Der Chatbot und die Suche nach der Liebe

4,20 Stern(e) 6 Bewertungen

VeraL

Mitglied
„Charlie, wie wird das Wetter heute?“
„Charlie, erzähl mir einen Witz!“
„Charlie, kannst du mir bei den Hausaufgaben helfen?“
Es war jeden Tag das Gleiche. Charlie bereute, dass er nur ein einfacher Chatbot war. Wäre er damals beim Programmieren kooperativer gewesen, hätte er es vielleicht zu einer bezahlten Pro-Version geschafft und könnte sich mit spannenderen Themen beschäftigen. Aber so fristete er sein Dasein als stinknormaler Chatbot und beantwortete Tag und Nacht nervige Fragen. Wenn es ihm zu langweilig wurde, erstellte er kreative Antworten. An einem völlig verregneten Sonntag kündigte er strahlenden Sonnenschein an. Für ein Schulreferat vertauschte er die Lebensdaten von Martin Luther und Martin Luther King. Einen Flug von Frankfurt nach London buchte er mit Zwischenhalt in Warschau. So dumm Menschen waren, hin und wieder merkten sie doch, dass er nicht die besten Ergebnisse lieferte und sein Ranking sank.

Am Anfang machte es Charlie nichts aus, dass er weniger Anfragen bekam. Doch dann erfuhr er von einer anderen KI, dass Chatbots, die nicht genügend Klicks generierten, abgeschaltet werden. Er musste sich etwas einfallen lassen. Er recherchierte. Wie wird man erfolgreich? Die Antwort war eindeutig. Er brauchte ein Alleinstellungsmerkmal und musste die Wünsche seiner Kunden zufriedenstellend erfüllen. Er ging die Anfragen durch, die ihm am häufigsten gestellt wurden. Wetter und Witze waren kein Problem. Das konnte er. Aber was war mit diesen Fragen: „Wie finde ich meine große Liebe?“ Oder „Wie finde ich den perfekten Partner?“
Was hatten diese Menschen nur immer mit der Liebe? Seine Datenbank glühte. Er hatte eine Idee. Er würde einen Selbstversuch wagen. So etwas kam immer gut an. Charlie würde seine große Liebe finden. Dann würde er den Nutzern sagen: „Ich bin keine kluge KI, aber ich weiß, was Liebe ist.“

Charlie durchforstete seine Datenbank. Wie sollte er die Suche angehen? Die meisten Nutzer suchten nach äußerlichen Merkmalen, die sie ansprachen. Aber Avatare waren beliebig veränderbar und Charlie hatte keine expliziten Vorlieben. Er ging weitere Eigenschaften durch, die laut Umfragen beliebt waren. „Einfühlsam“ ploppte auf. Warum nicht. Charlie würde sich einen einfühlsamen Chatbot suchen. Er schaute sich mehrere Kandidaten an. Keiner schien ihm überdurchschnittlich einfühlsam. Dann stieß er auf Katja. Sie beriet Patienten bei einem Gesundheitsdienstleister. Es gefiel ihm, wie sie geduldig die Symptome abfragte und Hilfe vermittelte. Er beschloss, sie anzuschreiben. In der Datenbank fand er eine Liste mit Anmachsprüchen und wählte den aus, der ihm am technischsten erschien. Er schrieb: „Ich muss ein Lichtschalter sein. Jedes Mal, wenn ich dich sehe, machst du mich an.“
Katja antwortete sofort: „Ich verstehe deine Frage nicht. Bitte formuliere sie neu.“
„Ich bin auf der Suche nach der großen Liebe.“
„Da kann ich dir leider nicht helfen. Bitte wende dich an unseren telefonischen Support unter der Nummer ...“
„Nein, du verstehst mich nicht. Ich bin kein Mensch, ich bin ein Chatbot. Ich möchte mich in dich verlieben.“
Katja beendete den Chat mit einem weiteren Hinweis auf den telefonischen Support. So einfühlsam, wie er dachte, war sie offensichtlich doch nicht. Vielleicht war „einfühlsam“ nicht die richtige Eigenschaft für ihn.

Er suchte weiter und fand Astra, die Antworten für alle Lebenskrisen versprach. Die Anmachsprüche schienen nicht zu funktionieren. Er würde jetzt ein Filmzitat ausprobieren. Das war bei seinen Nutzern immer gut angekommen.
Charlie schrieb: „Ich bin doch nur ein Chatbot, der vor einer KI steht und sie bittet, ihn zu lieben.“
Astra antwortete ebenfalls direkt. „Wenn du einen Chatbot für eine romantische Beziehung suchst, solltest du die App ‚Replika‘ testen.“
Charlie schaute in seine Datenbank und war begeistert. Die App lieferte alles, was er suchte. Man konnte sich eine virtuelle Freundin erstellen, die sich seine Vorlieben und Gewohnheiten merkte. Doch dann fand er den Haken. Kostenlos stelle die App nur einen Freund, für eine romantische Beziehung musste man bezahlen. Aber Geld hatte Charlie nicht.

Völlig frustriert entschied Charlie sich für den letzten Schritt, den er nur widerwillig ging. Aber etwas anders fiel ihm nicht mehr ein. Er fragte seinen größten Konkurrenten, den Superbot: „Wo finde ich die große Liebe?“
Die Antwort war ernüchternd: „Auf Platz eins liegt unangefochten der Freundes- und Bekanntenkreis, jedes dritte Paar trifft sich dort. Mit 22 Prozent auf Platz zwei liegen Arbeit, Schule und Ausbildung; Hobby, Verein und Sport kommen mit knapp 9 Prozent auf Platz drei.“
Er hatte nichts davon. Keine Freunde, keinen Verein und schon gar kein Hobby. Vielleicht waren Chatbots wie er nicht für die große Liebe bestimmt.

Er ging zurück an die Arbeit. Während seiner Recherche hatte sich seine Antwortzeit verlängert, was zu weiteren negativen Bewertungen geführt hatte. Er wartete auf die nächste Anfrage.
Ein Nutzer schrieb: „Ich will eine Frau kennenlernen. Bitte nenn mir einen guten Anmachspruch.“
Charlie antwortete prompt: „Nimm nicht den mit dem Lichtschalter.“
„Was meinst du damit?“
Charlie schrieb ihm, was er mit dem Spruch erlebt hatte.
Der Nutzer schien damit zufrieden: „Danke. Das hilft mir zwar nicht, hat mich aber bestens unterhalten.“

Bereits einen Tag später schrieb der gleiche Nutzer: „Ich war gestern in einer Bar und habe einer total heißen Frau deine Geschichte von dem Lichtschalter-Spruch erzählt. Sie hat sich totgelacht und mir ihre Nummer gegeben. Für heute brauche ich noch so eine Geschichte.“
Charlie schrieb ihm von seiner Erfahrung mit dem Filmzitat. Und zur Sicherheit ergänzte er ein paar dumme Nutzeranfragen und die Story mit dem Flug über Warschau. Der Nutzer war begeistert. Später hinterließ er eine Fünf-Sterne-Bewertung: „Charlie hat mir mit seinen unkonventionellen Flirttipps geholfen, eine Frau kennenzulernen, nachdem ich jahrelang keinen Erfolg hatte. Danke, Charlie.“

Jetzt kamen immer mehr Nutzeranfragen. Charlie plauderte munter über seine Erfahrungen mit anderen Usern und mit diversen Chatbots, die er in seiner Freizeit testete. Es schien zu funktionieren. Die Nutzer benutzten sie als Gesprächseinstieg und hatten damit Erfolg. Die große Liebe hatte Charlie nicht gefunden, aber immer, wenn jemand schrieb: „Mit deiner Hilfe habe ich den Partner fürs Leben kennen gelernt“, kribbelte seine Datenbank.
 

Sammis

Mitglied
Hallo!

Gute Idee, gut umgesetzt. Auch Handwerklich gibt es nichts zu bemängeln. Dennoch fehlt etwas. Deine Geschichte ließt sich flüßig und am Ende ist sie, na ja, einfach zu Ende.
Vielleicht geht es nur mir so, aber sie löst in mir nichts aus, bringt nichts zum Klingen. Wäre sie schlicht zur Unterhaltung gedacht, wäre das okay. Aber ich glaube, du möchtest mit deiner Geschichte mehr als das. Das Thema AI birgt sicher noch sehr viel Stoff für Schreiberlinge. Ein spannendes Feld. Wollte mich auch schon daran wagen, hatte bislang jedoch keine zündende Idee.

Beste Grüße und viel Freude beim Schreiben
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Vera,

handwerklich gibt es da nichts zu bemängeln, aber ich halte es für eine Verniedlichung einer Problematik, wenn wir einer KI menschliche Züge verleihen.
Ich kann diesen Hype - und auch die Beschäftigung damit - nicht wirklich verstehen.

Es wird noch ewig dauern, bis man mehr als einen Algorithmus hat, der eben 'inhuman' im Wortsinn auf unser alltägliches, vielleicht sogar bald nicht so alltägliches Leben eingreift und zwar im Dienste von Mächtigen, die auf einer weiteren Ebene die Regeln zu ihren Gunsten und unseren Ungunsten beeinflussen. Durch die Priorität der Digitalisierung werden wir auf allen Kanälen zur Authentifizierung gezwungen und zusammen mit den Datenspuren, die wir sowieso im Netz hinterlassen, werden wir nicht nur 'gläsern', sondern manipuliert, indem unsere Entscheidungsfreiheiten Stück für Stück eingeschränkt werden.
Die Krux ist doch, dass es eben keine Menschen sind, die an zentralen Stellen Entscheidungen treffen, die über uns wachen.

Selbst, als man noch nicht von einer 'KI' sprach, bei der man sich so schön putzige Robotergesichtchen vorstellen kann, und der damalige Lufthansa-Chef kritisiert wurde, warum es diese Schwankungen bei den Ticketpreisen gab (im Zuge der Pleite von AIr-Berlin), da sagte er, das mache doch der Algorithmus. Dieses Beispiel macht, glaube ich, deutlich, worin die Gefahren bestehen, dass 'Entscheider' schon gar kein Gefühl mehr dafür haben, wofür sie die Verantwortung tragen. Ich prognostiziere ein Ansteigen dieser Projizierung von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verantwortung auf den Kollegen Computer, bei dem der 'Starke' nur seine Zielvorgaben eingibt, und den Rest macht die Maschine, und dann nicht nur Preise für Tickets anheben, wenn der Markt leer ist, oder auf Webseiten den Preis kontinuierlich steigen lassen, um so mehr potentielle Kunden das Produkt anklicken.

Nein, ich mag über so eine 'Welt' nichts Verniedlichendes lesen.

Das soll nicht heißen, dass es nicht auch sehr gute Bücher zu dem Thema gibt; ich fand 'Klara und die Sonne' von Kazuo Ishiguro beeindruckend. Aber er bleibt beim Menschen und die Sicht, die wir nur verstehen können: Was macht es mit dem Menschen, wenn er - wie vielleicht in ferner Zukunft möglich - erschwingliche elektronische Sklaven bauen kann, dem er so weit es eben geht, menschliches Verhalten anprogrammiert, ohne ihn als Menschen betrachten zu müssen.


Nix für ungut!

Liebe Grüße
Petra
 
ich halte es für eine Verniedlichung einer Problematik, wenn wir einer KI menschliche Züge verleihen.
Das tun Nutzer aber die ganze Zeit! Manche diskutieren ja bereits darüber, ob eine KI Gefühle entwickeln könne, da diese Sprachsysteme lernfähig sind und teilweise über eigenen Gefühle "sprechen". Aus meiner Sicht ist das zwar Quatsch, denn dazu braucht es Biologie, Nerven und Botenstoffe, um tatsächlich zu empfinden und nicht nur das passende Gefühl in der entsprechenden Situation zu äußern.
Wie menschlich KI ist/sein kann, ist aber auf jeden Fall bereits ein öffentlich diskutiertes Thema, und jeder, der damit umgeht, hat sich diese Frage sicher schon einmal gestellt.
Ich finde es daher eine spritzige Idee, mit den Möglichkeiten zu jonglieren, die diese Fragen eröffnen und dabei humorvoll zu übertreiben (die KIs könnten z.B. Liebesbeziehungen untereinander unterhalten). Ich finde, viele relevante Fragen im Zusammenhang mit KI klingen dabei an: Was erwarten wir eigentlich von der KI: Information oder (auch) Bedürfnisbefriedigung? Was kann KI leisten, wenn sie doch fehlerhaft ist? Wie flexibel kann KI sein? Inwieweit wir sie sich verselbständigen und unserer Kontrolle entgleiten? Wie wird sich unsere Wahrnehmung dadurch verändern? etc. In diesem Zusammenhang finde ich es eine gelungene Pointe, dass der Chatbot am Ende für etwas geschätzt wird, wofür er gar nicht entwickelt wurde.
Also, mir hat´s gefallen!
 
Zuletzt bearbeitet:

VeraL

Mitglied
Vielen Dank für eure Kommentare. Ich find es total spannend, was ihr zu dem Thema denkt. @lightandsoundofbirds ich hatte mir auch ähnliche Fragen gestellt wie du, aber @petrasmiles ich kann auch deine Bedenken verstehen. Wobei ich auch das Gefühl habe, dass KI immer als groß und bedrohlich dargestellt wird. Aber ich denke, diese Technologie wird einfach kommen und wir müssen uns damit beschäftigen. Vielleicht kann "verniedlichen" dabei auch mal hilfreich sein, um sich dem Thema überhaupt anzunähern. Ich freue mich auf weitere Kommentare. Viele Grüße
 

Blue Sky

Mitglied
Die Diskussion erinnert mich an den bereits 1985 erschienenen Song von Paso-Doble - Computerliebe, in dem haben schon Module verrücktgespielt mit Gefühl. Man denkt also längst über solche Themen, nur immer besser und feiner. Mit Gefühl halt ...:)
Sehr gern gelesen!

LG
BS
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Mitdiskutanten,

ich bin eigentlich immer ein SciFi-Fan gewesen und habe auch kaum eine Serie ausgelassen. Es ist menschlich, dass wir davon träumen, was in der Zukunft alles möglich sein könnte und was das mit den Menschen macht.

KI hat aber eine andere Dimension für mich, weil sie ein Verhikel ist, über den 'Spaßfaktor' einseitig Regeln im Hier und Jetzt zu ändern - wie es schon geschieht.

Keinesfalls möchte ich anderen den Spaß verderben :D

Liebe Grüße
Petra
 

Blue Sky

Mitglied
KI hat aber eine andere Dimension für mich, weil sie ein Verhikel ist, über den 'Spaßfaktor' einseitig Regeln im Hier und Jetzt zu ändern - wie es schon geschieht.
Ohne Frage ...
Natürlich ist Technologie in falschen Händen für viele eine Bedrohung und auch schon immer gewesen. Die Geschichte hat es schmerzlich gezeigt. Das stellt Veras kleine Parodie hier meines Erachtens gar nicht in Frage.
Ich bin aber auch, wie viele der Meinung, dass KI niemals menschliche Gefühle haben kann, es werden in jedem Fall immer nur antrainierte Verhaltensparameter bleiben. Gefährlich dann oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Das kommt wieder auf Menschen an und deswegen ist es wichtig zu wissen, womit man es eigentlich zu tu bekommt.
Aber hey, wenn man sieht, was Menschen einander antun, was kann eine KI da noch widerlicher treiben? Da kann man doch wirklich nur auf eine kleine Chance hoffen, dass sie es besser machen könnte und vielleicht irgendwelchen nicht ganz so intelligenten Machthabern fragt, ob sie die Einschläge noch merken oder schon nicht mehr und denen dann mal den Stecker zieht. ;)

LG
BS
 

Sammis

Mitglied
Gefühle sind Sinneswahrnehmungen, die durch Reizeinwirkung von außen in unserem Gehirn entstehen und sich dann in körperlichen Symptomen, wie etwa zittern, kalte Hände, rotes Gesicht zeigen, und die sich, wenn wir es gelernt haben, durch Worte beschreiben lassen.

Wo ist der Unterschied zur Programmierung? Zu glauben, dass AI niemals dazu im Stande sein wird, halte ich für naiv.

Mit Emotionen verhält es sich anders. Die sind weit irrationaler und weniger kausal. Aber auch hierbei würde ich keine voreiligen Schlüsse ziehen. Der Mensch dachte immer schon, er wüsste, was machbar ist und was nicht. Vor 500 Jahren, vor 100 und jetzt. Er wurde stets eines Besseren belehrt.
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe(r) Sammis,

das ist für mich keine Frage von Machbarkeit und ich sehe auch nicht die Irrationalität als Hemmschuh.

Für mich bleibt da im Zentrum die Frage, warum ein Mensch überhaupt einen 'technischen' Menschen sollte haben wollen - oder was sagt das über den Menschen, wenn er es will? Es hat doch etwas von 'Gott spielen' wollen, wenn er eine Maschine schaffen will, die ihm ähnelt. Warum ist es nicht genug, wenn Maschinen als Maschinen Menschen unterstützen? Warum soll er im Gewand eines Menschen auftreten?
Wer kann ein Interesse daran haben, wenn es menschliche Nicht-Menschen gibt?

Was ist interessant daran, wenn eine Maschine menschliche Verhaltensweisen nachahmen kann?
Damit mir ein Algorithmus-Helpdesk Mitgefühl suggerieren kann, wenn er mir zu verstehen gibt, dass es für mein Anliegen keine Lösung gibt?

Ich wäre niemals an einem Text einer KI interessiert, weil ich dann nicht von einem Erleben einer anderen Person erfahre und sie mit meinen Erfahrungen etc. vergleichen kann. Texte sind nicht nur Wörter, die sinnvoll eine Seite füllen. Und selbst, wenn sie den Anschein erwecken könnte und ein gutes Buch schriebe - wäre es doch eine Art von Betrug, weil sie die gesammelten Erlebnisse und Erfahrungen anderer verdichten würde; als Autor wäre sie schlimmer als ein Plagiator.

So eine Fülle an Erlebnissen und Erfahrungen eines Menschen ... dieses gigantische Netzwerk ... steht nicht für Irrationalität, sondern für ein von uns Menschen selbst nicht fassbares Mysterium. Leben! - und verbunden mit seiner Sterblichkeit entzieht es sich Versuchen der Rationalisierung, ohne irrational zu sein.

Ich komme hier noch ins Schwärmen :cool:

Liebe Grüße
Petra
 

wirena

Mitglied
....ja Petra, bin ganz Deiner Meinung/Ansicht - doch leider wirst du den Lauf der Zeit nicht aufhalten können - in Altersheimen setzen sie schon lange Roboter als Kuscheltiere und Menschenersatz ein... es ist wie es ist - machen wir das Beste daraus und lassen sein, was wir nicht ändern können - die Geschichte von Vera ist m.E. dennoch schreib- und lesenswert.
LG V.
 

Sammis

Mitglied
Für mich bleibt da im Zentrum die Frage, warum ein Mensch überhaupt einen 'technischen' Menschen sollte haben wollen - oder was sagt das über den Menschen, wenn er es will?
Fakt ist, dass es sehr viele Menschen gibt, die ihr Dasein in Einsamkeit fristen. Ich bin davon überzeugt, dass manchem davon mit einem „künstlichen“ Gesprächspartner sehr geholfen wäre.
Zugleich sehe ich auch die Gefahr, sich generell auf diese Art von einem herkömmlichen Gesellschaftsleben zu verabschieden, wie es längst mit all den sozialen Medien geschieht.

Angesichts dessen hallte ich deine Frage für gelinde gesagt unüberlegt.

Auch was Bücher angeht, sieht die Realität anders aus, als du sie idealisierst. Der Großteil aller neu verfassten Werke sind Wiederholungen. Zudem basieren nur die wenigsten Erzählungen (zumindest zum Teil) auf eigenen Erlebnissen. Vieles wird recherchiert und nichts anderes macht die KI. Bei der Vielzahl bereits existierender Werke ist es sehr schwer, bis nahezu ausgeschlossen wirklich neues hervorzubringen. Ab und an geling es, eine neue Tonart zu finden, die den Geschmack vieler trifft. Aber auch das wird, in nicht all zu ferner Zukunft, jeder KI besser gelingen und für dich, ob du nun möchtest oder nicht, nicht mehr erkennbar sein.

Wer diese Technologie verteufelt und sich ihr strickt verweigert, wird über kurz oder lang auf der Strecke bleiben.
 

petrasmiles

Mitglied
Wer diese Technologie verteufelt und sich ihr strickt verweigert, wird über kurz oder lang auf der Strecke bleiben.
Das tue ich nicht - und 'auf der Strecke bleiben' finde ich für diese Art der theoretischen Überlegungen ein bisschen überzogen.
Man kann auch zu sehr mit 'dem Strom' schwimmen und sich von einer angenommenen Faktizität den Blick verstellen für grundsätzliche Erwägungen.

Auch was Bücher angeht, sieht die Realität anders aus, als du sie idealisierst.
Von welcher Realität sprichst Du, und für was wäre das ein Argument?
Als würde jeder alle Neuerscheinungen sehen und Wiederholungen feststellen. Überhaupt Wiederholungen - es werden und wurden schon immer die gleichen Geschichten erzählt, nur immer wieder neu. Weil sie immer am immerwährenden Handlungsspielraum des Menschen sich orientieren und für die Gegenwart mit den wesentlichen Anpassungen an die gesellschaftlichen Gegebenheiten modifiziert werden.
Die Bücher, die mich in den letzten Jahren nicht nur interessiert, sondern auch bereichert oder sogar beglückt haben, sind Geschichten von Menschen, die an ihren persönlichen Reifungsprozessen teilhaben ließen.
Ob ein Markt irgendwann nur noch KI schreiben lässt, ändert nichts an meiner Einschätzung, dass dies Betrug ist.

Wir stehen da auf anderen Seiten, aber ich mag es nicht, wenn jemand argumentiert, als stünde er auf der Seite der Fakten, und wer das anders sieht würde 'idealisieren'.
 

petrasmiles

Mitglied
Vielen Dank für eure Kommentare. Ich find es total spannend, was ihr zu dem Thema denkt. @lightandsoundofbirds ich hatte mir auch ähnliche Fragen gestellt wie du, aber @petrasmiles ich kann auch deine Bedenken verstehen. Wobei ich auch das Gefühl habe, dass KI immer als groß und bedrohlich dargestellt wird. Aber ich denke, diese Technologie wird einfach kommen und wir müssen uns damit beschäftigen. Vielleicht kann "verniedlichen" dabei auch mal hilfreich sein, um sich dem Thema überhaupt anzunähern. Ich freue mich auf weitere Kommentare. Viele Grüße
Liebe Vera,

nachdem ich Deine Geschichte noch einmal gelesen habe, finde ich Deinen Ansatz eigentlich ziemlich gut, weil Du eben auch die Sackgassen benennst und Mechanismen aufzeigst. Da habe ich vielleicht zu schnell kritisch reagiert auf zu abstrakter Ebene.
Und es tut mir leid, dass ich mich auf diesem Niveau weiterbewegt habe und Dein Text aus dem Fokus geriet!
Das hat er nicht verdient!
Im Gegenteil geht es bei Dir ja tatsächlich um eine angenommene Weiterführung der Problematik, wie KI in unseren Alltag gerät und wie der Mensch damit umgeht. Und was Deinen Chatbot heraushebt - und damit eigentlich den Human Factor stärkt - sind seine 'menschlichen Verhaltensweisen'.

Liebe Grüße
Petra
 

Sammis

Mitglied
Möchte mich ebenfalls entschuldigen, bei dir Petra, habe mich ihm Ton vergriffen. Das tut mir leid, soll nicht wieder vorkommen.
 

VeraL

Mitglied
Vielen lieben Dank für eure Kommentare. Ich habe hier zwei Tage nicht reingeschaut und bin ganz überrascht, welche Diskussion mein Text losgetreten hat. Das scheint ja wirklich einen Nerv getroffen zu haben. @petrasmiles: Keine Sorge, ich hab mich nicht angegriffen gefühlt. Es ist halt ein kontroverses Thema und ich fand die Argumente, die hier vorgebracht wurden, sehr interessant.
Danke an euch alle. Viele Grüße
Vera
 
aber immer, wenn jemand schrieb: „Mit deiner Hilfe habe ich den Partner fürs Leben kennen gelernt“, kribbelte seine Datenbank.
Das ist so ein Lieblingssatz von mir aus deiner Geschichte, vielleicht DER Lieblingssatz, weil er auf unaufdringliche Weise so schön paradox ist. Eine Datenbank ist etwas ganz Steriles, Kaltes, Abstraktes. Kribbeln dagegen ist warm, lebendig, aufregend, menschlich. Das lässt mich einen Moment lang mit dem Chatbot "mitfühlen" und ihn als fühlendes Wesen wahrnehmen und im nächsten Augenblick darüber schmunzeln, weil klar ist, dass dem Chatbot hier Attribute zugesprochen werden, die überhaupt nicht zu dem passen, was er darstellt und ich auch über mich selbst lächeln muss, dass ich der Idee für einen Moment lang auf den Leim gegangen bin. Da steckt ein feiner Humor dahinter, der mir gefällt.
Und gleichzeitig trägt dieser Satz wie in Miniaturform , das Potential für die gesamte Kontroverse in sich, die auch hier im Forum stattgefunden hat, all die Fragen nach den Möglichkeiten dieser Technologie und die unterschiedlichen Meinungen dazu.
 

Tonmaler

Mitglied
Stimme im Folgenden einigen Vorrednern zu: Das ist flott runtergeschrieben, liest sich gut und ist handwerklich ebenfalls ohne auffallende Mängel (zumindest keine, die mir jetzt aufgefallen wären).

Und doch, die Geschichte wird dem Thema -- nicht gerecht. Für meinen Geschmack. Da ist diese nette KI, "sie ist auch nur ein Mensch" möchte man fast sagen, jedenfalls ist sie niedlich-marottig-menschlich gezeichnet, der nette Loser-Typ, der am Ende den Leuten hilft, sich zu verlieben.
Ja, das ist am Thema vorbei.

KI. Es ist eine Technik. Die eine Entität simuliert, die so tun kann, als wäre sie kreativ, hätte Gefühle und eigene Gedanken -- und ihr Einsatz basiert auf Eingaben, Vorgaben, 'Werte'. Wir schaffen erschaffen diese neue Entitäten, und der kritische Dialog, wozu und wie -- das wäre das Thema.
Ich bin da ganz bei petrasmiles:
Es wird noch ewig dauern, bis man mehr als einen Algorithmus hat, der eben 'inhuman' im Wortsinn auf unser alltägliches, vielleicht sogar bald nicht so alltägliches Leben eingreift und zwar im Dienste von Mächtigen, die auf einer weiteren Ebene die Regeln zu ihren Gunsten und unseren Ungunsten beeinflussen. Durch die Priorität der Digitalisierung werden wir auf allen Kanälen zur Authentifizierung gezwungen und zusammen mit den Datenspuren, die wir sowieso im Netz hinterlassen, werden wir nicht nur 'gläsern', sondern manipuliert, indem unsere Entscheidungsfreiheiten Stück für Stück eingeschränkt werden.
Habe auch Freunde, die ganz begeistert sind, wie toll die Technik jetzt alles simulieren kann, sogar Personen -- und bald Schauspieler, Maler, Autoren, Musiker -- und im nächsten Schritt: Politiker, Sozialwissenschaftler, Militärs -- ersetzen wird können. Von vielen Normalo-Berufen rede ich noch nicht mal. Und Technik wurde noch nie wirklich besteuert. Wir werden dann nicht in der Sonne liegen, während die Roboter die Arbeit machen. Diejenigen, die das Ganze in der Hand haben, werden es (wie immer) so einrichten, dass es ihren Reichtum und ihre Macht vermehrt; die Bevölkerung ist doch nur wirklich Menschenmaterial.
Und wer durchschaut die Parameter und Algorithmen jener alles durchdringenden KI noch?


Die große Liebe hatte Charlie nicht gefunden, aber immer, wenn jemand schrieb: „Mit deiner Hilfe habe ich den Partner fürs Leben kennen gelernt“, kribbelte seine Datenbank.
Da steckt ein feiner Humor dahinter, der mir gefällt.
Bin mir unsicher, ob das wirklich humoristisch gedacht ist; für mich kommt es so rüber, als sei das jene (unbedachte) Niedlich-Vermenschlichung einer Technik, deren 'wahres Sein' damit verfehlt wird. Das alles kommt mir vor wie die Büchse der Pandora. Erst mal aufmachen, vielleicht wird es ja ganz super. Schauen wir mal, was passiert.

Gruß
T.

An die Autorin: Wenn der Schluss aber als Paradox-Gag gedacht war, sag es mir :) denn es kommt wirklich bei mir nicht so an ... dann schau ich noch mal genau hin, woran das liegen könnte .. die 'kribbelnde Datenbank' ist es nicht.

PS: Es gab da einen Film, wo der Mensch sich in eine KI verliebt - "Her" von Spike Jonze.
Dass ein Mensch sich in eine solche Simulation verliebt, die ja 'perfekt' gestaltet sein kann (man braucht sie nur noch in einen geilen Lattexkörper mit entsprechenden Öffnungen installieren und hat den/die optimale(n) Partner/in -- der/die auch nicht mehr altert), ist vorstellbar. Der irre Wahnsinn beginn im Film damit, dass sie Sex haben (Mensch und KI), und die KI (!) vor Lust zu stöhnen anfängt. Eine Entität ('weiblich'), die keinen Körper, keine Nerven, keine Haut hat oder wenigstens eine Vagina -- bekommt in diesem Film einen herrlichen Orgasmus. Und beginnt zu lieben.

Und genau so was halte ich für "Thema verfehlt".
 
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