Die Kaffeefahrt

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anbas

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Die Kaffeefahrt

An einem Samstag im Frühling des Jahres 2015 gegen acht Uhr morgens stieg Jürgen Petersen an der Haltestelle Volksdorf in die U 1, um in die Hamburger Innenstadt zu fahren. Eigentlich war er ja kein Frühaufsteher, doch sein alter Studienfreund Sebastian Schreiber war in der Stadt und hatte nur an jenem Morgen Zeit für ein Treffen gehabt. Also hatten sie sich zu einem Frühstück in einem Café nahe dem Hauptbahnhof verabredet. Sebastian war auf einer internationalen Fachtagung gewesen und wollte nach dem Frühstück mit der Bahn zurück nach Heidelberg fahren.
Jürgen Petersen hatte sich für seine ungefähr dreißigminütige Fahrt mit der U-Bahn eine Tageszeitung gekauft. Doch er war zu müde, um sie wirklich genauer zu lesen. Stattdessen blätterte er sich durch die Seiten und überflog nur die Überschriften. Es waren die üblichen Katastrophen- und Negativmeldungen, an die er sich eigentlich nie gewöhnen wollte und die er nun doch eher ungerührt zur Kenntnis nahm. Nach einiger Zeit rollte er die Zeitung zusammen und steckte sie in seine Manteltasche. Vielleicht würde er sie auf der Rückfahrt lesen.
Da die U-Bahn zunächst oberirdisch fuhr, genoss er den Blick nach draußen und hing seinen Gedanken nach. Die noch tief stehende Sonne blendete ihn ein wenig, so dass er kurz darüber nachdachte, den Platz zu wechseln. Doch andererseits genoss er die Wärme in seinem Gesicht, so dass er letztendlich sitzen blieb.

Jürgen Petersen freute sich auf das Treffen mit Sebastian. Während ihres Physik-Studiums waren sie eng befreundet gewesen. Doch nach dem Abschluss hatten sie sich immer mehr aus den Augen verloren. Während er selber in Hamburg geblieben war, hatte Sebastian einen guten Job in Süddeutschland gefunden. Schon seit Jahren gab es nur noch sporadische Telefonate oder E-Mail-Grüße.

Kurz nach der Station "Wandsbek Gartenstadt" verlief die Strecke unterirdisch weiter. Sie waren gerade in den Tunnel gefahren, als die Bahn plötzlich anhielt. Gleich darauf teilte die Leitstelle der Hamburger Hochbahn mit, dass sich die Weiterfahrt aufgrund eines Weichenschadens ein wenig verzögern würde.
Jürgen Petersens Gedanken begannen zu arbeiten, soweit ihnen das um diese Uhrzeit möglich war. "Weichenschaden" hörte sich nicht unbedingt nach einer kurzfristigen Störung an. Die U-Bahn befand sich auf freier Strecke in einem Tunnel. Wie sollte sich die Weiterfahrt da nur "kurzfristig" verzögern? Fast reflexartig griff er in die Manteltasche und holte sein Smartphone heraus. Er musste Sebastian informieren, dass er sich verspäten würde. Also schickte er ihm eine kurze Nachricht und behielt das Gerät in der Hand, um die Antwort abzuwarten.
"Kein Problem! Bin auch noch nicht da. Trinke sonst schon mal 'nen Kaffee", antwortete Sebastian dann auch prompt.

Petersen steckte das Smartphone wieder ein. Er grinste ein wenig. Sebastian schien immer noch der große Kaffeetrinker zu sein. Schon während des Studiums hatte er ihn kannenweise in sich hineingeschüttet, und bei Unternehmungen schleppte er mindestens zwei bis drei Thermoskannen mit sich mit. Es musste aber immer richtiger gemahlener Bohnenkaffe sein. Irgendein Instantzeug kam für ihn nicht infrage. Im Gegenteil – bei einer Freizeit hatte man nur Instant-Kaffee dabei gehabt. Sebastian war fast durchgedreht und hatte sich sofort auf den Weg gemacht, um richtigen Kaffee zu besorgen. Trotzdem packte er sich für diese Fahrt mehrere Thermosflaschen heißes Wasser und ein Glas Instant-Kaffee ein. Diese Aktion hing ihm dann während des restlichen Studiums nach, so dass er immer wieder Lästereien und spöttische Bemerkungen über sich ergehen lassen musste.

Jürgen Petersen ließ nun seinen Blick durch den Wagen streifen. Aus den Augenwinkeln hatte er mitbekommen, dass an der letzten Station viele Leute ausgestiegen waren. Jetzt stellte er fest, dass sich außer ihm nur noch ein älteres Ehepaar im Abteil befand. Es saß wenige Plätze von ihm entfernt am Kopfende des Wagens.

Der Zugführer teilte erneut mit, dass sich die Weiterfahrt noch etwas länger verzögern würde.

Jürgen Petersen war ein stoischer Pragmatiker, den so schnell nichts aus der Ruhe bringen konnte. Er hatte nach dem ersten kurzen Überraschungsmoment seine Lage analysiert, festgestellt, dass er nichts ändern konnte, hatte Sebastian informiert, und musste jetzt einfach nur abwarten, wie und wann es weiterging.
Auch das ältere Ehepaar schien die Angelegenheit eher gelassen anzugehen. Sie saßen schweigend nebeneinander und starten vor sich her. Nur ab und zu schauten sie sich kurz an, wechselten aber kein Wort miteinander.
Verstohlen beobachtet Jürgen Petersen die beiden. Sie mussten Ende sechzig, Anfang siebzig sein. Beide waren schlank und von mittlerer Größe. Er hatte kurzes, ordentlich gescheiteltes weißes Haar und trug einen grauen Anzug, ein hellblaues Hemd mit einer blass gelben Krawatte. Die graublonden Haare der Frau waren nach hinten gekämmten und zu einem Dutt zusammengesteckt. Unter ihrer dunkelblauen Jacke, die sie aufgeknöpft hatte, war eine rosafarbene Bluse zu sehen. Dazu trug sie einen beigen Rock.
Irgendetwas kam Jürgen Petersen an den beiden merkwürdig vor. Ihre Blicke waren seltsam leer und ausdruckslos. Auch irritierte ihn zunehmend, dass sie sich immer nur kurz ansahen, aber kein Wort miteinander wechselten. Andererseits musste er dann auch wieder schmunzeln, als er beobachtete, dass jeder der beiden eine Thermoskanne dabei hatte, aus der sie sich fast schon synchron heißes Wasser in ihre Becher gossen, in die sie zuvor gleich mehrere Teelöffel Instant-Kaffee getan hatten, und diese dann in einem Zug ausleerten. Es war fast schon ein Déjà-vu.

Wieder meldete sich die Leitstelle zu Wort, entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten und bat weiterhin um Geduld.

Jürgen Petersen schickte noch einmal eine Nachricht an Sebastian und bat ihn, mit dem Frühstück schon mal anzufangen.
"Nö, ich warte auf Dich und gönne mir noch ein paar Kaffee", lautete kurz darauf die Antwort. Petersen versucht sein amüsiertes Prusten hinter einem Hustenanfall zu verstecken. Nein, Sebastian hatte sich wirklich nicht verändert, was diesen Punkt betraf.
Ob er wohl mit den beiden Alten irgendwie verwandt war? Diese hatten aus ihren Taschen jeweils eine zweite Thermoskanne herausgezogen und sich einen Kaffee nach dem nächsten aufgegossen. Doch irgendetwas war anders als wie noch vor ein paar Minuten. Die Frequenz, in der sich die beiden ansahen, nahm zu. Sie schienen nun doch nervös zu werden, redeten aber weiterhin kein Wort miteinander.

Jürgen Petersen holte die Zeitung wieder hervor und blätterte sie erneut nur oberflächig durch. Doch diesmal fiel ihm ein Foto ins Auge, auf dem er Sebastian entdeckte. Es war ein Bericht über die Tagung auf der er gewesen war. Irgendein Treffen von Astro-Physikern aus aller Welt. Sebastian hatte es weit gebracht. Er war nach dem Studium in die Forschung gegangen, wo er sich einen Namen gemacht hatte.
Plötzlich stutzte Petersen. Im Hintergrund des Fotos entdeckte er jenes Ehepaar, das mit ihm im Abteil saß. Sie schienen auch auf dieser Tagung gewesen zu sein.
'Merkwürdiger Zufall', dachte er und schaute erneut zu den beiden Alten hinüber. Bei ihrem Anblick erstarrte er.
Die beiden hatten sich deutlich verändert. Da saßen zwei Wesen mit blass-grauer Haut und ohne erkennbare Gesichtszüge. Ihre Augen sahen aus, wie große schwarze Punkte. Sie hatten keine Nasen mehr und nur noch eine kleine Mundöffnung. Petersen konnte an ihren Händen lediglich drei knochige Finger erkennen. Auch ihre Körper hatten sich deutlich verändert. Sie waren schlanker geworden, so dass die Kleidung schlaff an ihnen herunter hing.
Wieder schauten sie sich schweigend an. Mit zitternden Händen gaben sie erneut Instant-Kaffee in ihre Becher und gossen ihn mit den letzten Tropfen Wasser aus ihren Kannen auf.
Jürgen Petersen wagte kaum zu atmen. Er konnte nicht anders, als die beiden unaufhörlich anzustarren. Auch sie blickten nun mit ihren ausdruckslosen Augen zu ihm hinüber. Dann begannen sie damit, sich die letzten Krümel des Instantpulvers in ihre Mundöffnungen zu füllen.
Petersen überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Doch bevor er noch irgendetwas unternehmen konnte, war es so, als würden sich die beiden Alten in Luft auflösen. Nur ihre Kleidung blieb dort liegen, wo sie gerade noch gesessen hatten.
Regungslos saß Jürgen Petersen auf seinem Platz. Er konnte nicht begreifen, was er da soeben gesehen hatte. Nach einer Weile stand er auf und ging zu den Plätzen der beiden hinüber, nahm sein Smartphone und machte ein Foto von der Kleidung, die dort lag. Gleichzeitig fragte er sich, was er da eigentlich tat. Diese Geschichte würde ihm sowieso niemand glauben, da half auch ein Foto von Klamotten, die auf zwei U-Bahn-Sitzen lagen, nicht weiter.

Kurze Zeit später fuhr die Bahn wieder an, und nach gut zwanzig Minuten betrat er das Café, in dem Sebastian auf ihn wartete.
"Na, da bist du ja endlich!", begrüßte dieser ihn freudestrahlend. "Schön, dass wir uns endlich mal wiedersehen!"
Jürgen Petersen nickte und lächelte gequält.
"Was ist denn mit dir los? Hast wohl wieder nicht ausgeschlafen, oder?" Sebastian lachte laut auf. "Trink erst mal 'nen Kaffee, damit die Lebensgeister in dir geweckt werden."
Jürgen Petersen bemühte sich, das eben Erlebte in den Hintergrund zu schieben und sich auf das Gespräch mit Sebastian zu konzentrieren. Doch immer wieder schweiften seine Gedanken ab.
"Also irgendwas ist doch los mit dir. Erzähl schon, was dir auf der Seele liegt", unterbrach dieser irgendwann seinen eigenen Redefluss.
In Erinnerung und Vertrauen auf die wirklich gute Freundschaft, die einst zwischen den beiden bestanden hatte, begann Jürgen Petersen langsam und stockend von dem zu berichten, was er soeben in der U-Bahn erlebt hatte. Er zeigte Sebastian das Bild aus der Zeitung und die Fotos, die er gemacht hatte. Dann schaute er ihn an.
"Und, hältst du mich jetzt für verrückt?"
"Nein", sagte dieser ernst, um nach einer kurzen Pause fortzufahren. "Aber kann es sein, dass du in der Bahn doch kurz mal eingeschlafen bist und das alles nur geträumt hast?"
"Also hör mal …!" antwortete Jürgen Petersen empört. "Und die Klamotten, die ich fotografiert habe?"
"Die könnten doch auch irgendwelche Leute dort liegengelassen haben."
"Ich schwöre dir Sebastian, dass ich das alles wirklich so …"
"Lass gut sein. Ich werde es nicht weitersagen", unterbrach ihn dieser, sichtlich darum bemüht, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. "Wollen wir jetzt endlich frühstücken? Ich kriege langsam Hunger. Vorher muss ich aber noch mal kurz verschwinden."
Sebastian stand auf und ging zu den Toiletten. Dabei murmelte er irgendetwas vor sich her.
"Was hast du gesagt?" rief ihm Jürgen Petersen hinterher.
"Ach nichts. Ist schon Okay", antwortete dieser und ging weiter.
Jürgen Petersen war sich aber sicher, dass Sebastian irgendetwas gesagt hatte, das wie "Verdammter Instant-Kaffee" geklungen hatte.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo anbas,

spannend zu lesen und die Handlung nimmt eine unerwartete Wendung, sodass der Leser etwas zum Grübeln hat. Waren die beiden Alten Außerirdische? Ist Sebastian womöglich selbst einer und was ist das eigentliche Geheimnis des Instant-Kaffees? Auf diese Fragen gibt der Text keine wirkliche Antwort, sondern der Leser hat etwas, womit er sich beschäftigen kann.
Super Geschichte.

LG SilberneDelfine
 

ThomasQu

Mitglied
Servus anbas!

Toll ausformuliert, wie immer, aber für meinen Geschmack doch etwas zu rätselhaft.
Außerdem könnte man m.E. allerhand Sätze/Satzteile/Infos ersatzlos streichen.

Grüße, Th.
 

ThomasQu

Mitglied
Nur mal der erste Teil, schau, was man alles rauswerfen könnte.

An einem Samstag [red]im Frühling des Jahres 2015 gegen acht Uhr morgens[/red] stieg Jürgen Petersen [red]an der Haltestelle Volksdorf[/red] in die U 1, um in die Hamburger Innenstadt zu fahren. [red]Eigentlich war er ja kein Frühaufsteher, doch[/red] sein alter Studienfreund Sebastian Schreiber war in der Stadt und hatte nur an jenem Morgen Zeit für ein Treffen. Also hatten sie sich zu einem Frühstück in einem Café nahe dem Hauptbahnhof verabredet. Sebastian war auf einer internationalen Fachtagung gewesen und wollte nach dem Frühstück mit der Bahn zurück nach Heidelberg fahren.
Jürgen Petersen hatte sich für seine [red]ungefähr dreißigminütige[/red] Fahrt [red]mit der U-Bahn[/red] eine Tageszeitung gekauft. [blue](Ein bisschen zu oft “hatte/hatten)[/blue]
[red]Doch er war zu müde, um sie wirklich genauer zu lesen. Stattdessen[/red] blätterte [red]er sich[/red] durch die Seiten und überflog nur die Überschriften. Es waren die üblichen Katastrophen- und Negativmeldungen, [red]an die er sich eigentlich nie gewöhnen wollte und[/red] die er [red]nun doch eher [/red]ungerührt zur Kenntnis nahm. Nach einiger Zeit rollte er die Zeitung zusammen und steckte sie in seine Manteltasche. Vielleicht würde er sie auf der Rückfahrt lesen.
[red]Da die U-Bahn zunächst oberirdisch fuhr, genoss er den Blick nach draußen und hing seinen Gedanken nach. Die noch tief stehende Sonne blendete ihn ein wenig, so dass er kurz darüber nachdachte, den Platz zu wechseln. Doch andererseits genoss er die Wärme in seinem Gesicht, so dass er letztendlich sitzen blieb.[/red]

Jürgen Petersen freute sich auf das Treffen mit Sebastian. Während ihres Physik-Studiums waren sie eng befreundet gewesen. Doch nach dem Abschluss hatten sie sich immer mehr aus den Augen verloren. Während er selber in Hamburg geblieben war, hatte Sebastian einen guten Job in Süddeutschland gefunden. Schon seit Jahren gab es nur noch sporadische Telefonate oder E-Mail-Grüße.

[red]Kurz nach der Station "Wandsbek Gartenstadt" verlief die Strecke unterirdisch weiter.[/red] Sie waren gerade [blue]vom oberirdischen Teil der Strecke[/blue] in den Tunnel gefahren, als die Bahn plötzlich anhielt. Gleich darauf teilte die Leitstelle [red]der Hamburger Hochbahn[/red] [blue]per Lautsprecher [/blue]mit, dass sich die Weiterfahrt aufgrund eines Weichenschadens ein wenig verzögern würde.
Jürgen Petersens Gedanken begannen zu arbeiten, [red]soweit ihnen das um diese Uhrzeit möglich war[/red]. "Weichenschaden" hörte sich nicht unbedingt nach einer kurzfristigen Störung an. [red]Die U-Bahn befand sich auf freier Strecke in einem Tunnel. Wie sollte sich die Weiterfahrt da nur "kurzfristig" verzögern? [/red]Fast reflexartig griff er in die Manteltasche und holte sein Smartphone heraus. Er musste Sebastian informieren, dass er sich verspäten würde. Also schickte er ihm eine kurze Nachricht und behielt das Gerät in der Hand, um die Antwort abzuwarten.
"Kein Problem! Bin auch noch nicht da. Trinke sonst schon mal 'nen Kaffee", antwortete Sebastian dann auch prompt.
 

molly

Mitglied
Lieber Andreas,

rätselhaft, sehr rätselhaft, aber wie Du weißt, mag ich Rätsel.

Soweit gefällt mir Deine Geschichte. Aber zu viele "war".

Gleich am Anfang:

"An einem Samstag im Frühling des Jahres 2015 gegen acht Uhr morgens stieg Jürgen Petersen an der Haltestelle Volksdorf in die U 1, um in die Hamburger Innenstadt zu fahren. *Eigentlich war er ja kein Frühaufsteher, doch sein alter Studienfreund Sebastian Schreiber **war in der Stadt und hatte nur an jenem Morgen Zeit für ein Treffen gehabt. Also hatten sie sich zu einem Frühstück in einem Café nahe dem Hauptbahnhof verabredet. Sebastian ***war auf einer internationalen Fachtagung gewesen und wollte nach dem Frühstück mit der Bahn zurück nach Heidelberg fahren.
Jürgen Petersen hatte sich für seine ungefähr dreißigminütige Fahrt mit der U-Bahn eine Tageszeitung gekauft. Doch er war zu müde, um sie wirklich genauer zu lesen.

Vorschlag:* Eigentlich stand er nicht gern früh auf...
** weilte
*** hatte am einer internationalen Tagung teil genommen

Danach kann ruhig auch mal wieder ein "war" stehen. Eine Lektorin hat mir einmal gesagt, "war" sollte auf einer Seite möglichst nur einmal vorkommen.

Gern gelesen.

Liebe Grüße

Monika
 
Hallo molly,

Danach kann ruhig auch mal wieder ein "war" stehen. Eine Lektorin hat mir einmal gesagt, "war" sollte auf einer Seite möglichst nur einmal vorkommen.
Ist diese Regel nicht mehr für einen Roman gedacht? Denn in einer Kurzgeschichte, die ja manchmal kaum mehr als eine Seite umfasst und dem Leser dichtgedrängt etwas erzählt, dürfte das ziemlich schwierig werden. Zumal die Vergangenheitsform mit "war" gebildet wird.
Hier z. B. :
.Sebastian war auf einer internationalen Fachtagung gewesen und wollte nach dem Frühstück mit der Bahn zurück nach Heidelberg fahren.
"hatte" an einer Tagung teilgenommen ist mE auch nicht anders oder besser, da kommt dann "hatte" vor (in meiner letzten Geschichte z. B. wurden mir zu viel "war" und "hatte" „angekreidet", obwohl damit nun mal die Vergangenheitsform gebildet wird).

LG SilberneDelfine
 

molly

Mitglied
Hallo SilberneD.

Nicht immer kann man "war" vermeiden, aber in einer kurzen Geschichte finde ich viele "War" störend. Aber ich finde auch, dass jeder das selbst entscheiden darf.

Ich bin froh, wenn mich jemand darauf aufmerksam macht.

Liebe Grüße an alle

molly
 

anbas

Mitglied
Hallo Ihr Lieben,

ich danke Euch für Eure Rückmeldungen.

Da es bei mir schon seit längerem beruflich und privat zwischen "sehr angespannter Situation" und "Land unter" pendelt (und es geht immer noch fieser ... :(), schaffe ich es derzeit nur sehr eingeschränkt auf Rückmeldungen zu antworten oder Texte umfangreich zu überarbeiten (ich bin derzeit froh, wenn mir mal was Neues einfällt, das ich posten kann).
Bis vor etwa zwei Stunden hätte ich noch gesagt, dass ich in etwa zwei Wochen das Schlimmste hinter mir habe - nun die nächste Meldung und es könnte alles ganz anders kommen ...
Aber ich nehme die Rückmeldungen ernst und freue mich drüber. Habt Dank dafür. Ich werde mir, soweit ich die Ruhe dazu habe, Eure Hinweise genauer ansehen und den Text ggf. überarbeiten.

Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
Hallo in die Runde!

Jetzt habe ich den Text überarbeitet und auch Einiges von Euren Anmerkungen dabei berücksichtigt. Noch einmal Danke für Eure Rückmeldungen.

Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
Die Kaffeefahrt

An einem sonnigen Samstag im Frühling gegen acht Uhr morgens stieg Jürgen Petersen am Stadtrand von Hamburg in die U 1. Eigentlich war er ja kein Frühaufsteher, doch sein alter Studienfreund Sebastian Schreiber hielt sich in der Stadt auf und hatte nur an jenem Morgen Zeit für ein Treffen. Also verabredeten sie sich zu einem Frühstück in der Nähe des Hauptbahnhofs. Sebastian war auf einer internationalen Fachtagung gewesen und wollte gegen Mittag mit der Bahn zurück nach Heidelberg fahren.
Jürgen Petersen hatte sich eine Tageszeitung gekauft, doch er war zu müde, um sie zu lesen. Stattdessen überflog er nur ein paar Überschriften. Es handelte sich um die üblichen Katastrophen- und Negativmeldungen, an welche er sich eigentlich nie gewöhnen wollte und die er nun doch eher ungerührt zur Kenntnis nahm. Nach einiger Zeit rollte er die Zeitung zusammen und steckte sie in seine Jackentasche. Vielleicht würde er sie auf der Rückfahrt lesen.

Er freute sich auf das Treffen mit Sebastian. Während ihres Physik-Studiums waren sie eng befreundet gewesen. Doch nach dem Abschluss verloren sie sich immer mehr aus den Augen. Während er selber in Hamburg blieb, fand Sebastian einen guten Job in Süddeutschland. Schon seit Jahren gab es nur noch sporadische Telefonate oder E-Mail-Grüße.

Während die Trasse zunächst noch oberirdisch verlief, so dass sich Petersen an den warmen Sonnenstrahlen erfreuen konnte, verschwand sie nach etwa fünfzehnminütiger Fahrt in einem Tunnel. Von dort aus ging es unter der Erde weiter. Doch kurz darauf hielt die Bahn auf freier Strecke an. Es dauerte eine Weile bis die Leitstelle mitteilte, dass sich die Weiterfahrt aufgrund eines Weichenschadens etwas verzögern würde.
Jürgen Petersens Gedanken begannen zu arbeiten. "Weichenschaden" hörte sich nicht unbedingt nach einer kurzfristigen Störung an. Also nahm er sein Smartphone und schickte Sebastian eine kurze Nachricht. Er behielt das Gerät gleich in der Hand, um die Antwort abzuwarten.
"Kein Problem! Bin auch noch nicht da. Trinke sonst schon mal 'nen Kaffee", antwortete Sebastian dann auch prompt.

Petersen grinste ein wenig. Sebastian schien immer noch der große Kaffeetrinker zu sein. Schon während des Studiums schüttete er ihn kannenweise in sich hinein, und bei Unternehmungen schleppte er mindestens zwei bis drei Thermoskannen mit sich mit. Es musste aber immer richtiger gemahlener Bohnenkaffe sein. Irgendein Instantzeug kam für ihn nicht infrage. Im Gegenteil – bei einer Freizeit hatte man nur Instant-Kaffee dabei gehabt. Sebastian drehte fast durch und machte sich sofort auf den Weg, um richtigen Kaffee zu besorgen. Da er seinen privaten Kaffee-Vorrat bereits während der Anreise fast aufgebraucht hatte, nahm er sich für diese Fahrt trotz seiner Abneigung gleich mehrere Thermosflaschen heißes Wasser und ein Glas Instant-Kaffee mit. Diese Aktion hing ihm dann während des restlichen Studiums nach, so dass er immer wieder Lästereien und spöttische Bemerkungen über sich ergehen lassen musste.

Jürgen Petersen ließ nun seinen Blick durch den Wagen streifen. Aus den Augenwinkeln hatte er mitbekommen, dass an der letzten Station viele Leute ausgestiegen waren. Jetzt stellte er fest, dass sich außer ihm nur noch ein älteres Ehepaar im Abteil befand. Es saß wenige Plätze von ihm entfernt am Kopfende des Wagens.

Der Zugführer teilte nun mit, dass sich die Weiterfahrt noch etwas länger verzögern würde.
Jürgen Petersen war ein stoischer Pragmatiker, den so schnell nichts aus der Ruhe bringen konnte. Er hatte nach dem ersten kurzen Überraschungsmoment seine Lage analysiert, festgestellt, dass er nichts ändern konnte, hatte Sebastian informiert, und musste jetzt einfach nur abwarten, wie und wann es weiterging.
Auch das ältere Ehepaar schien die Angelegenheit eher gelassen anzugehen. Sie saßen schweigend nebeneinander und starten vor sich hin. Nur ab und zu schauten sie sich kurz an, wechselten aber kein Wort miteinander.
Verstohlen beobachtet Jürgen Petersen die zwei. Sie mussten Ende sechzig, Anfang siebzig sein. Beide waren schlank und von mittlerer Größe. Der Mann hatte kurzes, ordentlich gescheiteltes weißes Haar und trug einen grauen Anzug, ein hellblaues Hemd mit einer blass gelben Krawatte. Seine Frau war mit einer dunkelblauen Jacke, unter der sie eine rosafarbene Bluse trug, und einem beigen Rock bekleidet. Ihre graublonden Haare hatte sie nach hinten gekämmten und zu einem Dutt zusammengesteckt.
Irgendetwas kam Jürgen Petersen an den beiden merkwürdig vor. Ihre Blicke erschienen ihm seltsam leer und ausdruckslos zu sein. Auch irritierte ihn zunehmend, dass sie sich immer nur kurz ansahen, aber kein Wort miteinander wechselten. Andererseits musste er dann auch wieder schmunzeln, als er beobachtete, dass jeder der beiden eine Thermoskanne dabei hatte, aus der sie sich fast schon synchron heißes Wasser in ihre Becher gossen, in die sie zuvor gleich mehrere Teelöffel Instant-Kaffee getan hatten, und diese dann in einem Zug ausleerten. Es war fast schon ein Déjà-vu.

Nun meldete sich wieder die Leitstelle zu Wort, entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten und bat weiterhin um Geduld.
Jürgen Petersen schickte noch einmal eine Nachricht an Sebastian und bat ihn, mit dem Frühstück schon mal anzufangen.
"Nö, ich warte auf Dich und gönne mir noch ein paar Kaffee", lautete kurz darauf die Antwort. Petersen versucht sein amüsiertes Prusten hinter einem Hustenanfall zu verstecken. Nein, Sebastian hatte sich wirklich nicht verändert, was diesen Punkt betraf. Ob er wohl mit den beiden Alten irgendwie verwandt war? Diese hatten aus ihren Taschen jeweils eine zweite Thermoskanne herausgezogen und sich weiterhin einen Kaffee nach dem nächsten aufgegossen. Doch irgendetwas war anders als wie noch vor ein paar Minuten. Die Frequenz, in der sich die beiden ansahen, nahm zu. Sie schienen nun doch nervös zu werden, redeten aber weiterhin kein Wort miteinander.

Jürgen Petersen holte die Zeitung wieder hervor und blätterte sie erneut nur oberflächig durch. Doch diesmal fiel ihm ein Foto ins Auge, auf dem er Sebastian entdeckte. Es war ein Bericht über die Tagung, an der er teilgenommen hatte. Irgendein Treffen von führenden Astro-Physikern aus aller Welt. Ja, sein alter Studienfreund hatte es weit gebracht. Er ging nach dem Studium in die Forschung, wo er sich einen Namen machte.
Plötzlich stutzte Petersen. Im Hintergrund des Fotos entdeckte er jenes Ehepaar, das mit ihm im Abteil saß. Sie schienen auch auf dieser Tagung gewesen zu sein.
'Merkwürdiger Zufall', dachte er und schaute erneut zu den beiden Alten hinüber. Bei ihrem Anblick erstarrte er.
Die beiden hatten sich deutlich verändert. Da saßen zwei Wesen mit blass-grauer Haut und ohne erkennbare Gesichtszüge. Ihre Augen sahen aus, wie große schwarze Punkte. Sie hatten keine Nasen mehr und nur noch eine kleine Mundöffnung. Petersen konnte an ihren Händen lediglich drei knochige Finger erkennen. Auch ihre Körper hatten sich deutlich verändert. Sie waren noch dünner geworden, so dass die Kleidung schlaff an ihnen herunter hing.
Wieder schauten sie sich schweigend an. Mit zitternden Händen gaben sie erneut Instant-Kaffee in ihre Becher und gossen ihn mit den letzten Tropfen Wasser aus ihren Kannen auf.
Jürgen Petersen wagte kaum zu atmen. Er konnte nicht anders, als die beiden unaufhörlich anzustarren. Auch sie blickten nun mit ihren ausdruckslosen Augen zu ihm hinüber. Dann begannen sie damit, sich die letzten Krümel des Instantpulvers in ihre Mundöffnungen zu füllen.
Petersen überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Doch bevor er noch irgendetwas unternehmen konnte, lösten sich die beiden scheinbar in Luft auf. Nur ihre Kleidung blieb dort liegen, wo sie gerade noch gesessen hatten.
Regungslos verharrte Jürgen Petersen auf seinem Platz. Er konnte nicht begreifen, was er da soeben gesehen hatte. Nach einer Weile stand er auf und ging zu den Plätzen der beiden hinüber, nahm sein Smartphone und machte ein Foto von der Kleidung, die dort lag. Gleichzeitig fragte er sich, was er da eigentlich machte. Diese Geschichte würde ihm sowieso niemand glauben, da half auch ein Foto von Klamotten, die auf zwei U-Bahn-Sitzen lagen, nicht weiter.
Er setzte sich auf seinen Platz zurück und versuchte, die innere Balance wiederzufinden. Doch das gelang ihm nur mäßig. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um das, was er da gerade erlebt hatte. So konfus war er noch nie gewesen.

Ein paar Minuten später fuhr die Bahn wieder an, und nach gut zwanzig Minuten betrat er das Café, in dem Sebastian auf ihn wartete.
"Na, da bist du ja endlich!", begrüßte dieser ihn freudestrahlend. "Schön, dass wir uns endlich mal wiedersehen!"
Jürgen Petersen nickte und lächelte gequält.
"Was ist denn mit dir los? Hast wohl wieder nicht ausgeschlafen, oder?" Sebastian lachte laut auf. "Trink erst mal 'nen Kaffee, damit die Lebensgeister in dir geweckt werden."
Jürgen Petersen bemühte sich, das eben Erlebte in den Hintergrund zu schieben und sich auf das Gespräch mit Sebastian zu konzentrieren. Doch immer wieder schweiften seine Gedanken ab.
"Also irgendwas ist doch los mit dir. Nun erzähl schon, was dir auf der Seele liegt", unterbrach dieser irgendwann seinen eigenen Redefluss.
In Erinnerung und Vertrauen auf die wirklich gute Freundschaft, die einst zwischen den beiden bestanden hatte, begann Jürgen Petersen langsam und stockend von dem zu berichten, was gerade in der U-Bahn geschehen war. Er zeigte Sebastian das Bild aus der Zeitung und die Fotos, die er gemacht hatte. Dann schaute er ihn an.
"Und, hältst du mich jetzt für verrückt?"
"Nein", sagte dieser ernst, um nach einer kurzen Pause fortzufahren. "Aber kann es sein, dass du in der Bahn doch kurz mal eingenickt bist und das alles nur geträumt hast?"
"Also hör mal …!" antwortete Jürgen Petersen empört. "Und die Klamotten, die ich fotografiert habe?"
"Die können doch auch irgendwelche Leute dort liegengelassen haben."
"Ich schwöre dir Sebastian, dass ich das alles wirklich so …"
"Lass gut sein. Ich werde es nicht weitersagen", unterbrach ihn dieser, sichtlich darum bemüht, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. "Wollen wir jetzt endlich frühstücken? Ich kriege langsam Hunger. Vorher muss ich aber noch mal kurz verschwinden."
Sebastian stand auf und ging zu den Toiletten. Dabei murmelte er irgendetwas vor sich her.
"Was hast du gesagt?" rief ihm Jürgen Petersen hinterher.
"Ach nichts. Ist schon Okay", antwortete dieser und ging weiter.
Jürgen Petersen war sich aber sicher, dass Sebastian irgendetwas gesagt hatte, das wie "Verdammter Instant-Kaffee" geklungen hatte.
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo anbas,
Bin ein bisschen durcheinander gekommen, weil ich nicht wusste, welche nun die neue Version ist. Ganz oben steht: Hier gehts zur aktuellen Version, weiter unten aber steht dein Kommentar über der (anscheinend) zweiten Version. Wahrscheinlich sollte man oben klicken...Zur aktuellen Version, hier klicken...:)
Deine Geschichte hat mir gefallen, urkomischer Text, der später in der Bahn richtig spannend wird. Als das Pärchen sich dann im Nichts aufloest und nur die Kleider dort lagen, musste ich lachen. Nochzumal der restliche Text so ernst ist. Nicht verstehen tue ich das Ende. Hab die anderen Kommentare gelesen, aber nichts über das Ende gefunden. Bin mal wieder zu doof. Haben sich die beiden in Luft aufgelöst, weil sie ständig diesen Instant Kaffee tranken? Dies scheint mir die Einzige Möglichkeit.Oder soll sich der Leser selbst was denken.?Verrätst du es?
Mit Gruß,
(trinke übrigens selber den ganzen Tag Kaffee...Ji
 

anbas

Mitglied
Hallo Ji,

Danke für Deine Rückmeldung. Schön, dass Dir der Text gefällt.
Das Ende möchte ich tatsächlich offen lassen. Aber Stichworte wie "Außerirdische" und "nur mit echtem Kaffee überlebensfähig" gehen schon in die Richtung, in die auch meine Intention beim Schreiben ging. Doch selbstverständlich kann man den Text auch als "Anklage" ;) gegen Instant Kaffe lesen. - Wie gesagt: Ich lasse das gerne offen.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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