Ewiges Leben

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texxxter

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"Das Prinzip ist einfach. Wir werden ihren Körper einfrieren. Dadurch wird die Zeit praktisch konserviert, ihr Körper bleibt unverändert in seinem jetzigen Zustand.
Wir sind fest davon überzeugt, dass die Wissenschaft irgendwann dazu in der Lage sein wird, die eingefrorenen Toten wieder ins Leben zu holen. Sie begeben sich also auf eine Zeitreise"


Gerhard war begeistert. Die Sache schien keinen Haken zu haben. Vor zwei Jahren waren sie in einer Fernsehdokumentation zufällig auf das Thema Kryonik gestoßen. Nach langen Gesprächen mit seiner Frau wurde aus der Fantasie ein Entschluss. Sie wollten nach ihrem Ableben ihren Körper einfrieren lassen, in der Hoffnung, in ferner Zukunft zu erwachen und gemeinsam weiterzuleben.


Dann war vor drei Monaten die Diagnose gekommen. Gerhard hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Ärzte hatten ihm klar zu Verstehen gegeben, dass er nur noch wenige Wochen zu leben habe.
Gerhard hatte nicht die Absicht, unnötig zu leiden. Er würde in die Schweiz fahren, um bei Dignitas den Freitod zu wählen. Direkt nach seinem Tod würde sein Körper in das nur zehn Minuten Autofahrt entfernte Kryonikzentrum transportiert und dort eingefroren werden.


Oft lag er jetzt nachts wach und versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, nicht zu existieren. Manchmal überwältigte ihn dabei die nackte Panik. Wie würde es sich anfühlen, möglicherweise hunderte Jahre tot zu sein und dann wiederbelebt zu werden ? Würde es ihm vorkommen, als sei gar keine Zeit vergangen? Darauf hoffte er.



"Bedienen Sie sich an der Schokolade. Haben sie einen besonderen Musikwunsch"? fragte ihn der Arzt. Seine Frau saß neben ihm und drückte seine Hand. "Scarborough Fair von Simon and Garfunkel. Das würde ich gerne hören, falls es möglich ist."
"Aber selbstverständlich", sagte der Arzt lächelnd. Er tippte etwas in sein Smartphone und das melancholische Lied erfüllte den Raum.
"Wegen mir können wir jetzt anfangen", meinte Gerhard tapfer. Er wandte sich an seine Frau. "Gerda, du warst und bist die Liebe meines Lebens. Ich hoffe das weißt du. Sei bitte nicht zu traurig. Du bist 87 und musst es nicht lange ohne mich aushalten. Wir werden sehr bald wieder vereint sein"
Gerda schluchzte auf und drückte seine Hand noch fester. "Ich liebe dich", flüsterte sie in sein Ohr.
Währenddessen hatte der Arzt bereits die Injektionslösung vorbereitet.
"Diese erste Spritze lässt sie in einen sehr tiefen Schlaf verfallen", erklärte er. "Mit der zweiten Spritze werden wir ihre Atmung zum Stillstand bringen. Sie werden dabei keinerlei Schmerzen empfinden".
Er stach die Nadel ins Gerhards Vene und drückte die Injektionslösung rasch in seinen Unterarm.
Wenige Sekunden später fühlte sich Gerhards Körper unendlich leicht an. Ein schönes Gefühl. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.



"Ich glaube, er ist zurück", war das erste, das Gerhard hörte. Er öffnete die Augen. "Können Sie mich verstehen?", fragte ihn ein Mann in weißem Arztkittel. "Ja, sehr gut", antwortete Gerhard. Er brauchte einige Sekunden um sich zu erinnern, wer er war. Dann überkam ihn Euphorie. Es hatte tatsächlich geklappt.
"Welches Datum haben wir bitte?", fragte er den Arzt.
"Es ist der siebtzehnte Februar im Jahr 2305" antwortete der Arzt ruhig.
"Unglaublich" murmelte Gerhard. "Wie geht es meiner Frau", fragte er dann mit aufkommender Panik.
"Sie ist bereits vor sechs Monaten aufgetaut worden" wurde ihm erwidert.
Ein Gefühl der tiefsten Erleichterung durchströhmte Gerhards Körper.
"Kann ich sie sehen, können Sie sie herholen?", fragte er mit sich überschlagender Stimme.
"Das ist im Augenblick leider nicht möglich", antwortete der Arzt ernst.
"Georg, Sie können jetzt reinkommen!", rief er dann in Richtung der Tür. Ein stämmiger Mann in Polizeiuniform betrat das Krankenzimmer. Bevor Gerhard reagieren konnte, hatte der Mann ihn mit Handschellen ans Bett gefesselt.



"Was soll das?" schrie Gerhard.
Jetzt lächelte der Arzt.
"Sie werden das bekommen, was sie verdienen", erklärte er ruhig. "Die Menschen aus ihrem Zeitalter sind dafür verantwortlich, dass der Planet beinahe zugrunde gegangen wäre. Sie haben sämtliche Ressourcen ausgebeutet und nichts gegen die Klimaerwärmung getan, obwohl sie die Folgen hätten voraussehen können. Das 22. Jahrhundert hat unseren Planeten nahe an den Rand des Abgrunds gebracht. Es war geprägt von Dürren, Umweltkatastrophen, ungeahnten Flüchtlingströmen und Krieg um Ressourcen. Wir verdanken es allein der rasanten Entwicklung der Wissenschaft, dass wir das Ruder noch einmal umreisen konnten.
Die meisten Menschen ihres Zeitalters sind ihrer gerechten Strafe leider entgangen. Einige tausend von Ihnen haben sich jedoch einfrieren lassen und diese Menschen lassen wir stellvertretend für Ihre gesamte Generation bezahlen"

Nackte Panik stieg in Gerhard auf.
"Was hätte ich als Einzelner denn tun können?", rief er entrüstet. "Ich hab doch gemacht, was ich konnte. Meistens habe ich sogar Die Grünen gewählt"
"Das ist mir völlig gleichgültig", erwiderte der Arzt mit tödlicher Ruhe. "Sie alle sind mit offenen Augen ins Verderben gegangen. Sie tragen eine Kollektivschuld"
Gerhard wurde schlecht. "Was haben Sie jetzt mit mir vor?", fragte er mit zitternder Stimme.



Der Arzt ging ans Fenster und öffnete es. Dann wandte er sich an Gerhard.
"Wissen Sie, seit der Zeit in der sie gelebt haben, hat sich einiges verändert. Die Menschen müssen nicht mehr sterben. Wir nehmen einmal im Monat eine Pille, die den Alterungsprozess aufhält. Auch Sie werden in den Genuss davon kommen. Wissen Sie, was sich außerdem verändert hat? Wir haben keine Gefängnisse mehr. Für unsere Verbrecher haben wir eine bessere Strafe gefunden. Wir narkotisieren sie und schließen ihren Kopf an einen Computer an. Dieser wird für ihr Bewusstsein eine neue Realität konstruieren. In ihrer Generation haben doch noch viele Leute an eine Hölle geglaubt, nicht wahr?"
Er wartete auf eine Antwort, doch Gerhard blieb stumm und blickte ihn fassungslos an.
"So können Sie sich die simulierte Realität vorstellen. Das wird ihre Welt sein. Für alle Zeiten"


"Nein! Nein! Das kann nicht sein!" schrie Gerhard und erbrach sich auf seine Bettdecke.
 
Zuletzt bearbeitet:

halblicht

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Hallo texxxter,

zu Aufbau und Stil von Geschichten oder sonstig längeren Texten kann ich leider nichts beitragen, davon verstehe ich nicht viel. Ich kann dir somit nur die Eindrücke hier lassen, die ich beim Lesen hatte.

Zum Inhalt: jedes mal wenn ich auf cryotechnik stoße, muss ich an den Roman von Fritz Wöss denken

Hunde, wollt ihr ewig leben?

Keine Ahnung warum, ich vermute dass mich die Frage irgendwie triggert, es ist ein Krigsroman.

Von mir jedenfalls ein klares NEIN, nicht in einer Welt wie der unseren.
Wenn ich meine Fühler nach einer möglichen Verbesserung ausstrecke, rollen die sich jedes mal ein...
Deshalb würd mich auch niemals einfrieren lassen, du hast mir grad einen weiteren Grund dagegen geliefert.

Tja, die Hölle gibts in deinem 2305 anscheinend nicht, die Teufel scheinen aber nicht ausgestorben zu sein.

Jedenfalls ist die Geschichte mit genug Spannung versehen, dass ich sie ohne Ablenkung bis zum Schluss gerne gelesen habe.

Gruß
halblicht
 
Zuletzt bearbeitet:

jon

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Teammitglied
Das ist mir zu schnell runtergeschrubbt. Der moralische Zeigefinger ist penetrant, die Pointe platt und unglaubhaft. Und auch klanglich wirkt es die wie die allererste Niederschrift einer vagen Idee.

Konkret:

Die willkürliche Verteilung der Leerzeilen stört mich sehr.

Der vorderste Teil ist nicht gut gemacht: Die Rede am Anfang hängt solo in der Luft – danach kommt ein Erklärteil, der nichts zur eigentlichen Geschichte beiträgt, und dann kommt eine ganz neue Szene, nämlich die direkt vor/bei dem Einfrieren (die aber auch nichts außer der Tatsache des Einfrierens zur Geschichte beiträgt).

Der Pointen-Teil ist ebenfalls zu flach. Die Euphorie zu schnell vorbei, die Sache mit der Frau ist de facto irrelevant und zudem gelogen (Gerhard wird sie nie wiedersehen). Die General-Bestrafung ist absurd, die Aussage „Hölle“ zu beliebig (klingt schlimm, sagt aber de facto gar nichts), die Sache mit der Ewigkeitspille wirkt wie ein unmotivierter Schlenker (der nur dazu dient, die Bestrafung noch schlimmer – also noch absurder – zu machen).

Ich weiß, das klingt vernichtend. Dabei denke ich wirklich, dass die Idee etwas hat. Steck einfach noch etwas mehr Fantasie rein, entwickle eine kleine Story, die diese Bezeichnung verdient, oder/und bring mehr Emotion / Leben rein.

Details:

"Das Prinzip ist einfach. Wir werden ihren Körper einfrieren. Dadurch wird die Zeit praktisch konserviert, ihr Körper bleibt unverändert in seinem jetzigen Zustand.
Ihren, Ihr
Da wird nicht die Zeit konserviert. Im Gegenteil: Die Zeit läuft weiter, mit ihr der Wissenszuwachs der Medizin - das ist der Witz beim Einfrieren.

Gerhard war begeistert. Die Sache schien keinen Haken zu haben. Vor zwei Jahren waren sie in einer Fernsehdokumentation zufällig auf das Thema Kryonik gestoßen. Nach langen Gesprächen mit seiner Frau wurde aus der Fantasie ein Entschluss. Sie wollten nach ihrem Ableben ihren Körper einfrieren lassen, in der Hoffnung, in ferner Zukunft zu erwachen und gemeinsam weiterzuleben.
Der Rückblick ist überflüssig. Was Kryonik heißt, steht schon in der Rede davor, der Rest (inklusive, dass Gerhard eine Frau hat) spielt für die Story keine Rolle und erzeugt auch keine Emotion

Dann war vor drei Monaten die Diagnose gekommen. Gerhard hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Ärzte hatten ihm klar zu Verstehen gegeben, dass er nur noch wenige Wochen zu leben habe.
Gerhard hatte nicht die Absicht, unnötig zu leiden. Er würde in die Schweiz fahren, um bei Dignitas den Freitod zu wählen. Direkt nach seinem Tod würde sein Körper in das nur zehn Minuten Autofahrt entfernte Kryonikzentrum transportiert und dort eingefroren werden.
Reicht nicht für Emotionen, hat mit der Story nichts zu tun (außer halt, dass er sich einfrieren lässt – aber das wissen wir schon).
zu verstehen

Oft lag er jetzt nachts wach und versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, nicht zu existieren. Manchmal überwältigte ihn dabei die nackte Panik. Wie würde es sich anfühlen, möglicherweise hunderte Jahre tot zu sein und dann wiederbelebt zu werden ? Würde es ihm vorkommen, als sei gar keine Zeit vergangen? Darauf hoffte er.
Das ist sogar völlig überflüssig. Dabei hätte diese Vorstellung Potential für einen Beitrag zur Story, nämlich wenn Gerhard sich das Erwachen ausmalt, die tolle neue Welt, wenn er spekuliert, wie es dann sein wird, vielleicht sogar mit Bezügen zum Thema Umweltschutz … und dann eben der Kontrast zu dem, was tatsächlich passiert.
kein Leerzeichen

"Bedienen Sie sich an der Schokolade. Haben sie einen besonderen Musikwunsch"? fragte ihn der Arzt. Seine Frau saß neben ihm und drückte seine Hand.
„Bedienen Sie sich an der Schokolade. Haben Sie einen besonderen Musikwunsch?“, fragte ihn der Arzt. Seine Frau saß neben ihm und drückte seine Hand.

"Bedienen Sie sich an der Schokolade. Haben sie einen besonderen Musikwunsch"? fragte ihn der Arzt. Seine Frau saß neben ihm und drückte seine Hand.
"Scarborough Fair von Simon and Garfunkel. Das würde ich gerne hören, falls es möglich ist."
"Aber selbstverständlich", sagte der Arzt lächelnd. Er tippte etwas in sein Smartphone und das melancholische Lied erfüllte den Raum.
"Wegen mir können wir jetzt anfangen", meinte Gerhard tapfer. Er wandte sich an seine Frau. "Gerda, du warst und bist die Liebe meines Lebens. Ich hoffe das weißt du. Sei bitte nicht zu traurig. Du bist 87 und musst es nicht lange ohne mich aushalten. Wir werden sehr bald wieder vereint sein"
Gerda schluchzte auf und drückte seine Hand noch fester. "Ich liebe dich", flüsterte sie in sein Ohr.
Währenddessen hatte der Arzt bereits die Injektionslösung vorbereitet.
"Diese erste Spritze lässt sie in einen sehr tiefen Schlaf verfallen", erklärte er. "Mit der zweiten Spritze werden wir ihre Atmung zum Stillstand bringen. Sie werden dabei keinerlei Schmerzen empfinden".
Er stach die Nadel ins Gerhards Vene und drückte die Injektionslösung rasch in seinen Unterarm.
Wenige Sekunden später fühlte sich Gerhards Körper unendlich leicht an. Ein schönes Gefühl. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.[/QUOTE]
Diese ganze Szene ist recht nett erzählt. Da du aber schon alle Infos vorher verbraten hast, musst du hier so schnell durchjagen, was wieder keinen Raum schafft, um irgendwie „Kontakt“ zu Gerhard aufzunehmen. Er bleibt flach, was dem Schrecken am Ende den Schrecken nimmt.

"Ich glaube, er ist zurück", war das erste, das Gerhard hörte. Er öffnete die Augen. ABSATZ"Können Sie mich verstehen?", fragte ihn ein Mann in weißem Arztkittel.ABSATZ "Ja, sehr gut", antwortete Gerhard. Er brauchte einige SekundenKOMMA um sich zu erinnern, wer er war. Dann überkam ihn Euphorie. Es hatte tatsächlich geklappt.
"Welches Datum haben wir bitte?", fragte er den Arzt.
"Es ist der siebtzehnte Februar im Jahr 2305"KOMMA antwortete der Arzt ruhig.
"Unglaublich"KOMMA murmelte Gerhard. "Wie geht es meiner Frau", fragte er dann mit aufkommender Panik.
Warum? Erstmal ist das nur eine interessierte Frage. Wenn der Arzt dann nicht lächelt, kann Sorge aufkommen. Wenn der Arzt anfängt, drumrumzureden, kommt Furcht auf. Und erst, wenn Gerhard sich vorstellt, dass er ohne Gerda mutterseelenallein ist, ist der Moment für Panik.

"Sie ist bereits vor sechs Monaten aufgetaut worden"KOMMA wurde ihm erwidert.
Ein Gefühl der tiefsten Erleichterung durchströhmte Gerhards Körper. KEIN ABSATZ
"Kann ich sie sehen, können Sie sie herholen?", fragte er mit sich überschlagender Stimme.
Warum? Was ist so super wahnsinnig aufregend?

"Das ist im Augenblick leider nicht möglich", antwortete der Arzt ernst. KEIN ABSATZ
"Georg, Sie können jetzt reinkommen!", rief er dann in Richtung der Tür. Ein stämmiger Mann in Polizeiuniform betrat das Krankenzimmer. Bevor Gerhard reagieren konnte, hatte der Mann ihn mit Handschellen ans Bett gefesselt.
Woher weiß Gerhard das? Laufen die in knapp 300 Jahren noch rum wie heute??
Handschellen? Die haben in 300 Jahren nichts anderes entwickelt?

"Was soll das?"KOMMA schrie Gerhard.
Nein, er ruft bestenfalls.

Jetzt lächelte der Arzt. KEIN ABSATZ
"Sie werden das bekommen, was sie verdienen", erklärte er ruhig.
Wieso erklärt das der Arzt? Warum nicht der Polizist, der sollte doch dafür zuständig sein.


"Sie werden das bekommen, was sie verdienen", erklärte er ruhig. "Die Menschen aus ihrem Zeitalter sind dafür verantwortlich, dass der Planet beinahe zugrunde gegangen wäre. Sie haben sämtliche Ressourcen ausgebeutet und nichts gegen die Klimaerwärmung getan, obwohl sie die Folgen hätten voraussehen können. Das 22. Jahrhundert hat unseren Planeten nahe an den Rand des Abgrunds gebracht. Es war geprägt von Dürren, Umweltkatastrophen, ungeahnten Flüchtlingströmen und Krieg um Ressourcen. Wir verdanken es allein der rasanten Entwicklung der Wissenschaft, dass wir das Ruder noch einmal umreisen herumreißen konnten.
Das 22. Jahrhundert - das sind die Jahre 2101 bis 2200. Also beginnt es bei dir erst in knapp 80 Jahren. Das ist optimistisch. Und wenn allein die Wissenschaft die Rettung ist, dann dürften diese 80 Jahre reichen. (Die Entwicklung beschleunigt sich stetig.)
Das ist extrem platt-plakativ und die „Rettung“ ist absurd schnell abgespult.

Die meisten Menschen ihres Zeitalters sind ihrer gerechten Strafe leider entgangen. Einige tausend von Ihnen haben sich jedoch einfrieren lassen und diese Menschen lassen wir stellvertretend für Ihre gesamte Generation bezahlen"
Das ist absurd. 200 bis 300 Jahre nach der Katastrophe sind die noch so geil drauf, irgendwen zu bestrafen (weil: „alle sind unterschiedslos schuld“ ist populistischer Quark)? Und warum haben die dann die Kryo-Kapseln nicht einfach abgeschaltet? Ach ja! Weil sie die „Schuldigen“ in alle Ewigkeit quälen wollen! Das ist viel, viel humaner als das, was die „Schuldigen“ angeblich getan haben.

Nackte Panik stieg in Gerhard auf.
Da haben wir das Problem: Er war schon panisch, als er nach seiner Frau fragte (noch bevor er denken konnte, dass was mit ihr nicht stimmen könnte). Das lässt sich jetzt nicht steigern – von „aufkommender Panik“ zu „nackte Panik“ ist es nur ein winziger Schritt, ein viel kleinerer als es die damit verbundenen Situationen es herheben.

"Was hätte ich als Einzelner denn tun können?", rief er entrüstet. "Ich hab doch gemacht, was ich konnte. Meistens habe ich sogar Die Grünen gewähltPUNKT"
"Das ist mir völlig gleichgültig", erwiderte der Arzt mit tödlicher Ruhe. "Sie alle sind mit offenen Augen ins Verderben gegangen. Sie tragen eine KollektivschuldPUNKT"
Gerhard wurde schlecht. "Was haben Sie jetzt mit mir vor?", fragte er mit zitternder Stimme.
Schon wieder der Arzt. Sicher, dass das nicht der Richter ist oder der Henker?

Der Arzt ging ans Fenster und öffnete es.
Warum öffnet er das Fenster? Was hat das für einen Effekt?

Dann wandte er sich an Gerhard.
"Wissen Sie, seit der ZeitKOMMA in der sie Sie gelebt haben, hat sich einiges verändert. Die Menschen müssen nicht mehr sterben. Wir nehmen einmal im Monat eine Pille, die den Alterungsprozess aufhält. Auch Sie werden in den Genuss davon kommen. Wissen Sie, was sich außerdem verändert hat? Wir haben keine Gefängnisse mehr. Für unsere Verbrecher haben wir eine bessere Strafe gefunden. Wir narkotisieren sie und schließen ihren Kopf an einen Computer an. Dieser wird für ihr Bewusstsein eine neue Realität konstruieren. In ihrer Ihrer Generation haben doch noch viele Leute an eine Hölle geglaubt, nicht wahr?"
Er wartete auf eine Antwort, doch Gerhard blieb stumm und blickte ihn fassungslos an.
"So können Sie sich die simulierte Realität vorstellen. Das wird ihre Ihre Welt sein. Für alle Zeiten"
Wozu? Lust am Foltern? Kann es sein, dass denen bei ihrem ewigen Leben langweilig ist?

"Nein! Nein! Das kann nicht sein!"KOMMA schrie Gerhard und erbrach sich auf seine Bettdecke.
 

texxxter

Mitglied
Hallo texxxter,

zu Aufbau und Stil von Geschichten oder sonstig längeren Texten kann ich leider nichts beitragen, davon verstehe ich nicht viel. Ich kann dir somit nur die Eindrücke hier lassen, die ich beim Lesen hatte.

Zum Inhalt: jedes mal wenn ich auf cryotechnik stoße, muss ich an den Roman von Fritz Wöss denken

Hunde, wollt ihr ewig leben?

Keine Ahnung warum, ich vermute dass mich die Frage irgendwie triggert, es ist ein Krigsroman.

Von mir jedenfalls ein klares NEIN, nicht in einer Welt wie der unseren.
Wenn ich meine Fühler nach einer möglichen Verbesserung ausstrecke, rollen die sich jedes mal ein...
Deshalb würd mich auch niemals einfrieren lassen, du hast mir grad einen weiteren Grund dagegen geliefert.

Tja, die Hölle gibts in deinem 2305 anscheinend nicht, die Teufel scheinen aber nicht ausgestorben zu sein.

Jedenfalls ist die Geschichte mit genug Spannung versehen, dass ich sie ohne Ablenkung bis zum Schluss gerne gelesen habe.

Gruß
halblicht
Hallo blackout

es freut mich sehr, dass die Geschichte dich anspricht. Ich persönlich finde den Gedanken hinter der Kryonik sehr interessant. Es ist eine Überlegung wert.



Hallo jon

Danke für deine hilfreiche Kritik! Du hast Recht, das ist die Erstfassung, die ich da reingestellt habe. Da war ich wohl etwas zu ungeduldig. Ich wollte übrigens durchaus nicht den moralischen Zeigefinger heben. Meine Idee war einfach, dass jemand sich einfrieren lässt, tatsächlich wiederbelebt wird und dann aber gefoltert wird. Da musste ich irgendeinen Grund finden, warum die Menschen der Zukunft so einen Hass auf die frühere Generation haben und das war das einzige was mir dazu eingefallen ist.

Gruß
texxxter
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Hallo texxxter,

wie wäre es, wenn Gerhard in seiner aktiven Zeit irgendwo an scheinbar oder anscheinend mitentscheidender Stelle in Sachen Umweltschutz gesessen hat? Dann könnte er nach dem Aufwachen erstmal befragt werden, weil die Morgigen sicherstellen wollen, dass sie den richtigen (also schuldigen) Gerhard vor sich haben. Dann könnte die Strafe darin bestehen, dass er für die Zeit, die er (wäre er gesund gewesen) noch gelebt hätte, in einer simulierten Umwelt leben müsste, die dem entspricht, was am Höhepunkt des Klima-Desasters stattgefunden hat. Um den Bogen zu schließen, könnte er vor dem Einfrieren auch irgendwas denken wie "Die Dürre war unerträglich. Der Park in dem er als Kind gespielt hatte, bestand nur noch aus verbrannten Flächen und toten Bäumen. Niemand machte sich mehr die Mühe, sie zu fällen. Und es sollte noch schlimmer werden, wenn die Experten recht behielten. Gerhard war froh, dass er das nicht mehr würde miterleben müssen. In einer Zeit, in der man Tote aus der Kryostase würde wecken können, hätte man auch das sicher in den Griff bekommen."
 

Michael Kempa

Mitglied
Das ist doch mal eine ausbaufähige Geschichte!
Die Frage für mich ist: Muss es zerhackstückt werden, wo doch sonst fast niemand SF liest?
Sich mit solchen Themen der SF zu befassen und eine Geschichte daraus zu entwickeln - das ist doch mal was!
Ausbaufähig ist das allemal und darum viele Sterne wert.
 

Michael Kempa

Mitglied
Hallo jon.
Doch, Feilen ist schon gut!
Erstens bin ich froh und dankbar, dass es ein Forum wie die Leselupe gibt. Dann sehe ich die ehrenamtliche Arbeit und das Engagement der Foren-Redakteure.
Hier ein Dankeschön dafür!
Ich sehe auch die Arbeit und den Mut, den viele Autoren haben, die z.B. in der Leselupe veröffentlichen. Ich habe in letzter Zeit einige Gespräche mit Künstlern gehabt. Maler, Schriftsteller, Redner, Musiker, Walking-Act-Leute und Filmschaffende. Alle sind stolz auf ihre Werke - zu Recht! Ich persönlich finde es schwierig bei Kritik den richtigen Ton zu treffen. Dabei ist Kritik wichtig, ohne Kritik gibt es nur schwer eine Weiterentwicklung. In einem Punkt habe ich mit dem Konzept der Leselupe ein Problem: Manchmal sind nur 5 Mitglieder eingeloggt, dafür 50 Gäste. Die Gäste dürfen nicht abstimmen und auch keine Bewertungen abgeben. Ist das richtig von mir beobachtet? (Technische Frage)
Könnten die Gäste abstimmen und Kommentare hinterlassen würde das die Leselupe bereichern? Ich meine - ja!
Manchmal entsteht bei mir der Eindruck, dass die LL so etwas wie ein "Elfenbeinturm" ist.
Zu texxxter: Runtergeschrubbt finde ich die Geschichte nicht, ich habe "Ewiges Leben" gerne und flüssig gelesen. OK, es wäre schön, eine Fortsetzung zu lesen.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Nur ganz kurz, weil das hier nicht der richtige Ort für diese Diskussion ist: Es würde die LL schon stark bereichern, wenn deutlich mehr Mitglieder abstimmen und vor allem (helfende) Kommentare hinterlassen würden. Gäste kommen nur zum Lesen und mehr können sie (rein technisch) eben auch nicht. Bei weiterem Diskussionsbedarf: Bitte Forum Lupanum nutzen.
 



 
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