Emily und das Eichhörnchen

4,50 Stern(e) 8 Bewertungen

Haendel

Mitglied
Emily und das Eichhörnchen

Es war November geworden und der Nebel hing kalt und feucht zwischen den Bäumen. Es roch würzig nach Harz und modrig nach vergangenem Laub. Bald würde es Winter werden. Emily ging in Richtung des alten Forsthauses und spähte unter jeden Haselnussstrauch, der am Weg wuchs. Nichts. Sie sah in ihren Weidenkorb und eine kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn. Zwei kleine schwarze Haselnüsse kullerten verloren im Korb herum.
Hinter den Sträuchern fing der Wald an. Auf beiden Seiten des Weges standen die Bäume mit erhobenen Ästen dicht zusammen. Zwischen den kräftigen, knorrigen Stämmen mit ihrer rissigen Rinde verlor sich der Blick im Dunkeln. Die Bäume standen wie Säulen vor schwarzen Höhleneingängen, die ins Innere des Waldes führen. Emily schaute in die unheimlichen Schatten und fröstelte.
Plötzlich bemerkte Emily einen hellen Schimmer zwischen zwei dicken Eichenstämmen und ein schmaler Pfad, den sie niemals zuvor bemerkt hatte, schlängelte sich ins Halbdunkel. Emily atmete tief durch und schlich vorsichtig – Schritt für Schritt – den unscheinbaren Pfad entlang. Sie hielt ihren Korb mit beiden Händen fest und trat bei jedem Schritt vorsichtig auf, um kein Geräusch zu machen. Es wurde heller und die Bäume öffneten sich zu einer kleinen Lichtung, auf der sich kleine und große Pilze zu sonderbaren Hexenringen versammelt hatten. Am Rand der Lichtung stand ein alter Haselnussstrauch, dessen moosbehangene Äste wie gespenstische Finger in die Nebelschwaden stachen. Emily ging näher und sah wenige goldbraune Kugeln unter dem Strauch auf der Erde liegen. Emily bückte sich tief unter die Zweige und streckte die Hand nach der ersten Haselnuss aus, als eine hohe Stimme rief: „Finger weg von meinen Nüssen!“.
Emily hielt in der Bewegung inne und blickte sich vorsichtig um. Über ihr in den Zweigen ihr turnte ein zierliches Wesen mit rotbraunem Fell und einem buschigen Schwanz herum. Einen Augenblick später saß das Wesen vor ihr. Es hatte kleine rothaarige Pinsel an den Ohren und am rostfarbenen Schwanz wippte eine schwarze Fellspitze hin und her.
„Das sind meine Nüsse!“, sagte das Wesen. „Ich habe sie zuerst gesehen.“
„So siehst Du aus!“, sagte Emily. „Wer bist du überhaupt?“
“Du erkennst nicht einmal ein Eichhörnchen, wenn es direkt vor Dir sitzt, oder?“, fragte das Eichhörnchen.
„Eichhörnchen können nicht sprechen“, sagte Emily.
„Ich spreche solange und so viel ich will“, erwiderte das Eichhörnchen, „und vergreif Dich nicht an meinen Nüssen. Ich verschrumpfe Dich zu einer Hexenzwiebel!“ Das Eichhörnchen kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, beugte sich vor und blinzelte Emily an. Emily sah das pelzige Geschöpf an und überlegte einen Moment. „Du spinnst!“, sagte sie, hielt die Luft an und griff mit einer schnellen Bewegung eine große Nuss. Das Eichhörnchen schien wie erstarrt. Nichts geschah.
„Mist!“, sagte es und ließ sich auf die Hinterpfoten sinken.
„Was ist eine Hexenzwiebel?“, fragte Emily vorsichtig.
„Keine Ahnung“, sagte das Eichhörnchen und fing an zu kichern. „Das fiel mir gerade so ein.“ Jetzt musste auch Emily lachen.
„Wieso kannst Du sprechen?“, fragte Emily.
„Ich habe es von Mama gelernt und ihr hat es der alte Förster beigebracht, als sie noch klein war. Wir wohnen in unserem Kobel unter dem Dach des alten Forsthauses.“ Das Eichhörnchen schwieg einen Moment. „Aber dort war schon lange kein Mensch mehr. Das Haus steht verlassen.“
Emily sah auf die glänzende braune Haselnuss in ihrer Hand. „Ich brauche die Haselnüsse für die Schule“, sagte Emily. „Wir machen ein Herbstbild und kleben Blätter, Eicheln und andere Sachen auf die Leinwand. Ich soll Haselnüsse für das Bild sammeln. Ich habe leider etwas herumgetrödelt. Es wird total peinlich, wenn ich als Einzige aus unserer Klasse nichts gefunden habe.“ Das Eichhörnchen blickte auf die beiden schwarzen Nüsse in Emilys Korb und sah mitleidig zu Emily auf. “Die sehen aber gar nicht gut aus und essen kann man sie auch nicht mehr.“ Das Eichhörnchen schwieg einen Moment. „Wir sammeln Nüsse zum Essen“, sagte es. „Mama wird ganz schön sauer sein, wenn ich nichts nachhause bringe. Wenn wir jetzt schon etwas vom Wintervorrat nehmen müssen, haben wir später nichts mehr, wenn es überall verschneit und gefroren ist.“
Beide sahen auf die Nüsse am Boden. „Vielleicht reichen sie für uns beide“, sagte Emily hoffnungsvoll und begann zu zählen. „Wir haben elf Nüsse“, sagte sie.
„Das reicht uns nur eine Woche“, sagte das Eichhörnchen, „und ich habe jetzt schon solchen Hunger.“
„Vielleicht finden wir zusammen noch welche“, schlug Emily vor. Das Eichhörnchen schüttelte traurig den Kopf. „Ich habe schon den ganzen Wald abgesucht. Das sind die Letzten in diesem Jahr.“
Emily schüttelte die Nuss in ihrer Hand. Es gab einen leisen dumpfen Klang und Emily fühlte den großen Kern im Inneren. „Das klingt aber lecker“, sagte das Eichhörnchen. Emily hielt dem Eichhörnchen die Nuss hin. „Bitte!“ Geschickt nahm das Eichhörnchen die Nuss zwischen die Pfoten. Ein Biss und die Schale zersprang mit einem kräftigen Knacken in zwei Hälften. Ein dicker brauner Kern kullerte heraus. Das Eichhörnchen machte sich gierig über den Kern her, während Emily die beiden Schalenhälften aufhob und von allen Seiten betrachtete. Die Hälften passten nahtlos zusammen.
„Eigentlich brauche ich nur die Schalen“, murmelte Emily halblaut. Das Eichhörnchen sah Emily an. „Ich kann die Schalenhälften für das Bild wieder zusammenkleben“, erklärte Emily. „Die Kerne brauche ich nicht. Die kannst Du haben.“ Das Eichhörnchen nickte begeistert. „Ich bin richtig gut im Nüsse Aufknacken“, sagte es. „Du musst die Kerne aber zu unserem Versteck bringen, sonst werden sie nass und man kann sie am nächsten Tag nicht mehr essen. Außerdem musst Du mir versprechen, dass Du niemandem von uns und unserem Versteck im Forsthaus erzählst.“
„Ehrenwort“, sagte Emily und sammelte die Nüsse ein. Das Eichhörnchen knackte die Schalen geschickt auf und Emily stapelte die zusammengehörenden Hälften sorgfältig ineinander. „Damit ich die zueinander passenden Hälften später wiederfinde“, erklärte sie. Dann legte Emily alle Kerne und Schalen in den Korb. Als Letztes setzte sie das Eichhörnchen vorsichtig dazu. Es schaute über den Rand, als Emily den Korb bis zum alten Forsthaus trug. Das Eichhörnchen zeigte Emily ein winziges Loch oben an einer Holzwand des Hauses. Emily stellte sich auf die Zehenspitzen und steckte Nuss für Nuss in die kleine Öffnung.
„Vielleicht sehen wir uns nächstes Jahr wieder“, sagte das Eichhörnchen, „und Du erzählst mir, wie Euer Bild geworden ist. Jetzt muss ich Mama von unserer Geschichte und den Haselnüsschen erzählen und dann bereiten wir uns auf die Winterruhe vor.“
„Ich wünsche Euch alles Gute, Schlaft gut! Ich werde bestimmt niemandem von Euch erzählen“, sagte Emily. Sie winkte dem Eichhörnchen noch einmal zu und trug den Korb mit den Nussschalen vorsichtig nach Haus. Am Schreibtisch in ihrem Kinderzimmer klebte sie alle Hälften sorgfältig wieder zusammen und niemand würde bemerken, dass die Nüsse in Wirklichkeit hohl waren.
Bald fing es an zu schneien. Emily dachte oft an das Eichhörnchen, dass mit sei-ner Familie zusammengerollt irgendwo in ihrem Nest unter dem Dach des alten Forsthauses schlief.
An einem Sonntagmorgen kurz vor Ostern schien die Sonne warm und freundlich in Emilys Zimmer. Auf der Terrasse hatte Mutter den Frühstückstisch gedeckt. Emilys kleiner Bruder Jan saß am Tisch und schlürfte Kakao. Emily setzt sich dazu und genoss die Sonnenstrahlen. „Ein Eichhörnchen!“, rief Jan, verschüttete etwas Kakao und zeigte aufgeregt auf den Rasen. Dort saß ein zierliches rotbraunes Eichhörnchen mit einem buschig erhobenen Schwanz und einer kleinen schwarzen Fellspitze am Ende. Es schaute Emily direkt an und zwinkerte zwei Mal mit beiden Augen. Dann hüpfte es mit wenigen Sprüngen in Richtung des alten Kirschbaums. Es sah noch einmal zurück und verschwand schließlich mit einem Satz hinter dem Stamm der alten Kirsche.
„Warum lächelst du, Emily?“, fragte die Mutter und trat auf die Terrasse.
„Ach, nichts“, sagte Emily. „Ich habe Appetit auf etwas Nussiges, Mama. Gib‘ mir bitte das Nutella. Und nachher mache ich einen Waldspaziergang.“


Ende
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Haendel, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von hera

Redakteur in diesem Forum
 

Haendel

Mitglied
Emily und das Eichhörnchen

Es war November geworden und der Nebel hing kalt und feucht zwischen den Bäumen. Es roch würzig nach Harz und modrig nach vergangenem Laub. Bald würde es Winter werden. Emily ging in Richtung des alten Forsthauses und spähte unter jeden Haselnussstrauch, der am Weg wuchs. Nichts. Sie sah in ihren Weidenkorb und eine kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn. Zwei kleine schwarze Haselnüsse kullerten verloren im Korb herum.
Hinter den Sträuchern fing der Wald an. Auf beiden Seiten des Weges standen die Bäume mit erhobenen Ästen dicht zusammen. Zwischen den kräftigen, knorrigen Stämmen mit ihrer rissigen Rinde verlor sich der Blick im Dunkeln. Die Bäume standen wie Säulen vor schwarzen Höhleneingängen, die ins Innere des Walds führen. Emily schaute in die Schatten und fröstelte.
Plötzlich bemerkte Emily einen hellen Schimmer zwischen zwei dicken Eichenstämmen und ein schmaler Pfad, den sie niemals zuvor bemerkt hatte, schlängelte sich ins Halbdunkel. Emily atmete tief durch und schlich vorsichtig – Schritt für Schritt – den unscheinbaren Pfad entlang. Sie hielt ihren Korb mit beiden Händen fest und trat bei jedem Schritt vorsichtig auf, um kein Geräusch zu machen. Es wurde heller und die Bäume öffneten sich zu einer kleinen Lichtung, auf der sich kleine und große Pilze zu sonderbaren Hexenringen versammelt hatten. Am Rand der Lichtung stand ein alter Haselnussstrauch, dessen moosbehangenen Äste wie gespenstische Finger in die Nebelschwaden stachen. Emily ging näher und sah einige goldbraune Kugeln unter dem Strauch auf der Erde liegen. Emily bückte sich tief unter die Zweige und streckte die Hand nach der ersten Haselnuss aus, als eine hohe Stimme rief: „Finger weg von meinen Nüssen!“.
Emily hielt in der Bewegung inne und blickte sich vorsichtig um. Über ihr in den Zweigen turnte ein zierliches Wesen mit rotbraunem Fell und einem buschigen Schwanz herum. Einen Augenblick später saß das Wesen vor ihr. Es hatte kleine rothaarige Pinsel an den Ohren und am rostfarbenen Schwanz wippte eine schwarze Fellspitze hin und her.
„Das sind meine Nüsse!“, sagte das Wesen. „Ich habe sie zuerst gesehen.“
„So siehst Du aus!“, sagte Emily. „Wer bist du überhaupt?“
“Du erkennst nicht einmal ein Eichhörnchen, wenn es direkt vor Dir sitzt, oder?“, fragte das Eichhörnchen.
„Eichhörnchen können nicht sprechen“, sagte Emily.
„Ich spreche solange und so viel ich will“, erwiderte das Eichhörnchen, „und vergreif Dich nicht an meinen Nüssen. Ich verschrumpfe Dich zu einer Hexenzwiebel!“ Das Eichhörnchen kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, beugte sich vor und blinzelte Emily an. Emily sah das pelzige Geschöpf an und überlegte einen Moment. „Du spinnst!“, sagte sie, hielt die Luft an und griff mit einer schnellen Bewegung eine große Nuss. Das Eichhörnchen schien wie erstarrt. Nichts geschah.
„Mist!“, sagte es und ließ sich auf die Hinterpfoten sinken.
„Was ist eine Hexenzwiebel?“, fragte Emily vorsichtig.
„Keine Ahnung“, sagte das Eichhörnchen und fing an zu kichern. „Das fiel mir gerade so ein.“ Jetzt musste auch Emily lachen.
„Wieso kannst Du sprechen?“, fragte Emily.
„Ich habe es von Mama gelernt und ihr hat es der alte Förster beigebracht, als sie noch klein war. Wir wohnen in unserem Kobel unter dem Dach des alten Forsthauses.“ Das Eichhörnchen schwieg einen Moment. „Aber dort war schon lange kein Mensch mehr. Das Haus steht verlassen.“
Emily sah auf die glänzende braune Nuss in ihrer Hand. „Ich brauche die Haselnüsse für die Schule“, sagte Emily. „Wir machen ein Herbstbild und kleben Blätter, Eicheln und andere Sachen auf die Leinwand. Ich soll Haselnüsse für das Bild sammeln. Ich habe leider etwas herumgetrödelt. Es wird richtig peinlich, wenn ich als Einzige aus unserer Klasse nichts gefunden habe.“ Das Eichhörnchen blickte auf die beiden schwarzen Nüsse in Emilys Korb und sah mitleidig zu ihr auf. “Die sehen aber gar nicht gut aus und essen kann man sie auch nicht mehr.“ Das Eichhörnchen schwieg einen Moment. „Wir sammeln Nüsse zum Essen“, sagte es. „Mama wird ganz schön sauer sein, wenn ich nichts nachhause bringe. Wenn wir jetzt schon etwas vom Wintervorrat nehmen müssen, haben wir später nichts mehr, wenn es überall verschneit und gefroren ist.“
Beide sahen auf die Nüsse am Boden. „Vielleicht reichen sie für uns beide“, sagte Emily hoffnungsvoll und begann zu zählen. „Wir haben elf Nüsse“, sagte sie.
„Das reicht uns nur eine Woche“, sagte das Eichhörnchen, „und ich habe jetzt schon solchen Hunger.“
„Vielleicht finden wir zusammen noch welche“, schlug Emily vor. Das Eichhörnchen schüttelte traurig den Kopf. „Ich habe schon den ganzen Wald abgesucht. Das sind die Letzten in diesem Jahr.“
Emily schüttelte die Nuss in ihrer Hand. Es gab einen leisen dumpfen Klang und Emily fühlte den großen Kern im Inneren. „Das klingt aber lecker“, sagte das Eichhörnchen. Emily hielt dem Eichhörnchen die Nuss hin. „Bitte!“ Geschickt nahm das Eichhörnchen die Nuss zwischen die Pfoten. Ein Biss und die Schale zersprang mit einem kräftigen Knacken in zwei Hälften. Ein dicker brauner Kern kullerte heraus. Das Eichhörnchen machte sich gierig über den Kern her, während Emily die beiden Schalenhälften aufhob und von allen Seiten betrachtete. Die Hälften passten nahtlos zusammen.
„Eigentlich brauche ich nur die Schalen“, murmelte Emily halblaut. Das Eichhörnchen sah Emily an. „Ich kann die Schalenhälften für das Bild wieder zusammenkleben“, erklärte Emily. „Die Kerne brauche ich nicht. Die kannst Du haben.“ Das Eichhörnchen nickte begeistert. „Ich bin richtig gut im Nüsse Aufknacken“, sagte es. „Du musst die Kerne aber zu unserem Versteck bringen, sonst werden sie nass und man kann sie am nächsten Tag nicht mehr essen. Außerdem musst Du mir versprechen, dass Du niemandem von uns und unserem Versteck im Forsthaus erzählst.“
„Ehrenwort“, sagte Emily und sammelte die Nüsse ein. Das Eichhörnchen knackte die Schalen geschickt auf und Emily stapelte die zusammengehörenden Hälften sorgfältig ineinander. „Damit ich die passenden Hälften später wiederfinde“, erklärte sie. Dann legte Emily alle Kerne und Schalen in den Korb. Als Letztes setzte sie das Eichhörnchen vorsichtig dazu. Es schaute über den Rand, als Emily den Korb bis zum alten Forsthaus trug. Das Eichhörnchen zeigte Emily ein winziges Loch oben an einer Holzwand des Hauses. Emily stellte sich auf die Zehenspitzen und steckte Nuss für Nuss in die kleine Öffnung.
„Vielleicht sehen wir uns nächstes Jahr wieder“, sagte das Eichhörnchen, „und Du erzählst mir, wie Euer Bild geworden ist. Jetzt muss ich Mama von unserer Geschichte und den Nüssen erzählen. Dann bereiten wir uns auf die Winterruhe vor.“
„Ich wünsche Euch Alles Gute, Schlaft gut! Ich werde bestimmt niemandem von Euch erzählen“, sagte Emily. Sie winkte dem Eichhörnchen noch einmal zu und trug den Korb mit den Nussschalen vorsichtig nach Haus. Am Schreibtisch in ihrem Kinderzimmer klebte sie alle Hälften sorgfältig wieder zusammen und niemand würde bemerken, dass die Nüsse in Wirklichkeit hohl waren.
Bald fing es an zu schneien. Emily dachte oft an das Eichhörnchen, dass mit sei-ner Familie zusammengerollt irgendwo in ihrem Nest unter dem Dach des alten Forsthauses schlief.
An einem Sonntagmorgen kurz vor Ostern schien die Sonne warm und freundlich in Emilys Zimmer. Auf der Terrasse hatte Mutter den Frühstückstisch gedeckt. Emilys kleiner Bruder Jan saß am Tisch und schlürfte Kakao. Emily setzt sich dazu und genoss die Sonnenstrahlen. „Ein Eichhörnchen!“, rief Jan, verschüttete etwas Kakao und zeigte aufgeregt auf den Rasen. Dort saß ein zierliches rotbraunes Eichhörnchen mit einem buschig erhobenen Schwanz und einer kleinen schwarzen Fellspitze am Ende. Es schaute Emily an und zwinkerte zwei Mal mit beiden Augen. Dann hüpfte es mit wenigen Sprüngen in Richtung des alten Kirschbaums. Es sah noch einmal zurück und verschwand schließlich mit einem Satz hinter dem Stamm der alten Kirsche.
„Warum lächelst du, Emily?“, fragte Mutter und trat auf die Terrasse.
„Ach, nichts“, sagte Emily. „Ich habe Appetit auf etwas Nussiges, Mama. Gib‘ mir bitte das Nutella. Und nachher mache ich einen Waldspaziergang.“


Ende
 

Annette Paul

Mitglied
Hallo Haendel,

eine süße Geschichte, die mir sehr gefallen hat. - Im ersten Drittel habem mich die vielen Emilys gestört. Ein paar kann man bestimmt mit sie tauschen.

Viele Grüße
Annette
 

Haendel

Mitglied
Emily und das Eichhörnchen

Es war November geworden und der Nebel hing kalt und feucht zwischen den Bäumen. Es roch würzig nach Harz und modrig nach vergangenem Laub. Bald würde es Winter werden. Emily ging in Richtung des alten Forsthauses und spähte unter jeden Haselnussstrauch, der am Weg wuchs. Nichts. Sie sah in ihren Weidenkorb und eine kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn. Zwei kleine schwarze Haselnüsse kullerten verloren im Korb herum.
Hinter den Sträuchern fing der Wald an. Auf beiden Seiten des Weges standen die Bäume mit erhobenen Ästen dicht zusammen. Zwischen den kräftigen, knorrigen Stämmen mit ihrer rissigen Rinde verlor sich der Blick im Dunkeln. Die Bäume standen wie Säulen vor schwarzen Höhleneingängen, die ins Innere des Walds führen. Emily schaute in die Schatten und fröstelte.
Plötzlich bemerkte sie einen hellen Schimmer zwischen zwei dicken Eichenstämmen und ein schmaler Pfad, den sie niemals zuvor bemerkt hatte, schlängelte sich ins Halbdunkel. Sie atmete tief durch und schlich vorsichtig – Schritt für Schritt – den unscheinbaren Pfad entlang. Sie hielt ihren Korb mit beiden Händen fest und trat bei jedem Schritt vorsichtig auf, um kein Geräusch zu machen. Es wurde heller und die Bäume öffneten sich zu einer kleinen Lichtung, auf der sich kleine und große Pilze zu sonderbaren Hexenringen versammelt hatten. Am Rand der Lichtung stand ein alter Haselnussstrauch, dessen moosbehangenen Äste wie gespenstische Finger in die Nebelschwaden stachen. Emily ging näher und sah einige goldbraune Kugeln unter dem Strauch auf der Erde liegen. Sie bückte sich tief unter die Zweige und streckte die Hand nach der ersten Haselnuss aus, als eine hohe Stimme rief: „Finger weg von meinen Nüssen!“.
Emily hielt in der Bewegung inne und blickte sich vorsichtig um. Über ihr in den Zweigen turnte ein zierliches Wesen mit rotbraunem Fell und einem buschigen Schwanz herum. Einen Augenblick später saß das Wesen vor ihr. Es hatte kleine rothaarige Pinsel an den Ohren und am rostfarbenen Schwanz wippte eine schwarze Fellspitze hin und her.
„Das sind meine Nüsse!“, sagte das Wesen. „Ich habe sie zuerst gesehen.“
„So siehst Du aus!“, sagte Emily. „Wer bist du überhaupt?“
“Du erkennst nicht einmal ein Eichhörnchen, wenn es direkt vor Dir sitzt, oder?“, fragte das Eichhörnchen.
„Eichhörnchen können nicht sprechen“, sagte Emily.
„Ich spreche solange und so viel ich will“, erwiderte das Eichhörnchen, „und vergreif Dich nicht an meinen Nüssen. Ich verschrumpfe Dich zu einer Hexenzwiebel!“ Das Eichhörnchen kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, beugte sich vor und blinzelte Emily an. Emily sah das pelzige Geschöpf an und überlegte einen Moment. „Du spinnst!“, sagte sie, hielt die Luft an und griff mit einer schnellen Bewegung eine große Nuss. Das Eichhörnchen schien wie erstarrt. Nichts geschah.
„Mist!“, sagte es und ließ sich auf die Hinterpfoten sinken.
„Was ist eine Hexenzwiebel?“, fragte Emily vorsichtig.
„Keine Ahnung“, sagte das Eichhörnchen und fing an zu kichern. „Das fiel mir gerade so ein.“ Jetzt musste auch Emily lachen.
„Wieso kannst Du sprechen?“, fragte sie.
„Ich habe es von Mama gelernt und ihr hat es der alte Förster beigebracht, als sie noch klein war. Wir wohnen in unserem Kobel unter dem Dach des alten Forsthauses.“ Das Eichhörnchen schwieg einen Moment. „Aber dort war schon lange kein Mensch mehr. Das Haus steht verlassen.“
Emily sah auf die glänzende braune Nuss in ihrer Hand. „Ich brauche die Haselnüsse für die Schule“, sagte sie. „Wir machen ein Herbstbild und kleben Blätter, Eicheln und andere Sachen auf die Leinwand. Ich soll Haselnüsse für das Bild sammeln. Ich habe leider etwas herumgetrödelt. Es wird richtig peinlich, wenn ich als Einzige aus unserer Klasse nichts gefunden habe.“ Das Eichhörnchen blickte auf die beiden schwarzen Nüsse in Emilys Korb und sah mitleidig zu ihr auf. “Die sehen aber gar nicht gut aus und essen kann man sie auch nicht mehr.“ Das Eichhörnchen schwieg einen Moment. „Wir sammeln Nüsse zum Essen“, sagte es. „Mama wird ganz schön sauer sein, wenn ich nichts nachhause bringe. Wenn wir jetzt schon etwas vom Wintervorrat nehmen müssen, haben wir später nichts mehr, wenn es überall verschneit und gefroren ist.“
Beide sahen auf die Nüsse am Boden. „Vielleicht reichen sie für uns beide“, sagte Emily hoffnungsvoll und begann zu zählen. „Wir haben elf Nüsse“, sagte sie.
„Das reicht uns nur eine Woche“, sagte das Eichhörnchen, „und ich habe jetzt schon solchen Hunger.“
„Vielleicht finden wir zusammen noch welche“, schlug Emily vor. Das Eichhörnchen schüttelte traurig den Kopf. „Ich habe schon den ganzen Wald abgesucht. Das sind die Letzten in diesem Jahr.“
Emily schüttelte die Nuss in ihrer Hand. Es gab einen leisen dumpfen Klang und sie fühlte den großen Kern im Inneren. „Das klingt aber lecker“, sagte das Eichhörnchen. Emily hielt dem Eichhörnchen die Nuss hin. „Bitte!“ Geschickt nahm das Eichhörnchen die Nuss zwischen die Pfoten. Ein Biss und die Schale zersprang mit einem kräftigen Knacken in zwei Hälften. Ein dicker brauner Kern kullerte heraus. Das Eichhörnchen machte sich gierig über den Kern her, während Emily die beiden Schalenhälften aufhob und von allen Seiten betrachtete. Die Hälften passten nahtlos zusammen.
„Eigentlich brauche ich nur die Schalen“, murmelte sie halblaut. Das Eichhörnchen sah Emily an. „Ich kann die Schalenhälften für das Bild wieder zusammenkleben“, erklärte Emily. „Die Kerne brauche ich nicht. Die kannst Du haben.“ Das Eichhörnchen nickte begeistert. „Ich bin richtig gut im Nüsse Aufknacken“, sagte es. „Du musst die Kerne aber zu unserem Versteck bringen, sonst werden sie nass und man kann sie am nächsten Tag nicht mehr essen. Außerdem musst Du mir versprechen, dass Du niemandem von uns und unserem Versteck im Forsthaus erzählst.“
„Ehrenwort“, sagte Emily und sammelte die Nüsse ein. Das Eichhörnchen knackte die Schalen geschickt auf und Emily stapelte die zusammengehörenden Hälften sorgfältig ineinander. „Damit ich die passenden Hälften später wiederfinde“, erklärte sie. Dann legte Emily alle Kerne und Schalen in den Korb. Als Letztes setzte sie das Eichhörnchen vorsichtig dazu. Es schaute über den Rand, als Emily den Korb bis zum alten Forsthaus trug. Das Eichhörnchen zeigte ihr ein winziges Loch oben an einer Holzwand des Hauses. Emily stellte sich auf die Zehenspitzen und steckte Nuss für Nuss in die kleine Öffnung.
„Vielleicht sehen wir uns nächstes Jahr wieder“, sagte das Eichhörnchen, „und Du erzählst mir, wie Euer Bild geworden ist. Jetzt muss ich Mama von unserer Geschichte und den Nüssen erzählen. Dann bereiten wir uns auf die Winterruhe vor.“
„Ich wünsche Euch Alles Gute, Schlaft gut! Ich werde bestimmt niemandem von Euch erzählen“, sagte Emily. Sie winkte dem Eichhörnchen noch einmal zu und trug den Korb mit den Nussschalen vorsichtig nach Haus. Am Schreibtisch in ihrem Kinderzimmer klebte sie alle Hälften sorgfältig wieder zusammen und niemand würde bemerken, dass die Nüsse in Wirklichkeit hohl waren.
Bald fing es an zu schneien. Emily dachte oft an das Eichhörnchen, dass mit seiner Familie zusammengerollt irgendwo in ihrem Nest unter dem Dach des alten Forsthauses schlief.
An einem Sonntagmorgen kurz vor Ostern schien die Sonne warm und freundlich in Emilys Zimmer. Auf der Terrasse hatte Mutter den Frühstückstisch gedeckt. Emilys kleiner Bruder Jan saß am Tisch und schlürfte Kakao. Emily setzt sich dazu und genoss die Sonnenstrahlen. „Ein Eichhörnchen!“, rief Jan, verschüttete etwas Kakao und zeigte aufgeregt auf den Rasen. Dort saß ein zierliches rotbraunes Eichhörnchen mit einem buschig erhobenen Schwanz und einer kleinen schwarzen Fellspitze am Ende. Es schaute Emily an und zwinkerte zwei Mal mit beiden Augen. Dann hüpfte es mit wenigen Sprüngen in Richtung des alten Kirschbaums. Es sah noch einmal zurück und verschwand schließlich mit einem Satz hinter dem Stamm der alten Kirsche.
„Warum lächelst du, Emily?“, fragte Mutter und trat auf die Terrasse.
„Ach, nichts“, sagte Emily. „Ich habe Appetit auf etwas Nussiges, Mama. Gib‘ mir bitte das Nutella. Und nachher mache ich einen Waldspaziergang.“


Ende
 

Haendel

Mitglied
Hinweis

Vielen Dank für Deinen Hinweis. Du hast völlig recht. Ich habe es meinen Kindern noch nicht vorgelesen und es - vielleicht deshalb - nicht bemerkt.

Andreas
 

Haendel

Mitglied
Emily und das Eichhörnchen

Es war November geworden und der Nebel hing kalt und feucht zwischen den Bäumen. Es roch würzig nach Harz und modrig nach vergangenem Laub. Bald würde es Winter werden. Emily ging in Richtung des alten Forsthauses und spähte unter jeden Haselnussstrauch, der am Weg wuchs. Nichts. Sie sah in ihren Weidenkorb und eine kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn. Zwei kleine schwarze Haselnüsse kullerten verloren im Korb herum.
Hinter den Sträuchern fing der Wald an. Auf beiden Seiten des Weges standen die Bäume mit erhobenen Ästen dicht zusammen. Zwischen den kräftigen, knorrigen Stämmen mit ihrer rissigen Rinde verlor sich der Blick im Dunkeln. Die Bäume standen wie Säulen vor schwarzen Höhleneingängen, die ins Innere des Walds führen. Emily schaute in die Schatten und fröstelte.
Plötzlich bemerkte sie einen hellen Schimmer zwischen zwei dicken Eichenstämmen und ein schmaler Pfad, den sie niemals zuvor bemerkt hatte, schlängelte sich ins Halbdunkel. Sie atmete tief durch und schlich vorsichtig – Schritt für Schritt – den unscheinbaren Pfad entlang. Sie hielt ihren Korb mit beiden Händen fest und trat bei jedem Schritt vorsichtig auf, um kein Geräusch zu machen. Es wurde heller und die Bäume öffneten sich zu einer kleinen Lichtung, auf der sich kleine und große Pilze zu sonderbaren Hexenringen versammelt hatten. Am Rand der Lichtung stand ein alter Haselnussstrauch, dessen moosbehangenen Äste wie gespenstische Finger in den Nebel stachen. Emily ging näher und sah einige goldbraune Kugeln unter dem Strauch auf der Erde liegen. Sie bückte sich tief unter die Zweige und streckte die Hand nach der ersten Haselnuss aus, als eine hohe Stimme rief: „Finger weg von meinen Nüssen!“.
Emily hielt in der Bewegung inne und blickte sich vorsichtig um. Über ihr in den Zweigen turnte ein zierliches Wesen mit rotbraunem Fell und einem buschigen Schwanz herum. Einen Augenblick später saß das Wesen vor ihr. Es hatte kleine rothaarige Pinsel an den Ohren und am rostfarbenen Schwanz wippte eine schwarze Fellspitze hin und her.
„Das sind meine Nüsse!“, sagte das Wesen. „Ich habe sie zuerst gesehen.“
„So siehst Du aus!“, sagte Emily. „Wer bist du überhaupt?“
“Du erkennst nicht einmal ein Eichhörnchen, wenn es direkt vor Dir sitzt, oder?“, fragte das Eichhörnchen.
„Eichhörnchen können nicht sprechen“, sagte Emily.
„Ich spreche solange und so viel ich will“, erwiderte das Eichhörnchen, „und vergreif Dich nicht an meinen Nüssen. Ich verschrumpfe Dich zu einer Hexenzwiebel!“ Das Eichhörnchen kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, beugte sich vor und blinzelte Emily an. Emily sah das pelzige Geschöpf an und überlegte einen Moment. „Du spinnst!“, sagte sie, hielt die Luft an und griff mit einer schnellen Bewegung eine große Nuss. Das Eichhörnchen schien wie erstarrt. Nichts geschah.
„Mist!“, sagte es und ließ sich auf die Hinterpfoten sinken.
„Was ist eine Hexenzwiebel?“, fragte Emily vorsichtig.
„Keine Ahnung“, sagte das Eichhörnchen und fing an zu kichern. „Das fiel mir gerade so ein.“ Jetzt musste auch Emily lachen.
„Wieso kannst Du sprechen?“, fragte sie.
„Ich habe es von Mama gelernt und ihr hat es der alte Förster beigebracht, als sie noch klein war. Wir wohnen in unserem Kobel unter dem Dach des alten Forsthauses.“ Das Eichhörnchen schwieg einen Moment. „Aber dort war schon lange kein Mensch mehr. Das Haus steht verlassen.“
Emily sah auf die glänzende braune Nuss in ihrer Hand. „Ich brauche die Haselnüsse für die Schule“, sagte sie. „Wir machen ein Herbstbild und kleben Blätter, Eicheln und andere Sachen auf die Leinwand. Ich soll Haselnüsse für das Bild sammeln. Ich habe leider etwas herumgetrödelt. Es wird richtig peinlich, wenn ich als Einzige aus unserer Klasse nichts gefunden habe.“ Das Eichhörnchen blickte auf die beiden schwarzen Nüsse in Emilys Korb und sah mitleidig zu ihr auf. “Die sehen aber gar nicht gut aus und essen kann man sie auch nicht mehr.“ Das Eichhörnchen schwieg einen Moment. „Wir sammeln Nüsse zum Essen“, sagte es. „Mama wird ganz schön sauer sein, wenn ich nichts nachhause bringe. Wenn wir jetzt schon etwas vom Wintervorrat nehmen müssen, haben wir später nichts mehr, wenn es überall verschneit und gefroren ist.“
Beide sahen auf die Nüsse am Boden. „Vielleicht reichen sie für uns beide“, sagte Emily hoffnungsvoll und begann zu zählen. „Wir haben elf Nüsse“, sagte sie.
„Das reicht uns nur eine Woche“, sagte das Eichhörnchen, „und ich habe jetzt schon solchen Hunger.“
„Vielleicht finden wir zusammen noch welche“, schlug Emily vor. Das Eichhörnchen schüttelte traurig den Kopf. „Ich habe schon den ganzen Wald abgesucht. Das sind die Letzten in diesem Jahr.“
Emily schüttelte die Nuss in ihrer Hand. Es gab einen leisen dumpfen Klang und sie fühlte den großen Kern im Inneren. „Das klingt aber lecker“, sagte das Eichhörnchen. Emily hielt dem Eichhörnchen die Nuss hin. „Bitte!“ Geschickt nahm das Eichhörnchen die Nuss zwischen die Pfoten. Ein Biss und die Schale zersprang mit einem kräftigen Knacken in zwei Hälften. Ein dicker brauner Kern kullerte heraus. Das Eichhörnchen machte sich gierig über den Kern her, während Emily die beiden Schalenhälften aufhob und von allen Seiten betrachtete. Die Hälften passten nahtlos zusammen.
„Eigentlich brauche ich nur die Schalen“, murmelte sie halblaut. Das Eichhörnchen sah Emily an. „Ich kann die Schalenhälften für das Bild wieder zusammenkleben“, erklärte Emily. „Die Kerne brauche ich nicht. Die kannst Du haben.“ Das Eichhörnchen nickte begeistert. „Ich bin richtig gut im Nüsse Aufknacken“, sagte es. „Du musst die Kerne aber zu unserem Versteck bringen, sonst werden sie nass und man kann sie am nächsten Tag nicht mehr essen. Außerdem musst Du mir versprechen, dass Du niemandem von uns und unserem Versteck im Forsthaus erzählst.“
„Ehrenwort“, sagte Emily und sammelte die Nüsse ein. Das Eichhörnchen knackte die Schalen geschickt auf und Emily stapelte die zusammengehörenden Hälften sorgfältig ineinander. „Damit ich die passenden Hälften später wiederfinde“, erklärte sie. Dann legte Emily alle Kerne und Schalen in den Korb. Als Letztes setzte sie das Eichhörnchen vorsichtig dazu. Es schaute über den Rand, als Emily den Korb bis zum alten Forsthaus trug. Das Eichhörnchen zeigte ihr ein winziges Loch oben an einer Holzwand des Hauses. Emily stellte sich auf die Zehenspitzen und steckte Nuss für Nuss in die kleine Öffnung.
„Vielleicht sehen wir uns nächstes Jahr wieder“, sagte das Eichhörnchen, „und Du erzählst mir, wie Euer Bild geworden ist. Jetzt muss ich Mama von unserer Geschichte und den Nüssen erzählen. Dann bereiten wir uns auf die Winterruhe vor.“
„Ich wünsche Euch Alles Gute, Schlaft gut! Ich werde bestimmt niemandem von Euch erzählen“, sagte Emily. Sie winkte dem Eichhörnchen noch einmal zu und trug den Korb mit den Nussschalen vorsichtig nach Haus. Am Schreibtisch in ihrem Kinderzimmer klebte sie alle Hälften sorgfältig wieder zusammen und niemand würde bemerken, dass die Nüsse in Wirklichkeit hohl waren.
Bald fing es an zu schneien. Emily dachte oft an das Eichhörnchen, dass mit seiner Familie zusammengerollt irgendwo in ihrem Nest unter dem Dach des alten Forsthauses schlief.
An einem Sonntagmorgen kurz vor Ostern schien die Sonne warm und freundlich in Emilys Zimmer. Auf der Terrasse hatte Mutter den Frühstückstisch gedeckt. Emilys kleiner Bruder Jan saß am Tisch und schlürfte Kakao. Emily setzt sich dazu und genoss die Sonnenstrahlen. „Ein Eichhörnchen!“, rief Jan, verschüttete etwas Kakao und zeigte aufgeregt auf den Rasen. Dort saß ein zierliches rotbraunes Eichhörnchen mit einem buschig erhobenen Schwanz und einer kleinen schwarzen Fellspitze am Ende. Es schaute Emily an und zwinkerte zwei Mal mit beiden Augen. Dann hüpfte es mit wenigen Sprüngen in Richtung des alten Kirschbaums. Es sah noch einmal zurück und verschwand schließlich mit einem Satz hinter dem Stamm der alten Kirsche.
„Warum lächelst du, Emily?“, fragte Mutter und trat auf die Terrasse.
„Ach, nichts“, sagte Emily. „Ich habe Appetit auf etwas Nussiges, Mama. Gib‘ mir bitte das Nutella. Und nachher mache ich einen Waldspaziergang.“


Ende
 

HelenaSofie

Mitglied
Hallo Andreas,

eine sehr schöne Geschichte. Ich denke, sie ist vom Inhalt her für Kinder ab 5 Jahre geeignet.
Dein beschreibender Erzählstil am Anfang ist aber für dieses Alter zu kompliziert (z.B. der Nebel hing, Bäume mit erhobenen Ästen, verlor sich der Blick, dessen moosbehangenen Äste wie gespenstische Finger in den Nebel stachen, usw.) Ich würde das alles weglassen und direkt von Emily erzählen.
Vorstellen könnte ich mir einen ähnlich gekürzten Anfang:

Emily ging in Richtung des alten Forsthauses. Sie schaute unter jeden Haselnussstrauch. Erst zwei kleine schwarze Haselnüsse hatte sie bisher gefunden. Als sie zu dem alten Haselnussstrauch kam, sah sie ein paar goldbraune Kugeln unter dem Strauch liegen. Sie bückte sich tief ... (ab jetzt ungekürzt weiter).

Liebe Grüße
HelenaSofie
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Das „du“ muss klein geschrieben werden. Und da:
“Du erkennst nicht einmal ein Eichhörnchen, wenn es direkt vor Dir sitzt, oder?“, fragte das Eichhörnchen.
stimmt vorn das Anführungszeichen nicht. Und
„Ich wünsche Euch Alles Gute, Schlaft gut!
muss „Ich wünsche euch alles Gute. Schlaft gut! heißen. (Kann man die Wortdopplung noch aufheben? „Schlaft schön!" vielleicht?) Und
moosbehangenen Äste
ist ein Sachfehler: Haselnusssträucher haben zu dünne Zweige dafür (das Moos würde sie schneller abtöten, als es „runterwachsen“ kann), auch hängt Moos hierzulande generell eher selten, vor allem nicht in einem offenbar so kulturnahen Wald wie hier. Und hier
„Das fiel mir gerade so ein.“ Jetzt musste auch Emily lachen.
„Wieso kannst Du sprechen?“, fragte sie.
sollte der Absatz vor „jetzt“ stehen, nicht nach „lachen“. Und …

… ach nünscht weiter, sonst klingt es noch so, als fände ich den Text nicht gut. Aber das tue ich. Also: *Daumen hoch*
 

Sirianer

Mitglied
Die Geschichte finde och sehr gut. Gegen manches was ich hier schon gelesen habe ist es erste Sahne, da es die Fantasie und die Kreativität eines Kindes aufzeigt.
Unsere kleinen Lehrer verlieren leider ihre Fähogkeit im Alter.

Das Eichhörnchen als Vertrauter ud neuer Freund zeigt die Möglichkeit des Verständnisss und
den Kompromises auf.

Eine Geschichte nicht für materialistische, zu rationale Menschen.

ciao

Wolfgang Meyer
 
Hallo Haendel

Hat mir gut gefallen. Das einzige was mir aufstieß, war "Nutella". Ich mag das Zeug ja wirklich, aber es hat dieser schönen Kindergeschichte (meinem Gefühl nach) einen Teil des Zaubers genommen und den Geist des heutigen Kommerz einfließen lassen.
Toll vor allem fand ich den mythischen Anfang der die Leser einlädt mit der Figur in den Wald zu gehen, dem unscheinbaren Pfad zu folgen.
 



 
Oben Unten