Dschungel

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Ralf Langer

Mitglied
Hallo
Kurzer eindruck:
Die erste Strophe ist verdammt gut.
Ein Wortspiel-anscheinend- und doch ebeb mehr
als das...
Das mit dem pedal erschliest sich mir
noch nicht zur Gänze

Werde nocheinmal(wieder und wieder)
vorbeischauen.
Lg
Ralf
 

namibia

Mitglied
Lieber Bernd,

genauso wie Ralf geht es mir auch ..

was möchtest du mit der zweiten Strophe ausdrücken ?

Alles Liebe

Anna
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die erste Strophe ist ein Wortspiel, die zweite ein Evolutionsspiel, ich verändere mich, die dritte jedoch birgt das Großvaterparadoxon in sich, sie ist ein Zeitspiel.
Die vierte Strophe ist die Annäherung der Parallelen in einem Punkt, die Summe des Nichtsummierbaren in der Poetik des Dada, er fasst den Kreis ins Quadrat und das Quadrat in den Kreis.

https://www.flickr.com/photos/116228447@N06/15967133972/
Flickr
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Du musst es beschauen. Dann siehst du die Strickkunst.
Gestrick verhält sich zum Stricken wie Gesträuch zum Straucheln.

Wenn das Küken die Welt betrachtet, ist sein Ei zerstört.
In der Poesie aber ist es heil.
Wenn das geschlüpfte Küken aber das Ei zerstört, in dem es gebrütet wird, verliert es sein All und wird nimmermehr geboren, wie der Zeitreisende, der seinen Großvater tötet. Und doch ist es da.
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo bernd,

obschon ich glaube deine "lyrik" ganz gut zu kennen.
der weg zur erkenntnis hinter deinen worten bedarf sehr großer vor-raus-setzungen.

ich verstehe deine erklärenden worte.

ich selbst war und bin aber auf einem weg durch einen anderen dschungel "gegangen".

ein gnostischer text, der auf einer metaebene sein "wissen" erzählt.
nichtdestotrotz:
auch nach mehrmeligem studium deiner worte, für mich bilden die erste und auch die letzte strophe einen "kontext", der mich persönlich in andere "holzwege" des lebens führt.
so bleibt:

ein gelungenes stück lyrik, in dem eben nicht nur das dabei ist, was du hineinzulegen "geglaubt" hast.

ralf
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke, Ralf.
Der Text ist weithin offen.
Der Text entwickelte Eigenleben, sobald er geboren war.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das wäre einer der ersten und naheliegenden Gedanken, Orlando.
Vielleicht löst aber auch Stricken Tätowieren ab.
Ich habe hier Begriffe aus entfernteren (Wort-)Feldern gewählt.

Siehe auch Kästners Klassefrauen:
http://www.kultur-netz.de/literat/lyrik/kaestner/klassefr.htm

aber für Männer -- wegen Gleichberechtigung

Stricken, statt Löten
Wange statt Löcher
Neue Löcher durch Stricken, durch Durchstricken, das Durchstrickte --
 
O

orlando

Gast
Na ja.
Du erinnernst mich ziemlich an unseren Ex-User Dnreb, der bestand ebenfalls stets auf seinem Un-Sinn. ;) ---
Die erste und letzte Versgruppe finde ich wirklich gut; den Rest halte ich für Schmarren. Auch im Klang.
Aber Kaiserschmarren schmeckt vielen! Ist halt ein leicht bekömmliches Gericht. :):)

Skeptische Grüße
orlando
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Orlando,
im wesentliche stimme ich Dir bei.
Nunmehr wende ich die wissenschaftliche Methode des gezielten Missverständnisses an:
Ich bestehe nicht auf, sondern aus Unsinn. Unsinn ist die Negation des Sinns in den Sinnen, ist die Quintessenz, die fünfte Essenz, ist der Kratzer im Absoluten.
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Bernd,

ich versuche mich mal in etwas, das nur auf nebenwegen mit diesem gedicht zu tun hat, gleichwohl aber etwas mit deiner lyrik und dem zugang zum lyrischen.

kategorisch gesprochen:

ich glaube nicht das es einen zugang zur zweiten strophe gibt, es sei denn wie hier, das du sie erkärst.
hm, das könnte man dann hermetische lyrik nennen.
und vielleicht ist dir daran gelegen.
vielleicht istbes auch so wie bei beus:
wenn der betrachter nicht um die bedeutung von fett und filz für den menschen hinter dem künstler weiss, bleibt der zugang zur kunst dem betrachter meist verschlossen.

viele deiner gedichte sind metatexte, mit oft mathematischen oder kosmologischen inhalten, wie sie sich zum beispiel in "pi"
zeigen. das vertrackte ist, wenn der leser nicht um die arithmetrischen "begebnheiten" zum beispiel um pi weiss, steht er vor einem gschlossenen rätsel.

zurück zu diesem gedicht:

Dschungel

der titel weiß mir zu gefallen.
es geht um undurchdrigliches, es geht um orte außerhalb des kulturraums, um plätze die nach eigenen gesetzen funktionieren,
der dschungel ist ein lebens und verständnisloser raum für den menschen.
aber es gibt pfade:

Ich fiebere der Nähe entgegen
und nähere mich dem Fieber.

ja das empfinde ich als pfad. natürlich ein widerspruch,
wahn(fieber) ist die begleiterscheinung der annäherung an eine Erkenntnis. ich sehe in der nähe zu einem ding auch die nähe um das wissen.
gleichzeitig sorgt die nähe für den fieber/wahnzustand.


Ich stricke ein Pedal auf meine Wange
und gebe Gas im Gestrick.

diese strophe bleibt mir in meinem zusammenhang undurchschaubar

Ich schlüpfe aus der Eierschale
und schäle das Ei.

empfinde ich auch nach deiner erkärung als "schwach"
aber für mich begehbar:

ein zeitparadoxon bzw, ein wirklichkeitsparadoxon,
das ei symbol der herkunft ist nach dem schlüpfen zerstört. es gibt keinen weg das zerstörte ei zu pellen, es gibt keinen weg zurück "in" den ursprung.
ich sehe hier im weitesten sinne eine zivilisationsbeschreibung
back to the roots - nein, der weg ist versperrt, es geht nur in ein nach vorn, in ein "weiter"

All das tat ich wieder und wieder,
bis ich das Wieder im Wieder erkannte.


gefällt mir sehr, als "nietzschianer", die widerkehr des immergleichen, das ende der geschichte, ist seine wieder-holung.
aber die erkenntnis ist gnosis, ist wissen, und die auflösung - im wratsen sinne des wortes hat buddhistische züge.

ich kehre zu dem "immer" solange wieder, bis ich um das "immerwieder" weiß.

hat mir freude bereitet

lg
ralf
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke für die ausführliche Rezension, Ralf.

Die zweite Strophe ist aber tatsächlich die mystischste. Sie beschreibt (auch) das Verhältnis zur Kunst.

Als ich das Gedicht schrieb, hatte ich zunächst die erste Strophe.

Ich wiederholte sie noch zweimal, wobei ich sie änderte.

Das Resümee in der vierten Strophe erscheint mir im Moment am schwächsten, es ist eine Zusammenfassung.

Die ständige Wiederholung ist Wiederholung und Änderung.
 
O

orlando

Gast
Hallo Bernd und Ralf,
der weniger gelungenen hermetischen Dichtung wird gern nachgesagt, dass sie verworren okkult sei, dass der Dichter die Erklärung und Interpretation gleich mitliefern müsse ... als dies scheint mir hier leider der Fall zu sein. Und ich sage das, obwohl ich dem Hermetischen grundsätzlich sehr positiv gegenüber stehe.
Vor dem Verstehen steht die Dechiffrierung. Eine Chiffre sollte deshalb so gestaltet sein, dass den Lesern eine oder mehrere Spuren offengelegt werden. Spuren, die sich nicht auschließlich in den Gehirngängen des Dichters wiederfinden lassen sollten. -
Tut mir leid, nach all euren Erklärungen finde ich den Text im Mittelfeld noch immer ungenügend.
LG, orlando
 
Eigentlich muss ich nur daran denken:

Jemandem einen Knopf an die Backe nähen:

So viel reden, dass man damit seinem Zuhörer auf die Nerven geht; auf jemanden einreden; ununterbrochen reden; Unsinn erzählen

Viele Grüße,
Marie-Luise
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo Bernd,
ich lese mal so dahin:

"Ich fiebere der Nähe entgegen
und nähere mich dem Fieber."

Dschungel ist Nähe. Das, was wir landläufig Kultur nennen, ist ein unnahbarer Eisklotz. Wenn Lüri dem Dschungel näher kommt, wird es erstmal krank. Wegen der Nähe. Das ist normal. Malaria, Grippe, irgend eine Immunseuche halt, wenngleich evtl. doch lebensbedrohlich. Dschungel ist so ...

"Ich stricke ein Pedal auf meine Wange
und gebe Gas im Gestrick."

Stichwort Schuld. Wer Nähe sucht, wird schuldig. Also lese ich eine lyrisch verklausulierte Maulschelle, die Lüri zwar einerseits nicht aufhält, die Nähe zu suchen, Lüri aber andererseits ebenso eifrig dahin führt, die Backe der Schelle entgegenzuhalten. Lyri braucht das jetzt. Noch.

"Ich schlüpfe aus der Eierschale
und schäle das Ei."

... Lyri will da raus. & verstehen. Unbedingt.

"--"

Die Erkenntnis: Schiffbruch. Der Ansatz Lüris taugt nicht wirklich. Wer braucht schon Maulschellen.

"All das tat ich wieder und wieder,
bis ich das Wieder im Wieder erkannte."

Jo, Lyri ist nun tatsächlich einen Meter weiter ...
Ein Schritt noch, dann darf Lyri evtl zurecht das Wort Freiheit benützen, tatsächlich ein Fest :)

Soweit mal für heut Abend die Analyse aus dem Schlafgehölz. Es ist saukalt. Es zieht.

lg
die dohle
 



 
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