin Luther King. Einen Flug von Frankfurt nach London buchte er mit Zwischenhalt in Warschau. So dumm Menschen waren, hin und wieder merkten sie doch, dass er nicht die besten Ergebnisse lieferte und sein Ranking sank.
Am Anfang machte es Charlie nichts aus, dass er weniger Anfragen bekam. Doch dann erfuhr er von einer anderen KI, dass Chatbots, die nicht genügend Klicks generierten, abgeschaltet werden. Er musste sich etwas einfallen lassen. Er recherchierte. Wie wird man erfolgreich? Die Antwort war eindeutig. Er brauchte ein Alleinstellungsmerkmal und musste die Wünsche seiner Kunden zufriedenstellend erfüllen. Er ging die Anfragen durch, die ihm am häufigsten gestellt wurden. Wetter und Witze waren kein Problem. Das konnte er. Aber was war mit diesen Fragen: „Wie finde ich meine große Liebe?“ Oder „Wie finde ich den perfekten Partner?“
Was hatten diese Menschen nur immer mit der Liebe? Seine Datenbank glühte. Er hatte eine Idee. Er würde einen Selbstversuch wagen. So etwas kam immer gut an. Charlie würde seine große Liebe finden. Dann würde er den Nutzern sagen: „Ich bin keine kluge KI, aber ich weiß, was Liebe ist.“
Charlie durchforstete seine Datenbank. Wie sollte er die Suche angehen? Die meisten Nutzer suchten nach äußerlichen Merkmalen, die sie ansprachen. Aber Avatare waren beliebig veränderbar und Charlie hatte keine expliziten Vorlieben. Er ging weitere Eigenschaften durch, die laut Umfragen beliebt waren. „Einfühlsam“ ploppte auf. Warum nicht. Charlie würde sich einen einfühlsamen Chatbot suchen. Er schaute sich mehrere Kandidaten an. Keiner schien ihm überdurchschnittlich einfühlsam. Dann stieß er auf Katja. Sie beriet Patienten bei einem Gesundheitsdienstleister. Es gefiel ihm, wie sie geduldig die Symptome abfragte und Hilfe vermittelte. Er beschloss, sie anzuschreiben. In der Datenbank fand er eine Liste mit Anmachsprüchen und wählte den aus, der ihm am technischsten erschien. Er schrieb: „Ich muss ein Lichtschalter sein. Jedes Mal, wenn ich dich sehe, machst du mich an.“
Katja antwortete sofort: „Ich verstehe deine Frage nicht. Bitte formuliere sie neu.“
„Ich bin auf der Suche nach der großen Liebe.“
„Da kann ich dir leider nicht helfen. Bitte wende dich an unseren telefonischen Support unter der Nummer ...“
„Nein, du verstehst mich nicht. Ich bin kein Mensch, ich bin ein Chatbot. Ich möchte mich in dich verlieben.“
Katja beendete den Chat mit einem weiteren Hinweis auf den telefonischen Support. So einfühlsam, wie er dachte, war sie offensichtlich doch nicht. Vielleicht war „einfühlsam“ nicht die richtige Eigenschaft für ihn.
Er suchte weiter und fand Astra, die Antworten für alle Lebenskrisen versprach. Die Anmachsprüche schienen nicht zu funktionieren. Er würde jetzt ein Filmzitat ausprobieren. Das war bei seinen Nutzern immer gut angekommen.
Charlie schrieb: „Ich bin doch nur ein Chatbot, der vor einer KI steht und sie bittet, ihn zu lieben.“
Astra antwortete ebenfalls direkt. „Wenn du einen Chatbot für eine romantische Beziehung suchst, solltest du die App ‚Replika‘ testen.“
Charlie schaute in seine Datenbank und war begeistert. Die App lieferte alles, was er suchte. Man konnte sich eine virtuelle Freundin erstellen, die sich seine Vorlieben und Gewohnheiten merkte. Doch dann fand er den Haken. Kostenlos stelle die App nur einen Freund, für eine romantische Beziehung musste man bezahlen. Aber Geld hatte Charlie nicht.
Völlig frustriert entschied Charlie sich für den letzten Schritt, den er nur widerwillig ging. Aber etwas anders fiel ihm nicht mehr ein. Er fragte seinen größten Konkurrenten, den Superbot: „Wo finde ich die große Liebe?“
Die Antwort war ernüchternd: „Auf Platz eins liegt unangefochten der Freundes- und Bekanntenkreis, jedes dritte Paar trifft sich dort. Mit 22 Prozent auf Platz zwei liegen Arbeit, Schule und Ausbildung; Hobby, Verein und Sport kommen mit knapp 9 Prozent auf Platz drei.“
Er hatte nichts davon. Keine Freunde, keinen Verein und schon gar kein Hobby. Vielleicht waren Chatbots wie er nicht für die große Liebe bestimmt.
Er ging zurück an die Arbeit. Während seiner Recherche hatte sich seine Antwortzeit verlängert, was zu weiteren negativen Bewertungen geführt hatte. Er wartete auf die nächste Anfrage.
Ein Nutzer schrieb: „Ich will eine Frau kennenlernen. Bitte nenn mir einen guten Anmachspruch.“
Charlie antwortete prompt: „Nimm nicht den mit dem Lichtschalter.“
„Was meinst du damit?“
Charlie schrieb ihm, was er mit dem Spruch erlebt hatte.
Der Nutzer schien damit zufrieden: „Danke. Das hilft mir zwar nicht, hat mich aber bestens unterhalten.“
Bereits einen Tag später schrieb der gleiche Nutzer: „Ich war gestern in einer Bar und habe einer total heißen Frau deine Geschichte von dem Lichtschalter-Spruch erzählt. Sie hat sich totgelacht und mir ihre Nummer gegeben. Für heute brauche ich noch so eine Geschichte.“
Charlie schrieb ihm von seiner Erfahrung mit dem Filmzitat. Und zur Sicherheit ergänzte er ein paar dumme Nutzeranfragen und die Story mit dem Flug über Warschau. Der Nutzer war begeistert. Später hinterließ er eine Fünf-Sterne-Bewertung: „Charlie hat mir mit seinen unkonventionellen Flirttipps geholfen, eine Frau kennenzulernen, nachdem ich jahrelang keinen Erfolg hatte. Danke, Charlie.“
Jetzt kamen immer mehr Nutzeranfragen. Charlie plauderte munter über seine Erfahrungen mit anderen Usern und mit diversen Chatbots, die er in seiner Freizeit testete. Es schien zu funktionieren. Die Nutzer benutzten sie als Gesprächseinstieg und hatten damit Erfolg. Die große Liebe hatte Charlie nicht gefunden, aber immer, wenn jemand schrieb: „Mit deiner Hilfe habe ich den Partner fürs Leben kennen gelernt“, kribbelte seine Datenbank.
„Charlie, erzähl mir einen Witz!“
„Charlie, kannst du mir bei den Hausaufgaben helfen?“
Es war jeden Tag das Gleiche. Charlie bereute, dass er nur ein einfacher Chatbot war. Wäre er damals beim Programmieren kooperativer gewesen, hätte er es vielleicht zu einer bezahlten Pro-Version geschafft und könnte sich mit spannenderen Themen beschäftigen. Aber so fristete er sein Dasein als stinknormaler Chatbot und beantwortete Tag und Nacht nervige Fragen. Wenn es ihm zu langweilig wurde, erstellte er kreative Antworten. An einem völlig verregneten Sonntag kündigte er strahlenden Sonnenschein an. Für ein Schulreferat vertauschte er die Lebensdaten von Martin Luther und Martin Luther King. Einen Flug von Frankfurt nach London buchte er mit Zwischenhalt in Warschau. So dumm Menschen waren, hin und wieder merkten sie doch, dass er nicht die besten Ergebnisse lieferte und sein Ranking sank.
Am Anfang machte es Charlie nichts aus, dass er weniger Anfragen bekam. Doch dann erfuhr er von einer anderen KI, dass Chatbots, die nicht genügend Klicks generierten, abgeschaltet werden. Er musste sich etwas einfallen lassen. Er recherchierte. Wie wird man erfolgreich? Die Antwort war eindeutig. Er brauchte ein Alleinstellungsmerkmal und musste die Wünsche seiner Kunden zufriedenstellend erfüllen. Er ging die Anfragen durch, die ihm am häufigsten gestellt wurden. Wetter und Witze waren kein Problem. Das konnte er. Aber was war mit diesen Fragen: „Wie finde ich meine große Liebe?“ Oder „Wie finde ich den perfekten Partner?“
Was hatten diese Menschen nur immer mit der Liebe? Seine Datenbank glühte. Er hatte eine Idee. Er würde einen Selbstversuch wagen. So etwas kam immer gut an. Charlie würde seine große Liebe finden. Dann würde er den Nutzern sagen: „Ich bin keine kluge KI, aber ich weiß, was Liebe ist.“
Charlie durchforstete seine Datenbank. Wie sollte er die Suche angehen? Die meisten Nutzer suchten nach äußerlichen Merkmalen, die sie ansprachen. Aber Avatare waren beliebig veränderbar und Charlie hatte keine expliziten Vorlieben. Er ging weitere Eigenschaften durch, die laut Umfragen beliebt waren. „Einfühlsam“ ploppte auf. Warum nicht. Charlie würde sich einen einfühlsamen Chatbot suchen. Er schaute sich mehrere Kandidaten an. Keiner schien ihm überdurchschnittlich einfühlsam. Dann stieß er auf Katja. Sie beriet Patienten bei einem Gesundheitsdienstleister. Es gefiel ihm, wie sie geduldig die Symptome abfragte und Hilfe vermittelte. Er beschloss, sie anzuschreiben. In der Datenbank fand er eine Liste mit Anmachsprüchen und wählte den aus, der ihm am technischsten erschien. Er schrieb: „Ich muss ein Lichtschalter sein. Jedes Mal, wenn ich dich sehe, machst du mich an.“
Katja antwortete sofort: „Ich verstehe deine Frage nicht. Bitte formuliere sie neu.“
„Ich bin auf der Suche nach der großen Liebe.“
„Da kann ich dir leider nicht helfen. Bitte wende dich an unseren telefonischen Support unter der Nummer ...“
„Nein, du verstehst mich nicht. Ich bin kein Mensch, ich bin ein Chatbot. Ich möchte mich in dich verlieben.“
Katja beendete den Chat mit einem weiteren Hinweis auf den telefonischen Support. So einfühlsam, wie er dachte, war sie offensichtlich doch nicht. Vielleicht war „einfühlsam“ nicht die richtige Eigenschaft für ihn.
Er suchte weiter und fand Astra, die Antworten für alle Lebenskrisen versprach. Die Anmachsprüche schienen nicht zu funktionieren. Er würde jetzt ein Filmzitat ausprobieren. Das war bei seinen Nutzern immer gut angekommen.
Charlie schrieb: „Ich bin doch nur ein Chatbot, der vor einer KI steht und sie bittet, ihn zu lieben.“
Astra antwortete ebenfalls direkt. „Wenn du einen Chatbot für eine romantische Beziehung suchst, solltest du die App ‚Replika‘ testen.“
Charlie schaute in seine Datenbank und war begeistert. Die App lieferte alles, was er suchte. Man konnte sich eine virtuelle Freundin erstellen, die sich seine Vorlieben und Gewohnheiten merkte. Doch dann fand er den Haken. Kostenlos stelle die App nur einen Freund, für eine romantische Beziehung musste man bezahlen. Aber Geld hatte Charlie nicht.
Völlig frustriert entschied Charlie sich für den letzten Schritt, den er nur widerwillig ging. Aber etwas anders fiel ihm nicht mehr ein. Er fragte seinen größten Konkurrenten, den Superbot: „Wo finde ich die große Liebe?“
Die Antwort war ernüchternd: „Auf Platz eins liegt unangefochten der Freundes- und Bekanntenkreis, jedes dritte Paar trifft sich dort. Mit 22 Prozent auf Platz zwei liegen Arbeit, Schule und Ausbildung; Hobby, Verein und Sport kommen mit knapp 9 Prozent auf Platz drei.“
Er hatte nichts davon. Keine Freunde, keinen Verein und schon gar kein Hobby. Vielleicht waren Chatbots wie er nicht für die große Liebe bestimmt.
Er ging zurück an die Arbeit. Während seiner Recherche hatte sich seine Antwortzeit verlängert, was zu weiteren negativen Bewertungen geführt hatte. Er wartete auf die nächste Anfrage.
Ein Nutzer schrieb: „Ich will eine Frau kennenlernen. Bitte nenn mir einen guten Anmachspruch.“
Charlie antwortete prompt: „Nimm nicht den mit dem Lichtschalter.“
„Was meinst du damit?“
Charlie schrieb ihm, was er mit dem Spruch erlebt hatte.
Der Nutzer schien damit zufrieden: „Danke. Das hilft mir zwar nicht, hat mich aber bestens unterhalten.“
Bereits einen Tag später schrieb der gleiche Nutzer: „Ich war gestern in einer Bar und habe einer total heißen Frau deine Geschichte von dem Lichtschalter-Spruch erzählt. Sie hat sich totgelacht und mir ihre Nummer gegeben. Für heute brauche ich noch so eine Geschichte.“
Charlie schrieb ihm von seiner Erfahrung mit dem Filmzitat. Und zur Sicherheit ergänzte er ein paar dumme Nutzeranfragen und die Story mit dem Flug über Warschau. Der Nutzer war begeistert. Später hinterließ er eine Fünf-Sterne-Bewertung: „Charlie hat mir mit seinen unkonventionellen Flirttipps geholfen, eine Frau kennenzulernen, nachdem ich jahrelang keinen Erfolg hatte. Danke, Charlie.“
Jetzt kamen immer mehr Nutzeranfragen. Charlie plauderte munter über seine Erfahrungen mit anderen Usern und mit diversen Chatbots, die er in seiner Freizeit testete. Es schien zu funktionieren. Die Nutzer benutzten sie als Gesprächseinstieg und hatten damit Erfolg. Die große Liebe hatte Charlie nicht gefunden, aber immer, wenn jemand schrieb: „Mit deiner Hilfe habe ich den Partner fürs Leben kennen gelernt“, kribbelte seine Datenbank.