der Tag hat Luft

5,00 Stern(e) 7 Bewertungen

wiesner

Mitglied
Danke Manfred und Ubertas für Besuch und Wertung!

Ein Fundstück, das (fast) kein Interesse findet. Um der Ordnung/Sauberkeit willen noch was wegschnippen - könnte mir Brinkmann eingeflüstert haben, ich weiß es nicht mehr.

Gruß
Béla
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Béla,

doch, dein Gedicht findet Interesse, denn ständig kehre ich zurück, um es erneut zu lesen.
Du bietest hier zwei mögliche Lesarten und je nach meinem persönlichen Gemütszustand macht es mir Hoffnung, weil ich einen Aufbruch lese.
Dann wieder macht es mich traurig, weil es auch vom Abschied erzählt.
Großartig, ich empfehle es!

Liebe Grüße
Manfred
 

wiesner

Mitglied
Ja, Abschied und Hoffnung ...

Besten Dank für die Empfehlung, freut mich sehr!

B.

(Ich miste seit Oktober '24 aus, das private Archiv erstickte fast. Mein Gott, was für Zeug habe ich bloß geschrieben ... Und dann finden sich immer mal wieder Texte dieser Art. Sich von Altem zu trennen, fällt sehr, sehr schwer ...).
 

Ubertas

Mitglied
Lieber Béla,
da geht es mir genauso wie Manfred. Ein Wiederlesen ist vorprogrammiert. Ein Gedicht, das einen sofort und mit unglaublicher Wirkungskraft erfasst.
Da ist noch etwas, zwischen den möglichen Szenarien von Hoffnung oder Abschied. Ein "nicht zum erstenmal". Doch diesmal fällt die Ölung der Türscharniere auf.
Ich kann gar nicht sagen, in welcher Zeile deines Gedichts ich am liebsten verharre -es ist ein Gesamtkunstwerk.
Ich bin restlos begeistert!
Lieben Gruß ubertas
 

fee_reloaded

Mitglied
Mein Gott, was für Zeug habe ich bloß geschrieben ... Und dann finden sich immer mal wieder Texte dieser Art. Sich von Altem zu trennen, fällt sehr, sehr schwer ...

Das Loslassen, in dem zugleich ein letztes bewusstes Wahrnehmen dessen, was man da "hatte" (oder geschrieben hat), geschieht...dein Gedicht singt davon auf eine höchst liebevoll-melancholische Art, lieber Béla!

Und mir geht es da wie Manfred und Ubertas - ich bin begeistert! Denn dein Gedicht berührt, klingt nach und entwickelt mit jedem Lesen noch mehr Tiefe.

Aufbruch und Abschied als zwei Seiten einer Medaille.
Ein Zwiespalt, der uns durchs ganze Leben hindurch immer wieder begegnet und etwas sehr Wesentliches für unser Empfinden von gelebter Zeit darstellt, möchte ich mal behaupten. Man muss loslassen, um weitergehen zu können und das Vorangehen auch als solches wahrzunehmen. Zugleich muss man auch an etwas festhalten, um sich in Sicherheit verortet fühlen zu können. Im Inneren wie im Äußeren.

noch was wegschnippen
etwa von der Anrichte
Keine persönlichen Spuren hinterlassen für den Nächsten, der an diesen Ort voranschreitet, um an ihm seine eigene Lebensgeschichte weiterzuschreiben. Und zugleich hinterlässt dieser Ort Spuren in dem, der ihn verlässt. Das Mobiliar im Außen lässt man leichter zurück als das, was man damit im Inneren verbindet.
Vertraute Geräusche ein letztes Mal bewusst in sich aufnehmen und erkennen, wie sie unmerklich ein Kapitel mitgeschrieben haben.

Jede Strophe ist eine unaufdringliche, aber dafür umso stärkere Metapher für diesen Moment des Loslassens im Aufbruch. Und das finde ich so großartig.
Der Umschlag, der ein Kapitel in sich fasst, das nun abgeschlossen wird. Der Taschenriemen, der "schnürt" (das Bündel dessen, was man weiter mitnimmt) und auch ein wenig Schmerz verursacht (den Loslassschmerz). Ein kleines "diesmal", das den Abschied in Etappen andeutet und nochmals betont, dass dies kein leichtfertiger, rascher und schon gar kein leichter Abschied ist (das Gewicht der Tasche ist es ja, das den Riemen in die Schulter schneiden lässt).

Und dann das vertraute Quietschen der Türe, das fehlt, weil man gewissenhaft die Scharniere geölt hat. Und damit ist es schon nicht mehr ganz das eigene Zuhause, sondern schon ein klein wenig fremd. Die
hübsche Klavierübung
"von irgendwoher" lockt hinaus. Verspricht Schönes und Leichtigkeit. Der Tag hat Luft und in dieser atmet sich schon das Versprechen auf neue Abenteuer.

Für mich eins deiner schönsten Gedichte bisher. Wie schön, dass du es wiedergefunden und hier mit uns geteilt hast! Danke!

Liebe Grüße,
Claudia
 

wiesner

Mitglied
Liebe Claudia,

ganz herzlichen Dank für Deine qualifizierte Ausführung! Ich verneige mich respektvoll vor Deiner Gründlichkeit und Lesefähigkeit, die zu einem gelungenen Analysekommentar führen. Langsam bekomme ich ein schlechtes Gewissen ... Lobesnoten wie

Für mich eins deiner schönsten Gedichte bisher

aber auch Ubertas

es ist ein Gesamtkunstwerk

sind zu stemmen nicht ganz einfach. Ich erlaube mir in diesem Zusammenhang eine gewisse Zurückhaltung, wenngleich es natürlich sehr angenehm ist (wie für jeden), schöne Noten zu erhalten.
Ich bin weiterhin am Ausdünnen meines priv. Archivs...und finde mehr Schlechtes als Brauchbares. Oje, so viel verabschiedet sich ...

Beste Grüße
Béla


Dank auch an @Chandrian
 

Tula

Mitglied
Hallo Béla
In der Tat besticht das Gedicht durch seine Kürze und die Haiku-anmutenden Teile. Das passt ausgezeichnet zu den letzten flüchtigen Blicken vor dem Aufbruch und das Klavier lädt trotzdem zum Verweilen ein.
Als einzigen Vorschlag würde ich das Wörtchen 'hübsche' durch ein emotional stärkeres ersetzen, das den Abschied im lerzten Moment noch etwas schwerer macht.

LG Tula
 

wiesner

Mitglied
Danke, Tula, für die Rückmeldung.

Ich glaube, dass mir der Abschied hier nicht so schwer im Sinn war, als ich das Gedicht schrieb. Natürlich könnte man Klaviermusik von Rachmaninov oder Brahms erklingen lassen, das würde den Hoffnungsgedanken eindämmen, auf den es mir aber ankam ... (glaube ich, es ist lange her). Das Thema Ölung (sozusagen die letzte) war mir wohl besonders wichtig, es stirbt ja was ...

Schönen Tag
Béla
 



 
Oben Unten