Der Priester

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Er stand ratlos in der Kirche, wie so oft in letzter Zeit.
Die Besucher des Gottesdienstes waren längst gegangen und er war allein.
Er kniete sich in die zweite Bank und faltete die Hände. Suchte Trost und Kraft im Gebet. Sein ganzes Leben hatte ihm das geholfen, hatte er eine Lösung gefunden.

Dieses Mal nicht.

Er bekam keine Antwort von Gott, an den er so fest glaubte.

Sein Priesterberuf hatte ihm immer Freude gemacht. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die Wegbegleitung Sterbender, die Taufen und Hochzeiten, die vielen Beichtgespräche, durch die er helfen konnte.
Wer Herzen öffnen will, wird Chirurg - oder Priester. Oh ja, es war ihm gelungen, viele Herzen zu öffnen und Menschen wieder für den Glauben zu begeistern.

Er war erfüllt von seiner Tätigkeit und hatte nicht viel Freizeit. Kam nicht groß zum Nachdenken.

Seine zölibatäre Lebensform störte ihn nicht sehr, denn sie war untrennbar mit seinem Beruf verbunden. Und diesen hatte er schließlich freiwillig gewählt.
Natürlich lernte er während seiner Arbeit auch Frauen kennen und arbeitete mit ihnen zusammen. Doch nie hatte es mehr als Sympathie gegeben. Außerdem wurde man während der Ausbildung auf Kontakte mit Frauen vorbereitet.

Vorbereitet? Es gibt Situationen im Leben, auf die einen niemanden vorbereitet, denn das Leben lässt sich nicht restlos planen.

So etwas war nun eingetreten. Er hatte eine Frau kennengelernt und nun war nichts mehr, wie es war.

Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er das Hohelied der Liebe verstehen.
Er genoss ihre Gegenwart, erlebte ihre körperliche Zweisamkeit wie einen Rausch. Aber da war noch mehr.

Endlich war da ein Mensch, der auf ihn wartete. Dem er sich nach einem langen Tag anvertrauen konnte, der ihm zuhörte. Der ihn in die Arme nahm, wenn die Belastungen zu groß gewesen waren. Der auch mit ihm lachte, wenn er Anekdoten erzählte. Der an ihm interessiert war.

Eben ein DU.

Diese Erfahrung war überwältigend und er wollte diese Frau nicht mehr missen. Das stürzte ihn in einen schrecklichen Gewissenskonflikt.
Was war das für eine Religion, die ihn so unglücklich machte ? Das konnte er kaum fassen. Immer hatte er sich dort wohlgefühlt - und nun ?

Wenn Gott gewollt hatte, dass sie sich kennenenlernten und zwischen ihnen Liebe entstand, dann musste er ihm auch einen Fingerzeig geben, was er tun sollte.

Für die Frau war die Situation auch unerträglich. Diese Heimlichkeiten, dieses Sich-Verstecken-Müssen. Sie konnte zu niemandem sagen: Ich liebe einen Priester.

Er seufzte tief und vergrub den Kopf zwischen den Armen.

Er konnte so nicht weiterleben, konnte nicht den priesterlichen Dienst ausüben und gleichzeitig eine Frau lieben. Eine Entscheidung musste her, sonst würde er noch krank werden.

Sein Lieblingsspruch fiel ihm ein:

Ich falte die Hände und bete in das Dunkel, bis es zerreißt.

Das tat er. Wie er sich auch entscheiden würde ... Gott würde diese Entscheidung verstehen.
 

Adolf Poes

Mitglied
Zölibat

Hallo Doc,

sehr schöner Text,
den "flippigen Sponti -Spruch" von Priester und Chirurg, hätte ich persönlich mir für einen anderen Text aufgehoben. Er hat mich als Leser etwas irritiert und aus der ernsten Atmosphäre "rausgebracht".

Genau aus diesem Zölibats-Schwachsinn heraus, habe ich alle meine 3 Kinder nicht katholisch, sondern evangelisch taufen lassen...


LG

Adolf Poes
 
U

USch

Gast
Hallo Doc,
excellente Sätze. Dieser gefiel mir am besten:
Wer Herzen öffnen will, wird Chirurg - oder Priester.
Dann doch lieber Chirurg, der tatkräftige Entscheidungen selber treffen muss, denn Gott wird ihm nicht helfen. (Du siehst, ich bin Atheist, sorry)

Ich falte die Hände und bete in das Dunkel, bis es zerreißt.
Das tat er. Wie er sich auch entscheiden würde ... Gott würde diese Entscheidung verstehen.
Als Chirurg würde er denken: Ich öffne den Bauch und greife ins Herz und weiss, dass es wieder gleichmäßig schlagen und lieben wird - und darf. Gott braucht das nicht zu verstehen.

Nimm´s nicht zu ernst, wenn du gläubige Katholikin oder auch Protestantin bist.
LG USch
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber Adolf, Du hast recht - dieser Satz ist nicht von mir, ich fand ihn passend - aber er stört den Fluss der eigen verfassten Sätze. Werde ihn streichen. ;-)
Zu Deinem letzten Satz: Das Zölibat kann nicht der einzige Grund sein, Kinder evangelisch anstatt katholisch taufen zu lassen. Meistens liegen da noch mehr Gründe vor. Übrigens erkennen beide Kirchen die Taufe der jeweils anderen an - und christlich ist beides.
Aber ich weiß, das ist alles ein neues Thema, Religion und Kirche, insbesonders die katholische, bieten breite Angriffsflächen.
Ich bin katholisch mein Leben lang und bleibe es auch, bleibe in dieser Kirche, mit der ich auch nicht immer einverstanden bin. Aber sie ist meine Heimat.
Freut mich, dass Dir der Text gefallen hat!


Lieber USch, wie gesagt, ich streiche den Satz, der dir so gut gefällt. Du brauchst Dich nicht zu entschuldigen, wenn Du Atheist bist. Mit Atheisten verstehe ich mich sehr gut, denn sie wollen mich immer überzeugen, dass es Gott nicht gibt. ;-) Keine Sorge, ich bin da sehr schmerzfrei und nehme das alles nicht soooo ernst, was du geschrieben hast.
Es geht ja auch eher darum, die Not eines verliebten Priesters zu zeigen. Und von denen gibt es eine Menge!

LG an alle, Doc
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Er stand ratlos in der Kirche, wie so oft in letzter Zeit.
Die Besucher des Gottesdienstes waren längst gegangen und er war allein.
Er kniete sich in die zweite Bank und faltete die Hände. Suchte Trost und Kraft im Gebet. Sein ganzes Leben hatte ihm das geholfen, hatte er eine Lösung gefunden.

Dieses Mal nicht.

Er bekam keine Antwort von Gott, an den er so fest glaubte.

Sein Priesterberuf hatte ihm immer Freude gemacht. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, die Wegbegleitung Sterbender, die Taufen und Hochzeiten, die vielen Beichtgespräche, durch die er helfen konnte.
Es war ihm gelungen, viele Herzen zu öffnen und Menschen wieder für den Glauben zu begeistern.

Er war erfüllt von seiner Tätigkeit und hatte nicht viel Freizeit. Kam nicht groß zum Nachdenken.

Seine zölibatäre Lebensform störte ihn nicht sehr, denn sie war untrennbar mit seinem Beruf verbunden. Und diesen hatte er schließlich freiwillig gewählt.
Natürlich lernte er während seiner Arbeit auch Frauen kennen und arbeitete mit ihnen zusammen. Doch nie hatte es mehr als Sympathie gegeben. Außerdem wurde man während der Ausbildung auf Kontakte mit Frauen vorbereitet.

Vorbereitet? Es gibt Situationen im Leben, auf die einen niemanden vorbereitet, denn das Leben lässt sich nicht restlos planen.

So etwas war nun eingetreten. Er hatte eine Frau kennengelernt und nun war nichts mehr, wie es war.

Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er das Hohelied der Liebe verstehen.
Er genoss ihre Gegenwart, erlebte ihre körperliche Zweisamkeit wie einen Rausch. Aber da war noch mehr.

Endlich war da ein Mensch, der auf ihn wartete. Dem er sich nach einem langen Tag anvertrauen konnte, der ihm zuhörte. Der ihn in die Arme nahm, wenn die Belastungen zu groß gewesen waren. Der auch mit ihm lachte, wenn er Anekdoten erzählte. Der an ihm interessiert war.

Eben ein DU.

Diese Erfahrung war überwältigend und er wollte diese Frau nicht mehr missen. Das stürzte ihn in einen schrecklichen Gewissenskonflikt.
Was war das für eine Religion, die ihn so unglücklich machte ? Das konnte er kaum fassen. Immer hatte er sich dort wohlgefühlt - und nun ?

Wenn Gott gewollt hatte, dass sie sich kennenenlernten und zwischen ihnen Liebe entstand, dann musste er ihm auch einen Fingerzeig geben, was er tun sollte.

Für die Frau war die Situation auch unerträglich. Diese Heimlichkeiten, dieses Sich-Verstecken-Müssen. Sie konnte zu niemandem sagen: Ich liebe einen Priester.

Er seufzte tief und vergrub den Kopf zwischen den Armen.

Er konnte so nicht weiterleben, konnte nicht den priesterlichen Dienst ausüben und gleichzeitig eine Frau lieben. Eine Entscheidung musste her, sonst würde er noch krank werden.

Sein Lieblingsspruch fiel ihm ein:

Ich falte die Hände und bete in das Dunkel, bis es zerreißt.

Das tat er. Wie er sich auch entscheiden würde ... Gott würde diese Entscheidung verstehen.
 

Adolf Poes

Mitglied
Lieber DocSchneider,

durch die katholische Taufe meiner Kinder
, vor allem meines Sohnes,
wollte ich diese Liebesproblematik, die Du ja gerade eingehend beschrieben hast von vornherein abklären.
Meine damalige Frau war und ist evangelisch, so war das kein "Act" ;-)

Bin zwar "Atheist", aber ich beneide "klammheimlich" alle Menschen, die fest in einem Glauben an Gott verwurzelt sind.

LG
Adolf Pose

PS: Allein MIR fehlt der Glaube...
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber Adolf, deinen letzten Kommentar verstehe ich jetzt nicht ganz, ich dachte, die Kinder seien evangelisch getauft und nicht katholisch. Wegen des Zölibats.
LG Doc
 

Adolf Poes

Mitglied
Hallo Doc,

Du hast recht,
bei mir hat sich ein
"Hirndrehereingeschlichen" ;-)
Sie sind evangelisch getauft.
Wegen des Zölibats.

LG
Adolf Poes
 



 
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