Eine überaus berührende Kurzgeschichte, die uns trefflich mitnimmt in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs, und ich kann sie nur loben!
Ein paar Anmerkungen zum "Drumherum", was nicht als Kritik, sondern als Ergänzung zum sperrigen Thema des Gaskriegs und auch zur Person Fritz Haber gedacht ist:
Der geschilderte Angriff ist die erste dokumentierte Attacke mit tödlichem Giftgas im Ersten Weltkrieg, allerdings nicht der erste Gasangriff an sich. Schon im August 1914 beschossen französische Truppen die deutschen Gegner mit Tränengas. Auch wenn die strategischen Erfolge dieser ersten Einsätze eher marginal waren, sahen die kriegsführenden Nationen dennoch ein hohes militärisches Potential in der Gaswaffe, und ein entsetzliches Wettrennen entstand.
Zunächst wurden in der Folge Reizgase gegen die jeweiligen Gegner eingesetzt, und den Deutschen gebührt schließlich die - zweifelhafte - "Ehre", den ersten Angriff mit Gas zum Zweck des Tötens durchgeführt zu haben.
Fritz Haber ist eine in der Geschichte höchst zwiespältig zu sehende Persönlichkeit. Unzweifelhaft war er ein begnadeter Forscher. Unzweifelhaft gehörte er auch zu denjenigen Wissenschaftlern, die eine wirtschaftliche Umsetzung ihrer Forschungsarbeit förderten und durchsetzten. Prägend in Erinnerung bleibt für die nachfolgenden Generationen eben Habers Engagement in der Entwicklung der Giftgaswaffe, ein Engagement, zu dem er sich als "Deutscher Patriot", als der er sich empfand, geradezu verpflichtet fühlte.
Es gibt jedoch auch gleich zwei andere Seiten Fritz Habers. Zunächst ist da die Geschichte mit dem Nobelpreis von 1918, verliehen im Jahr 1919. Die Kriegsgegner Deutschlands waren empört über diese Entscheidung, da Haber eben der Vater des deutschen Giftgaskriegs war. Den Nobelpreis allerdings erhielt er für seine Entwicklung der industriellen Ammoniaksynthese. Und damit ist der Vater des Giftgaskriegs gleichzeitig auch einer der Väter des Kunstdüngers und damit einer der Väter, endlich in vielen Regionen der Welt durch diesen Kunstdünger den Hunger und die Not erfolgreich bekämpfen zu können (wie wir wissen, hat das bis heute allerdings keineswegs zu einer vollständigen Verdrängung des Ernährungsproblems geführt, nur ist heutzutage kaum noch jemandem bewusst, wie schwierig es vor dem Haber-Bosch-Verfahren war, ausreichend Dünger selbst in den Industrienationen herzustellen (hierzu brauchte man natürlichen Salpeter in unglaublichen Mengen)).
Die dritte Seite Habers ist die Seite seines persönlichen Schicksals. Seine Frau Clara Immerwahr, selbst eine hochtalentierte und sensible promovierte Chemikerin, nahm sich kurz nach dem Giftgasangriff von Ypern das Leben - sehr wahrscheinlich aus Verzweiflung über die tödliche Arbeit ihres Mannes. Sein Sohn aus dieser Ehe beging 1946 ebenfalls Suizid. Haber selbst erlebte dies nicht mehr, da er bereits 1934 in der Schweiz verstarb. Haber war jüdischer Abstammung und nun im Deutschland des Nationalsozialismus nicht mehr gelitten. Chaim Weizmann, der spätere erste Präsident Israels und übrigens Chemiker von Beruf, hatte Haber nach Palästina eingeladen, nur erreichte der Wissenschaftler sein Ziel nicht mehr.
In Haber vereinen sich also gleich mehrere Seiten: Patriotismus bis hin zur kompromisslosen Vernichtung des Feindes, dann aber auch die Damnatio Memoriae seiner Person durch die Nationalsozialisten (die seinen Namen aus dem Haber-Bosch-Verfahren tilgten), sein Familienschicksal, zu dem er selbst, zumindest was seine Frau betrifft, beigetragen hat, und eben sein Engagement zur Bekämpfung des Hungers auf dieser Welt.
Ein beeindruckender Mann, in jeder Hinsicht. Und leider, wie viele beeindruckende Männer, keineswegs mit einer weißen, sondern eben mit einer ziemlich schmutzigen Weste. Haber ist mehr als Giftgas, nur ist er damit untrennbar verbunden.
Ein paar Anmerkungen zum "Drumherum", was nicht als Kritik, sondern als Ergänzung zum sperrigen Thema des Gaskriegs und auch zur Person Fritz Haber gedacht ist:
Der geschilderte Angriff ist die erste dokumentierte Attacke mit tödlichem Giftgas im Ersten Weltkrieg, allerdings nicht der erste Gasangriff an sich. Schon im August 1914 beschossen französische Truppen die deutschen Gegner mit Tränengas. Auch wenn die strategischen Erfolge dieser ersten Einsätze eher marginal waren, sahen die kriegsführenden Nationen dennoch ein hohes militärisches Potential in der Gaswaffe, und ein entsetzliches Wettrennen entstand.
Zunächst wurden in der Folge Reizgase gegen die jeweiligen Gegner eingesetzt, und den Deutschen gebührt schließlich die - zweifelhafte - "Ehre", den ersten Angriff mit Gas zum Zweck des Tötens durchgeführt zu haben.
Fritz Haber ist eine in der Geschichte höchst zwiespältig zu sehende Persönlichkeit. Unzweifelhaft war er ein begnadeter Forscher. Unzweifelhaft gehörte er auch zu denjenigen Wissenschaftlern, die eine wirtschaftliche Umsetzung ihrer Forschungsarbeit förderten und durchsetzten. Prägend in Erinnerung bleibt für die nachfolgenden Generationen eben Habers Engagement in der Entwicklung der Giftgaswaffe, ein Engagement, zu dem er sich als "Deutscher Patriot", als der er sich empfand, geradezu verpflichtet fühlte.
Es gibt jedoch auch gleich zwei andere Seiten Fritz Habers. Zunächst ist da die Geschichte mit dem Nobelpreis von 1918, verliehen im Jahr 1919. Die Kriegsgegner Deutschlands waren empört über diese Entscheidung, da Haber eben der Vater des deutschen Giftgaskriegs war. Den Nobelpreis allerdings erhielt er für seine Entwicklung der industriellen Ammoniaksynthese. Und damit ist der Vater des Giftgaskriegs gleichzeitig auch einer der Väter des Kunstdüngers und damit einer der Väter, endlich in vielen Regionen der Welt durch diesen Kunstdünger den Hunger und die Not erfolgreich bekämpfen zu können (wie wir wissen, hat das bis heute allerdings keineswegs zu einer vollständigen Verdrängung des Ernährungsproblems geführt, nur ist heutzutage kaum noch jemandem bewusst, wie schwierig es vor dem Haber-Bosch-Verfahren war, ausreichend Dünger selbst in den Industrienationen herzustellen (hierzu brauchte man natürlichen Salpeter in unglaublichen Mengen)).
Die dritte Seite Habers ist die Seite seines persönlichen Schicksals. Seine Frau Clara Immerwahr, selbst eine hochtalentierte und sensible promovierte Chemikerin, nahm sich kurz nach dem Giftgasangriff von Ypern das Leben - sehr wahrscheinlich aus Verzweiflung über die tödliche Arbeit ihres Mannes. Sein Sohn aus dieser Ehe beging 1946 ebenfalls Suizid. Haber selbst erlebte dies nicht mehr, da er bereits 1934 in der Schweiz verstarb. Haber war jüdischer Abstammung und nun im Deutschland des Nationalsozialismus nicht mehr gelitten. Chaim Weizmann, der spätere erste Präsident Israels und übrigens Chemiker von Beruf, hatte Haber nach Palästina eingeladen, nur erreichte der Wissenschaftler sein Ziel nicht mehr.
In Haber vereinen sich also gleich mehrere Seiten: Patriotismus bis hin zur kompromisslosen Vernichtung des Feindes, dann aber auch die Damnatio Memoriae seiner Person durch die Nationalsozialisten (die seinen Namen aus dem Haber-Bosch-Verfahren tilgten), sein Familienschicksal, zu dem er selbst, zumindest was seine Frau betrifft, beigetragen hat, und eben sein Engagement zur Bekämpfung des Hungers auf dieser Welt.
Ein beeindruckender Mann, in jeder Hinsicht. Und leider, wie viele beeindruckende Männer, keineswegs mit einer weißen, sondern eben mit einer ziemlich schmutzigen Weste. Haber ist mehr als Giftgas, nur ist er damit untrennbar verbunden.