Ein paar Hinweise ...
Hallo maerchenhexe,
Du schreibst:
Wäre schön, wenn du mir tatsächlich ein paar Hinweise geben würdest.
Gerne liefere ich, wie versprochen, ein paar Hinweise zur Perspektive.
Perspektive, das sind die virtuellen Augen, durch die Dein Leser die Geschichte wahrnimmt. Diese Augen verpflanzst Du mehrmals um. Ein Leser merkt das u.U. nicht direkt, denn für die ausgerissenen Augen setzt Du ihm sofort einen neuen Blick auf. Es bleibt jedoch der Schmerz der Amputation und Neuverpflanzung, der sich in Form einer höheren Distanz zu Deinem Werk bemerkbar macht.
Zuerst hat dieser Blick einen objektiven Standpunkt:
Die Schulglocke läutete zur zehn Uhr Pause.
Dann transplantierst Du dem Leser die Augen von Frau Hagenbeck:
Frau Hagenbeck, die Klassenlehrerin blickte freundlich auf ihre 6c. „Nehmt euer Frühstück und ab in die Sonne auf den Schulhof, “ rief sie fröhlich. Dann schaute sie Thorben an und sagte: „Thorben, du bleibst noch einen Moment hier. Mit dir möchte ich noch etwas besprechen.“
Auch wenn das der Text nicht ausdrücklich verlangt, so führen die Lesergewohnheiten zwangsläufig dazu, sich den Standpunkt der Lehrerin anzueignen.
Unmittelbar danach reißt Du den Blick heraus und schmeißt den Leser in den Protagonist Thorben:
Während seine Mitschüler lärmend aus dem Klassenraum flitzten, betrachtete Thorben seine Lehrerin. „Eigentlich ist sie ja nett, “ dachte er, „immer modern angezogen und ihre roten Haare mag ich auch.
Hier bezihst Du deutlich Standpunkt, denn der Leser kann Thorben nur hören, wenn er in ihm ist (oder wenn Du einen rigelianischen Gedankenleser auftreten lässt, das ist aber zum Stand des Plots noch nicht geschehen).
Jetzt denkt der Leser: "Prima, Thorben ist ab jetzt Mittelpunkt des Universums, damit kann ich leben!", doch Du forderst ihn weiter:
Jetzt verlor die Lehrerin die Geduld.
Dieser scheinbar harmlose Satz kann nur von einem objektiven und distanzierten Betrachter so beobachtet werden. Einer, der in alle Köpfe kuckt und objektiv erzählt. Alle Teilnehmer der Szene würden diese Information lediglich als Empfindung oder als indirekte Beobachtung wahrnehmen.
Das ist der - mit Abstand - der am schwierigsten zu verstehende Punkt. Ich habe Blut und Wasser geschwitzt, bin von Kritikern und Lektoren balbiert, filetiert und geröstet worden, habe zahlreiche Bücher lesen müssen, bis es endlich geschnackelt hat. Auch heute noch mache ich haarsträubende Fehler in der Perspektive.
Um es verballhornt auf einen Punkt zu bringen: schreibe keinen Text für den Polizeibericht ("Der Beschuldigte verlor die Geduld und wurde gewalttätig"), sondern ein richtiges Drehbuch. Stell Dir vor, Du drehst Deinen eigenen Film, hast Dir aber jeden Kommentar eines Sprechers verboten und hältst Dich genau an diese Vorgabe.
Gib jetzt Deinen Darstellern die Anweisung, wie sie spielen sollen. Wie soll Frau Hagenbeck agieren, wenn sie die Geduld verliert? Du bist eine sehr gute Beobachterin, das beweisen Deine Werke. Also dokumentiere diese Beobachtung!
Beispiel:
>> Frau Hagenbeck runzelte die Stirn und erwiderte, etwas schriler als zuvor: "... <<
Warum das Ganze? Damit lebendige Bilder entstehen, der Leser ein Kopfkino erlebt, er in einen Lesefluss gerät, der ihn nicht merh loslässt, bis zum Ende.
Es sind nur diese Kleinigkeiten, welche dieses Werk vervollkommnen würden. Denn das Übrige scheint für mich zu stimmen.
Entschuldige bitte, falls ich in meiner Leidenschaft ein wenig über das Ziel hinausgeschossen sein sollte.
Liebe Grüße
Pete