Ein Stück Weisheit

3,50 Stern(e) 4 Bewertungen

anbas

Mitglied
Ein Stück Weisheit

Das Leben kann dich durchaus weise machen.
Denn wenn du ihm gut zuhörst und verstehst,
dich dabei nicht nur um dein Ego drehst,
wird sich die Glut der Weisheit selbst entfachen.

Doch dazu darfst du nicht durchs Leben rasen.
Nimm dir die Zeit, in der du dich besinnst,
bevor du blindlings irgendwas beginnst.
Verschaff dir darum stets auch stille Phasen.

Es mag dir manch Erkenntnis nicht gefallen,
was dich vielleicht auch mal verzagen lässt.
Dann willst du dich an das Gewohnte krallen,
doch hältst du so nur deinen Stillstand fest.

Sind deine Ängste manchmal auch sehr groß:
Halt inne, hör gut zu, versteh, lass los!
 

molly

Mitglied
Hallo Andreas,

Dieser Satz gefällt mir besonders gut:

"Sind deine Ängste manchmal auch sehr groß:
Halt inne, hör gut zu, versteh, lass los!"

Wenn du loslässt, verziehen sich auch ein Teil deiner Ängste.

Liebe Grüße

Monika
 

James Blond

Mitglied
Ein Stückchen Weisheit

Hallo Andreas!

Ich muss leider sagen, dass mich dieses Sonett nicht so begeistert, sowohl aus sprachlichen als auch inhaltlichen Gründen.

Sprachlich stört mich zu Beginn die Formulierung "wenn du ihm gut zuhörst und verstehst". "Ihm verstehen"? Da würde sich ein Akkusativ wohl besser machen.

Auch frage ich mich, ob überhaupt irgendetwas jemanden "weise machen" kann, oder ob man nicht bestenfalls durch irgendetwas Weisheit erlangen kann, ist diese doch wohl eher das Ziel eigenen Bestrebens als fremder Einwirkung. Selbst wenn dies so gemeint ist, halte ich "weise machen" für eine unglückliche Formulierung.

Auch halte ich es für eine gewagte Metapher, im Zusammmenhang mit Weisheit von "Glut" zu sprechen, denn diese ist wohl eher durch die kühle Besonnenheit gekennzeichnet, wie es im Gedicht ja auch anklingt. Dort wird die weise Distanz zu Emotionen und Affekten betont: Aversion, Angst, Eitelkeit und Reflexe verhindern wahre Einsichten.

So verstehe ich das Gedicht: Die Weisheit stellt sich (ein Stück weit) von selbst ein, sofern es gelingt, die genannten Verhinderer auszuschalten. Doch scheint mir auch dann noch etwas sehr Wesentliches zu fehlen. Sicher sind Gelassenheit, Besonnenheit und Aufmerksamkeit wichtige Voraussetzungen, aber wirklich weise macht uns erst die Erfahrung der Liebe, ohne die selbst eine hohe Klugheit nicht zur Weisheit reifen kann.

Grüße
JB
 
Man soll sich gegen weise Lehren
von Dichtern nicht mal leise wehren.
Am wenigsten man wehre leisen,
die Wege aus der Leere weisen.

Vor allem soll man Weise loben,
die Weisheit oft uns leise woben.
Besonders ist zu loben wert,
wer Weisheit, schön gewoben, lehrt.

Man sollte jenen Weisen gleichen,
die niemals aus den Gleisen weichen,
das Leben nehmen weise, leicht,
bis es am Ende leise weicht.

LL F.
 

James Blond

Mitglied
Mein lieber lupenlesender Reimkünstler,

wäre soviel geschüttelte Weisheit nicht ein eigenes Thema wert?
:)

Anerkennende Grüße

JB
 

Walther

Mitglied
lb anbas,

die frage, die sich bei dieser textdiskussion stellt, ist wieder einmal die des richtig verstehens dessen, was da steht. daher ist die vorliegende kritik von Mr. Blond auch gleich am anfang auf dem falschen dampfer. in diesem vers gibt es zwei feststellungen, die logisch auf einander folgen: D
enn wenn du [blue]erst[/blue] [red]ihm gut zuhörst[/red] und [blue]dann[/blue] [red]verstehst[/red] [blue]was du da gehört hast[/blue],
ich habe die logischen erläuterungen blau markiert, die man sich denkt, wenn man richtig zu lesen im stande ist. die beiden tätigkeiten oder sachverhalte, um die es sich dreht, habe ich rot markiert:

* erst hört man einmal gut zu und
* dann versteht man

damit ist diese aussage
Mr. Blond schrieb: ... Sprachlich stört mich zu Beginn die Formulierung "wenn du ihm gut zuhörst und verstehst". "Ihm verstehen"? Da würde sich ein Akkusativ wohl besser machen. ...
obsolet.

auch die nächste aussage ist logisch und sachlich falsch:
Auch frage ich mich, ob überhaupt irgendetwas jemanden "weise machen" kann, oder ob man nicht bestenfalls durch irgendetwas Weisheit erlangen kann, ist diese doch wohl eher das Ziel eigenen Bestrebens als fremder Einwirkung. Selbst wenn dies so gemeint ist, halte ich "weise machen" für eine unglückliche Formulierung.
das erlangen von weisheit setzte voraus, der mensch handelte aktiv, wenn er weisheit erwirbt. das tut er meist nicht. vielmehr ist die erfahrung - also ein erleiden, weil mit ihm schlitten gefahren wird, damit er etwas kapiert, und das tut fast immer weh, denn der behandelte ist passiver teil des geschehens - nichts, was man selbst gestaltet, sondern was mit einem geschieht, wenn man - falsch in solchen fällen - handelt. das grundprinzip von versuch und irrtum macht en passant weise.

das bild "glut" ist insofern korrekt gewählt, als es klarmacht, daß das feuer der weisheit die distanz zu sich selbst benötigt, um zum feuer zu werden. das bild beschreibt perfekt, was nötig ist. zur erfahrung gehört die verarbeitung des erlebens und die nötige distanz zu sich selbst.

liebe ist keine essenz der weisheit. beides kann neben- und ohne einander bestehen. weisheit hat wenig mit liebe, dafür aber viel kluger erkenntnis und der bereitschaft, sich selbst nicht wichtig und also zurückzunehmen. aus dem weisen wird ein lehrer, und das hat in der tat dann mit liebe zu tun, weil er bereit ist, diese zu teilen.

du hast also ein durch und durch gelungenes sonett vorgelegt, nicht mehr und nicht weniger. laß dich also nicht irre machen.

lg w.


lb. lupenleser,

so schön deine schüttelung ist, sie ist und bleibt offtopic. wäre schön, wenn dem eröffner eines fadens das glänzen vorbehalten bleiben könnte. einfach so als hinweis in sachen respektvollem umgang mit einander.

stay tuned und schüttle weiter!

lg w.
 

anbas

Mitglied
Jetzt wird es aber Zeit, dass ich mich auch mal zu Wort melde ... :D


@ Monika

Schön, dass Dir der Teil gefällt. Er ist einer von den Stellen, an denen ich auch etwas länger gesessen habe, damit es wirklich prägnant rüber kommt.



@ James

Da ich Deine Rückmeldungen sehr schätze, ist sie diesmal auch ein Grund, weshalb sich meine Antwort so verzögert hat - ich habe länger drüber nachgedacht. Im Wesentlichen hat nun Walther das gesagt, was ich sagen wollte ;). Doch ein paar Ergänzungen habe ich noch.

Sprachlich stört mich zu Beginn die Formulierung "wenn du ihm gut zuhörst und verstehst". "Ihm verstehen"? Da würde sich ein Akkusativ wohl besser machen.
Ich verstehe, was Du meinst. Doch denke ich auch, dass man das so stehen lassen kann. Ich werde mir aber noch mal Gedanken machen, ob ich eine andere Lösung finde, die frei von "Irritationen" ist.

Auch frage ich mich, ob überhaupt irgendetwas jemanden "weise machen" kann, oder ob man nicht bestenfalls durch irgendetwas Weisheit erlangen kann, ist diese doch wohl eher das Ziel eigenen Bestrebens als fremder Einwirkung. Selbst wenn dies so gemeint ist, halte ich "weise machen" für eine unglückliche Formulierung.
Hier fällt mir noch die allgemeine Redewendung "Das Leben/Die Erfahrung lehrt uns, dass...". Auch vor dem Hintergrund ist die von mir gewählte Formulierung durchaus vertretbar.

Auch halte ich es für eine gewagte Metapher, im Zusammmenhang mit Weisheit von "Glut" zu sprechen,
Zu dieser Metapher habe ich mehrere Gedanken gehabt. Einen Teil davon hat Walther schon genannt. Hinzu kommt das Bild, dass irgendetwas da sein muss, damit das, was man hört oder erfährt auch in Weisheit umgesetzt werden kann. Man könnte auch vom fruchtbaren Boden ausgehen, damit die Saat aufgehen kann. Hier habe ich die Glut genommen, da ich der Meinung bin, dass dass Erlangen von Weisheit nicht nur eine bedächtliche Angelegenheit sein kann, sondern auch etwas Belebendes, Feuriges - Gedankenblitze, das Licht, das einem aufgeht usw.

Was die Liebe betrifft, so gehört sie sicherlich auch zum Erlangen von Weisheit dazu - sie ist aber auch ein Bestandteil des Lebens, das uns Weisheit lehren kann ;).

Lieber James, ich danke Dir für die ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Gedicht - auch, wenn wir hier vielleicht nicht gaz zusammenkommen.


@ Walther

Dir danke ich ebenfalls sehr für Deinen Beitrag. Er hat mir auch in meiner "internen" Auseinandersetzung mit James' Kritikpunkten geholfen. Und natürlich freue ich mich, dass Dir dieses Sonett gefällt. Danke auch für die Wertung!


Liebe Grüße in die Runde und noch einmal danke für Eure Rückmeldungen!

Andreas
 

anbas

Mitglied
Hallo Lupenleser,

danke für diese Zeilen. Schön, dass ich dazu inspirieren konnte.

Liebe Grüße

Andreas
 

James Blond

Mitglied
Man sollte sich beim Kommentieren auf das beziehen, was im Text zu finden ist. Sofern man sich genötigt sieht, Erklärungen nachzuschieben, was richtigerweise gemeint war, bedeutet dies zugleich ein Eingeständnis sprachlicher oder anderer Mängel.

Es geht mir nach wie vor darum, auf sprachliche und inhaltliche Mängel des vorliegenden Sonetts hinzuweisen, nicht auf Fehler.

"ihm gut zuhörst und verstehst":

Hier bestätigen mir Walthers "Übersetzungshilfen" nur, dass in V2 etwas faul ist, bzw. so schlecht formuliert, dass selbst der Autor hier "Irritationen" einräumt. Ich verzichte daher auf weitere Ausführungen.


"weise machen":
Niemand hat bestritten, dass Lebenserfahrung zur Erlangung von Weisheit notwendig ist. Aber sie ist nicht hinreichend, sonst wäre die Weisheit wohl häufiger anzutreffen, nach einer gewissen Lebensspanne sogar unvermeidlich. Doch ohne die aktive nachfolgende Verarbeitung von Erfahrungen zu tieferer Einsicht und zur Erkenntnis wird es nichts mit der Weisheit. Sofern man sich nicht mit Konditionierungen zufrieden gibt, bleibt das Lernen ein aktiver Vorgang selbst dort, wo das Leben uns etwas lehrt.

Zweifellos passt "machen" eigentlich "irgendwie" immer, ist nicht falsch, aber sprachlich so unpräzise und so oberflächlich, dass es in klugen Gedichten nichts verloren hat.

"Glut"
Dass ein Feuer Distanz zu sich selbst benötigt, wäre mir neu. Meistens bedarf es seiner eigenen Nähe zum Brand. :) Was Glut mit Distanz zu sich selbst tun hat, bleibt mir schleierhaft. Eine Selbstentfachung wäre gerade dort am wahrscheinlichsten, wo sich etwas konzentriert um sein eigenes Ego dreht.

So schlecht wie Feuer und Distanz zusammenpassen, so wenig passt das Bild der Glut zur Weisheit. Glut steht zumeist für schwer zu kontrollierende innere Antriebe, für starke Emotionen wie Hass oder Liebe, deren Brand das Ich antreibt und zugleich bedroht. Im Zusammenhang mit Besonnenheit, Nachdenklichkeit und Ruhe sollte man besser von "Wärme" sprechen.

"Weisheit als Liebe"
Das Kumulieren von Klugheit, Wissen und Erfahrung muss sich nicht zwangsläufig zur Weisheit entwickeln, auch dann noch nicht, wenn das Ego überwunden wird. Auch ein Misanthrop hat sein Ego überwunden, aber sich zugleich von den Menschen abgekehrt. So klug und tiefblickend er auch sein mag, zur Weisheit wir er's nicht bringen. Dazu fehlt ihm die Menschenliebe als Ausdruck eines Humanismus, der mit der Wärme besser zum Ausdruck gebracht wird, als mit Glut. Dieser humanistische Gedanke ist ja im "Lehrer" bereits enthalten, auch wenn man sich darüber oft nicht im Klaren ist. Für ein Gedicht, wäre dies eine große Chance, die hier leider verpasst wurde.

"Selbstentzündung"
Altruismus, Zuhören, Verstehen, Besonnenheit, Offenheit, Loslassen, Mut sind alles wunderbare Tugenden, doch berühren sie den Kern der Weisheit nicht. Sie entzünden auch keine Weisheit. Mit ihnen könnte sich wahrscheinlich noch jeder IS-Kandidat identifizieren. Der Kern der sokratischen Weisheit beruht auf der Einsicht in die eigene Unzulänglichkeit: Ich weiß, dass ich nicht weiß.

Grüße
JB
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo anbas,
Dein Sonett ist metrisch sehr gelungen, auch wenn die 2. Zeile hakt (Zuhören erfordert den Dativ, verstehen den Akkusativ, beides in einem Satz zu verbinden ist schwierig). Inhaltlich muss ich im Großen und Ganzen James Blond beipflichten. Glut hat wenig mit Weisheit zu tun, ebenso die Liebe (die ja bekanntlich sehr "unvernünftig" sein kann). Ob man nun Weisheit bekommt (passiv) oder erwirbt (aktiv), ist m.E. dagegen zweitrangig.
Sehr gerne gelesen.
Hermann
 
Hallo Lupenleser,

danke für diese Zeilen. Schön, dass ich dazu inspirieren konnte.

Liebe Grüße

Andreas
Lieber Andreas,

ich freue mich, dass du das lockerer siehst als Walther. Ich habe mich in der Tat von deinem Gedicht inspirieren lassen. Ich war lange in einem Forum, in dem solche gereimten Antwortgedichte üblich und auch Ausdruck einer besonderen Wertschätzung waren.

Lieber James Blond,

Auch ein Misanthrop hat sein Ego überwunden, aber sich zugleich von den Menschen abgekehrt. So klug und tiefblickend er auch sein mag, zur Weisheit wir er's nicht bringen
Doch, ich kenne einen und das ist einer meiner philosophischen Weisheitslehrer: Arthur Schopenhauer.

LG LL Friedhelm
 

James Blond

Mitglied
Lieber Friedhelm,

natürlich, mit Schopenhauer hast Du mich erwischt. Sehr gut! :)

Allerdings verbitterte Schopenhauer erst nach dem Erlangen eines gewissen Weisheitsgrades. Als Philosoph, der das Mitleid über alles stelle, kann man ihn auch später nicht unbedingt als Menschenhasser begreifen, vielmehr als einen abgeklärten Skeptiker.

Gerade in dieser Abgeklärtheit liegt mE tiefere Weisheit begründet, als in allen Eigenschaften, die das Gedicht hier so brav addiert.

Grüße
JB
 

anbas

Mitglied
Ein Stück Weisheit

Das Leben kann dich durchaus weise machen,
wenn du, was es dir zeigen will, verstehst,
und dich nicht ständig um dein Ego drehst,
dann kann die Weisheit auch in dir erwachen.

Doch dazu darfst du nicht durchs Leben rasen.
Nimm dir die Zeit, in der du dich besinnst,
bevor du blindlings irgendwas beginnst.
Verschaff dir darum stets auch stille Phasen.

Es mag dir manch Erkenntnis nicht gefallen,
was dich vielleicht auch mal verzagen lässt.
Dann willst du dich an das Gewohnte krallen,
doch hältst du so nur deinen Stillstand fest.

Sind deine Ängste manchmal auch sehr groß:
Halt inne, hör gut zu, versteh, lass los!
 

anbas

Mitglied
Hallo in die Runde,

habe den erste Vers, der wohl am umstrittensten ist, überarbeitet.

Mir gefällt er so besser - wie seht Ihr es?

Liebe Grüße

Andreas
 

chrissieanne

Mitglied
hey anbas,

hab die reaktionen nicht gelesen. vielleicht wiederholt sich was.
würde im ersten satz das "durchaus" weglassen. und ich finde dein werk zu zeigefingermäßig. weisheitmitlöffelngefressenattetüde schwingt die kelle.
gewohntes halten ist nicht zwangsläufig stillstand. und es gibt keine rezepte fürs leben. finde ich.

herzlichen gruss
chrissieanne
 



 
Oben Unten