Ehrenamt. In meinen Augen

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Werden Absicht und Stimmung deutlich?

  • Überhaupt nicht,

    Stimmen: 0 0,0%
  • Für mich schon,

    Stimmen: 1 50,0%
  • Nicht auf Anhieb,

    Stimmen: 0 0,0%
  • Was soll das?

    Stimmen: 0 0,0%
  • Einigermaßen

    Stimmen: 0 0,0%
  • Nachvolllziehbar

    Stimmen: 1 50,0%
  • Gut beobachtet und für mich nachvollziehbar

    Stimmen: 2 100,0%

  • Anzahl der Umfrageteilnehmer
    2

Mubarby

Mitglied
Es begann, als ich ihn zum dritten Mal traf.

Derlei war mir noch nie passiert oder zugestoßen. Kein Paukenschlag, eher ein entfernter, konstanter Trommelwirbel. Um Fassung bemüht, rührte ich ausgiebig in meiner Kaffeetasse. Zum Glück fragte jetzt Nasser, der neben mir saß, nach der Bedeutung der Formulierung „in Frage kommen, (Nom.)“ im Gegensatz zu "in Frage stellen, (Akk.)" und Iryna wollte ihren ausgefüllten Lückentext mit mir durchgehen. Bei ihr am Tisch lachten wir über eine falsche Antwort, die dem Satz eine komischen Note gab. Das war befreiend, und als ich meinen Platz wieder einnahm, war ich mutig genug, Nabil direkt in die Augen zu sehen. Wieder! Und wieder ganz deutlich. In diesem Moment kam Walid zur Tür herein, und winkte ihn an unseren Tisch.

Die zweite Wiederholung meiner völlig neuen Erfahrung provozierte ich bewusst. Ich wurde auch sicherer. Der reality check ergab, dass ich folgerichtig sprechen konnte und vermutlich für normal gehalten wurde. Und obwohl ich mich innerlich gerüstet hatte, wurde ich wieder, ohne Einfluss nehmen zu können, vom Donner, (Dat.) gerührt. Auch so eine Redewendung. Wenn ich ihn ansah, unsere Blicke sich begegneten, was wie gesagt, schon etliche Male geschehen war, hüpften Sternchen aus meinen Augen. Es sprühte und perlte wie in einem frisch gefüllten Champagnerglas.

Wer spielte mir diesen ausgefallenen Streich? In der privaten Heimlichkeit meiner Wahrnehmung begann dieser aberwitzige Vorgang mir zu gefallen. Alles spielte sich ab ohne Ursache, war aber beunruhigend schön und auf befremdliche Weise spannend. Beim Ansehen eines bestimmten Menschen, von dem ich mich noch nicht einmal besonders angezogen fühlte, entstanden in diesen meinen Augen Glühwürmchen.
Zu erröten, wie man in gewissen Situationen eben errötet, stammelnd im Satz stecken zu bleiben, all das hätte mich schon hinlänglich irritiert. Aber dies!

Ich befand mich bei unseren wöchentlich stattfindenden Kontakt- und Austauschtreffen, unseres nennt sich „Zusammen“, als ehrenamtliche Tutorin für Deutsch regelmäßig in Gesellschaft gutaussehender junger Männer, wobei diejenigen aus dem arabisch sprachigen Raum deutlich jünger waren, als die vorwiegend aber nicht nur aus der Ukraine stammenden TeilnehmerInnen. Nabil war zudem bei weitem nicht, was ich attraktiv genannt hätte. Seine Stimme erschien mir auch ein wenig unmännlich. Aufgefallen war mir allerdings, dass das, was er trug, gewissen Stil hatte. Eine der Redewendungen, die ich gern erläuterte, war: „Wert legen auf, (Akk.)". Er legte Wert auf sein Äußeres, das verriet mir die Art seiner Pullover. Wie Nasser sich kleidete, oder ob Walid immer dasselbe trug, ging völlig an mir vorbei. Hatte ich Nabil nicht schon einmal gesagt: „Schicker Pulli!“? Vielleicht aber doch nicht.
Ich konnte zwischen seinen Pullovern unterscheiden. Davon die Glühwürmchen? Dem starken Impuls, mich während der Gespräche mit ihm in seine Richtung über den Tisch zu recken, konnte ich entgegenwirken. Nicht angezogen gefühlt und auch nicht attraktiv gefunden?! (Lat.: attrahere, attraxis, attractum). Gar nicht mehr ganz weit entfernt von Selbsttäuschung.

Auf dem Heimweg suchte ich nach Erklärungen für dieses überraschend belebende junge Phänomen, jedoch wurden jegliche Gedanken von der Rückbesinnung auf die mystischen Momente des Blickkontakts mit Nabil, in denen es in meinem Blick jedes Mal funkelte, weggewischt. Und mein Gang wurde elastischer, fast ein bisschen tänzelnd. Unerhört für eine Frau von siebenundsechzig Jahren!

Wikipedia: „…Doch ist ehrenamtliches Engagement, … , selten ausschließlich prosozial oder altruistisch motiviert. Ein funktionaler Ansatz nimmt an, dass ehrenamtliches Engagement für verschiedene Menschen diverse Funktionen erfüllt…“.
 
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Hallo Mubarby,

die Intention für dich, diese Geschichte zu schreiben, war natürlich eine andere, trotzdem möchte ich loswerden, was ich schon lange denke: So lange es so viele ehrenamtliche Helfer gibt, die umsonst arbeiten, wird es nie etwas damit, dass Arbeitnehmer einen anständigen Lohn erhalten, z. B. im Altenheim. Ich habe dort mal ein Praktikum gemacht und war ziemlich erstaunt, wie sehr sich dort drauf verlassen wurde, dass ehrenamtliche Helfer Arbeit übernehmen. Gäbe es das nicht, müsste man die Leute besser bezahlen.

Natürlich, würdest du aus der ehrenamtlichen Tutorin in deiner Geschichte eine bezahlte Arbeitnehmerin machen, könnte die Geschichte nicht auf die Pointe zusteuern.

Ansonsten gefällt mir deine Geschichte gut, bis auf:


An ihrem Tisch sitzend machte sie auf einen Fehler, der dem Satz eine komischen Note gab, aufmerksam, und sie lachte.
Partizipien sollte man nach Möglichkeit vermeiden, sie machen einen Satz unschön.

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 
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Partizipien sollte man nach Möglichkeit vermeiden, sie machen einen Satz unschön.
Gar nicht dieser Meinung. Sie werden zur Straffung und Rhythmisierung eingesetzt. Man vermeidet damit oft Nebensätze und die Gefahr von Umständlichkeit und Langatmigkeit. Es gibt hier noch einige Beispiele für diesen Stakkato-Stil. Er hat, in Maßen angewandt, seine Berechtigung und man kann ihn dann auch als elegant-flüssig empfinden.

Der Text selbst hat mich durchaus beeindruckt. Ich nehme dabei vor allem das Wechselspiel von Selbstbeobachtung, während die Erzählerin beobachtet, und ihr Fixiertsein auf sprachliche Formulierungen wahr. Das hat etwas vom Einsatz beider Hände beim Klavierspiel.
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe(r) Mubarby,

mir hat Dein Text ausnehmend gut gefallen - trotz des 'Experiment'-Rahmens' kommt die Szene so beschwingt und gleichzeitig vielschichtig daher.

Liebe Grüße
Petra
 
und ihr Fixiertsein auf sprachliche Formulierungen wahr. Das hat etwas vom Einsatz beider Hände beim Klavierspiel.
Das sehe ich durchaus nicht so, wenn ich diesen Abschnitt hier lese:

Zu erröten, wie man in gewissen Situationen eben errötet, stammelnd im Satz stecken zu bleiben, all das hätte mich schon hinlänglich irritiert. Aber dies! Unerhörtes Erlebnis, verstörend rätselhaft, sehr privat, sehr unkontrollierbar. Wer spielte mir diesen ausgefallenen Streich?
Also mir gefällt die Geschichte zwar auch, aber sprachlich finde ich sie jetzt nicht umwerfend. Sie hat auch viele Füllwörter wie „sehr", „wieder", „völlig" etc.
 
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Mubarby

Mitglied
Diese Reaktionen beschwingen meinen Abend!
Auf der Klaviatur der "Leselupe" bewege ich mich nicht virtuos. Wie bearbeitet man einen bereits mit Kommentaren versehenen Beitrag?
Zur Virtuosität meiner sprachlichen Mittel, ich bin auf Hinweise angewiesen. Und danke.
Liebe(r) Mubarby,

mir hat Dein Text ausnehmend gut gefallen - trotz des 'Experiment'-Rahmens' kommt die Szene so beschwingt und gleichzeitig vielschichtig daher.

Liebe Grüße
Petra
 
Das sehe ich durchaus nicht so, wenn ich diesen Satz hier lese:
Gerade diese zitierte Stelle ist ein gutes Beispiel für das, was ich meinte. Sie ist stark rhythmisiert und konstrastreich. Man kann die Qualitätsprobe machen, indem man sie laut vorliest und dabei durch Betonung und Pausen sich den Inhalt verdeutlicht.

Grundsätzlich bin ich dafür, die entwickelten differenzierten Syntaxmöglichkeiten der deutschen Sprache durch eifrige Nutzung auch am Leben zu erhalten. Schreibschule in Richtung einfache Sprache? Hier bitte nicht.
 
Sorry, das wird mir zu albern.
Sollte dir der Begriff Prosarhythmus etwa unbekannt sein? Dazu wird auch an Hochschulen geforscht, nicht nur bezüglich lateinischer und altgriechischer Texte. Beim Recherchieren jetzt bin ich rasch auf eine Arbeit mit dem Titel "Rhythmus in der Prosa - Zu den rhythmischen Eigenschaften deutscher Kunstprosa am Beispiel der Erzählung Rote Korallen von Judith Herrmann" gestoßen, abgedruckt 2017 in der Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik. (Nicht für Verlinkung geeignet, da kostenpflichtiger Inhalt.)´Um solche Strukturen ging es mir auch in meinem schlichten Kommentar oben.

Hast du dir noch nie einen eigenen Text selbst laut vorgelesen, um zu hören, wie er klingt? Bei diesem Akt kann man nicht nur rein formale Schwächen heraushören, sondern auch inhaltliche Bezüge noch besser erfassen als bei stummer Lektüre.
 

petrasmiles

Mitglied
Ich nehme an, es ist dieses Phänomen, das Arno beschreibt, was bei mir meine Prosa oft 'lyrisch', aber eben nicht als Lyrik angesehen, daherkommen lässt. Nicht alle Prosa muss episch sein, liebe SilberneDelfine.
Ich habe da keine 'intellektuelle' Meinung zu, sondern für mich hört sich Mubarbys Text gut an.
So viel Spielraum sollte doch sein. Und ich finde es nicht schön, wenn man einen Text aufgrund von formalen Kriterien kritisiert, die allgemeingültig wirken, aber doch nur eine Meinung zum Ausdruck bringen. Vielleicht hört es sich für manches Ohr merkwürdig an, wenn Prosasprache verdichtet wird, aber sie kann dennoch schön sein.
Hast Du denn einen konkreten Vorschlag für diesen Satz, liebe SilberneDelfine, wodurch er für DIch besser würde - vielleicht kann man dadurch besser verstehen - und nachvollziehen - was Du meinst?

Liebe Grüße
Petra
 
Und ich finde es nicht schön, wenn man einen Text aufgrund von formalen Kriterien kritisiert, die allgemeingültig wirken, aber doch nur eine Meinung zum Ausdruck bringen.
Und ich finde es nicht schön, wenn man eine Meinung kritisiert, nur weil sie nicht der eigenen entspricht.

Dir und Arno gefällt der Sprachstil. Mir nicht. Belassen wir es einfach dabei.
 
wenn man einen Text aufgrund von formalen Kriterien kritisiert,
Genau dafür sind wir übrigens hier. Stichwort: Füllwörter. In einem Gedicht helfen sie manchmal, den Rhythmus zu vervollkommnen. Dafür benutzte ich sie in einem sich reimenden Gedicht auch.

In einer Prosageschichte dagegen blähen sie den Text nur auf, und jeder Lektor wird den Autor darauf hinweisen, wenn eine Geschichte zu viel davon enthält.

Ich kann natürlich auch alles toll finden, um mich nicht unbeliebt zu machen, entspricht aber nicht meinem Naturell.
 
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petrasmiles

Mitglied
Liebe SilberneDelfine,

Und ich finde es nicht schön, wenn man eine Meinung kritisiert, nur weil sie nicht der eigenen entspricht.
ich wollte nicht Deine Meinung kritisieren, sondern sie erst als eine solche als Möglichkeit betrachten, weil Du sie als 'Regel' vertreten hast.

Genau dafür sind wir übrigens hier.
Ich denke, wir sind auch hier, innerhalb der Regeln die Vielfalt der Möglichkeiten zu entdecken - und zu respektieren, wenn schon nicht zu genießen.

Ich kann natürlich auch alles toll finden, um mich nicht unbeliebt zu machen, entspricht aber nicht meinem Naturell.
Vielleicht hast Du heute einfach einen schlechten Tag? Das war jetzt ziemlich unangemessen - und entspricht noch nicht einmal der Realität - sonst würde ich z. B. diese Unterhaltung nicht führen. Die Gefahr, mich unbeliebt zu machen, hat mich in meinem Leben kaum eine Sekunde bewegt, eher im Gegenteil. Bitte lass uns nicht 'persönlich' werden - schließlich 'kennen' wir uns überhaupt nicht.

Liebe Grüße
Petra
 
Ich denke, wir sind auch hier, innerhalb der Regeln die Vielfalt der Möglichkeiten zu entdecken - und zu respektieren, wenn schon nicht zu genießen.
Deswegen darf ich nicht schreiben, wenn mir etwas nicht gefällt an einem Text? Aha.


Vielleicht hast Du heute einfach einen schlechten Tag? Das war jetzt ziemlich unangemessen - und entspricht noch nicht einmal der Realität - sonst würde ich z. B. diese Unterhaltung nicht führen. Die Gefahr, mich unbeliebt zu machen, hat mich in meinem Leben kaum eine Sekunde bewegt, eher im Gegenteil. Bitte lass uns nicht 'persönlich' werden - schließlich 'kennen' wir uns überhaupt nicht.
???? Ich redete überhaupt nicht von dir, sondern von mir. Wenn man Kritik übt - was ich öfter tue hier - macht man sich selbstverständlich nicht beliebt. Keine Ahnung, wieso du das auf dich bezogen hast.

Das mit dem „Ich kann auch alles toll finden" etc. war so gemeint, dass ich keine Lust habe, etwas gut zu finden, was ich nicht gut finde, nur weil die anderen es gut finden. Würde ich es gut finden, würden die anderen mich wahrscheinlich gut finden, aber daran liegt mir nichts.

Nochmal zur Klarstellung: Ich schrieb über den Text meine Meinung, was man hier durchaus machen darf. Ich muss meine Meinung nicht ändern, weil andere eine andere Meinung vertreten.

Und jetzt bin ich raus hier.
 
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petrasmiles

Mitglied
Warum verharken wir uns jetzt eigentlich hier?

Du hast Deine Kritik als 'man sollte' angebracht, was auf eine Regel abhebt, und nicht als Deine Meinung daherkam.
Das ist alles, was ich klarstellen wollte, und niemals Dir Deine Meinung streitig machen
Deswegen darf ich nicht schreiben, wenn mir etwas nicht gefällt an einem Text? Aha.
Wenn Du das getan hättest - nämlich Deine Meinung sagen - hätte ich dem einfach die Meine zur Seite gestellt.
Ich habe die Regel in Frage gestellt, auf die Du Dich beziehst, nicht Dich, oder Deine Meinung.
Und zu einem Missverständnis gehören zwei.

Nun lass uns wieder gut sein.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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