Es ist ein freundlicher Raum, die Cafeteria: hell aber keine grelle Beleuchtung, saubere Tische, bedeckt mit nicht sofort auffallender Dekoration: ein Blumengebinde, ein paar kleine Zierkürbisse in einem Korb am Tresen, eine Grünpflanze auf jedem Tisch. Durch die großen Fenster kann sie direkt nach draußen schauen. Dort ist es grau und bedeckt, typisches Novemberwetter im Oktober. Der Morgen begann mit einer gedämpften Helligkeit, die sich auch bis zum Mittag nicht ändern würde. Aber in dem Raum kann man sich wohlfühlen, wenn man nicht nach draußen schaut.
Die Nacht war wenig erholsam gewesen, mit einigen Wachperioden. Rita ist müde und weiß nicht, was heute auf sie zukommen wird. Sie würde jetzt gerne einen Kaffee trinken, etwas warmes Gebäck dazu. Oder besser noch unsichtbar sein und die Leute beobachten, sich dem Müßiggang hingeben, einfach treiben lassen. Die Gedanken wandern ohne Ziel, springen vom Eindruck zur Idee zur Empfindung.
Sie sitzt hier mit ihrem Kollegen und einem anderen Teilnehmer der offiziellen Besprechung und versucht, einen guten Eindruck zu machen. Wie machte man einen guten Eindruck? Macht man einen schlechten Eindruck, wenn man keinen guten Eindruck macht?
Die Gedanken wollen sich nicht steuern lassen, sie spielen mit den fallenden Blättern draußen vor dem Fenster, wirbeln im Oktoberwind. Das Gespräch ist nicht anspruchsvoll, ein paar Fragen, etwas Small Talk: Wie ist Dortmund als Stadt ... Fußgängerzone nachts tot ... Junkies in Frankfurt ... Berlin interessant ... überall anders ... Stadtspaziergang in Darmstadt ... Künstlerkolonie. Das Gespräch weist Lücken auf, weil ihre Gedanken ihr immer wieder entgleiten.
Sie macht sich Vorwürfe, dass sie sich so wenig am Gespräch beteiligt. Dabei strengt sie sich normalerweise an, die ganze Zeit. Nicht heute Morgen, aber gestern, versucht sich zu beteiligen, zuzuhören, zu verstehen, intelligente Vorschläge zu machen. Und doch wirken die anderen immer sicherer. Wissen sie auch besser Bescheid? Es scheint alles umsonst zu sein und abends ist sie nur noch ausgelaugt, will allein sein, aber kann nicht, da es noch ein gemeinsames Essen gibt. Sie hofft, dass die Tränen nicht mehr kommen, die roten Augen nicht mehr auffallen, wenn sie zum Treffen geht. Die Spuren werden rasch weggewischt, aber der Schmerz bleibt, das sich allein fühlen, hilflos, fremd. Der Schmerz ist da, lässt sich nicht eliminieren, aber das ist zu privat, das soll niemand sehen. Sie muss funktionieren, souverän sein, unangreifbar.
Und sie steht den Abend auch noch durch und den nächsten Morgen und versucht weiterhin, einen guten Eindruck zu machen oder denkt sich zumindest, sie sollte es tun. Sie versucht es, versucht es vielleicht zu sehr, und beobachtet die Bedienstete in der Cafeteria, die sich auf einen Stuhl gehockt hat, mit angezogenen Beinen, gemütlich hineingekuschelt und ganz in Ruhe, sorgfältig mit einem Blick für jedes Detail eine Zimmerpflanze mit einer Schere stutzt, die toten Blätter abschneidet, Blatt für Blatt, eins nach dem anderen. Ihr scheint die Tätigkeit zu gefallen, sie ist bei der Sache. Es passt alles gut zusammen: die helle Cafeteria, die Pflanzen, die appetitlichen Brötchen am Tresen, die Dekoration. Es erscheint so als wäre die Frau mit der Pflanze hier zu Hause und würde nicht nur dieser Tätigkeit nachgehen, weil es zu ihrer Arbeit gehört. Es sieht so als, als hätte sie gerade eben ihr Buch beiseitegelegt und würde jetzt in ihrem Wintergarten die Pflanzen stutzen.
Rita wäre so gerne diese Frau. Sie würde einfach die Blätter abschneiden und dann ein Brötchen verkaufen. Nicht jetzt wochenlang etwas planen, von dem man gar nicht weiß, ob es funktionieren wird. In einer Besprechung sitzen und siedendheiß feststellen, dass man versäumt hat, sich auf einen wichtigen Punkt vorzubereiten. Mit wichtigen Leuten zusammensitzen, etwas sagen, um hinterher festzustellen, dass es völliger Unsinn war. Oder die ganze Zeit meinen, man müsste jetzt einen guten Eindruck machen, die ganze Zeit versuchen, jemand zu sein, der man nicht ist. Wieso kann sie nicht einfach eine Pflanze verschönern und ein Brötchen schmieren?
Sicher, es ist eintönig, Tag für Tag, schlechter bezahlt, vielleicht sind die Leute auch unfreundlich, von oben herab. Es hat Tradition, auf die hinabzusehen, die für einen sorgen. Dafür hat sie nicht studiert. Aber die Frau mit der Pflanze sitzt einfach da und macht ihre Arbeit, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Sie scheint nicht voller Zweifel zu sein. So friedlich wirkt es, wie eine andere Welt, eine heilere Welt.
Wie eine Katze wirkt die Frau mit der Pflanze, die aus freien Stücken etwas tut. Die Katze denkt sich auch nicht, wenn sie vor dem Kamin liegt und schnurrt: "So ein Ärger, jetzt liege ich schon wieder vor dem Kamin. Ich sollte an der frischen Luft sein." Oder tut sie es vielleicht doch? Dann würde sie nicht schnurren. Dann würde sie Magengeschwüre bekommen, für ein Eigenheim sparen und einen Mittelklassewagen fahren. Sie würde ihr Handy tagsüber nie abschalten und nachts vom Kamin träumen.
Die Nacht war wenig erholsam gewesen, mit einigen Wachperioden. Rita ist müde und weiß nicht, was heute auf sie zukommen wird. Sie würde jetzt gerne einen Kaffee trinken, etwas warmes Gebäck dazu. Oder besser noch unsichtbar sein und die Leute beobachten, sich dem Müßiggang hingeben, einfach treiben lassen. Die Gedanken wandern ohne Ziel, springen vom Eindruck zur Idee zur Empfindung.
Sie sitzt hier mit ihrem Kollegen und einem anderen Teilnehmer der offiziellen Besprechung und versucht, einen guten Eindruck zu machen. Wie machte man einen guten Eindruck? Macht man einen schlechten Eindruck, wenn man keinen guten Eindruck macht?
Die Gedanken wollen sich nicht steuern lassen, sie spielen mit den fallenden Blättern draußen vor dem Fenster, wirbeln im Oktoberwind. Das Gespräch ist nicht anspruchsvoll, ein paar Fragen, etwas Small Talk: Wie ist Dortmund als Stadt ... Fußgängerzone nachts tot ... Junkies in Frankfurt ... Berlin interessant ... überall anders ... Stadtspaziergang in Darmstadt ... Künstlerkolonie. Das Gespräch weist Lücken auf, weil ihre Gedanken ihr immer wieder entgleiten.
Sie macht sich Vorwürfe, dass sie sich so wenig am Gespräch beteiligt. Dabei strengt sie sich normalerweise an, die ganze Zeit. Nicht heute Morgen, aber gestern, versucht sich zu beteiligen, zuzuhören, zu verstehen, intelligente Vorschläge zu machen. Und doch wirken die anderen immer sicherer. Wissen sie auch besser Bescheid? Es scheint alles umsonst zu sein und abends ist sie nur noch ausgelaugt, will allein sein, aber kann nicht, da es noch ein gemeinsames Essen gibt. Sie hofft, dass die Tränen nicht mehr kommen, die roten Augen nicht mehr auffallen, wenn sie zum Treffen geht. Die Spuren werden rasch weggewischt, aber der Schmerz bleibt, das sich allein fühlen, hilflos, fremd. Der Schmerz ist da, lässt sich nicht eliminieren, aber das ist zu privat, das soll niemand sehen. Sie muss funktionieren, souverän sein, unangreifbar.
Und sie steht den Abend auch noch durch und den nächsten Morgen und versucht weiterhin, einen guten Eindruck zu machen oder denkt sich zumindest, sie sollte es tun. Sie versucht es, versucht es vielleicht zu sehr, und beobachtet die Bedienstete in der Cafeteria, die sich auf einen Stuhl gehockt hat, mit angezogenen Beinen, gemütlich hineingekuschelt und ganz in Ruhe, sorgfältig mit einem Blick für jedes Detail eine Zimmerpflanze mit einer Schere stutzt, die toten Blätter abschneidet, Blatt für Blatt, eins nach dem anderen. Ihr scheint die Tätigkeit zu gefallen, sie ist bei der Sache. Es passt alles gut zusammen: die helle Cafeteria, die Pflanzen, die appetitlichen Brötchen am Tresen, die Dekoration. Es erscheint so als wäre die Frau mit der Pflanze hier zu Hause und würde nicht nur dieser Tätigkeit nachgehen, weil es zu ihrer Arbeit gehört. Es sieht so als, als hätte sie gerade eben ihr Buch beiseitegelegt und würde jetzt in ihrem Wintergarten die Pflanzen stutzen.
Rita wäre so gerne diese Frau. Sie würde einfach die Blätter abschneiden und dann ein Brötchen verkaufen. Nicht jetzt wochenlang etwas planen, von dem man gar nicht weiß, ob es funktionieren wird. In einer Besprechung sitzen und siedendheiß feststellen, dass man versäumt hat, sich auf einen wichtigen Punkt vorzubereiten. Mit wichtigen Leuten zusammensitzen, etwas sagen, um hinterher festzustellen, dass es völliger Unsinn war. Oder die ganze Zeit meinen, man müsste jetzt einen guten Eindruck machen, die ganze Zeit versuchen, jemand zu sein, der man nicht ist. Wieso kann sie nicht einfach eine Pflanze verschönern und ein Brötchen schmieren?
Sicher, es ist eintönig, Tag für Tag, schlechter bezahlt, vielleicht sind die Leute auch unfreundlich, von oben herab. Es hat Tradition, auf die hinabzusehen, die für einen sorgen. Dafür hat sie nicht studiert. Aber die Frau mit der Pflanze sitzt einfach da und macht ihre Arbeit, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Sie scheint nicht voller Zweifel zu sein. So friedlich wirkt es, wie eine andere Welt, eine heilere Welt.
Wie eine Katze wirkt die Frau mit der Pflanze, die aus freien Stücken etwas tut. Die Katze denkt sich auch nicht, wenn sie vor dem Kamin liegt und schnurrt: "So ein Ärger, jetzt liege ich schon wieder vor dem Kamin. Ich sollte an der frischen Luft sein." Oder tut sie es vielleicht doch? Dann würde sie nicht schnurren. Dann würde sie Magengeschwüre bekommen, für ein Eigenheim sparen und einen Mittelklassewagen fahren. Sie würde ihr Handy tagsüber nie abschalten und nachts vom Kamin träumen.