Der Stern

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Bo-ehd

Mitglied
Trotz seiner 60 Jahre führte Dr. Wilhelm seine Praxis mit der gleichen Sorgfalt und Begeisterung für seine Patienten wie in den ersten Tagen. Er war Land-, Haus- und Naturarzt, Psychologe und Lebensberater in einer Person. Die eine Hälfte der Bevölkerung in dem 5000 Einwohner kleinen Städtchen, die seine Patienten waren, duzte er in der Praxis, die andere im einzig noch verbliebenen Wirtshaus. Das verschaffte ihm einen besonderen Zugang zu den Menschen. Sie vertrauten ihm blind, auch wenn er einmal vom Pfad der Schulmedizin abwich und gegen ihren Widerstand Mittel aus der Natur und ohne Chemie verschrieb. In solchen Fällen verordnete er Quarkwickel, Kompressen mit Blättern des Beinwell, oder, etwa bei Magenverstimmungen, ein paar Tropfen einer Mädesüß-Tinktur.
Das Pünktchen auf dem i der Wertschätzung aber war sein Humor, den jeder seiner Patienten in jedem Raum seiner kleinen Praxis wie Frischluft einatmen konnte. In vielen Fällen brach eine Aufheiterung durch ein Witzchen oder Kommentar auch den hartnäckigsten Bann – etwa die Furcht vor Verschlimmerung eines Leidens, die Hoffnungslosigkeit in den schlimmen Fällen oder, wie bei Lotti, die Scham. An einem Donnerstagabend, in der verlängerten Öffnungszeit für die Berufstätigen, empfing er die junge Frau als letzte Patientin.

Lotti war 22 Jahre alt, bildhübsch und großgewachsen und hatte erst letztes Jahr Abitur gemacht. Da es ihr ein dringendes Anliegen war, die Strenge des Elternhauses schnellstmöglich zu verlassen, begann sie, fünfzig Kilometer von zu Hause entfernt zu studieren. Eines Tages aber ließ sie alle Vorlesungen hinter sich und suchte einen Arzt auf, nicht irgendeinen, sondern die Praxis von Dr. Wilhelm in ihrem Heimatort.
„Tag, Lotti“, begrüßte Dr. Wilhelm sie mit seiner sympathischen tiefen Stimme. „Bist lange nicht mehr vorbeigekommen. Du siehst richtig gesund aus: rote Backen, ein charmantes Lächeln und ein Gang voller Schwung, aber nicht ganz glückliche Augen. Was ist los?“
„Eigentlich fühle ich mich ganz gut, nur morgens, da ist mir hundeelend.“
„Geht das schon länger?“
„Vierzehn Tage, vielleicht ein paar mehr.“
„Da gibt es mehrere Möglichkeiten, aber eine ist die wahrscheinlichste. Bevor wir in die Tiefen der Medizin steigen, Lotti, kann es sein, dass du schwanger bist?“
Es war nicht zu übersehen, wie sie bei der Frage zusammenzuckte. Sie entspannte sich aber sofort wieder und vermied, ihm in die Augen zu sehen. „Auf gar keinen Fall! Das ist unmöglich“, kam es prompt, als wäre es ihr besonders wichtig, gerade diesen Verdacht sofort auszuräumen.
„Hmm, bist du dir da ganz sicher?“
„Sicherer geht es nicht!“ Sie griff nach ihrer Handtasche, öffnete sie und kramte ein kleines Testgerät mit einer farbigen Skala hervor. „Sehen Sie, das ist der Beweis! Eine Schwangerschaft können wir also ausschließen.“ Sie hielt ihm das Testgerät hin. Es schloss, nach den angezeigten Farben zu urteilen, eine Schwangerschaft tatsächlich aus.
Dr. Wilhelm zog die Augenbrauen hoch. „Wo hast du denn das Altertum her, Lotti? Diese Dinger sind seit 30 Jahren nicht mehr zugelassen, weil sie zu ungenau sind. Wer hat dir denn das untergejubelt?“
„Ich habe es von einer Freundin.“
Seine Augenbrauen hoben sich abermals, so dass sich ein paar Falten auf der Stirn bildeten. „Ich schätze eher, du hast es in der verstaubten Hausapotheke bei euch zu Hause entdeckt. Weißt du was? Wir gehen auf Nummer sicher und machen einen neuen Test. Der ist dann zu 100% zuverlässig, und wir wissen, woran wir sind. Einverstanden?“
Lottis hitzige Röte im Gesicht übertönte inzwischen das fröhliche Rot ihrer Wangen, und die Angst dominierte ihre Blicke. Sie senkte schamhaft wieder ihren Kopf und flüsterte kaum hörbar ein „Einverstanden“ in Richtung Fußboden.

*

„Also, Lotti“, begann Dr. Wilhelm, als er aus dem Labor kam. Er griff nach seiner Brille und beurteilte den Teststreifen. „Da gibt es jetzt nichts mehr herumzudeuten. Du bist schwanger, das ist Fakt.“
Lotti ließ schlagartig den Kopf hängen. „Das kann nicht sein, Doktor. Mein Test gegen Ihren, und außerdem habe ich in letzter Zeit mit niemandem geschlafen.“
„Lotti, komm, jetzt lass mal die Kirche im Dorf. Du weißt genau, was Sache ist.“ Er machte eine kleine Pause. „Willst du mir verraten, wer der Vater ist?“
„Es gibt keinen Vater, weil ich mit keinem Mann geschlafen habe. Gibt es nicht andere Ursachen für diese Übelkeit jeden Morgen?“ Sie war den Tränen nahe und starrte hilflos mit zusammengepressten Lippen auf den Fußboden.
„Jetzt mal Butter bei …“
Sie schnitt ihm das Wort ab. „Ich sagte, es gibt niemanden, mit dem ich etwas hatte!“

Dr. Wilhelm war mittlerweile klar, dass es wenig sinnvoll war, das Gespräch in dieser Weise fortzuführen. Er schwenkte um und versuchte, ihr zu vermitteln, dass ein Kind zu bekommen und aufzuziehen, das Schönste auf der Welt sei. Er erzählte überschwänglich und in ganz vorsichtigen Worten von Muttergefühlen, dem eigenen Fleisch und Blut und der natürlichen Pflicht, Nachkommen in die Welt zu setzen. Aber er stieß auf unvermindert taube Ohren.
„Ich sage es nochmal.“ Sie richtete sich auf und erwiderte resolut: „Ich kann Ihnen den Namen nicht nennen, weil ich mit keinem Mann zusammen war.“
Dr. Wilhelm wusste im Moment nicht mehr weiter. Und da versuchte er es mit seiner lockeren, humorigen Art. Er stand auf, ging zum Fenster, öffnete es trotz der klirrenden Kälte draußen und blickte in den rappelfinsteren Winterhimmel. Seine Augen wanderten von einem Ende des Himmelsgewölbes zum anderen. Immer wieder, hin und her, bis es Lotti, schon leicht fröstelnd, zu bunt wurde.
„Was suchen Sie denn da draußen, Doktor?“, fragte sie mit einem Hauch von Ungeduld.
„Ich warte auf den Stern“, verkündete er gelassen.
„Stern? Was für ein Stern?“ Lotti verstand jetzt überhaupt nichts mehr.
„Das letzte Mal, dass er zu sehen war, war vor 2000 Jahren. Jetzt kommt er wieder.“
Lotti schluckte, grinste und brachte das Eis endlich zum Brechen.


Disclaimer: Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken. Habe die Pointe irgendwo aufgeschnappt, weiß nur nicht mehr wann und wo.
 
Was mich hier am meisten angesprochen hat, Bo-ehd, ist die Sprache. Man liest, ohne irgendwo anzustoßen. Dennoch ist der Verlauf detailliert und anschaulich beschrieben und die Redeweise der beiden Figuren unterscheidet sich und charakterisiert sie. Auf diese stilistischen Vorzüge bezieht sich meine Bewertung.

Was ich nicht gut beurteilen kann, ist das Inhaltliche im engeren Sinn. Ich weiß einfach nicht, ob abwehrende Haltungen, wie sie die junge Frau zeigt, heute noch in Arztpraxen denkbar sind. Beim ersten Lesen vermisste ich am Schluss eine Rücknahme, ein Einräumen seitens der Patientin. Beim zweiten Durchgang sagte ich mir, dass das Wort "grinste" dies doch auf knappeste Weise enthält (ebenso das brechende Eis). Vielleicht können kompetentere Leser oder Leserinnen sich noch zur im Text enthaltenen Psychologie der jungen Frau äußern.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 

Bo-ehd

Mitglied
Ich gebe dir Recht, die Geschichte hätte in die 60er Jahre verlegt werden müssen. Dann wäre sie glaubhafter rübergekommen. Figuren und Handlung mussten aber so sein, wie sie sind, sonst hätte ich die Pointe ändern müssen, was ich aber auf keinen Fall wollte.

Sieh es bitte locker: Sie steht in der Rubrik Humor, wo solche Ungereimtheiten eher verschmerzbar sind. Die wuchtige Pointe ist ja die Seele dieser Geschichte.

Danke fürs Lesen und Kommentieren.
 

steyrer

Mitglied
Hallo Bo-ehd!

Am Ende steht derzeit:
Disclaimer: Ich will mich nicht mit fremden Federn schmücken. Habe die Pointe irgendwo aufgeschnappt, weiß nur nicht mehr wann und wo.
Das klingt, als wäre es ein nacherzählter Witz.

Aber auf Arno Abendschön antwortest du u. a.:
Die wuchtige Pointe ist ja die Seele dieser Geschichte.
Die Pointe macht Karriere.

Schöne Grüße
steyrer
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo steyrer,
ich verstehe deine Kritik nicht. Ich hatte die Pointe mit dem Stern im Kopf und habe eine Geschichte geschrieben, die zu ebendieser Pointe führt. Natürlich ist die Pointe der Witz der ganzen Geschichte; meine Story ist die Basis, damit sie in einen Zusammenhang kommt.
Ob die Pointe einem Witz entstammt, weiß ich nicht. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, einen solchen gehört zu haben. Hätte ich es, hätte ich einen anderen Disclaimer geschrieben.
Geht es dir nicht manchmal auch so, dass du etwas liest, hörst oder sonstwie erfährst und speicherst. Und es später wieder auskramst und verarbeitest? Für mich ist das die Grundlage für viele meiner Geschichten, und das sind inzwischen über 60. Da kommt vieles spontan aus dem Kopf, was man parat hat.
Gruß Bo-ehd
 

steyrer

Mitglied
Okay, du stehst also zu der Grundidee und distanzierst dich nicht mit einem Disclaimer von ihr. Das war mir zuvor unklar. Ich würde den missverständlichen Hinweis entfernen und erst einmal in Kauf nehmen, dass jemand das Verhalten der jungen Frau für aus der Zeit gefallen halten könnte.
Eine kleine Schwierigkeit sehe ich allerdings trotzdem: Der Stern zeigte nicht die beginnende Schwangerschaft Marias an, sondern erst später die Geburt Jesu.
Das Verhalten von Arzt und Patientin kann unterschiedlich interpretiert werden, aber die Funktion dieses Sternes steht fest, auch wenn er nur zum Scherz erwähnt wird.

Schöne Grüße
steyrer
 

Bo-ehd

Mitglied
Hallo steyrer
Der Stern steht hier sinnbildlich für die "vaterlose Geburt". Ich habe diese Bedeutung dem Doktor als meine Figur untergejubelt. Und zwar ohne Rücksicht, welche tatsächliche Rolle er gespielt hat. Hier braucht es ja nicht den Stern als Wegweiser, sondern als eines von vielen Symbolen für die Jungfrauengeburt. Und dann sollte man bei der ganzen Sache nicht vergessen, dass der Doktor sagen kann, was er will, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Gruß Bo-ehd

P.S. Auf die Platzierung in die 60er Jahre habe ich in meiner Antwort auf Arnos Kommentar schon hingewiesen.

Hallo Arno,
danke für die Bewertung.
 

steyrer

Mitglied
Wie gesagt, mein ursprüngliches Anliegen ist längst geklärt. Nur noch zwei Dinge:

Der Arzt will seine Patientin verblüffen, aber der Autor auch den Leser. Das ist der Sinn einer Pointe. Ich habe meine Zweifel, ob es funktioniert, wenn der Arzt einfach so sagt, was er will. Für mich als Leser bleibt dann unklar, was der Arzt eigentlich meint.

Die Handlung muss nicht unbedingt in den tiefen 60er-Jahren angesiedelt sein. Fortschritt und Aufklärung geschehen nicht so schnell und Tabus gibt es immer und überall.

Schöne Grüße
steyrer
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lotti schluckte, grinste und brachte das Eis endlich zum Brechen.
Bedeutet das, sie nennt den Vater doch noch?

Oder es handelt sich um eine eingebildete Schwangerschaft.

Soll es geben!

Gruß DS

P.S. Viele Ärzte über 60 führen noch ihre Landpraxen, sind ja meistens keine Nachfolger in Sicht.

Irgendwie fand ich die Geschichte nicht sehr humorig. Verdrängte oder verleugnete Schwangerschaft eignet sich m.E. nicht als Sujet.
 

Bo-ehd

Mitglied
Lotti wird von der Schwangerschaft überrascht und weiß nicht ein noch aus. Im Gespräch kommen ihr kaum ein paar Worte über die Lippen. Wenn sie antwortet, schaut sie beschämt auf den Fußboden. Und da sie aus einem kleinen Nest kommt, wo jeder jeden kennt, hält sie sich vor Scham zurück, den Namen des Vaters zu nennen. Wer weiß, wer er ist! Wenn der Doktor ihr bescheinigen würde, dass keine Schwangerschaft vorliegt, wäre das ihre Rettung. Sie hofft, dass es so ist.

Ich halte das für sehr schlüssig. Durch die Pointe bricht das Eis, will heißen, sie gibt ihre Blockadehaltung auf. Einzelheiten sind jetzt für die Geschichte nicht mehr nötig, da die Pointe schon vorbei ist.

Mit dem Humor sehe ich die Dinge weniger streng. Über eine Vergewaltigung würde ich nie einen humorigen Text verfassen. Bei einer ungewollten, überraschenden Schwangerschaft, die in den überwiegenden Fällen gut ausgeht (mit Ehe, Alimentierung oder glücklicher alleinerziehender Mutter), halte ich Humor für durchaus zulässig. Hier spielt ja die Verschlossenheit durch das kleinbürgerliche Milieu auch noch eine Rolle.

Gruß Bo-ehd
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du hast ja durch den Disclaimer am Schluss deine Inspiration verraten. Das lässt man lieber. :) So finde ich, dass die Geschichte darum herum gestrickt wurde, deshalb hakt sie irgendwie und wirkt aus der Zeit gefallen. Steyrer war da m.E. auf der richtigen Spur.


Bei einer ungewollten, überraschenden Schwangerschaft, die in den überwiegenden Fällen gut ausgeht (mit Ehe, Alimentierung oder glücklicher alleinerziehender Mutter),

Also eine glückliche Alleinerziehende kenne ich persönlich nicht. Und ungewollte Schwangerschaften enden oft mit Abtreibung.
Alles in allem eben ein schwieriges Thema.

Gruß DS
 
Das klingt, als wäre es ein nacherzählter Witz.
Das ist ein nacherzählter Witz. Ich habe ihn auch schon gekannt.

Er erzählte überschwänglich und in ganz vorsichtigen Worten von Muttergefühlen, dem eigenen Fleisch und Blut und der natürlichen Pflicht, Nachkommen in die Welt zu setzen
Das würde heutzutage kein Arzt mehr machen bzw. sagen. Pflicht, Nachkommen in die Welt zu setzen, kennt nur die katholische Kirche.

Mir fällt dazu ein Satz aus einem Lied von Nina Hagen ein: „Ich habe keine Lust, meine Pflicht zu erfüllen!"

Und glückliche Alleinerziehende kenne ich auch nicht. Ich war lange genug selbst Alleinerziehende. Das macht keinen Spaß.

@Bo-ehd

Du kannst die Jahreszahl immer noch oben drüber schreiben. Aber du willst die Geschichte ja in der Gegenwart spielen lassen. 60er Jahre wären vielleicht glaubwürdiger, aber keineswegs lustiger. Damals waren ungewollte Schwangerschaften noch eine Katastrophe.

Ich finde deine Geschichte auch eher unlustig. Die meisten Leute gehen davon aus, dass eine ungewollte Schwangerschaft gut ausgeht. Dass man auch Pech haben kann - dass man mit dem Kind sitzengelassen wird und der Mann keinen Unterhalt zahlt - das wird immer ausgeblendet, als gäbe es das gar nicht.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 
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Bo-ehd

Mitglied
Das ist ein nacherzählter Witz. Ich habe ihn auch schon gekannt.



Das würde heutzutage kein Arzt mehr machen bzw. sagen. Pflicht, Nachkommen in die Welt zu setzen, kennt nur die katholische Kirche.

Mir fällt dazu ein Satz aus einem Lied von Nina Hagen ein: „Ich habe keine Lust, meine Pflicht zu erfüllen!"

Und glückliche Alleinerziehende kenne ich auch nicht. Ich war lange genug selbst Alleinerziehende. Das macht keinen Spaß.


Hallo SilberneDelfine,
ich schätze, du wie auch DS im vorigen Post, ihr seid Kinder der Großstadt. Ich wohne in Bayern und dort auch noch auf dem Lande. Da ist es durchaus noch üblich, in einem solchen Fall als Arzt die Umstände, vor allem die familiären, zu berücksichtigen und mit einschneidenden Empfehlungen vorsichtig zu sein. Hier sind familiäre Strukturen noch weitgehend in Ordnung (zumindest wenn es um harte Schicksalsfragen geht) und ein relativ stressfreies Leben in der Obhut der Angehörigen durchaus normal.
Im Falle einer gewünschten Abtreibung sind ohnehin Beratungsgespräche notwendig; der Arzt macht hier nichts anderes. Und was die Nachkommen schlechthin angeht: Jeder Arzt, der keinen Nachfolger für seine Praxis findet, der eine immer größere Zahl Älterer behandeln muss, der Mühe hat, junge Menschen für die Praxisarbeit zu finden und der immer mehr junge Frauen, die ein Kind ablehnen, behandelt, ist dem zu verübeln, dass er angesichts der Bevölkerungspyramide eine Schwangere ermuntert, ihr Kind auszutragen?
Gruß bo-ehd

P.S. 'Wo hast du den Witz gehört?
 
Hallo Bo-ehd,

zuerst mal ein Tipp, wenn du einen Beitrag zitierst, musst du darauf achten, deine Antwort darunter zu schreiben, also hinter das Zitat (nach dem Wort QUOTE), sonst verschwimmt deine Antwort mit dem Zitat. Leser, die das noch nicht kennen, wissen dann gar nicht, wo sie deine Antwort finden, und auch für nicht neue Leser ist das etwas mühsam.

Ich habe deine Antwort jetzt herauskopiert und gehe darunter auf deine Antwort ein

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. Hallo SilberneDelfine,
ich schätze, du wie auch DS im vorigen Post, ihr seid Kinder der Großstadt. Ich wohne in Bayern und dort auch noch auf dem Lande. Da ist es durchaus noch üblich, in einem solchen Fall als Arzt die Umstände, vor allem die familiären, zu berücksichtigen und mit einschneidenden Empfehlungen vorsichtig zu sein. Hier sind familiäre Strukturen noch weitgehend in Ordnung (zumindest wenn es um harte Schicksalsfragen geht) und ein relativ stressfreies Leben in der Obhut der Angehörigen durchaus normal.
Im Falle einer gewünschten Abtreibung sind ohnehin Beratungsgespräche notwendig; der Arzt macht hier nichts anderes. Und was die Nachkommen schlechthin angeht: Jeder Arzt, der keinen Nachfolger für seine Praxis findet, der eine immer größere Zahl Älterer behandeln muss, der Mühe hat, junge Menschen für die Praxisarbeit zu finden und der immer mehr junge Frauen, die ein Kind ablehnen, behandelt, ist dem zu verübeln, dass er angesichts der Bevölkerungspyramide eine Schwangere ermuntert, ihr Kind auszutragen?
Gruß bo-ehd
Hallo Bo-ehd,

ich habe noch nie in der Großstadt gewohnt, bin auch auf dem Dorf aufgewachsen. Als ich ein Kind war, lebten meine Großeltern noch mit im Haus. Insofern hast du Recht, früher gab es diese Strukturen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass, wäre ich damals ungewollt schwanger geworden als Jugendliche (auch mit 18 noch) sich die Familie darum gerissen hätte, das Kind zu hüten, im Gegenteil, es wäre ein Skandal gewesen, so ungefähr das Schlimmste, was sich Eltern und Großeltern hätten vorstellen können.

Wie es in Bayern aussieht, weiß ich nicht.

Im Falle einer gewünschten Abtreibung sind ohnehin Beratungsgespräche notwendig; der Arzt macht hier nichts anderes.
Wenn du den Arzt in deiner Geschichte meinst, ist das falsch. Ich stelle nicht zum ersten Mal fest, dass darüber, wie eine Beratung vor einer gewünschten Abtreibung innerhalb der ersten 12 Wochen der Schwangerschaft abläuft, niemand wirklich Bescheid weiß. Die Beratung macht nicht der Arzt, der die Schwangerschaft feststellt, sondern eine Beratungsstelle von Pro Familia. Der Arzt, der die Schwangerschaft feststellt, kann der Schwangeren nur die Adresse mitteilen, nicht selbst beraten. Die Schwangere muss den Beratungsschein von Pro Familia, mit dem bestätigt wird, dass sie sich hat beraten lassen, dann zur Abtreibung mitbringen. Die kann dann auch wiederum ein anderer Arzt machen, das muss nicht der sein, der die Schwangerschaft zuerst festgestellt hat.
Was der Arzt in deiner Geschichte macht, ist bestenfalls eine Einmischung in die Angelegenheiten der Schwangeren.

Und was die Nachkommen schlechthin angeht: Jeder Arzt, der keinen Nachfolger für seine Praxis findet, der eine immer größere Zahl Älterer behandeln muss, der Mühe hat, junge Menschen für die Praxisarbeit zu finden und der immer mehr junge Frauen, die ein Kind ablehnen, behandelt, ist dem zu verübeln, dass er angesichts der Bevölkerungspyramide eine Schwangere ermuntert, ihr Kind auszutragen?
Ja, denn es geht hier nicht um ihn und seine Befindlichkeiten.

. P.S. 'Wo hast du den Witz gehört?
Den Witz habe ich unter anderem in Zeitungen und in Witze- Büchern gelesen, nicht nur einmal.

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:

Bo-ehd

Mitglied
Hallo silberneDelfine,
ich habe noch nie in der Großstadt gewohnt, bin auch auf dem Dorf aufgewachsen. Als ich ein Kind war, lebten meine Großeltern noch mit im Haus. Insofern hast du Recht, früher gab es diese Strukturen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass, wäre ich damals ungewollt schwanger geworden als Jugendliche (auch mit 18 noch) sich die Familie darum gerissen hätte, das Kind zu hüten, im Gegenteil, es wäre ein Skandal gewesen, so ungefähr das Schlimmste, was sich Eltern und Großeltern hätten vorstellen können.
In vielen ländlichen Gebieten wie hier im Norden Bayerns ist der familiäre Zusammenhalt - wenigsten in größeren Teilen und auf dem Lande - noch vorhanden. Wenn jemand in Not kommt (nennen wir das mal so) gibt jeder sein Bestes, um zu helfen. Die Familie berät, akzeptiert den Ist-Zustand und sucht eine Lösung. Letztlich sind es für alle Opfer und Kompromisse, und wahrlich reißt sich niemand darum, trotzdem ist die Hilfe selbstverständlich. Auch für mich ist das ganz normal, und deshalb trifft es mich wie ein Schlag, zu lesen, dass alleinerziehende Mütter per se unglücklich sind.
Die Geschichte spielt ja in solchen Verhältnissen, und es ist bewusst unerwähnt geblieben, dass es die Option Heirat gibt, die Option Zahlung durch den Vater und die Option familiäre Unterstützung. Es spielt letzten Endes für die Geschichte auch keine Rolle. Und was den Doktor angeht, so unterhält er sich als Vertrauensperson (Lebensberater, wie erwähnt) mit ihr. Der Gesprächsinhalt ist letztlich auch nicht entscheidend für die Geschichte.

Beste Grüße
Bo-ehd



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