Der Riss

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Kölle

Mitglied
“Sollen wir heute Abend etwas zusammen unternehmen?!” fragte Nadine ihren Ehemann. Der zeigte sich überrascht und räusperte ein fast stummes Mmh. Nach anderthalb Jahren Beziehung hatten sie sich vor einer Woche das Ja-Wort gegeben. Beide überglücklich.
Seit dem ersten Moment ihrer Beziehung hatten sich beide sehr unternehmungslustig gezeigt. Nadine hatte mit einer kaum zu bremsenden Lebenslust stets ohne Umschweife geäußert, wonach es ihr gerade wäre. Ins Kino gingen sie zu zweit oder mit Freunden. Romantisch Essen gehen war ihr Ding, sportliche Aktivitäten machte er gerne mit und gemeinsames Shoppen war auch ihr Ding, allerdings weniger gern. Tim bewunderte Nadine, dass sie genau wusste, was sie brauchte, um glücklich zu sein. Sie konnte ausgezeichnet für sich selbst sorgen.

Doch in diesem Moment, als er ihr “Sollen wir… “ hörte, empfand er große Beklemmung. Es schnürte ihm die Brust zu; vor seinem geistigen Auge sah er, wie sich ein Riss von oben nach unten durch sein Gesichtsfeld zog, ein Riss wie durch Glas, ein Riss wie ein Gedanke, der sich unaufhaltsam nach allen Seiten verästelt: mit diesem “Sollen wir...” hatte Nadine die Verantwortung für das Gelingen des Abends an ihn abgegeben. Würde er Ja sagen, würde sie von ihm eine Idee wollen und es würde sich zeigen, dass er fast immer nur ihren Vorschlägen gefolgt war. Würde er Nein sagen, dann würde sie wahrscheinlich schmollen, dass sie - wegen ihm! - daheim rumhockten und TV glotzten, oder sie würde unzufrieden dagegen reden. Tim kam es vor, als würde nun die Zeit beginnen, in der er als Ehemann die Wünsche und Bedürfnisse von den Augen seiner Frau ablesen müsste. Er hörte, wie Nadine mit diesen zwei so unbedeutenden Worten ihre Eigenständigkeit hinsichtlicher ihrer Bedürfnisse und Wünsche aufgab. Er hörte das beginnende Unglück ihrer Ehe.
“Was jetzt?!” Nadine riss ihn aus seinen Gedanken. “Ja oder nein?”
“Na klar!”, sagte er. Unehrlich.
 
A

aligaga

Gast
Sorry, lieber @Kölle,

aber da liegst du ein wenig schief.

Wer einen Satz mit „Sollen wir“ einleitet, erwartet mitnichten einen eigenen Vorschlag seines Partners oder Kollegen, sondern bietet in aller Regel eine Wahl an („zu mir oder zu dir? In die Abend- oder in die Nachvorstellung? Ein Baby machen oder nicht? Kino oder Theater? Käsespatzen oder Schweinsbraten? Oder daheimblieben und gar nix tun?“) und räumt ein Mitspracherecht ein. Sozusagen eine Abstimmung.

Es wäre solches Fragen dem alternativlosen Kommando, etwa „heute gehn wir in den Swingerclub!“, bei weitem vorzuziehen.

Ich rate deinem männlichen Protagonisten, bei Angstpsychosen wie den von dir geschilderten anders zu reagieren. Wenn sie fragt: „Sollen wir heute Abend ein Schnitzel braten?“, dann lass ihn antworten: „Wenn dir der Sinn danach steht, mein Schatz!“

Und schon geht das Menü ganz allein auf ihre Kosten.

Ist doch eigentlich ganz einfach, oder nicht? Stell dir vor, es hieße: „Ich will heut ein Kohlrabigemüs!“ und Ralph (ich nenne deinen fiktiven Verlobten jetzt mal so) müsste es kochen, obwohl er es gar nicht mag. Das wäre echt Scheiße.

Dein Protagonist sieht Hürden, wo gar keine sind. Klär ihn auf, wie man mit einer s. o. richtig umgeht. Er wird es dir danken!

Gruß

aligaga
 

Kölle

Mitglied
Lieber Aligaga,

du brauchst dich für deine Meinung nicht zu entschuldigen. Es ist für mich völlig in Ordnung, wenn du weißt, wie die Geschichte eigentlich hätte geschrieben werden müssen. Aus deiner Sicht der Dinge.

Mir ging es nicht darum zu beschreiben, wie man "störungsfrei" kommuniziert, sondern mit Problemen. Ich behauptet mal, dass das jeder von uns kennt: ein falsches Wort, und schon geht die Post ab. Aber wer kann wirklich erklären, warum man dann hochgeht wie das HB-Männchen? Man selbst meint!! es immer zu wissen (weil der und der das gesagt hat!) - aber für Außenstehende ist das oft genug kein bisschen nachvollziehbar...

Und du? Kennst du das nicht auch von dir oder kennst du nicht auch Freunde und Bekannte, die wegen einem falschen Wort ausrasten. Schau dich doch einmal hier im Forum um. In den Kommentaren. Da "rasten" Kommentatoren aus, weil ein Autor etwas nicht so schreibt, wie es sein sollte. Weißt du, was bei denen mental im Hintergrund abgeht? Warum löschen Autoren ihre Texte? Weil sie überzeugt worden sind, dass es das beste für sie und die Welt ist? Das glaube ich nicht. Sondern weil da Kommentare nicht so kommuniziert worden sind, dass man sie der Autor gut annehmen kann.

Und es geht ja auch nicht allein um das eine falsche Wort, sondern auch um Passagen und Abschnitte oder um ganze Texte. Du, lieber Aligaga, könntest auch dieser "Ralph" sein. "Ralph" (natürlich mit ph geschrieben!) stößt sich an einem Wort, und es läuft ein Film ab, der für viele von uns nicht nachvollziebar ist. Für dich offensichtlich auch nicht. Deshalb erklärst du Ralph, wie der Abend gelingen könnte. Statt den Blick neugierig auf einen Film zu richten, der dich befremdet, erklärst du, wie es eigentlich sein müsste, damit du eine Geschichte vor dir hast, die dir gefällt und dir deiner Weltwahrnehmung entspricht: ja, so ist die Welt, so ist sie richtig?

Geht uns nicht viel verloren, wenn wir die Welt uns zurechtrichten und sie uns erst dann betrachten?

Ich schreibe nicht über das Gelingen, sondern über die Hürden.

Aber was mir überhaupt nicht gelingt ist es, die aus kaum wahrnehmbaren Kommunikationsproblemen resultierenden Krisen einer Partnerschaft/Ehe in einer Kurzprosa einzudampfen. Aber ich habe ja noch 34 Jahre vor mir, um es zu üben...

LG Kölle
 
A

aligaga

Gast
Hallo Kölle,

wir sind in einem deutschsprachigen Literaturforum unterwegs. Dort eingestellte Prosa muss, will sie sich artikulieren, verständlich sein. Verständlich ist sie, wenn sie Worte und Redewendungen hier so gebraucht, wie sie im Deutschen üblich sind. Soll Sprache verfremdet werden, müsste dies erkennbar gewollt und nachvollziehbar sein.

Du lässt in Deinem Text eine Nadine fragen "sollen wir ..." und einen Ralph daraus den Schluss ziehen, das Mädchen gebe sich damit in seine Hand und überließe ihm künftighin die Verantwortung für jedwede Lebensgestaltung.

Das ist aber, wie schon gesagt, falsch oder falsch "interpretiert" von dem Herrn der Schöpfung. Der Beginn eines deutschen Satzes mit "sollen wir" oder "wollen wir" bedeutet ebengerade nicht die Delegation der Verantwortung an Dritte, sondern lediglich die Beteiligung Dritter an einer Entscheidung.

Hätte das Mädchen wirklich seinen Willen an der Garderobe abgeben wollen, hätte es fragen müssen: "Willst du ..." oder "Möchtest du, dass ich ...".

Niemand will, dass Du keine Geschichte über einen vorehelichen Reichsbedenkenträger schreibst, der Angst vor Verantwortung hat. Nur zu, nur zu! Aber dann müssest du die Story sprachlich richtig gestalten. Und da hapert's leider nach wie vor!

Gruß

aligaga
 

Kölle

Mitglied
Lieber Aligaga,

deine fachliche Richtigstellung ist für mich nachvollziehbar, klingt aber in meinen Ohren gestelzt. Mir geht es außerdem nicht um das "richtige" falsche Wort, sondern (auch) darum, was ein "falsches Wort" für einen Film ablaufen lässt.

Deine Argumentation ist für mich Haarspalterei. Und deine Rechtfertigung für die Haarspalterei ist die, dass wir hier in einem Literaturforum unterwegs sind. Kennst du vielleicht ein Literaturforum, in dem es weniger "sachdienlich" zugeht, und wo ich mich vllt wohler fühlen könnte? Wäre dir sehr verbunden.

Nochmal: Du könntest auch Ralph sein. Jeder von euch beiden hat recht. Du, weil du die Welt durch die Brille des richtigen Gebrauchs der dt. Sprache siehst. Der Film, der bei dir abläuft, ist dein Kommentar (siehe dort). Ralph hat ein Problem mit Eigenständigkeit und/oder Verantwortung auf seine Art und Weise. Beim richtigen Gebrauch des Wortes, wie du es vorschlägst, wäre bei ihm vielleicht gar nix passiert. Wer weiß? Wenn ich alles in deinen Augen richtig gemacht hätte, wäre bei dir auch nichts passiert.

Ich möchte über die Momente schreiben, in denen etwas passiert, ausgelöst durch unmerkliche Kleinigkeiten.

Was sagst du einer Depressiven? "Alte, was willst du? Dein Mann bringt ausreichend Kohle heim, wohnst in Bogenhausen, verprasst sein Geld beim Shoppen und auf Wellness-Seminaren? Dir gehts doch gut! Leg dir erst einmal einen Grund zu, der vor einer kritischen Beurteilung bestehen kann - "Eltern sterben beide bei Unfall!" - zum Beispiel. Menschen, die in München Bogenhausen wohnen, haben keinen sachlichen Grund für eine Depression."

N'scheiß auf die "richtige" Welt. Ich kann mit Texten von anderen und mir auch dann was anfangen, wenn sie krumm und schief sind. Sie müssen nicht sauber auf Literatur gebürstet worden sein.

Wie gesagt: ich habe deine Argumente verstanden, kann sie auch nachvollziehen, sehe aber keine zwingende Notwendigkeit, etwas zu ändern. Die Glaubwürdigkeit des Textes liegt für mich weniger im richtigen Umgang mit dem Begriff "Sollen", sondern in der Kürze des Gesamttextes.

LG Kölle
 
A

aligaga

Gast
Auch (der gerade) in einem Kurzprosastückerl muss die Sprache stimmen, sonst wird's unlogisch, Kölle.

Dein Ralph reagiert auf die freundliche Frage seiner besseren Hälfte völlig unmotiviert. Deshalb stimmt die Geschichte nicht. Sie zeigt nicht auf, dass der männliche Protagonist im Begriff ist, unfrei zu werden, sondern nur, dass er seine s. o. nicht kapiert. Er ist offenbar kein Frauenversteher, sondern ein Dummkopf.

Falls du diese Tatsache zum Mittelpunkt deines Textes hättest machen wollen, hättest du es klar zum Ausdruck bringen müssen. Das hast du aber leider nicht. Und deshalb ist da Stückerl kein kluges geworden, sondern ein missglücktes. Es speist sich aus einem Missverständnis.

Ob du auf ihm beharrst oder den Text umformulierst, ist natürlich ganz in deinem Belieben. Wir sind ja nicht (mehr) in der Schule. Und Angst brauchst du vor mir auch keine zu haben - von mir kriegt niemand Noten.

Gruß

aligaga
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ha Kölle, Dein Text zeigt doch sehr schön, wie wenig Männer und Frauen zusammen passen und wie sie ständig aneinander vorbei reden. Oder schweigen. Der eine versteht "Sollen wir" so und der andere hört etwas ganz anderes heraus.

Die Alternative - Single-Dasein - ist jetzt aber nicht wirklich eine.

:)

LG Doc, amused
 

Kölle

Mitglied
Da, Doc, gebe ich dir recht. Das ist nicht die Lösung. Eher: sich gegenseitig die Filmchen, die in einem ablaufen, zu erzählen. Und der Zuhörer korrigiert nicht im Sinen von: das kann so nicht sein!

Glauben schenken...

Gruß
Kölle
 

Maribu

Mitglied
Hallo Kölle,

Tim bringt sich selbst in Schwierigkeit, da er nicht sofort nachgefragt hat, "Wieso sollen? Weshalb fragst du nicht:
Wollen wir etwas zusammen unternehmen?"
Ihre Antwort hätte sicherlich eine andere Geschichte ergeben,
die aber meiner Ansicht nach überzeugender hätte werden können!

Da er es sich einfach gemacht hat und offenbar gerne ihren Vorschlägen gefolgt war, könnte das "Na klar!" eigentlich nicht so unehrlich gewesen sein.

L. G. Maribu
 

Kölle

Mitglied
Hallo Maribu,

danke für die Rückmeldung. Natürlich hat Tim verschiedene Möglichkeiten, die allesamt besser sind, als das, was er macht. Keine Frage. Nur interessiert mich kein Mensch, der alle Möglichkeiten noch hat. Mich interessieren die Gedanken eines Menschen, der in einer Zwangshandlung steckt.

Wenn man einen Menschen beschreibt, der unter Putzzwang leidet, dann muss ich ja das zwanghafte Verhalten beschreiben und kann nicht meine Geschichte so schreiben, als hätte er keinen Putzzwang. Beispiel im Klischee: Frau putzt die Wohnung piccobello, obwohl sie weiß, dass es November ist und gleich der Mann vom Gassigehen mit Hund nach Hause kommt und den ganzen naß geputzten Boden wieder einsauen wird. Trotzdem kann sie nicht nicht putzen. Da kann ich als Schreiber ja nicht so tun, als würde sie vernünftig handeln können... wie auch immer das aussieht.

Mich interessiert nicht die rationale Lösung, sondern der irrationale Zwang. Mich interessieren nicht die glatt-geschriebenen und verständlichen Literaturtexte, sondern die nicht nachvollziehbaren menschlichen Handlungen (um deren Irrsinn man selbst häufig weiß, es aber trotzdem nicht abstellen kann).

LG Kölle
 
A

aligaga

Gast
Wenn du Texte publizierst, Kölle, musst du damit rechnen, dass sie von Lesern rezipiert werden, denen ziemlich egal ist, was du interessant findest. Du solltest hoffen, dass sie deinen Text interessant finden.

Der hier ist deshalb so uninteressant, weil er einen Protagonisten in den Vordergrund stellt, der nicht imstande ist, eine einfach gestellt Frage richtig einzuordnen, sich in der Folge selber ins Bein schießt und dann glaubhaft machen möchte, der s. o. sei schuld, wenn er ab sofort an Blutvergiftung sterben müsse.

Der Text liest sich so spannend wie eine Rechenschulaufgabe, in der sich der Schüler gleich zu Beginn vertan hat, den Fehler unbemerkt bis ans Ende durchschleppt und zu einem krummen Ergebnis kommt.

Das gibt nie gute Noten.

Gruß

aligaga
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Kölle,
dein ansatz gefällt mir. dessen umsetzung ist in meinen augen, ich bin durchaus angreifbarer minimalist, noch baustelle. ich glaube, der vorliegende text kann auf seine essenz sorgfältig eingedampft, das tragische missverständnis klingenscharf zeichnen. eine möglichkeit.
eine andere wäre, die vorgelegten rudiments zu einer kurzgeschichte auszubauen oder zu einer erzählung. ich fürchte, du kommst nicht drum herum, in dieser hinsicht eine entscheidung zu treffen. was liegt dir näher diesen versuch betreffend, ein text, der aus ein paar wenigen sätzen szene und absicht transportiert oder eher doch der text, der sich zeit und worte nimmt selbiges nicht nur knapp skizzenhaft anzureißen sondern mittels grundierung und gemessener komposition auszuarbeiten?
für mich hängt der hier vorgelegte text so gesehen zwischen tür und angel, sag ich mal.

hoff, du kannst mit diesen gedanken was anfangen ...

lg
die dohle
 

Kölle

Mitglied
Hallo Die Dohle,

ich gebe dir gerne recht, dass meine Kurzprosa nicht Fisch, nicht Fleisch ist. Für eine Kurzgeschichte/Erzählung reicht mir die Zeit nicht, und es macht mir meine innere Unruhe immer wieder einen Strich durch die Rechnung: kaum beginne ich mich mit etwas zu beschäftigen, kommen bereits die nächsten Gedanken, die mich auffordern, etwas anderes zu schreiben. Die längeren Geschichten hebe ich mir für die Zeit auf, wenn die Kinder ausm Haus sind und ich Rentner bin. Oder so.

Und das Thema dieser Kurzprosa ist sicherlich für viele Leser zu abwegig, um es so zu nehmen wie es kommt.
Viele Stücke hier auf der LL - kurze, lange - werden ja auch vor dem Hintergrund unserer Erfahrung mit dem Leben und auch mit der Literatur verstanden. Einige Geschichten funktionieren, weil sie sich in einer Erzählwelt bewegen, die wir gut kennen. Einiges muss gar nicht mehr erklärt werden, weil wir es aus unsere Erfahrung schon kennen. Erklärungen würden nur nerven.

Etwas anders erlebe ich den "Riss". Da sind die entwickelten Gedanken so befremdend und abstrus für viele Leser, dass die Kürze des Textes es noch schlimmer macht.

Kein Hahn würde sich um den "Riss" scheren, wenn ich etwas bekannt Neurotisches beschreiben würde - z.B. Putzneurose -. Die Gedanken, die die Leute mit Putzwahn haben, kann sich fast jeder vorstellen. Spinnenphobie - gängig. Kennt man, auch wenn man es nicht kennt...

Doch wo fängt eigentlich das an, was später - in der zunächst glücklichen Partnerschaft zum Alptraum wird? Mit welchem Wort, welcher Geste? Was steckt dahinter? Der Rosenkrieg ist dramatisch, schön zu beschreiben - aber da ist ja alles schon zu Ende. Mich interessiert der unmerkliche Anfang. Und der ist sicherlich nicht immer rational verständlich.

Aber das wird bei den meisten Kommentaren nicht berücksichtigt. Die Argumentation folgt einem normalen/literarischen Verstandesdenken, das Irrationales nicht zulässt. Die Welt muss logisch sein...

Danke für dein Feedback.

LG Kölle
 

valcanale

Mitglied
Hallo Kölle,

für mich ist die Geschichte absolut schlüssig und auch die Kürze passt genau, denn eigentlich ist alles gesagt, bzw. beschrieben.
Nadines Verhalten war ja vor der Hochzeit anders, sie war eigenständig und wirkte auf den Mann äußerst selbstsicher:

Nadine hatte mit einer kaum zu bremsenden Lebenslust stets ohne Umschweife geäußert, wonach es ihr gerade wäre.…..
…..Tim bewunderte Nadine, dass sie genau wusste, was sie brauchte, um glücklich zu sein.

Plötzlich ändert sie das gewohnte Verhalten (vielleicht will sie ja auch jetzt als "gute Ehefrau" ihren Mann in ihre Planungen miteinbeziehen, - das wissen wir aber nicht, es kann auch andere Gründe geben) und genau diese Veränderung an ihr verunsichert den Mann (macht ihm vielleicht sogar Angst):

Doch in diesem Moment, als er ihr “Sollen wir… “ hörte, empfand er große Beklemmung. Es schnürte ihm die Brust zu; vor seinem geistigen Auge sah er, wie sich ein Riss von oben nach unten durch sein Gesichtsfeld zog, ein Riss wie durch Glas, ein Riss wie ein Gedanke, der sich unaufhaltsam nach allen Seiten verästelt: mit diesem “Sollen wir...” hatte Nadine die Verantwortung für das Gelingen des Abends an ihn abgegeben.

Ob da beim Mann jetzt nur Verunsicherung ist, Versagensängste dahinterstecken oder er bestimmte Erwartungen nicht erfüllen will oder kann, - er spürt jedenfalls, dass er ab jetzt Verantwortung für sein Tun übernehmen muss (steht ja auch in der Geschichte und viel kürzer als in meinen Erklärungen ;)), Nadine macht es ihm nicht mehr so leicht. Die vermeintlich heile Welt bekommt einen Riss (auch den Titel find ich passend).
Mit welchen Worten Nadine fragt oder wie sie die Frage formuliert ist da völlig belanglos.
Find ich toll, wie beschrieben und beobachtet wird, dass die Tatsache der Heirat (die ja eine große Lebensveränderung ist, egal wie lange man sich schon vorher gekannt hat) auch andere Dinge (zum Beispiel die veränderte Erwartungshaltung an den anderen Partner) beeinflussen kann.

Liebe Grüße
Valcanale
 
A

aligaga

Gast
Sorry, aber diese Lesart ist so weit von der Lebenswirklichkeit entfernt, dass man sich fragt, wie sie wohl zustande gekommen sein mag, @valcanale.

Wer in der hysterischen Reaktion des Verlobten auf das freundlich-deliberative Entgegenkommen seiner Zukünftigen etwas für Dritte Nachvollziehbares finden möchte, muss sich fragen lassen, was denn die Alternative wäre. Über den Kasernenhof eines Ehe-Alltages schallende Kommandos, die ohne weiteres Nachdenken auszuführen sind - "jawoll, Frau Kommandantin!"?

Ich muss lachen. Offenbar haben wir in dem Protagonisten des Stückerls einen Typen vor uns, der ständig Ansagen braucht und sofort ins Zittern gerät, wenn er selber mal eine Idee haben soll. Ein segensreiches Produkt jahrzehntelanger "Koedukation"? Oder ein Opfer?

Anyway. Einen Kammerdiener wie den würde ich nie heiraten. Wenn der im Bett genauso schlapp ist ...

Kopfschüttend

aligaga
 

Kölle

Mitglied
danke Valcanale für deine Rückmeldung. Ich bin (nach den anderen Kommentaren) sehr angenehm überrascht, wie gut du meinen Gedanken bzw. dem Text folgen kannst. Es gibt dem nichts mehr hinzuzufügen...

@ Aligaga. Da du mit dem letzten Kommentar die literarische Argumentation ad acta gelegt hast und dich nur noch über Tim, sprich Ralph echauffierst, frage ich mich, ob dieser Mensch mit dir vielleicht viel mehr zu tun hat als es dir lieb ist. Auch psychologisch nicht geschulte Menschen wissen mittlerweile, dass wir uns nur dann aufregen, wenn wir in anderen Menschen etwas sehen, was wir an uns nicht wahrhaben wollen - Projektion genannt.

LG Kölle
 

valcanale

Mitglied
Aligaga, es gibt mehr an Verhaltensweisen auf dieser Welt als man - vielleicht mangels eigener Erfahrung - zu wissen glaubt. Deshalb sollte man auch über den Tellerrand hinausblicken und muss sie nicht als "hysterisch" abqualifizieren!

quote Aligaga:
Wer in der hysterischen Reaktion des Verlobten auf das freundlich-deliberative Entgegenkommen seiner Zukünftigen etwas für Dritte Nachvollziehbares finden möchte, muss sich fragen lassen, was denn die Alternative wäre. Über den Kasernenhof eines Ehe-Alltages schallende Kommandos, die ohne weiteres Nachdenken auszuführen sind - "jawoll, Frau Kommandantin!"?

Eine Geschichte ist eine Geschichte und die wurde aus bestimmten Gründen so geschrieben, die brauchen wir weder inhaltlich umzuschreiben noch dürfen wir die Handlungen oder das Verhalten der Protagonisten verändern wollen! *)

quote Aligaga:
Ich muss lachen. Offenbar haben wir in dem Protagonisten des Stückerls einen Typen vor uns, der ständig Ansagen braucht und sofort ins Zittern gerät, wenn er selber mal eine Idee haben soll. Ein segensreiches Produkt jahrzehntelanger "Koedukation"? Oder ein Opfer?
Anyway. Einen Kammerdiener wie den würde ich nie heiraten. Wenn der im Bett genauso schlapp ist ...


Solche Aussagen sagen viel über dich selbst aus, sind aber dem Text und dem Autor nicht nützlich. Es bleibt dir doch jederzeit vorbehalten deine eigene Geschichte (etwa zu einem solchen Thema?) zu schreiben. Und vielleicht auch wenigstens die Geschichten die du kommentierst genau zu lesen: Du taufst ja sogar die Protagonisten in fremden Geschichten um und gibst ihnen deine Namen > "Ralph" statt "Tim".

Valcanale

*)das nervt mich in diesem Forum überhaupt sehr, - so wird normalerweise nicht "rezensiert" wie es im Literaturbetrieb üblich ist, sondern "rezipiert" und immer wieder versucht fremde Geschichten in eigene (für sich selbst besser passende) zu transferieren!
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Kölle,
inhaltlich hab ich null,nix zu meckern, mir gefällt dein ansatz, wie ich bereits sagte. meine idee, an dem text zu arbeiten zielte eher in die richtung, der form derart schliff zu verleihen, als dass selbige diesen feinen jungfräulichen nadelstich, den du im auge hast, makellos transportiert. die kür wär schließlich evtl., kritikern wie aligaga via formschliff einen köder zu liefern, der den stoff auch solchen lesern schmackhaft macht. ... sollte man aber nicht unüberlegt übertreiben, diese disziplin. ansonsten drohen angebote aus der werbebranche im günstigen fall, sag ich mal ;-)

lg
die dohle
 
A

aligaga

Gast
Ach Gottchen, @valcanale,

warum denn so echauffiert? Ich hab die Geschichte nicht "umschreiben" wollen, sondern auf ihre Schieflage aufmerksam gemacht. Der Autor müht sich, einen Protagonisten zu zeichnen, der bereits vor dem Eheschluss an deren Sinn zu zweifeln beginnt und tonnenschwere Reichsbedenken durch die Gegend wälzt. Dabei ist's aber nur lächerlich - der Typ hat bloß nicht gerafft, was sein Mädchen wirklich wollte (ihn nämlich mitkommen lassen) und macht sich jetzt nass.

Das ist aber bestenfalls unfreiwillig komisch. Warum, hab ich mehr als einmal erklärt. Unfreiwillig komische Geschichten gelten als missglückt.

Was das alles mit meiner Person zu tun haben soll, weißt nur du, @valcanale. Erklärst du's mir?

Gruß

aligaga
 



 
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