Arno Abendschön
Mitglied
In jenem Beisl hörte ich eines Abends über einen Fall reden, der mir viel zu denken gab. Zwei an meinem Tisch kamen auf einen gewissen Svoboda zu sprechen; vor Jahren sei er an Aids gestorben. „Er war bestimmt einer der Ersten hierzulande“, sagte der eine.
Dann war noch von einem Milan aus Usti nad Labem die Rede. „Er war um die zwanzig und Koch“, sagte der andere. Milan sei mit einem Touristenvisum nach Wien gekommen und habe sich nach ein paar Tagen als Flüchtling bei den Behörden gemeldet. „Wirklich noch ein halbes Kind. Lang, sehr dünn, aber ein hübsches Gesicht, träumerische Augen … Die Eltern durften aus Usti kommen, um ihn zurückzuholen. Aber sie redeten ihm sogar noch zu, hier zu bleiben. Und er, er wollte eigentlich in die USA.“
Ich hörte weiter auf das, was sie sich erzählten. Der eine von ihnen war mit Svoboda nachts unterwegs gewesen und gerade hier im Beisl hatten sie Milan zum ersten Mal gesehen. „Er hat dann nur noch Augen für uns gehabt, so erwartungsvoll. Mein Gott, es waren doch genug andere da! Er hat sein Unglück gesucht.“ Er gab zu verstehen, Milan sei primär an ihm interessiert gewesen. „Aber mir war der Tscheche zu jung, zu unerfahren, zu viel erwartend … Also hat der Svoboda ran müssen. Es ist ihm erst gar nicht recht gewesen. Aber dann sind sie den ganzen Winter zusammen gewesen, bis der Svoboda im März gestorben ist.“
„Ja“, sagte sein Gegenüber, „ich habe auch gehört, dass es bei ihm schnell gegangen sein soll.“
„Und er war vorher vollkommen unauffällig. Den Test gab es ja damals noch nicht. Der Verfall war rasend schnell, die Medizin noch so hilflos.“
Da mischte ich mich in ihr Gespräch: „Und dieser Milan?“ fragte ich.
„Keiner sieht ihn mehr seitdem. Er soll noch versucht haben, in die USA zu kommen.“
Svobodas Freund machte sich noch immer ein Gewissen daraus, wie die Vorsehung sich vielleicht seiner damals bedient und ihn hatte verzichten lassen, zugunsten eines unsichtbar schon Gezeichneten. Gut möglich, sagte er, dass der Tod unerkannt mit ihnen ins Beisl gekommen sei. Und hatte er selbst dann dem Tod den Vortritt gelassen?
Als die beiden fortgingen, blieb ich am Tisch sitzen, allein mit Gedanken über Zufall und Fatum. Wenn man nur wüsste ...
Dann war noch von einem Milan aus Usti nad Labem die Rede. „Er war um die zwanzig und Koch“, sagte der andere. Milan sei mit einem Touristenvisum nach Wien gekommen und habe sich nach ein paar Tagen als Flüchtling bei den Behörden gemeldet. „Wirklich noch ein halbes Kind. Lang, sehr dünn, aber ein hübsches Gesicht, träumerische Augen … Die Eltern durften aus Usti kommen, um ihn zurückzuholen. Aber sie redeten ihm sogar noch zu, hier zu bleiben. Und er, er wollte eigentlich in die USA.“
Ich hörte weiter auf das, was sie sich erzählten. Der eine von ihnen war mit Svoboda nachts unterwegs gewesen und gerade hier im Beisl hatten sie Milan zum ersten Mal gesehen. „Er hat dann nur noch Augen für uns gehabt, so erwartungsvoll. Mein Gott, es waren doch genug andere da! Er hat sein Unglück gesucht.“ Er gab zu verstehen, Milan sei primär an ihm interessiert gewesen. „Aber mir war der Tscheche zu jung, zu unerfahren, zu viel erwartend … Also hat der Svoboda ran müssen. Es ist ihm erst gar nicht recht gewesen. Aber dann sind sie den ganzen Winter zusammen gewesen, bis der Svoboda im März gestorben ist.“
„Ja“, sagte sein Gegenüber, „ich habe auch gehört, dass es bei ihm schnell gegangen sein soll.“
„Und er war vorher vollkommen unauffällig. Den Test gab es ja damals noch nicht. Der Verfall war rasend schnell, die Medizin noch so hilflos.“
Da mischte ich mich in ihr Gespräch: „Und dieser Milan?“ fragte ich.
„Keiner sieht ihn mehr seitdem. Er soll noch versucht haben, in die USA zu kommen.“
Svobodas Freund machte sich noch immer ein Gewissen daraus, wie die Vorsehung sich vielleicht seiner damals bedient und ihn hatte verzichten lassen, zugunsten eines unsichtbar schon Gezeichneten. Gut möglich, sagte er, dass der Tod unerkannt mit ihnen ins Beisl gekommen sei. Und hatte er selbst dann dem Tod den Vortritt gelassen?
Als die beiden fortgingen, blieb ich am Tisch sitzen, allein mit Gedanken über Zufall und Fatum. Wenn man nur wüsste ...
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