Eine Frage zur Betonung

Liebe Mitschreibende

Vielleicht ist dies eine etwas gar banale Frage, aber ich ich benötige hier die Auskunft von Leuten, die muttersprachlich im Hochdeutschen zu Hause sind, da ich mit meinem Berndeutsch diese standardsprachliche Nuance nicht mit letzter Sicherheit erfasse. Wie betont man "Ich bleibe bei dir"? Ich glaube in hochdeutsch geführten Gesprächen immer wieder zwei Varianten zu hören, nämlich
1. Ich bleibe bei dir. (Betonung auf "bei")
2. Ich bleibe bei dir. (Betonung auf "dir")
Im Berndeutschen gibt es eigentlich fast nur die Varinte mit der betonten Präposition: I blybe byder. Es sei denn, man betonte ganz, ganz ausdrücklich das Objekt: I blybe by dir. Wie ist es nun im Hochdeutschen? Sind tatsächlich beide Betonungsvarianten ungefähr gleich üblich (mit allenfalls etwas unterschiedlichem Bedeutungsakzent)?

Herzlichen Dank im Voraus
Bertold
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Bertold,

ich denke mal, bei Sprache geht es immer um Bedeutung - von daher kann man nicht einfach sagen, ob etwas 'gebräuchlich' ist, ohne die Bedeutung zu berücksichtigen.

Z.B. sagt die Mutter zum Kind: Ich bleibe bei Dir - bis Du eingeschlafen bist ...
Oder der Mann zwischen zwei Frauen sagt der einen: Ich bleibe bei Dir ...

Liebe Grüße
Petra
 
Werter Kollege,

das hängt vom genauen Sinn des Satzes ab. Im Normalfall - einer versichert einer anderen Person fortdauerndes Bleiben an ihrer Seite - würde ich stets die Betonung auf bleiben legen. Im Spezialfall der Konkurrenz zweier Personen, bei denen der Sprecher jeweils bleiben könnte, würde ich dir betonen. Ein Fall, in dem ich bei betonen würde, fällt mir jetzt nicht ein.

Die Betonung sollte immer auf dem Wort liegen, das nach dem Sinn des Satzes herausgehoben wird, auf dem also der Schwerpunkt der Aussage liegt. Fall 1 oben: Der Sprecher bekräftigt, dass er bleibt und nicht geht. Fall 2: Er macht deutlich, bei wem er bleibt. Was sollte im Fall 3 mit der Betonung von bei unterstrichen oder somit sonst ausgeschlossen werden? Vor dir, unter dir, hinter dir?

Ich sehe gerade, dass Petra im letzten Fall anderer Meinung ist. Tatsächlich kann man das nicht selten so hören. Ich meine trotzdem, dass diese Betonung sinnwidrig oder sinnfrei ist. Aber ja, ich weiß, Sprache ist nicht immer logisch.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 
Liebe Petra & Arno Abendschön

Vielen Dank - das hilft schon mal. Ja, die Betonung soll grundsätzlich den Sinn des Gesagten unterstreichen. Und ja - die Betonung auf BEI ist nicht wirklich logisch, aber ich bin schon mal froh zu vernehmen, dass "man das nicht selten so hören kann". Das heisst, ich habe mich nicht verhört, es ist durchaus gebräuchlich (wie bei uns im Dialekt). Sprache ist in der Tat nicht immer logisch, stimmt genau... ;-)
Herzlich Bertold
 

petrasmiles

Mitglied
Ich finde es faszinierend, dass wir hier - wo es doch um Regeln geht - unterschiedliche Rückmeldungen haben.
Für mich ein Hinweis, dass jenseits aller Regeln das eigene Sprachempfinden ziemlich wichtig ist.
Ich sehe in dem zweiten Fall das bleiben als eine reine Ich-Botschaft; dem Spartaner mag das genügen ;-) aber dem Gesprächspartner ist es vielleicht eine herzerwärmende Konkretisierung, dass er bei ihr bleibt.

Liebe Grüße
Petra
 
Ich finde es faszinierend, dass wir hier - wo es doch um Regeln geht - unterschiedliche Rückmeldungen haben.
Liebe Petra, ich glaube, die von Abendschön erwähnte Uneinigkeit bezieht sich weder auf Fall 1 noch auf Fall 2 - in diesen beiden Fällen sind wir uns alle drei einig. Er meint vielmehr Fall 3 in seiner Antwort, was meinem Fall 1 entspricht: die Betonung auf BEI. Diese hört man zuweilen, ist aber genau genommen unlogisch. Ich wollte vor allem wissen, ob diese Betonung tatsächlich authentisch hochdeutsch ist oder bloss eine sprachliche Mode (bei uns im Berndeutschen ist sie sogar Standard...).

Abendschön schreibt: Diese Betonung mache für ihn keinen Sinn.
Du schreibst: " Z.B. sagt die Mutter zum Kind: Ich bleibe bei Dir - bis Du eingeschlafen bist ..." Das heisst, die Betonung auf BEI ist für dich nicht störend.

In der Hoffnung, nicht Verwirrung gestiftet, sondern Klarheit geschaffen zu haben, danke ich nochmals für eure hilfreichen Rückmeldungen und verbleibe

mit herzlichem Gruss
Bertold
 
Um nicht in den Ruf eines reinen Dogmatikers zu geraten, melde ich mich noch mal und bekenne etwas: Als ich die Ausgangsfrage gelesen hatte, versuchte ich mir das Klangbild des Beispielsatzes bei meinem Sprechen vorzustellen. (Man muss ihn dazu nicht laut aussprechen, man weiß ja, wie man spricht und kann sich stumm bleibend im Kopf abhören.) Mein erster Eindruck war: Ich würde gar nichts betonen, sondern alle Wörter gleichmäßig deutlich sagen, nicht zu schnell und mit leichtem Nachdruck insgesamt. Vielleicht ist das die vierte Variante: ohne Betonung eines einzelnen Bestandteils, dafür den ganzen Satz gleichmäßig akzentuiert aussprechen.

Von Interesse könnte es sein, wie Praxis und Lehre in Schauspielschulen insofern aussehen. Da müsste es doch Anhaltspunkte geben, wann idealerweise etwas betont wird und wann nicht.

Freundliche Grüße
Arno Abendschön
 



 
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