Eine Ode vor dem Tode

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Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Eine Ode vor dem Tode

Frisch verliebt sitzt Gottfried Richter
(seines Zeichens Blümchendichter)
dicht am See auf einer Wiese,
sucht die Muse, aber diese
lässt mal wieder auf sich warten.
So hat Gottfried schlechte Karten.

Stöhnend rauft er sich die lichten
Haare, denn das hehre Dichten
will ihm einfach nicht gelingen,
so verzweifelt auch sein Ringen.

Da hilft ihm kein Nasepolken,
auch kein Starren in die Wolken.
Tief gefurcht die schmale Stirne,
quält er seine Dichter-Birne.

Schneid‘ verzweifelte Grimassen.
Nein – die Worte woll’n nicht passen.
„Herzensschmerz auf Kerzenlicht!
Himmel-Arsch, das reimt sich nicht!“,
hört man Gottfried lauthals fluchen
und nach neuen Reimen suchen.
Denn er braucht den „Herzensschmerz“,
und so nimmt er „Licht der Kerz‘“.

Gottfried lächelt plötzlich heiter
und er bastelt eifrig weiter.
Endlich fällt ihm etwas ein
Ach – wie schön kann Dichten sein

Gottfried ist nun guter Dinge.
Sie wird staunen, seine Inge.
Lässt die Vöglein jubilieren
und die Blümlein aufmarschieren,
schreibt vom Sommer und von Wärme
und dass nur von ihr er schwärme.

Ganz vertieft in seine Ode
an sein Liebchen, das devote,
merkt er nichts von dem Gebrumm
der Insekten um ihn rum.

Erst als Mücken sich erfrechen
dreist auf Gottfried einzustechen
ist es mit der Reimerei
ein für allemal vorbei.

Diese Biester dreist und lästig
saugen gierig an ihm fest sich.
Und nun spürt er auch das Jucken
all der Stiche von den Mucken.

Er versucht durch wildes Schlagen,
die zu töten, die ihn plagen.
Er springt auf, dreht sich im Kreise
hüpft und tanzt in seltsam’ Weise.
Trampelt auf der Wies‘ umher…
Wespen mögen das nicht sehr.

Denn als Gottfried ungebeten
auf ihr heim'lig Nest getreten,
schwirren sie empor zu Hauf.
Nichts und niemand hält sie auf.

Stachel rein und Stachel raus!
Gottfried hält das nicht mehr aus.
Voller Schmerz und mit Gewimmer
sieht er doch ´nen Hoffnungsschimmer.

Schreiend rennt zum See er hin,
denn es kam ihm in den Sinn
die Erkenntnis (die nicht neu):
Wespen, die sind wasserscheu!

Da! Ein Steg! Im schnellen Lauf
rast er hin – nichts hält ihn auf!
Kühn im Kopfsprung hoch vom Brett
wirft er sich, dass er sich rett´
vor den Biestern. Aber ach!
Dieser See ist tückisch flach.

Obendrein noch tief verschlammt.
Gottfrieds Kopf fest eingerammt
gänzlich in den zähen Schlick.
Nein – da gibt es kein Zurück

Strampelt mit den Beinen heftig,
doch der Gottfried, der nicht kräftig,
schafft es nicht. Nein, er macht schlapp.
Der Modergrund – er wird sein Grab.

Epilog

Glockenblümchen-Zartgebimmel
leitet ihn zu Dichterhimmel.
Schon klopft er ans güldne Tor,
doch ein Wächter steht davor.

Nicht die nette Nachtigall
(die düst irgendwo durchs All)
Auch der coole Lapis Mond,
lieber seine Nerven schont.
Selbst der herzensgute Bernd
hat klammheimlich sich entfernt.

Zetrus hat nen neuen Büttel.
Der schwingt seinen Redak-Knüttel.
„Gottfried!“, dröhnt es – laut und barsch.
„Fahr zur Hölle – Los! Marsch, Marsch!“

Vorm Lyrik-Tor – im noblem Dress -
Inquisitor Jote S.
 

Label

Mitglied
das gefällt mir ausnehmend gut

Trotz der beachtlichen Länge wirkt dein Gedicht auf mich kein bisschen langatmig, es hat Tempo und einen fließenden Rhytmus.
Die Handlung folgt einer stringenten inneren Logik, besonders mit dem Epilog. :D

da
Ganz vertieft in seine Ode
an sein Liebchen, das devote
,
humpelt sowohl Reim als auch Logik

da wäre ein P richtiger
[strike]Z[/strike]Petrus hat nen neuen Büttel.

zwecks Anpassung der Betonung schlage ich hier
Vor dem Lyrik-Tor – im Flügeldress -
Inquisitor Jote S.

vor

liebe Grüße
Label
 
O

orlando

Gast
Schreib über das, was du kennst!
Auf`s Schönste bewahrheitet sich hier eine Signatur, die Wahres wahrhaft lehrreich ausspricht. :)
Ein umwerfend komisches Gedicht, mit Schmankerln en masse.
Besonders gelungen finde ich die Zeder-Petrus-Kombination: Da muss man erstmal druffkommen!
Und natürlich wirken die Charakteristika der User und Kollegen extrem überzeugend.
Kurzum: Forenquark grandioso!
Lautlachende Grüße
orlando
 
J

justooktavio

Gast
wie schön kann Dichten sein...
ach, wie wahr...
sehr belustigend. Des Henkers schneide fällt hoffentlich nicht sein urteil, das reich der erfüllung solle ihm verwehrt bleiben?
Nun, bei oben erwähntem sei von meiner seite gesagt:
wie schön kann Dichtung sein
wäre meine wahl gewesen :)
grüßt
Justo
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Label,

Trotz der beachtlichen Länge wirkt dein Gedicht auf mich kein bisschen langatmig, es hat Tempo und einen fließenden Rhythmus.
Na, wenn das nicht herunter geht wie erlesenes Rosenöl. Vielen Dank. Wenn mir ein Leser bescheinigt, mein Text wäre nicht langatmig, ist das für mich schon die halbe Miete.

Ganz vertieft in seine Ode
an sein Liebchen, das devote,

humpelt sowohl Reim als auch Logik
Uff – hier musst Du mir helfen. Wo rumpelt der Reim? Sind die Silben „vote“ und „Ode“ wirklich nur ein Reim-Rumpel-Paar? Mag sein – ich bin in der Dichterei alles andere als firm.
Auch kann ich keine mangelnde Logik entdecken. Würde man den Satz in einem Prosa-Text lesen, sähe er so aus:
„ Ganz vertieft in seine Ode an sein Liebchen, das devote, merkt er nichts von dem Gebrumm der Insekten um ihn rum.“

Man würde mich zwar zu Recht einer bescheuerten Satzstellung bezichtigen, aber wo mangelt es hier an Logik? Gottfrieds damalige Freundin war wirklich ausgesprochen devot. Das weiß ich aus erster Quelle. Und dass das Wort „devot“ nichts mit Sex zu tun haben muss, sondern unter anderem für „demütig“, „untertänig“ oder „kniefällig“ steht, dürfte auch heute noch allgemein geläufig sein – auch wenn das Wort ein wenig angestaubt ist. Gottfried schwärmt also von einer Frau, an der er deren Demut schätzt – soll es schon gegeben haben.

da wäre ein P richtiger
[strike]Z[/strike]Petrus hat nen neuen Büttel.
Ja, der Gedanke drängt sich auf. Natürlich hat Petrus im richtigen Himmel das Sagen. In einem der mannigfaltigen Dichterhimmel ist das anders. Dort schwingt Zetrus das Zepter. Es handelt sich dabei um eine alt-römische, aber wenig bekannte Gottheit, und die starke phonetische Ähnlichkeit zu Petrus ist rein zufällig. Übrigens – die alten Germanen haben diesen Namen ziemlich verballhornt und „Zeder“ draus gemacht. Dafür kann ich aber nichts.

zwecks Anpassung der Betonung schlage ich hier
Vor dem Lyrik-Tor – im Flügeldress -
Inquisitor Jote S.
vor
Diesen sicherlich ernst und gut gemeinten Ratschlag darf ich nicht annehmen. Zwar ist diese vorletzte Zeile - soweit ich das richtig überblicke - die einzige, die nicht mit einer Hebung beginnt, aber bei deinem Vorschlag wären es, um beim Sprechen im Rhythmus zu bleiben, gleich zwei unbetonte Silben am Anfang.
Und des Weiteren könnte ich mit dem Flügeldress erhebliche Probleme bekommen. Die Wahrscheinlichkeit wäre groß, mir vom „Inquisitor“ eine Klage einzufangen. Schau dir mal sein Konterfei an. Der düst doch nicht mit Flügeln durch die Welt.

Nochmals besten Dank für deinen netten Kommentar und liebe Grüße
Vom Ralph.
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Orlando,

herzlichen Dank für deinen Kommentar.

Ein umwerfend komisches Gedicht, mit Schmankerln en masse.
Als ich das las, hättest Du mal sehen sollen, wie meine Ohren aufglühten. Da kam nicht mal die Schreibtischlampe dagegen an. Dieses Lob hebe ich mir gut auf – für die Tage, wo ich für den Rest meines Lebens von den Erinnerungen zehren muss.

Und natürlich wirken die Charakteristika der User und Kollegen extrem überzeugend.
Tatsächlich? Lass diese Erkenntnis aber unter uns bleiben. Muss ja keiner wissen.

Einen dankbaren Gruß sendet
Ralph, der immer noch die Ohren mittels feuchtem Handtuch kühlt.
 
O

orlando

Gast
... Schau dir mal sein Konterfei an. Der düst doch nicht mit Flügeln durch die Welt.
Dem möchte ich vehement widersprechen!
Die im Foto des Redaktionsmitgliedes angegebene (aufwärtstrebende) Umsatzkurve stellt nichts anderes als seinen rechter Flügel dar, freilich in zeitgenössisch-abstrahierter Form. Den linken trägt er eingeklappt. -
Bereits im Nibelungenlied gibt es zahlreiche Hinweise auf den Ersehnten:
...
Jetzt tritt er aus dem Jenseits, wo man schon wartend steht:
Zum Engel kürt man diesmal den JoteS diskret.
In Wärme ihm zu danken erhofft sich manche Maid,
weil er, vorangefochten, bereinigt jeden Streit.

:)
Vielleicht möchtest du deine Auffassung noch einmal überdenken?
Empörte Grüße
orlando
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Justo,

vielen Dank für deine Reaktion. Du schreibst:

wie schön kann Dichtung sein
________________________________________
wäre meine wahl gewesen

"Dichtung" - das hat etwas Erhabenes, das mich vor Ehrfurcht erschauern lässt.
Wenn ich das, was Blümchendichter Gottfried zu Papier gebracht hat, als Dichtung bezeichnet hätte, wäre der arme Kerl sicherlich hocherfreut gewesen. Doch das wäre zuviel der Ehre. Sowohl Gottfried als auch derjenige, der die Zeilen über sein tragisches Ableben geschrieben hat - das sind simple Reimer.

Gruß Ralph
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Oh Orlando,

ich bitte kniefälligst um Verzeihung. Die aufwärts strebende Umsatzkurve hielt ich in meiner Einfalt lediglich für den Teil eines Bogens, der das Himmelstor bildet. Hatte doch keine Ahnung, dass Umsatzkurven so steil sein können. Dass sie in dieser Form so Manchem tatsächlich vermeintliche Flügel verleihen können, fällt mir auch erst jetzt ein. Hm – wie komme ich in diesem Zusammenhang auf Ikarus?

Übrigens – das Zitat aus dem Nibelungenlied wäre vielleicht einer Aufarbeitung wert. Aber das könnte dann nur dein Bier äh Drachenblut sein.

So, jetzt mache ich Schluss, sonst muss ich mich noch selbst ausblenden.

Devote Grüße von
Ralph
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Ralph,

Deine Verse, mit Spannung bis zum Schluss verfolgt, haben mich lauthals zum brüllenden Gelächter bewogen! Ich bin hoffnungslos begeistert.

Lieben Gruß,

Elke
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
:D ... ich würde ja mindestens eine 9 vergeben aber dann hielte man mich für eitel.

Super gemacht!

Gruss

Jürgen

P.S.: Barsch? Toller Hecht!
 



 
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