Der Musterschüler

Rudolph

Mitglied
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[ 4]Der Musterschüler

Waren sie ein Musterschüler, der Liebling der Lehrer, der Klassenbeste? Ich war einer – leider.

Schuld an allem war meine Mutter. Ich war ein sehr interessiertes Kind und hatte viele Fragen gestellt. Was ich nicht konnte, wollte ich unbedingt lernen. Ich ging häufig an der Hand meiner Mutter durch die Stadt. Ein eigenes Fahrzeug besaß damals noch kaum jemand. Wege, die nicht allzu weit waren, wurden zu Fuß erledigt. Bei jeder Plakatwand blieb ich stehen und ließ mir den Text vorlesen. Auf diese Weise lernte ich lesen, schon lange vor meinem Schuleintritt.

Im Alter von sechs Jahren musste ich meine Mutter zur Einschreibung in die Volksschule begleiten. Welche Tests die Direktorin und die Klassenlehrerin mit mir durchführten, um meine Schulreife festzustellen, weiß ich nicht mehr. An eines kann ich mich aber noch gut erinnern. Schon im Gehen wies meine Mutter meine künftige Klassenlehrerin nicht ohne Stolz darauf hin, dass ich bereits lesen könne. Gleich am zweiten Schultag brachte die Lehrerin ein Märchenbuch mit und fragte mich mit einem zuckersüßen Lächeln, ob ich nicht der Klasse etwas vorlesen möchte. Aufgeregt war ich schon etwas, als mich die anderen Kinder anstarrten. Aber ich konnte ja lesen. Deshalb nahm ich das Buch und las die aufgeschlagene Seite laut vor – und seither war ich der Musterschüler in der Klasse.

Das Lernen fiel mir leicht. Ich merkte mir alles bereits während der Unterrichtsstunden. Wo Übung erforderlich war, reichte es, einfach die Hausaufgaben zu machen. So hatte ich viel Zeit, die ich aber nicht dazu nutzte, mit Gleichaltrigen zu spielen. Ich unterhielt mich lieber mit den Erwachsenen oder suchte mir etwas zum Lesen oder Basteln. Im Zeugnis der letzten Volksschulklasse hatte ich fast lauter Einser, außer im Turnen. Ich galt als begabt und durfte daher die Mittelschule besuchen. Die damals noch obligate Aufnahmsprüfung bestand ich ohne Probleme. In der ersten Klasse schaffte ich es wieder ohne viel Arbeitsaufwand, der Klassenbeste zu sein. Allein diesem Umstand verdankte ich es, zum Klassensprecher gewählt zu werden. Alle meinten, dass sich der Liebling der Lehrer wohl auch am besten dafür eigne. Niemand dachte damals an die Vertretung von Schülerinteressen. Der Klassensprecher wurde hauptsächlich dafür eingesetzt, Arbeiten für die Lehrer zu übernehmen, wie das Einsammeln von Hausübungsheften oder der Entschuldigungen für das Fernbleiben vom Unterricht.

Manche Lehrer mussten, aus welchem Grund auch immer, öfter die Klasse während des Unterrichts verlassen. Die Schüler durften sich nicht vom Platz bewegen und auch nicht miteinander reden. Aber wer sollte das überwachen, wenn kein Lehrer in der Klasse war? Nichts einfacher als das. Es wurde eben ein vertrauenswürdiger Schüler als Aufpasser eingesetzt. Der musste unfolgsame Schüler ermahnen und sie nachher dem Lehrer melden, damit sie eine Strafe erhielten. Wen hatten die Lehrer für diese Aufgabe ausgesucht? Natürlich einen Musterschüler, der, wie ich, auch oft Klassensprecher war. So musste ich häufig am Lehrertisch auf dem Podium Platz nehmen und die anderen Schüler mit Argusaugen und den Ohren eines Wildtiers beobachten und jeden aufschreiben, der aufstand oder schwätzte.

Ich brachte es als Aufpasser zu einer gewissen Perfektion. Wenn jemand nur den kleinsten Mucks machte, schrieb ich seinen Namen auf und dass er schwätzte, mit einem Strich daneben. Wenn er daraufhin protestierte, setzte ich einen zweiten Strich dazu. Stand er sogar auf, notierte ich: aufgestanden. Es gab natürlich immer Freunde, die dem Beschuldigten helfen wollten und sich lautstark einmischten. Schon hatte ich sie aufgeschrieben. Ich entwickelte den Ehrgeiz, dem Lehrer eine Liste mit möglichst vielen Namen und Vergehen zu überreichen. Ich ging davon aus, dass schlechte Schüler, was deren Leistung betraf, automatisch auch schlimm sein müssten. Die hatte ich jedes Mal auf meiner Liste. Sie erhielten dann auch oft eine Strafe vom Lehrer aufgebrummt. Ich hatte bald entdeckt, dass ich auf diese Weise fast jedem, den ich nicht mochte, Schwierigkeiten bereiten konnte.

Eines Tages kam mitten im Trimester der Direktor mit dem Klassenvorstand in die Stunde und brachte einen neuen Schüler mit. Er hieß Wysowsky. Seinen Vornamen habe ich nicht behalten oder nie erfahren. Mit wenigen Ausnahmen sprachen wir uns auch in der Klasse stets nur mit unseren Nachnamen an. Es war ein dicker, unsportlicher Typ, mit rotfleckigem Gesicht und blonden Haaren. Er war mir von Anfang an unsympathisch. Der Klassenvorstand setzte ihn auf den einzigen freien Platz neben einen Schüler, neben dem sonst niemand sitzen wollte.
Gleich bei meiner ersten Aufsicht begann sich der Nachbar mit dem Neuen zu unterhalten.
‚Wysowsky tratscht mit Baierl’, notierte ich.
Dann holte sich der Neue ein Taschentuch aus seiner Jacke.
‚Wysowsky steht auf und geht in der Klasse herum.’
Ich warf ihm einen drohenden Blick zu.
‚Wysowsky grinst blöd.’
Jetzt griff er zu seinem Nachbarn hinüber, weil der ihn kitzeln wollte.
‚Wysowsky rauft mit Baierl.’
Beim Tratschen, Raufen und Grinsen fanden sich am Ende noch mehrere Striche.
‚Der Wysowsky muss wieder weg’, dachte ich. ‚Der ist so schlimm. Wahrscheinlich ist er zu uns gekommen, weil sie ihn in der anderen Schule hinausgeworfen haben.’
Während der nächsten Wochen stand Wysowsky immer zuoberst auf meiner Liste.
Zu Beginn des nächsten Trimesters saß er nicht mehr in der Klasse.

Heute denke ich oft daran, was wohl aus Wysowsky geworden ist. Ist er in eine Klasse gekommen, in der kein Musterschüler Klassensprecher war? Hat er bis zur Matura durchgehalten? Was ist er von Beruf geworden? Oder hat er sich vorher umgebracht? Ich weiß es nicht und könnte es auch nicht mehr ändern. Ich bin aus der Kirche ausgetreten. Eigentlich schade. Ich würde ganz gerne einmal beichten gehen.
 
A

aligaga

Gast
Zu diesem Text gäbe es wohl einiges zu sagen, @Rudolph.

Zunächst: Er liest sich nicht wie "Kurzprosa", sondern wie eine persönliche Erinnerung, bei der dem Erzähler darum zu tun ist, sich darzustellen. Es ist, als würde sich der Protagonist in jeder Hinsicht überschätzen – nicht nur, was seine schulischen Leistungen anbelangt, sondern auch in Bezug auf die Wirkung, die seine vom Herrn Lehrer verliehene Befugnis zeigt.

Wie bedeutungslos geliehene Macht in letzter Konsequenz zu sein pflegt, wissen die meisten Leser aus eigener schulischer Erfahrung; bei Schriftstellern wie Ludwig Thoma könnte man zudem erfahren, wie dieses Sujet so darzustellen wäre, dass Lesevergnügen wird.

Bei Thoma ist es eine Aufpasserin, die an die Tafel schreibt: „Thoma hat gepfiffen!“ und „Thoma war ungezogen!“ mit der Folge, dass der Lausbub das Angekreidete mit dem Gesicht und den Zöpfen der Streberin wieder wegwischt. Thoma flog mehrfach von der Schule und wurde erst Schriftsteller, dann leider deutschnational.

Tipp, @Rudolph: Deine Geschichte, die keine ist, nach „Diary“ verschieben lassen, zuvor aber versuchen, einen kleinen literarischen Ansatz zu finden: Statt nur zu erzählen, dass man seine Mitschüler denunziert, dem Leser wirklich erklären, warum. Dann würd's!

Gruß

aligaga
 

Rudolph

Mitglied
Hallo aligaga,

schön, dass du dich mit meinem Text beschäftigt hast.

Mit Ausnahme des ersten Satzes, der sich an den Leser wendet, hat die Geschichte als Reflexion des Protagonisten tagebuchcharakter. In diesem Punkt muss ich dir recht geben. Um die Verschiebung ins Forum Tagebuch habe ich bereits gebeten.

In den anderen Punkten kann ich dir allerdings nicht uneingeschränkt zustimmen.
Es ist, als würde sich der Protagonist in jeder Hinsicht überschätzen – nicht nur, was seine schulischen Leistungen anbelangt, sondern auch in Bezug auf die Wirkung, die seine vom Herrn Lehrer verliehene Befugnis zeigt.
Von Überschätzung kann keinesfalls die Rede sein. Letztlich geht es hier sowohl um das Bedauern, in eine Rolle gedrängt worden zu sein, als auch um eine Selbstanklage, was seine damaligen Handlungen in dieser Position betrifft.
Wie bedeutungslos geliehene Macht in letzter Konsequenz zu sein pflegt, wissen die meisten Leser aus eigener schulischer Erfahrung; bei Schriftstellern wie Ludwig Thoma könnte man zudem erfahren, wie dieses Sujet so darzustellen wäre, dass Lesevergnügen wird.
Das mag vielleicht für viele Leser zutreffen. Bedenke aber, dass diese Erinnerung in die Steinzeit der Pädagogik zurückreicht. Brave, angepasste Schüler mit eigentlich durchschnittlichen Leistungen wurden von den Lehrern favorisiert. Schüler, die ein dem Alter entsprechendes 'normales' Verhalten zeigten, wurden oft als schlimm hingestellt. Im Zweifelsfall wurde immer dem braven geglaubt. Für die aufgeschriebenen Mitschüler gab es sehr wohl Konsequenzen, wie auch im Text zu lesen ist. Ob auch das Verschwinden von Wysowsky eine Folge des vom Protagonisten betriebenen Mobbings war oder einen anderen Grund hatte, bleibt offen.
Thoma schildert eine lustige Begebenheit, wie er als Lausbub das Mobbing der Streberin parierte. Ich will keine heitere Geschichte erzählen sondern die Gewissenskonflikte des Protagonisten zeigen, nachdem er in späteren Jahren sein Fehlverhalten als solches erkennt.
Statt nur zu erzählen, dass man seine Mitschüler denunziert, dem Leser wirklich erklären, warum.
Gerade das nicht! Ich gehe davon aus, dass der Protagonist seine damalige Handlungsweise zwar bereut, sich selbst aber nicht im Klaren ist, was ihn dazu bewogen hat. Es gibt im Text Andeutungen über mögliche Motive. Man muss nicht immer alles breit auswalzen. Der Leser ist aufgefordert, sich selbst seine Gedanken dazu zu machen.

LG Rudolph
 
A

aligaga

Gast
So musste ich häufig am Lehrertisch auf dem Podium Platz nehmen und die anderen Schüler mit Argusaugen und den Ohren eines Wildtiers beobachten und jeden aufschreiben, der aufstand oder schwätzte.
Wer jemals selber in die Schule gegangen ist, weiß, dass "Streber" wie der hier skizzierte nie zum Klassensprecher gewählt wurden und dass sie, wenn sie denn gezwungen waren, "Aufsicht" zu führen, niemals ihre Kameraden verschuftet hätten. Daran hätte sie ihr Ehrgefühl gehindert; wo nicht, wären sie von ihren Mitschülern spätestens auf dem Heimweg grün und blau geschlagen worden. Sorry - ein aufmerksamer Leser erkennt in deinem Text hier neben einem Hang zur Selbstbeweihräucherung des Protagonisten ein offenbar stark ausgeprägtes Kriechertum vor der "Obrigkeit" - Heinrich Manns "Untertan" lässt grüßen!

Bedenke aber, dass diese Erinnerung in die Steinzeit der Pädagogik zurückreicht. Brave, angepasste Schüler mit eigentlich durchschnittlichen Leistungen wurden von den Lehrern favorisiert. Schüler, die ein dem Alter entsprechendes 'normales' Verhalten zeigten, wurden oft als schlimm hingestellt. Im Zweifelsfall wurde immer dem braven geglaubt.
Wie weit die Erinnerungen des Protagonisten zurückreichen, kann nicht "bedacht" werden, weil hierzu Hinweise fehlen. Offenbar gab es aber eine "Aufnahmeprüfung" für den Übertritt in die Höhere Schule; es dürften demnach die 50er und 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts gewesen sein. Der Text von Ludwig Thoma, den ich dir vorgehalten hatte, stammt aus der Zeit der Weimarer Republik (1904) und zeigt auf, dass zwischen heutigen und den Schülern von damals keine so gravierenden Unterschiede bestanden, wie du vermutetst (falls du die "Lausbubengeschichten" nicht in deinem Bücherschrank haben solltest, könntest du [blue]da klicken[/blue], wenn's dich interessiert).

Ich gehe davon aus, dass der Protagonist seine damalige Handlungsweise zwar bereut, sich selbst aber nicht im Klaren ist, was ihn dazu bewogen hat. Es gibt im Text Andeutungen über mögliche Motive.
Sorry, aber außer, dass man vermuten kann, es habe sich bei dem Prot um ein Muttersöhnchen gehandelt, das verzweifelt um Aufmerksamkeit buhlte und dabei bedenkenlos über die Leichen seiner Mitschüler ging, finde ich nichts. Zu einer durchdachten Nummer gehörte mehr als nur der Beschrieb und die Aufzählung banaler Gegebenheiten. Ein besseres Musikstück reiht nicht nur Dreiklänge in bekannt-langweiliger Folge aneinander, sondern hat einen Kontrapunkt. Der fehlt bei dem deinen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich kritisiere nicht dich, sondern deinen Text. Und dem fehlt es leider (noch) an Inhalten. Gib ihm welche, @Rudolph! Du kannst es!

Gruß

aligaga
 

Rudolph

Mitglied
Hallo aligaga,

du liegst mit deiner Behauptung schwer daneben.
Wer jemals selber in die Schule gegangen ist, weiß, dass "Streber" wie der hier skizzierte nie zum Klassensprecher gewählt wurden und dass sie, wenn sie denn gezwungen waren, "Aufsicht" zu führen, niemals ihre Kameraden verschuftet hätten. Daran hätte sie ihr Ehrgefühl gehindert; wo nicht, wären sie von ihren Mitschülern spätestens auf dem Heimweg grün und blau geschlagen worden.
Du weißt wohl nicht, wie damals eine Klassensprecherwahl abgelaufen ist und was die Mitschüler von einem Klassensprecher erwartet hatten. Vom Klassenvorstand wurde ein Schüler als Klassensprecher vorgeschlagen. Wer hätte gewagt, einen Gegenvorschlag zu machen? Abgestimmt wurde per Akklamation. Wer sich dagegen stellte, setzte sich der Gefahr aus, von den Lehrern benachteiligt zu werden.
Was vom Klassensprecher erwartet wurde, ist, dass er zum Beispiel Bitten der Klasse beim Direktor vorbrachte, wie etwa: "In der vorletzten Stunde fällt Religion aus. Können sie die Deutschstunde vorverlegen, damit wir eine Stunde früher heimgehen können?" Damals gab es kein Recht auf Mitsprache, weder der Schüler noch der Eltern.
Ach, und das Ehrgefühl. Gerade der zum Klassensprecher bestimmte "Streber" war bemüht, sein Verhältnis zu den Lehrern aufrecht zu erhalten, oft auch mit Methoden, die gegen die Mitschüler gerichtet waren. Genau das schildert mein Text. Und wer hätte es gewagt, den Liebling der Lehrer zu verhauen? Nicht nur der Protagonist, sondern alle Schüler und auch deren Eltern besaßen damals diesen Hang zur Unterwürfigkeit, die dich an den "Untertan" erinnert.
Wie weit die Erinnerungen des Protagonisten zurückreichen, kann nicht "bedacht" werden, weil hierzu Hinweise fehlen. Offenbar gab es aber eine "Aufnahmeprüfung" für den Übertritt in die Höhere Schule; es dürften demnach die 50er und 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts gewesen sein. Der Text von Ludwig Thoma, den ich dir vorgehalten hatte, stammt aus der Zeit der Weimarer Republik (1904) und zeigt auf, dass zwischen heutigen und den Schülern von damals keine so gravierenden Unterschiede bestanden, wie du vermutetst
Die Zeit hast du getroffen. Ein weiteres Indiz wären auch noch die Trimester in der Mittelschule gewesen. Es ist also entgegen deiner Feststellung doch möglich festzustellen, wie weit diese Erinnerung mindestens zurückreicht. Lausbuben wie zu Thomas Zeiten hat es immer schon gegeben. Das waren die Ausnahmen, die Gehorsamsverweigerer, genau die, die der Protagonist am häufigsten "aufgeschrieben" hat. Der Durchschnittsschüler zeigte aber damals ein ganz anderes Verhaltensmuster als heute. Das ist keine Vermutung. Ich war dabei.

LG Rudolf
 
A

aligaga

Gast
In den deutschen Schulen wurden nach dem zweiten Weltkrieg die Klassensprecher von den Schülern gewählt und von diesen nach dem Beliebtheitsgrad vorgeschlagen. Die Wahl erfolgte in aller Regel geheim und nicht per Akklamation.

Wer seine Mitschüler denunzierte, und zwar so öffentlich und auf die Art wie der Typ, den du uns in deinem Bericht vorstellst, war, ganz gleich, ob er Klassensprecher war oder nicht, erledigt. Seine Mitschüler hätten ihn über kurz oder lang zumindest moralisch in den Tod getrieben. Aus die Maus.

Die Streber waren nur bei den schwachen Lehrern die Lieblinge. Die guten Pädagogen mochten die Streber und die Petzer nicht und haben sich auch keine gehalten. Wer petzte, bekam Klassenkeile. Nicht im Klassenzimmer, und nicht im Pausenhof, sondern nach der Schule. Und zwar ordentlich. Da hatten die Lehrer nichts zu melden.

Der Denunziant galt zu jeder Zeit und allen als Schwein, auch den Eltern seiner Mitschüler. Er war immer auf der Flucht. Es hat ihm aber nie etwas genützt. Irgendwann hat er sich immer das Genick gebrochen.

Ich bin froh, dass ich nicht dabei war ...*fröstel*... Es wäre nicht meine Welt gewesen. Du musst schon über hundert Jahre alt sein, denn in Germanien gibt es seit dieser Zeitspanne nur noch Halbjahreszeugnisse.

Gruß

aligaga
 

Rudolph

Mitglied
Hallo aligaga,

ich mache es kurz.

Der Schauplatz ist nicht Deutschland sondern Österreich. Wie damals der Klassensprecher vorgeschlagen und gewählt hätte werden sollen, kann ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, wie es tatsächlich abgelaufen ist.
Über 100 Jahre bin ich noch nicht, aber in der Volksschule hat der Schuldiener(!) noch immer täglich Eisengallustinte in die Tintenfässer in den Schulbänken nachgefüllt. Die Trimestereinteilung gab es an manchen Schulen sogar bis 1974.

Wer die Zeit kennt, versteht den Hintergrund. Unabhängig davon sind aber die Gewissensnöte des Protagonisten, um die es in der Geschichte geht, und die Tatsache, dass er das zu spät erkannte Fehlverhalten nicht mehr korrigieren sondern nur mehr bereuen kann.

LG Rudolph
 
A

aligaga

Gast
Demnach war (und ist?) in Felix Austria die Schuldisziplin auf der Denunziation der Mitschüler durch den Klassensprecher aufgebaut und dieser hat(te) solche Macht, dass die Denunzierten Schüler sich nicht sofort an ihm rächen konnten oder können.

Sauber! Wer möchte da noch die Schulbank drücken ...

@Rudolph, des ganze G'schichtl is und bleibt a Schmarrn, wie die Münchner sagen würden. "Schmorrn" sagt nur der Aiwanger Hubert, der Chef der Bayerischen Freien Wähler. Der hat Polypen und kann nicht anders.

Tipp: Nachdenken und aus dem G'schichterl was G'scheits machen!

Gruß

aligaga
 

Rudolph

Mitglied
Hallo aligaga,

du hängst dich an der Glaubhaftigkeit der damaligen Zustände im Schulbereich auf und übersiehst dabei die Kernaussage des Textes.
Für mich ist es Aufgabe der Literatur, einfache Aussagen in künstlerisch gestalteter Form zu präsentieren.
In diesem Fall lautet die Aussage: "Zu spät erkanntes Fehlverhalten lässt sich nicht mehr rückgängig machen sondern nur mehr bereuen."

LG Rudolph
 
A

aligaga

Gast
Bei Kurzprosa, @Rudolph, käme es auf jedes Wort an. Wenn, wie hier, schon der Ansatz nicht stimmig ist (der mit der Schüler-Schüler-Aufschreiberitis ist es nicht!), dann stimmt auch das Ergebnis am Ende nicht.

Ich kann nur wiederholen, was ich schon gleich zu Beginn sagte:
Tipp, @Rudolph: Deine Geschichte, die keine ist, nach „Diary“ verschieben lassen, zuvor aber versuchen, einen kleinen literarischen Ansatz zu finden: Statt nur zu erzählen, dass man seine Mitschüler denunziert, dem Leser wirklich erklären, warum. Dann würd's!
Von künstlerischem Wert ist deine unplausible Schilderung bis jetzt nicht. Sie könnte es aber werden, wenn du zum Kern der k.u.k.-Geschichte kämest: Interessant ist nicht der Verrat, sondern der Verräter!

Gruß

aligaga
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Rudolpho,

was mir an der Geschichte in Bezug auf die Musterschüler-Theamtik interessant erscheint, ist der letzte Satz .
Ich bin aus der Kirche ausgetreten. Eigentlich schade. Ich würde ganz gerne einmal beichten gehen.
Wenn ich die Aufzeichnung lese, sehe ich zunächst mein Vorurteil bestätigt: dass so ein Musterschülerleben extrem langweilig ist.
Was also hätte ein Musterschüler zu beichten? Ist er etwa einmal bei Rot über die Fußgängerampel gegangen? Hat er gelogen oder unsittliche Gedanken gehabt?

Zumindest mit diesem letzten Satz weckst Du den schläfrig gewordenen Leser, der dem Text bis zu letzt die Treue gehalten hat.
Interessanter aber als die Frage nach dem WAS, scheint mir die Frage nach dem WARUM.

Der Tatbestand, dass der Erzähler für die "innere Bestandsaufnahme" meint, einen kirchlichen Würdenträger zu brauchen, deutet m.E. auf eine Problematik der Auseinandersetzung mit der eigenen "Gutartigkeit" hin.

Der Musterschüler führt ja ein einsames Dasein. Vielleicht gibt es ein paar Trittbrettfahrer in seinem Gefolge, aber Sympathisanten oder gar Freunde sehe ich nicht; sie finden sich standesgemäß in der Liga seiner Gegenspieler. Da, wo das Lachen wohnt, das Mitleid, das Abenteuer, aber auch mal eine Niederlage, ein paar Kratzer, ein Wutausbruch.

So bleibt der Musterschüler Zaungast vor dem Spiegel seines eigenen Lebens. Mit dem einen Auge erkennt er sich. Mit dem anderen sieht er einen Fremden.

Bliebe also, der Kirche wieder beizutreten, um endlich beichten zu gehen und/oder die Flucht nach vorne ins Leben der Verruchten und Verfluchten. Vielleicht auch nur fiktiv. Das wäre immerhin ein literarischer Schritt.

Insofern stimme ich der Einschätzung aligagas zu; mit Betonung auf "zuvor"

Deine Geschichte, die keine ist, nach „Diary“ verschieben lassen, [red]zuvor[/red] aber versuchen, einen kleinen literarischen Ansatz zu finden: Statt nur zu erzählen, dass man seine Mitschüler denunziert, dem Leser wirklich erklären, warum. Dann würd's!
Grüße von Elke
 

Rudolph

Mitglied
Hallo ENachtigall,

ich glaube, du hast das, was zwischen den Zeilen steht, richtig erkannt.

Die geschilderten Vorkommnisse gehen auf eine wahre Begebenheit zurück, auch wenn aligaga meint, dass so etwas in Wirklichkeit nicht vorkommen könne. Die Schule hat sich weiterentwickelt. Das Aufschreiben der "schlimmen" Schüler hat es nur in der ersten Klasse gegeben. Auch der Klassensprecher hat sein Verhalten seinen Mitschülern über geändert und ist von der Klasse bis zur Matura jedes Jahr wieder gewählt worden. Das hat aber mit dem vorliegenden Text nichts zu tun.

Ich gehe davon aus, dass es für den damaligen Klassensprecher eine arge Gewissensbelastung darstellen muss, falls ihm in späteren Jahren sein Fehlverhalten und die möglichen Konsequenzen für andere bewusst wird. Nur diesen Umstand wollte ich in meinem Text behandeln und die Frage nach dem WARUM dem Leser überlassen.

Ich nehme den Wunsch der Leser als Anregung, im Text deutlicher auf die Nöte des Musterschülerdaseins einzugehen, die eine Antwort auf die Frage nach der Ursache seines Verhaltens geben.
Die umgearbeitete Version wird aber keine Kurzprosa mehr sein und gehört dann vermutlich ins Tagebuchforum.

LG Rudolph
 

Rudolph

Mitglied
Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, den Text nicht zu ändern. Ich will nicht analysieren, warum sich der Protagonist damals seinen Mitschülern gegenüber so benommen hat. Vielmehr geht es um die (zu) späte Erkenntnis des eigenen Fehlverhaltens, das möglicherweise eine Weiche im Leben eines Mitschülers in die fatale Richtung gestellt hat. Es ist aber zu spät, um noch etwas zu ändern. Es bleibt nur mehr die Reue.
 

ENachtigall

Mitglied
Danke für die Rückmeldung, Rudolph. Ich sehe, Du hast den Text überdacht und eine Entscheidung getroffen. Das verdient Respekt.

Wenn Du den Text immer noch lieber ins Tagebuch setzen lassen möchtest, kann ich ihn jetzt dorthin verschieben.

Herzlichen Gruß,

Elke
 

Rudolph

Mitglied
Liebe Elke!

Es ist ein kurzer Text, der an keiner Stelle sehr ausführlich wird. Somit kann man ihn der Kurzprosa zurechnen. Vom Inhalt her ist es eine Reflexion des Protagonisten, von der man annehmen kann, dass er sie nur für sich zur Erleichterung seines Gewissens niedergeschrieben hat. Das hat Tagebuchcharakter.
Ich bitte dich daher, den Text samt Kommentaren ins Tagebuch-Forum zu verschieben. Dort scheint er mir besser aufgehoben.

LG Rudolph
 



 
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