Nachtrag
Mir fällt gerade auf, das zwar die Materie an sich sehr interessant aber völlig off-topic ist ;-) Deshalb noch ein paar Worte zu deinem Text.
Nach meinem Empfinden krankt er an einer "unstimmigen" (inkohärenten) Bilder- und Begriffswelt.
>Leben< z.B. ist ein völlig überbesetzter Begriff, der soviele Bedeutungen enthält, das er schon wieder nichtssagend ist bzw. eigentlich nach Ergänzung/ Präzisierung verlangt. Das zeigt sich z.B. im Zusammenhang mit:
1. Das Leben stürzt ein.
2. Die unendlichen Bäche des Lebens.
Hinter 1. steht der Niedergang von etwas Festgefügtem, Statischem
hinter 2. ein unaufhörliches Fließen. Beides ist über den Begriff >Leben< miteinander assoziiert, läßt sich aber nicht zu einem stimmigen Gesamtbild auflösen. Bei 1. müsste also der "lyrische Weichzeichner" etwas zurückgenommen werden: Was genau im Leben ist im Niedergang begriffen?
> Grüne Blitze zerreissen die Nacht.
> Die Sterne sterben. Schreie zeugen von sein.
> Schwarze Vögel fressen Macht.
Gefällt mir vom surrealistischen Gehalt her gut. (>sein< wird m.E. hier groß geschrieben: das Sein). Mit >Macht< ist hier wiederum ein Begriff im Spiel, von dem ich behaupten möchte, dass er nicht wirklich greifbar ist und sich damit äußerst widerstrebend in diese apokalyptische Athmosphäre einfügt.
> Wie lange werden sie noch fließen?
> Die unendlichen Bäche des Lebens.
> Durchzogen von gelbem Gift.
> Grab der unzähligen Leichen.
Im Gegensatz zum ersten (eher surrealistischen) Abschnitt, scheint hier alles auf eine konkrete Aussage hinauslaufen zu wollen, was sich insbesondere an der auftauchenden Frage >Wie lange werden sie noch fließen?< ausdrückt. Das empfinde ich als Stilbruch: Während es für den ersten Abschnitt völlig ausreichte, meine Leseempfindungen schweifen zu lassen, erfordert der zweite Abschnitt einen deutlichen Fokus an Aufmerksamkeit. Das deutet auf einen Wechsel des Abstraktionsgrades hin und ist innerhalb eines Textes eher unangenehm bzw. erschwerend.
Natürlich bin ich als Leser unwillkürlich bemüht, diese Frage beantworten zu wollen, begebe mich auf Spurensuche und stolpere schon im nächsten Satz über >unendliche[] Bäche des Lebens<. Was auch immer dieser Satz aussagen will, er steht im absoluten Widerspruch zum Titel "Ende der Zeit" und dem Inhalt (Apokalypse). Die naheliegende logische Ableitung daraus ist: Es existiert etwas Unaufhörliches, Immerwährendes ... im Leben. Es ist ein Wortkonstrukt von Unsterblichkeit!
Daher bin ich von der angesprochenen Intention des Textes ein wenig überrascht. Dass er von Menschen oder dem Menschsein handeln soll, ist mir - bei aller Phantasie - nicht ersichtlich. Ich meine, dass mir ein Text alle Antworten geben sollte, für die Fragen, die er aufwirft. Notfalls suche ich mir diese selber:
Grab der unzähligen Leichen. [Wer stirbt in diesem Text?] Sterne sterben.
Schreie zeugen von sein. [Wer/was lebt in diesem Text?] Schwarze Vögel fressen
Derartige Rückbezüge verraten etwas über die Geschlossenheit/ Stimmigkeit von Bilderwelten. Das etwas skurrile Ergebnis in diesem Fall entsteht nach meinem Empfinden aber nicht primär durch logische Schwächen, sondern durch den unreflektierten Einsatz verschiedenartiger Metaphern. Die surrealistischen (Das Leben stürzt ein. Grüne Blitze zerreissen die Nacht. Die Sterne sterben. Durchzogen von gelbem Gift.) leben allein von ihrem Stimmungsanteil. Konkrete hingegen (Schwarze Vögel fressen Macht. Die unendlichen Bäche des Lebens. Grab der unzähligen Leichen.) müss(t)en vom Leser auf einer anderen Ebene hinterfragt/ interpretiert werden. Vielleicht ist es dieser permanente Wechsel zwischen Schärfe und Unschärfe (Abstraktionsgrad), der das Gesamtbild letztlich so verschwommen macht.
Grüße Martin