Hallo Mio,
das Thema deines Textes ist jedem bekannt, der schreibt: Man hat von Zeit zu Zeit das Gefühl, man habe schon alles gesagt, man kann es nicht anders, nicht neu sagen. Dann glaubt man, man hätte sich "ausgeschrieben", man habe nur noch das Alte in alten Metaphern zu sagen. Der Schreibende ist eigentlich immer auf der Suche nach dem Anderen, dem noch nicht Geschriebenen. Jetzt kommt es darauf an, was für ein Mensch der Schreibende ist, welche Vorstellungen von Leben, von Gesellschaft er besitzt, ob er eher den gegebenen Verhältnissen ergeben oder revolutionär gegenübersteht. Ich glaube sogar, das ist die entscheidende Frage - angepasst oder revolutionär. Übrigens trifft das auf jeden Menschen zu, egal, ob er schreibt oder nicht. Es kommt darauf an: Hat man als Autor etwas zu sagen, was Menschen zu neuen Überlegungen befähigen kann.
Nun ist es leider so: Über die Form etwas revolutionär verändern zu wollen, hat sich bisher immer als Holzweg erwiesen. Du glaubst, wenn du neue Metaphern findest, schreibst du etwas Neues. Erst mal ein verständlicher Irrtum. Nein, sich selbst erneuern kann man nur über den Inhalt des Geschriebenen, zu "seinem Thema" finden. Wohin die Reise dann geht, entscheidet oftmals der Zufall - aber es sind vor allem die gesellschaftlichen Bedingungen, die auf das Ergebnis entscheidend einwirken.
Die heutigen gesellschaftlichen Bedingungen sind dem Schreiben nicht günstig, Geschriebenes wird als Ware gehandelt, und wer vom Schreiben leben will, muss Ware verkaufen, sonst dilettiert er lediglich wie wir hier in den Foren. Dass das Schreiben zu allen Zeiten nach einem höheren Sinn strebte, das ist heute schon fast vergessen, nicht aus Versehen, sondern mit Absicht, künstlerische Werke werden "auf den Markt" geschmissen.
Ich finde das für uns ein sehr wichtiges Gedicht. Weil es nämlich die Frage an uns alle stellt: Was wollen wir eigentlich bewirken mit unserem Schreiben? Wen wollen wir ansprechen? Was wünschen wir uns, das sich ändern könnte?
Dabei müssen wir uns allerdings darüber klar sein, dass ein Gedicht noch gar nichts verändert, aber es kann Veränderung auf künstlerische Weise unterstützen.
Was das Handwerkliche deines Gedichtes angeht: Noch weist es metrische Fehler auf, zu raten wäre, du solltest also erst einmal von der Pike auf das Handwerk erlernen, um dadurch erst zur künstlerischen Freiheit gelangen zu können. Solange man sein eigener Sklave ist, ist man nicht frei, Themen künstlerisch mitreißend zu gestalten und selbst an ihnen zu wachsen.
Ich bedanke mich für dein Gedicht. Zu wünschen wäre, dass du nicht aufgibst.
Liebe Grüße, Fettauge