Lieber Ixo,
Meine Bemerkung bezieht sich auf folgende Passage in deinen ersten Text:
Während der Nazizeit hätte man diesen Instinkt wohl als fehlgeleitet oder „entartet“ betrachtet. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Elli auch dann geholfen hätte, wenn man mir erklärt hätte, so etwas wie sie sei gar kein Mensch, der das Recht habe, auf Kosten anderer zu vegetieren. Vielleicht hätte ich damals auch niemanden gefragt, wohin sie denn so plötzlich verschwunden sei, wenn sie abgeholt worden wäre.
Wenn man es ganz genau nimmt, und so genau habe ich es nicht genommen, dann wird in der Bemerkung ob ich Elli auch dann geholfen hätte (das dann bezieht sich auf die Nazizeit) nicht die Tatsache berücksichtigt, dass der Ich-Erzähler ja nur ein kleiner Bub in einem Kindergarten war. Er wäre wahrscheinlich von den politischen Zuständen gar nicht so betroffen.
Ich habe also deine Bemerkung verallgemeinert. Jetzt gilt es, das Verhalten gegenüber Behinderte in der Nazizeit, allgemein zu untersuchen, und der Ich-Erzähler, jetzt nicht mehr ein kleiner Bub, fragt sich, ob er entartete Menschen, Menschen die nur auf Kosten anderer vegetieren, geholfen hätte.
Diese Frage zu beantworten bedeutet den Ich-Erzähler, der die Frage macht, zurück in die Nazizeit zu transportieren, und dies habe ich unrealistisch genannt, denn, wenn du (der Ich-Erzähler natürlich) in der Nazizeit geboren wärest, dann wärest du nicht du, und hättest wahrscheinlich diese Frage gar nicht gestellt. Habe ich es jetzt deutlicher formuliert, oder eher das Gegenteil?
Den Rest deines Kommentars ist viel wichtiger als das was ich oben gesagt habe, aber ich weiß nicht richtig wie ich es kurz sagen kann. Es gibt so etwas wie Humanismus, d.h. der Mensch wird, wie du es sagst, geschätzt, oder, der Mensch ist gut, oder auch man liebt ihn. Welche Version benutzt wird ist eigentlich unwichtig. Ich persönlich liebe die Schönheit, also sage ich: der Mensch ist schön. Jedenfalls, der Mensch ist nicht der Wolf des Menschen.
Über die Gnade der späten Geburt, ein von Kohl verwendeter Begriff, um sich von Schuldgefühlen frei zu machen, darüber können wir später mal diskutieren. Das wird sonst hier zu viel. Im Voraus kann ich aber schon sagen, dass ich persönlich, mit dem Wort Schuld, nicht viel anfangen kann.
Claudio