die schutzflehenden (trochäische tetrameter, kreuzgereimt)

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
"Und keiner mehr kennt mich auch hier" (Eichendorff)
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Danke, Walther!

Ich dachte schon, die Bewertungsfunktion wäre kaputt (nach der Tilgung der vielen Einser-Sterntaler, die mir vor drei Jahren ins letzte Hemd fielen), oder das Gedicht wäre nach der Wiederherstellung vor einer Woche nur mir selbst sichtbar, wie ein Traum, eine Halluzination oder ein schmeichelhafter Selbstbetrug.

grusz, hansz
 

Scal

Mitglied
Ohne Hindeutungsfinger auf das Intentionsquellgebiet werden inhaltliche Interpretationen immer reduktionistische Tastversuche bleiben.

Orgasmusweisheitslichtbogen ... Ton der Lethewechselstromortschnellen ...Forellen zückten ...

Tschuldige!, ich assoziiere: ... Kundaliniyogalyrik ... Manipura kopuliert mit Ajna ...

Gruß
Scal
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
"Orgasmus" ist in der Tat schwer zu erklären. Vielleicht kommt das Verstehen von Hegels "Wissenschaft der Logik" dem nahe, die ersten zwei Seiten über "Sein" und "Nichts".

"Weißlichtbogen" - wie heißen die gleißenden Lichtbögen der schweißenden Elektrophysiker? Hab ich vergessen. Aber die stünden mir vor Augen, wenn sie nicht so schmerzhaft blendeten. Man braucht einen Sichtschutz.

"Stromschnellen" sind zum guten Schluß durch eine mutwillige sprachliche Klippe gestört: Der Wechsel konkretisiert sich sprachlich im Palindrom "strom - morts", wobei die wechselweise Umkehrung von Strom zu Morts zwischen Mord und mortuum landet, und das fünfzig mal pro Sekunde. Ein tiefer Brummton.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
ach so, ja, das "Intentionsquellgebiet".

Nein, Scal,

die Geschichte ist soweit abgekoppelt vom "Danaiden"-Mythos, daß nur die skurrile "50:50" übriggeblieben ist. Und die Namen der beiden Fünfzigergruppen: Aigyptos-Söhne und Danaos-Töchter.
Wer da warum Schutz bei Wemauchimmer gesucht hat, ist nicht Thema geworden wie im "Hiketiden"-Titel des Euripides-Werkes. Deshalb ist auch der Hinweis von blackout auf meine Altphilologen-Bildung völlig verfehlt. Es wird eben nicht das Werk des Euripides, und erwähnenswerterweise (oder auch eben nicht erwähnungsnotwendig) auch nicht das ältere des Aischylos, hier vorausgesetzt.
Ja, noch eine kleine Gemeinsamkeit: Die Danaiden in der Unterwelt. Die Lethe ist der Unterweltstrom, aus dem die Seelen Vergessen "trinken". Aber das wird hier in der Doppeldeutigkeit des "Stroms" aufgehoben.

Nein, die symmetrische Paarung der einen Fünfzig mit den anderen Fünfzig ist hier das eigentliche Thema. Und "Intentionsquellgebiet" der Erzählung in diesem narrativen Gedicht ist nicht das Schutzflehen der Hiketiden, sondern die skurrile 50 plus 50. Dafür gibt es im Mythos keine schlüssige Erklärung. Als ob es normal wäre, die 50 Söhne des einen, der dann auch noch einen Ländernamen hat (wie "Francois" oder "Norge"), mit den 50 Töchtern eines anderen zu verkuppelt. Nun ja, das ist archaischer Mythos; vergleichbar den genau 100 (in Worten einhundert) Söhnen des Dhrtaraschtra im Mahabharata.

Hier noch gekoppelt mit dem 50 Hertz-Wechselstrom der Lethe. Aber das entstammt nun wirklich kaum dem wikipädagogischen "Intentionsquellgebiet" eines Lateinlehrers, der mit seinem antiken Wissen hausieren geht.

"Betteln und Hausieren verboten". Griechische Bildung verboten. Trochäische Tetrameter kreuzgereimt sind keine "feste Form". Trotz der textbezogenen Begründung des Autors.

Aber wen interessiert das schon. Bevor der Text in der Versenkung brütete, hatte er 1 K, das ist ein Kilo, also 1000 Leser, von denen keiner doppelt gezählt wurde. Seit ich ihn wiederhergestellt habe, hat er eine einzige einsame Bewertung. Die Leselupe zerschellt an diesem Prüfstein. Was suche ich noch hier?

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ich muß mich korrigieren.
Den Einstieg des Kommentars von blackout und meine scheinbar bestätigende Antwort kann ich so nicht bejahen:
Die Schutzflehenden

Mit dem Titel will der Autor vermutlich vorgeben, sich auf "Die Hilfeflehenden" von Euripides zu stützen. Das tut er aber keinesfalls, der Titel allein will schon weismachen, dass sich der Autor in die athenische Szene begibt, und die ist eben was nur für Auserwählte. Eine Nasführung des Lesers, kurzgesagt.
Liebe blackout!

Gut erkannt.
Nein, weder blackouts statement noch mein "Gut erkannt" trifft das Verhältnis des Textes zu den Dramen von Euripides und (nicht zu vergessen!) Aischylos im richtigen Winkel.

Zum einen ist die extreme Symmetrie der 50 : 50 nicht so nebensächlich, daß sie von der Grunderzählung abgekoppelt werden könnte. Die Berechnung ist bei den Tragödienautoren ein bloßes Desiderat, ein verblüffendes Rätsel, das ungelöst offen bleibt. Ich "liefere" trotz der gestaltenden Kürze eine Berechnung "nach" (7 x 7 + 1).
Zum andern geht es in dieser - nennen wir es - "Parodie" durchaus um das Verhältnis der Bräute zu den Bräutigamen. Also um das zentrale Thema der "Hiketiden".
Und zum dritten mündet die katástrophe in die Unterwelt. Nun ja, hier sieben sie nicht das Wasser, sondern wechseln Strom (50 Hertz).

Das wollte ich doch zurechtrücken.

grusz, hansz


grusz, hansz
 

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Mitglied
zogen arglos weiter flohen nach argolis wo sie logen
Herrlich, lieber hansz!

Wie genussvoll schräg, sich so völlig inmitten eines Crossovers zwischen dem üblichen Trio (Gewalt und Lug und Trug) der griechischen Götter- und Heldensagen und gleiszenden, klonvernichtenden Barbarella-Weiszlichtbögen wiederzufinden! Und am schrägsten und herrlichsten: es klappt, denn alles ist sprachlich und inhaltlich total stimmig! Das Ganze ist hier so weit mehr als die Summe seiner Teile! Ich hatte großen Spaß beim Lesen! Danke!

Das Summen unter Starkstrommasten wird für mich nie mehr dasselbe sein!

Liebe Grüße,
Claudia
 

mondnein

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Danke, liebe Claudia!

Das mit dem "Lug und Trug" der griechischen Mythen ist ja durch Nietzsches "Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik"
- siehe: -
und Freud ("Traumdeutung") überaus fruchtbar aufgeschlossen worden: Die Gewalt, der Inzest und die weiteren Anthropomorphismen spielen ihre Bühnenrollen im Feld des Traumes, des Wahnsinns und der religiös-psychohygienische Katharsis beim Eintauchen in die Kunst, die Musik, die Dichtung und die Tragödie. Das bedeutet: Alle Bilder und Handlungen im Rahmen der seelischen Reinigung ("katharsis", wie Aristoteles es schon nannte) sind "nur" innerseelische Prozesse, Faktoren und (wie gesagt) Rollenspiele. So, wie die Personen des Aufwachtraums allesamt Aspekte des Träumenden sind, der sich da selbst begegnet, mit sich ringt, sich ermordet, sobald der körperliche Tastsinn das imaginative Traumbild überwältigt.

Zur 50 : 50 Symmetrie kommt mir noch in den Sinn, daß vor der archaischen Phase der griechischen Kunstentwicklung eine "geometrische" bestimmend war, die den Mythen "kurz vorm Aufwachen" noch näher standen als die archaischen Dionysos-Prozessionen, aus denen erst in klassischer Zeit die Tragödie hervorgegangen ist.

grusz, hansz
 

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Mitglied
Zur 50 : 50 Symmetrie kommt mir noch in den Sinn, daß vor der archaischen Phase der griechischen Kunstentwicklung eine "geometrische" bestimmend war, die den Mythen "kurz vorm Aufwachen" noch näher standen als die archaischen Dionysos-Prozessionen, aus denen erst in klassischer Zeit die Tragödie hervorgegangen ist.
Interessante phänomenologische Betrachtungen, lieber hansz!

Ja, ich bin da bei dir: im geometrischen Stil waren die Griechen sicherlich am verbundensten mit sich selbst und ihrer Religiosität - ganz ohne das erwachte "Über-Denken". So verhält es sich bei allen auf Ornamentik beruhenden Ausdrucksformen von Natur- und Gottheitsverehrung. Das Ordnende der Geometrie, das sich verwebt mit dem Wahrnehmen und Staunen über die Natur. Und letztlich das Sich-Selbst-Hineinweben in der künstlerischen Ausformung.

LG,
fee
 

mondnein

Mitglied
im geometrischen Stil waren die Griechen sicherlich am verbundensten mit sich selbst und ihrer Religiosität - ganz ohne das erwachte "Über-Denken". So verhält es sich bei allen auf Ornamentik beruhenden Ausdrucksformen von Natur- und Gottheitsverehrung.
Das ist, liebe fee,
überaus kühn, eine tiefgreifende und originelle Formulierung! Weil sie unauslotbar erwägenswert und fruchtbar ist.

Ich nehme die iterative Struktur der protoarchaischen Erzählung in den Blick, die "50". Zu zwei Seiten hin: im Vergleich mit den "geometrischen" Vasen einerseits und im Verhältnis zur etwa gleichzeitigen hexametrischen Dichtung der Homerschule und Hesiods.
Die riesigen Tonkrüge der geometrischen Phase zeigen Menschen in der abstrahierenden Reduktion fast schriftzeichen-schlanker Striche, manieristisch in die Länge gezogen, und das erlaubt es dem Töpfer, die Figuren parallelistisch zu staffeln. Das hat etwas von den monomanen "50".
Und zur Lyrik: Der plastische Realismus in den Homerischen Epen scheint zunächst quer zu den manieristischen Chiffern zu stehen. Die epitheta ornantia, die sich den Hexametern wie Versatzstücke einfügen, um sie rhapsodisch runterzurappern - die seriellen Adoneus-Klauseln der Hexameter - scheinen mir nicht nahe genug an den optischen Parallelismen der Tonkrüge "dran" zu sein. Die Hexameter erstarren in der Regel nicht zu Litaneien, sie wiederholen die Grundrhythmen so, daß die Wortklänge Melodien bilden, geschmeidige, wohlklingende "Ohrwürmer".
Das Musterbeispiel, das mir einfällt, sind die 50 (!) Nereiden bzw. Doriden in Hesiods Theogonie. Und zwar in dem bezaubernden Absingen ihrer 50 individuellen Namen. Natürlich sind das sprechende Namen, sinnlichsatt, aber vor allem klingen sie so schön. Mein universitärer Griechischlehrer konnte sie auswendig "aufsagen", und ein Rhapsode der geometrischen und archaischen Epoche "sprach" sie natürlich nicht quasiprosaisch vor sich hin, sondern sang sie auf Rezitationsmelodien.

Also: da tönen die "50", bei Hesiod, im Doriden-Katalog: http://12koerbe.de/pan/theogon1.htm#Nereus und die Nereiden

Vergleichbar den 100 Kauravas im Mahâbhârata. Man kann das noch im ersten Kapitel der Bhâgavad-Gîtâ lesen, wo die Helden mit den Namen ihrer Muschelhörner aufgelistet werden: http://12koerbe.de/hanumans/gita-1.htm

Das nur zu den "50 : 50".

grusz, hansz
 
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