Die Auflehnung (einer unterdrückten Frau)

Charima

Mitglied
Die Auflehnung (einer unterdrückten Frau) Variante 2

Sie wußte nicht, woher es kam, sie wußte nur, daß dieses seltsame Drängen sie schon seit Monaten, wenn nicht gar Jahren heimsuchte - in letzter Zeit jedoch verstärkt.
Sein Anblick löste diese Gefühle aus. Er war hochgewachsen, aber ohne die breiten Schultern, die Stärke und Problemlösung versprachen. Seine Schultern waren lediglich optisch breit.
Mit seinen blauen Augen und den kräftigen Händen konnte er verlangen, was er wollte. Und dessen war er sich stets bewußt. Bei jeder Gelegenheit schickte er sie in den Keller, um kühles Bier hochzuholen. Sie hatte noch nie versucht herauszufinden, was passieren würde, wenn sie diesen Dienst verweigerte. Heute schien ihr der geeignete Tag dafür gekommen.
Sie blieb vor ihm stehen mit aufgereckten Schultern, in ihrem karierten Hauskleid, das sie so sehr haßte und dennoch immer wieder trug, bloß weil er es so verlangte. Betont langsam schälte sie sich den abgenutzen Stoff von den Schultern und warf ihn achtlos auf den Boden.
"Wo bleibt mein Bier?" wiederholte er seine Frage, diesmal drängender als noch zuvor.
"Es steht im Keller, damit es schön kühl bleibt", erwiderte sie.
"Dann hol es hoch!" Diesmal war ihr guter Wille, seinen fordernden Tonfall zu überhören, wie sie es jahrelang getan hatte, nicht mehr vorhanden.
"So weit ich mich erinnern kann, hast du eigene Füße, die dich tragen", entgegnete sie.
"Was soll das heißen?" Mühsam erhob er sich aus seinem kuscheligen Lieblingssessel und baute sich drohend vor ihr auf. Nun überrragte er sie um Haupteslänge.
"Das soll heißen, daß du selbst gehen kannst", sagte sie mit fester Stimme, unbeirrt durch seine körperliche Gestalt. "Ich habe heute keine Lust zu gehen. Überhaupt habe ich nie mehr Lust, für dich zu gehen."
"Du weißt, was passiert, wenn du nicht gehst?" fragte er drohend.
"Ja", gab sie mit fester Stimme zurück und ließ sich wohlig in den Sessel plumpsen. "Ich denke, daß es nicht schlimmer werden kann als es wird, wenn ich gehe. Daher habe ich beschlossen, dies heute endlich auszuprobieren um zu sehen, ob ich Recht behalte."
So viele Worte war er von seiner sonst so schweigsamen und gehorsamen Ehefrau nicht gewohnt. Verwirrt stutze er.
"Und wo wir gerade einmal dabei sind: Bitte hole mir doch einen Saft aus dem Keller. Schön kühl, versteht sich. Du kannst ihn doch sicher mitbringen, wenn du dein Bier und den Schnaps besorgst." Sie legte den Kopf in den Nacken und schloß genüßlich die Augen, während ihr Herz raste wie bei einem Marathon. Mit der rechten Hand tastete sie nach der Fernbedienung und brachte den Sportkanal zum Schweigen.
Einen Moment lang war es totenstill im Raum. Keiner sagte etwas, nur das Ticken der Wanduhr war zu vernehmen. Dann machte er sich mit bösem Blick auf den Weg. Sie konnte sein Zähneknirschen vernehmen, als er die Kellertreppe hinunterstieg, und sie hörte seine Drohungen.
Danach ging alles sehr schnell. Sobald er den rettenden Alkohol in seinen Adern verspürte, war er wieder zu neuen Höchstleistungen fähig.
"Na warte, Weib!" brüllte er schon im Hinaufsteigen, beseelt durch die magischen Kräfte seines Lebenselixiers, das ihn erst so richtig zu dem machte, was er war. Seine polternden Schritte klangen drohend wie Donnerhall, als er die letzten Stufen erklomm und sich daran machte, sie zu verfolgen.
Diesmal tat sie ihm nicht den Gefallen, ins Schlafzimmer zu flüchten. Sie wußte inzwischen, daß sie dort nicht sicher war. Ganz im Gegenteil. Zu oft hatte sie das schon erfahren. Zu oft, um es jemals zu vergessen.
Sie wußte, daß sie ihn heute herausgefordert hatte. Genau das war ihre Absicht gewesen. Denn sie hatte einen Entschluß gefaßt, den es in die Tat umzusetzen galt. Vorher wollte sie ihm jedoch noch deutlich zu verstehen geben, was sie von ihm hielt.
Langsam erhob sie sich aus ihrem Sessel und ging auf ihn zu. Sein pesthauchartiger Atem strömte ihr entgegen, so daß ihr übel wurde.
"Na, vergeht dir jetzt dein widerspenstiges Gerede?" fragte er gefährlich grinsend. "Hat meine helfende Hand alles vielleicht gar nicht so gemeint?"
"Ich bin nicht deine Sklavin", gab sie zurück. "Und ich werde es nie mehr sein!" Nachdem sie diese Worte hervorgestoßen hatte, verließ sie der Mut so überraschend, wie er gekommen war. Sie schaffte es nicht, ihm an den Kopf zu werfen, was sie immer hatte loswerden wollen. Jetzt wollte sie nur noch weg. Als sie jedoch nach der Türklinke griff, hielt er sie zurück.
"Du wirst nirgendwo hingehen, wenn ich es nicht will", sagte er. "Du weißt genau, wo dein Platz ist."
"Und der ist bestimmt nicht an deinem Herd!" widersprach sie in einem letzten Akt der Auflehnung und schickte sich erneut an, das Haus zu verlassen. Wieder hielt er sie zurück, diesmal wesentlich unsanfter.
"Ich habe Hunger auf ein Sandwich", erklärte er betont langsam. "Und ich habe keine Lust, es mir selbst zu machen."
Er packte sie an der Schulter und zerrte sie in die Küche. Bei der Berührung zuckte sie schmerzlich zusammen, denn die Schulter war noch geprellt vom Vortag. Aber er hätte sie auch an jeder anderen Körperstelle anfassen und in die Küche schleifen können. Sie hätte dem nicht viel entgegenzusetzen gehabt. Ihr ganzer Körper war eine einzige blau-gelb-grüne Kraterlandschaft.
Er zeigte gebieterisch auf das Weißbrot und forderte sie auf, Käse, Salat, Tomaten und Gurken aus dem Kühlschrank zu holen. Während sie das Brot schnitt und seine genießerischen Blicke dabei im Nacken spürte, wurde sie von Haß ergriffen.
Sie haßte diesen Mann, der neben ihr stand und sie dazu zwang, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollte. Sie haßte ihn für seine Art, wie er sie behandelte. Und sie haßte ihn, weil er ihre Worte nie ernst nahm.
Aber erniedrigen, das konnte sie sich nur selbst. Das vermochte er nicht, auch wenn er es immer glaubte und sie ebenfalls häufig dieser Vorstellung erlag.
Als das Sandwich fertig geschmiert und belegt war, hielt sie es ihm verführerisch vor die Nase, wedelte damit herum wie mit einer Siegesfahne und ließ es anschließend klatschend in sein Gesicht sausen. Ein bunter Schwall von Brot, Käse und frischem Gemüse spritzte durch die Luft, während sie das Weite suchte.
Sein Erstaunen kannte keine Grenzen. Schließlich wandelte sich diese Erstaunen in Wut, und er rannte los. Weit kam er nicht. Denn mit Hilfe der Gurkenscheiben und Tomatenstücke schaffte sie das, was sie noch nie zuvor vermocht hatte: Sie brachte ihn zu Fall.
Ein lautes, dumpfes Geräusch war zu vernehmen, als sein Schädel gegen die Schrankkante krachte. Sie drehte sich in der Bewegung um und konnte es nicht fassen.
Vorsichtig, wie ein wildes Tier auf der Pirsch, näherte sie sich seinem Körper. Sein Brustkorb hob und senkte sich nicht mehr. Vorsichtig berührte sie seinen tief zusammengesunkenen Körper. Er bewegte sich noch immer nicht.
Sie suchte den Puls an der Halsschlagader, doch auch der war nicht mehr zu spüren. Erst jetzt bemerkte sie, daß Blut aus einem großen Loch in seinem Schädel strömte.
Als sie dies erkannte, machte sich ein nie zuvor gekanntes Gefühl in ihr breit. Erst war es noch ganz klein, doch anschließend wuchs und wuchs es, bis es ihren Körper wie ein helles, angenehm warmes Strahlen erfüllte.
Sie wartete noch eine gute halbe Stunde. Erst dann bestellte sie einen Notarztwagen und rief die Polizei.
 

klara

Mitglied
weinen

Wo Unterdrückung und Unterdrückte, da ist auch Gewalt.
Deine Geschichte ist mir aus meiner eigenen Erfahrungen, meiner Beobachtungen und aus meinem Berufsfeld sehr "vertraut". Ich will in diesen Geschichten immer etwas herauslesen, dass die Auflehnung sich lohnt. "Sich lohnen" ist ein seltsamer Begriff. Ich bin mir dessen bewußt.

Am Ende deiner Geschichte ist wieder der Mann im Vordergrund. Er hat begriffen, was sie sagte, was sie meinte. Ich will, dass so eine Geschichte mit der Frau endet. Und zwar nicht mit ihrem neuen Zustand (hier; Mörderin), sondern mit irgend Etwas, was einzig und allein diese Frau ist, dieser Frau gehört.
So eine Geschichte ist ein hammer, sie sollte aber nicht auf den Kopf des Lesers prallen, wie ein Hammerschlag.
Nun, das ist nur mein Wille. Kein Kritik.

Liebe Grüße.
 

Charima

Mitglied
Liebe Klara!

Deine Kritik ist ein Hammer! Das soll heißen: echt super! Du sagst etwas so konkret, das mir jemand so konkret sagen mußte, damit ich es selbst verstehen kann. DANKE!!!

Du hast vollkommen Recht! Und es ist mir schon bei einer ganzen Reihe von meinen Geschichten aufgefallen, daß dann trotzdem häufig der Mann letzten Endes im Vordergrund steht, was ich überhaupt nicht will - aber bei dieser Geschichte ist es mir komischerweise nicht aufgefallen. Also muß ich ergründen, warum. Und das wird mich weiterbringen.

Ich hoffe, die Geschichte bald (was mit einiger Zeitverschiebung bedeutet) umändern kann.

Vielen Dank für Deine Hilfe,

Charima
 

Charima

Mitglied
Liebe Klara!

Endlich habe ich etwas an der Geschichte gearbeitet, aber zufrieden bin ich immer noch nicht. Vielleicht hast Du einen besseren Vorschlag für das Ende oder eine andere Anregung?

Liebe Grüße,

Charima
 

klara

Mitglied
Liebe Charima,
meine Frage an dich (per E- Mail) hat sich erledigt.
Ich habe deine Geschichte doch vor meinen Augen.
Bis bald.
 

klara

Mitglied
Hallo liebe Charima,
deine Geschichte habe ich gelesen. (Wieder gerne)
Hier einige Vorschläge:
Anstatt".... Diesmal war der fordernde Tonfall seiner Stimme selbst mit gutem Willen nicht zu überhören", würde ich,
"Diesmal war das gute Willen, den fordernde Tonfall zu überhören, nicht mehr da." schreiben.

Und auf die Frage
"Du weißt, was passiert, wenn du nicht gehst?"
würde ich die Frau anders antworten lassen. Und zwar nicht mit "Nein", sondern mit einem klaren "ja".
"Ja!"...... "Eben deshalb. Weil ich es weiß, weil es kein Unterschied macht, ob ich gehe oder nicht. Denke ich. Sehen wir mal, ob es stimmt?" (oder so ähnlich)

Meine Begründung hierfür ist;
Die Frau spürt ein seltsames Drängen (Aufforderung aus ihrem Inneren zur Auflehnung) schon lange. Und In letzter Zeit verstärkt.
Sie beginnt diesem Drängen eine Form zu geben. Das ist der rote Faden der Geschichte. Sie will herausfinden, was passiert, wenn sie ihren Faden fest hällt. Wenn sie bei sich bleibt. Alles andere, was der Mann tut, ist ihr "vertraut".
Nun,
so, wie du geschrieben hast, ist die Geschichte stark genug,
(zumindest für mich) um ihren Jubel für ihre traurige Freiheit zu verstehen, sie für ihre rührende Kraft lieb zu haben.
Liebe Grüße.
 

Charima

Mitglied
Liebe Klara!

Vielen Dank für Deine Anregungen!!!!! :) Ich denke, ich kann sie (fast) wortgetreu übernehmen, und die Geschichte wird dadurch für mich wesentlich stimmiger!

Nochmals Danke! Und:

Ich wünsche Dir viele kreative Stunden!

Charima


P.S.: Jetzt habe ich an den Stellen erneut gearbeitet, es ist nicht ganz so geworden, wie Du es vorgeschlagen hattest, aber ich hoffe, daß es so trotzdem stimmig erscheint?!
 
Schließe mich an

Auch ich würde nicht jeder Entgegenung der Protagonisten eine Eklrärung hinterher schicken. Manchmal genügen schon das Gespräch, um dem Leser verständlich zu machen, was der Autor sagen will. Mir war die Geschichte zu überladen, und ich las zunächst - ehrlich gesagt - eine Sitcom heraus: Al Bundy! Das Ende ist zu klischehaft, ehrlich. Auch der Spannungsaufbau! Laß sie einfach nur reden oder denken - musst nichts erklären! Dann wird's gut! Gruß, Katrin
 

Charima

Mitglied
Liebe Katrin!

Danke für Deine Meinung! Ehrlich gesagt murkse ich bereits ziemlich lange an der Geschichte herum. Wie eine Sitcom sollte sie allerdings nicht wirken. Es ist eigentlich vielmehr eine Hausaufgabe unserer Schreibwerkstatt in AK. Und zwar zum Thema "Die vier Ohren des Menschen". Das soll heißen, daß jeder, der an einem Dialog teilnimmt (oder diesen liest), dabei mit unterschiedlichen Ohren hören kann, wie z.B. dem Beziehungsohr.

Inzwischen bin ich selbst für mich mit dem Zwischenstand relativ zufrieden, so daß ich erst einmal nichts weiter verändern werde. Vielleicht kommt das später, denn über Deinen Satz bezüglich der Erklärungen muß ich erst noch nachdenken. Sowas hat mir nämlich ein sehr guter Freund ebenfalls einmal gesagt.

Nochmals Danke, den Gruß der aufsteigenden Morgensonne wünscht Dir

Charima


P.S.: Ich weiß, daß der Schluß - egal, wie ich ihn auch beschreibe - klischeehaft ist, aber da ich in veränderter Weise eine wahre Geschichte erzähle, kann ich ihn nicht ändern, da für mich sonst der Sinnzusammenhang nicht mehr stimmig ist.
 

Antaris

Mitglied
Donnerwetter!

Hallo Charima,

dies ist mit Abstand der beste Prosatext von Dir den ich bisher kenne. Im Vergleich zu der "Suche" (oder wie hieß die Erzählung) ist Deine Sprache wesentlich ausdrucksstärker geworden. Da sind höchstens noch ein paar Kleinigkeiten, die die anderen zum Teil schon angesprochen haben, über die vielleicht noch nachgedacht werden könnte. Genaueres kann ich Dir sagen, wenn ich den Text nocheinmal gelesen habe und noch eine Weile auf mich wirken gelassen habe.

Mit feurigen Grüßen

Antaris
 

Charima

Mitglied
Liebe Antaris!

Vielen Dank für dein Lob *rotwerd*... :)

Allerdings: So leid es mir auch tut, aber "Die Auflehnung" ist lange vor der "Suche" entstanden, sorry. Vielleicht will mir das auch wieder was anderes sagen...

Aber an der "Suche" will ich noch länger rumfrickeln, weil mir diese Geschichte besonders viel bedeutet. Okay, der Einstieg ist wirklich deprimierend, ganz anders, als ein Anfang sein sollte, aber das paßt zu der Protagonistin, finde ich. Aber: Soll ich meiner "Heldin" einen Namen gaben? Was meinst Du?

Und wenn Dir zu diesem Text hier Verbesserungen einfallen, laß sie mich bitte wissen!

Vielen Dank und bis bald (ich werde versuchen, bald nochmal in der Werkstatt zu erscheinen), ;)

Charima
 

Antaris

Mitglied
Daneben geraten

Hallo Charima,

Diese Geschichte ist älter als die Suche? Na, da habe ich aber arg daneben geraten, ansonsten bleibe ich bei meinem Urteil. Über ein paar Details können wir vielleicht sprechen, wenn wir uns mal bei der Schreibwerkstatt oder sonstwo sehen. Was den Schluss angeht haben diejenigen recht, die finden dass Du ihn nochmal übedenken könntest. Vielleicht fällt Dir eine Lösung nach dem Motto Grips schlägt Muskelkraft ein...vielleicht findet sie irgendeinen Schwachpunkt,mit dem sie ihn erpressen oder sonstwie kleinkriegen kann.

Wie weit bist Du mit der "Suche"?

Mit feurigen Grüßen

Antaris
 

Renee Hawk

Mitglied
Hallo Charima,

aus eigener Erfahrung glaube ich zu wissen wie es schmerzt, doch habe ich es nicht fertig gebracht das Messer in den Leib zu remmen. Dazu ist/war meine Hemmschwelle zu groß und es hätte mir keine Genugtuung gebracht.
Als ich in dieser Situation war, habe ich einfach zurück geschlagen, dass kann deine Darstellerin auch, das ist Auflehnung, Rebbelion und Zeichen setzten.
Lass die Frau sich wehren, aber nicht zu einer Mörderin werden, denn so hat der Mann gesiegt - selbst im Tod ist er unverwundbar. Zeig ihm die Zähne, mach ihm Arsen ins Essen, wenn es unbedingt sein muß.

Ansonsten ist der Text flüssig erzählt und spannend zu lesen.

liebe Grüße
Reneè
 
R

Rote Socke

Gast
Nicht als Mann, sondern als friedliebender Mensch,

denke ich immer: So etwas kann es doch gar nicht geben. Aber das nackte Leben gibt wirklich solche Geschichten her.

Vielleicht hast Du ja schon fleißig am Text gearbeitet und gefeilt, aber was ich heute gelesen habe, da bleibt wohl kaum viel übrig für Verbesserungen. Ich finde den Text sehr gut und den Schluss der Protagonistin sehr würdig.

Schönen Gruss
Volkmar
 

Charima

Mitglied
Hallo Antaris, hallo Renee Hawk!

Vielen Dank für eure Meinungen und Anregungen. Ich werde den Schluß tatsächlich noch einmal überdenken, obwohl ich nicht weiß, ob ich ihn ändern werde. Vielleicht habt ihr aber wirklich recht. Obwohl die Frau, über die ich schreibe, ihren Mann tatsächlich erstochen hat. Deswegen ist da bei mir eine so große Hemmschwelle, dies umzuändern. Ich befürchte, meiner "Heldin" aus dem Alltag damit nicht mehr gerecht zu werden. Denn es ist eigentlich IHRE Geschichte.

Aber mal sehen, ob mir doch noch eine andere Lösung einfällt.

Den Gruß des hereinbrechenden Morgens,

Charima

P.S.: Ja, Antaris - ich denke auch, daß wir bei der Werkstatt oder so einmal darüber reden könnten. Da haben wir mehr Zeit. Zur Zeit lasse ich die Suche erst einmal ruhen, wie ich gestehen muß, und ändere nur hin und wieder das handschriftliche Manuskript. Das Abtippen fällt mir so schwer! Aber die Rache des Opfers für die Vergewaltigung fällt nun vollkommen anders aus - sie hat Mitleid mit ihm... Darauf bin ich stolz!

Liebe Grüße auch an Shigeru, Charima


P.S.: Für Renee: Wenn Du es geschafft hast, aus dem Teufelskreis auszubrechen, ohne den Mann, der Dir Schlimmes angetan hat, umzubringen, dann kannst Du verdammt stolz auf Dich sein! Ich bewundere solche Frauen. Allerdings bewundere ich auch diejenigen, die den anderen Schritt gewagt haben, weil beides in meinen Augen sehr viel Mut erfordert.

Liebe Grüße,

Charima
 

Charima

Mitglied
Hallo, Rote Socke!

Deinen Post habe ich eben gerade erst gesehen (weiß auch nicht, warum) und antworte daher gesondert.

Ich freue mich natürlich, wenn auch Männer diesen Text lesen. Wobei ich weiß, daß längst nicht alle Männer so sind, wie der von mir in diesem Text beschriebene. So habe ich zum Beispiel einige gute bis sehr gute Freunde, die mich immer wieder aufs Neue vom Gegenteil überzeugen.

Traurig macht mich dennoch immer wieder das "Massenbild", das bei der Betrachtung der ganzen Erde in Hinblick auf diesen Punkt entsteht. Nahezu überall werden Frauen mehr oder weniger unterdrückt. Und wer führt wohl die sinnlosen Kriege? Daher ist es für mich immer schwierig, von meinem - wie ich offen zugebe - häufig verallgemeindernden Denken hinwegzukommen. Wobei ich mich sehr darum bemühe, denn: Nicht alle Männer sind schlecht! Schon gar nicht aus dem bloßen Grund, daß sie Männer sind!

Ich wünsche Dir einen kreativen Start in den Tag und hoffe, daß noch mehr Männer - und natürlich auch Frauen - Deinem Beispiel folgen und in erster Linie "friedliebende Menschen" sein werden! Ganz besonders in diesen Zeiten brauchen wir nämlich "friedliebende Menschen" dringend!

Liebe Grüße,

Charima
 

Charima

Mitglied
Ursprünglich veröffentlicht von Charima
Die Auflehnung (einer unterdrückten Frau)

Sie wußte nicht, woher es kam, sie wußte nur, daß dieses seltsame Drängen sie schon seit Monaten, wenn nicht gar Jahren heimsuchte - in letzter Zeit jedoch verstärkt.
Sein Anblick löste diese Gefühle aus. Er war hochgewachsen, aber ohne die breiten Schultern, die Stärke und Problemlösung versprachen. Seine Schultern waren lediglich optisch breit.
Mit seinen blauen Augen und den kräftigen Händen konnte er verlangen, was er wollte. Und dessen war er sich stets bewußt. Bei jeder Gelegenheit schickte er sie in den Keller, um kühles Bier hochzuholen. Sie hatte noch nie versucht herauszufinden, was passieren würde, wenn sie diesen Dienst verweigerte. Heute schien ihr der geeignete Tag dafür gekommen.
Sie blieb vor ihm stehen mit aufgereckten Schultern, in ihrem karierten Hauskleid, das sie so sehr haßte und dennoch immer wieder trug, bloß weil er es so verlangte. Betont langsam schälte sie sich den abgenutzen Stoff von den Schultern und warf ihn achtlos auf den Boden.
"Wo bleibt mein Bier?" wiederholte er seine Frage, diesmal drängender als noch zuvor.
"Es steht im Keller, damit es schön kühl bleibt", erwiderte sie.
"Dann hol es hoch!" Diesmal war ihr guter Wille, seinen fordernden Tonfall zu überhören, wie sie es jahrelang getan hatte, nicht mehr vorhanden.
"So weit ich mich erinnern kann, hast du eigene Füße, die dich tragen", entgegnete sie.
"Was soll das heißen?" Mühsam erhob er sich aus seinem kuscheligen Lieblingssessel und baute sich drohend vor ihr auf. Nun überrragte er sie um Haupteslänge.
"Das soll heißen, daß du selbst gehen kannst", sagte sie mit fester Stimme, unbeirrt durch seine körperliche Gestalt. "Ich habe heute keine Lust zu gehen. Überhaupt habe ich nie mehr Lust, für dich zu gehen."
"Du weißt, was passiert, wenn du nicht gehst?" fragte er drohend.
"Ja", gab sie mit fester Stimme zurück und ließ sich wohlig in den Sessel plumpsen. "Ich denke, daß es nicht schlimmer werden kann als es wird, wenn ich gehe. Daher habe ich beschlossen, dies heute endlich auszuprobieren um zu sehen, ob ich Recht behalte."
So viele Worte war er von seiner sonst so schweigsamen und gehorsamen Ehefrau nicht gewohnt. Verwirrt stutze er.
"Und wo wir gerade einmal dabei sind: Bitte hole mir doch einen Saft aus dem Keller. Schön kühl, versteht sich. Du kannst ihn doch sicher mitbringen, wenn du dein Bier und den Schnaps besorgst." Sie legte den Kopf in den Nacken und schloß genüßlich die Augen, während ihr Herz raste wie bei einem Marathon. Mit der rechten Hand tastete sie nach der Fernbedienung und brachte den Sportkanal zum Schweigen.
Einen Moment lang war es totenstill im Raum. Keiner sagte etwas, nur das Ticken der Wanduhr war zu vernehmen. Dann machte er sich mit bösem Blick auf den Weg. Sie konnte sein Zähneknirschen vernehmen, als er die Kellertreppe hinunterstieg, und sie hörte seine Drohungen.
Danach ging alles sehr schnell. Sobald er den rettenden Alkohol in seinen Adern verspürte, war er wieder zu neuen Höchstleistungen fähig.
"Na warte, Weib!" brüllte er schon im Hinaufsteigen, beseelt durch die magischen Kräfte seines Lebenselixiers, das ihn erst so richtig zu dem machte, was er war. Seine polternden Schritte klangen drohend wie Donnerhall, als er die letzten Stufen erklomm und sich daran machte, sie zu verfolgen.
Diesmal tat sie ihm nicht den Gefallen, ins Schlafzimmer zu flüchten. Sie wußte inzwischen, daß sie dort nicht sicher war. Ganz im Gegenteil. Zu oft hatte sie das schon erfahren. Zu oft, um es jemals zu vergessen.
Sie wußte, daß sie ihn heute herausgefordert hatte. Genau das war ihre Absicht gewesen. Denn sie hatte einen Entschluß gefaßt, den es in die Tat umzusetzen galt. Vorher wollte sie ihm jedoch noch deutlich zu verstehen geben, was sie von ihm hielt.
Langsam erhob sie sich aus ihrem Sessel und ging auf ihn zu. Sein pesthauchartiger Atem strömte ihr entgegen, so daß ihr übel wurde.
"Na, vergeht dir jetzt dein widerspenstiges Gerede?" fragte er gefährlich grinsend. "Hat meine helfende Hand alles vielleicht gar nicht so gemeint?"
"Ich bin nicht deine Sklavin", gab sie zurück. "Und ich werde es nie mehr sein!" Nachdem sie diese Worte hervorgestoßen hatte, verließ sie der Mut so überraschend, wie er gekommen war. Sie schaffte es nicht, ihm an den Kopf zu werfen, was sie immer hatte loswerden wollen. Jetzt wollte sie nur noch weg. Als sie jedoch nach der Türklinke griff, hielt er sie zurück.
"Du wirst nirgendwo hingehen, wenn ich es nicht will", sagte er. "Du weißt genau, wo dein Platz ist."
"Und der ist bestimmt nicht an deinem Herd!" widersprach sie in einem letzten Akt der Auflehnung und schickte sich erneut an, das Haus zu verlassen. Wieder hielt er sie zurück, diesmal wesentlich unsanfter.
"Ich habe Hunger auf ein Sandwich", erklärte er betont langsam. "Und ich habe keine Lust, es mir selbst zu machen."
Er packte sie an der Schulter und zerrte sie in die Küche. Bei der Berührung zuckte sie schmerzlich zusammen, denn die Schulter war noch geprellt vom Vortag. Aber er hätte sie auch an jeder anderen Körperstelle anfassen und in die Küche schleifen können. Sie hätte dem nicht viel entgegenzusetzen gehabt. Ihr ganzer Körper war eine einzige blau-gelb-grüne Kraterlandschaft.
Er zeigte gebieterisch auf das Weißbrot und forderte sie auf, Käse, Salat, Tomaten und Gurken aus dem Kühlschrank zu holen. Während sie das Brot schnitt und seine genießerischen Blicke dabei im Nacken spürte, wurde sie von Haß ergriffen.
Sie haßte diesen Mann, der neben ihr stand und sie dazu zwang, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollte. Sie haßte ihn für seine Art, wie er sie behandelte. Und sie haßte ihn, weil er ihre Worte nie ernst nahm.
Als sie sein selbstgefälliges Grinsen bemerkte, hielt sie nichts mehr zurück. Wütend schleuderte sie ihm entgegen, was sie schon immer hatte loswerden wollen. Als das Brotmesser in seinen Körper hineinfuhr, immer wieder und wieder, fühlte sie sich besser und besser. Nachdem er sich nicht mehr bewegte, erschien er nicht mehr gefährlich und groß, sonder nur noch mickrig und bedauernswert.
Sie legte das Messer weg, nachdem sie das Blut an ihrem Pullover abgestreift hatte und ging bedächtig zum Telefon. Sie wählte eine dreistellige Nummer und sprach mit einem netten Herrn. Wenig später hielt ein Streifenwagen vor der Tür. Mit einem unbeschreiblichen inneren Jubel blickte sie in das blaue Licht. In dem Moment wußte sie, daß es kein Traum war. Ihr wurde bewußt, daß sie frei war - frei für immer!
 

Charima

Mitglied
Hallo allerseits!

Endlich habe ich einen Mittelweg gefunden. Ich habe den Schluß des Textes noch einmal überarbeitet und bin zu einer für mich überraschenden Variante gekommen. Damit ich meiner Ursprungsheldin gleichzeitig den - für mich nötigen - Respekt zolle, habe ich den alten Text aber als eigenständigen Text angehängt. Ich hoffe, damit der betroffenen Frau und mir gleichzeitig gerecht zu werden.

Liebe Grüße an euch alle,

Charima

P.S.: Ich sehe allerdings inzwischen noch weitere Varianten...
 
R

Rote Socke

Gast
Hallo Charima,

ich möchte mich nicht zu sehr in Deine Geschichte einmischen. Aber ich sage einfach, übertreibe es nicht mit der Bastelei am Schluss. Es ist ja nur eine Formsache die Du änderst, letztendlich bleibt die Message eh gleich, was ich gut finde. Also zerstöre die Message nicht mit zu vielen Schreibexperimenten am Ende.

Übrigens, Deine Ansicht über die Menschen die Frauen unterdrücken und die Menschen die Kriege beginnen und führen: Leider hast Du vollkommen recht. Es sind die Männer, die alles anzetteln. Hab ich nichts entgegenzusetzen, außer, dass ich bemühe bemühe diesem Bild nicht gerecht zu werden.

LG
Volkmar
 



 
Oben Unten