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Tula

Mitglied
Hallo Monochrom

Natürlich sollte sich ein Schriftsteller hier auch etwas reger im Forum beteiligen, als nur heimlich um sein oder anderer Haus zu schleichen :)

Ganz offen, noch vor dem Schlagabtausch hier glaubte ich, den Sinn des Gedichtes durchaus erkannt zu haben, ich las auch ein bisschen Selbstironie am Anfang.

Die kritischen Punkte aus meinem Lyrik-un-verständlichen Spitzwinkel:

- Mir reicht dieses unaussprechliche Gefühl hier nicht aus. Du benennst es, ohne wirklich zu verdichten. Das ist für mich die eigentliche Schwäche des Gedichtes.

- Auch ich verstehe die übermäßigen Zeilenbrüche nicht. Für mich stilistisch gesehen sogar unmodern, da sollte eine nachvollziehbare Absicht dahinter stehen.

- Das begrenzte Blicken bzw. Denken ist mir ebenfalls aufgestoßen. Das ist zwar richtig (wir sind alle beschränkt, ob wir Gedichte schreiben oder nicht), scheint mir aber für die eigentliche Absicht doch weniger erheblich.

Bewerten will ich es jetzt nicht, aber ich denke, hier kann man noch investieren, meine ehrliche Meinung.

LG
Tula
 

Monochrom

Mitglied
Hallo Mondnein

Vielleicht kurz noch was zur Idee. Ich wollte den Text so markig und mit so wenig Worten wie möglich in die Richtung dessen schubsen, was ich sagen wollte.
Das habe ich ja schon beschrieben...

Aber ich glaube, bei einem Text, der mit zwei bis 5 Silben pro Vers versucht, auszukommen, ist es zwingend erforderlich, die Verse miteinander zu verknüpfen, und zwar, auch, im doppelten Lessinn.
Wenn Du genauer schaust, ergeben die Verse, je nach Verknüpfung oben oder unten unterschiedliche Sinngehalte.

Bspw:

bist ein
schriftsteller
denkst du

Das impliziert den Zweifel.

bis ein
schriftsteller
denkst du
bist du
verwunschen

Das „bist du“ kann nun auf obigen Zusammenhang bezogen werden, quasi als Bestätigung, oder nach unten, auf das „verwunschen“, und dieses „verwunschen“ wiederum auf „Tag Nacht“.

Das zieht sich durch den kompletten Text.

Fokus auch immer wieder auf die fast schon sich ausschließenden Gegensätze, bspw.

„blicken wir
begrenzt“

Auch das wiederum eine Aussage, die sich gleich darauf wieder einschränkt.

Kern des Pudels. Die Worte reichen nicht. Die Blicke reichen nicht...

Ich denke, der Text hat Schwächen, gerade weil die starke Reduzierung natürlich bedingt, dass jeder Ausdruck, jede Silbe, jedes Wort genau treffen muss, was gesagt werden soll.

Vielleicht unter diesem Fokus, bitte ich Dich, nochmal auf Deine zerpflückende, versierte Art zu lesen...

Monochrom
 

Monochrom

Mitglied
Hallo Tula,

Selbstironie ist eine starke Triebkraft dieses Textes.

Doch das Unaussprechliche bezieht sich nicht nur auf eine Gefühlslage, nämlich das Unvermögen,
es bezieht sich auch auf die Metabene der Theorie.

Die Enjambements sind durch die Reduktion entstanden, sie sollten vielleicht nicht als wirkliche Pauseninhalte beim Vorlesen wirken.

Die Begrenzung ist doch genau das, was in der Lyrik so unvergleichlich ist, denke ich, ja sogar in der Kunst generell.

Egal ob Musik, Lyrik, etc... es ist doch überall so... so sparsam mit eigenen Kräften den größtmöglichen Ausdruck erzeugen.
Weniger ist mehr, etc...

In der Musik ist es nicht Zeugkraft vom Schaffen, wenn da viele Töne genudelt werden, sondern wenn wenige Töne genau das Gefühl, die Schwingung erzeugen, die den song ausmachen.

Aber in diesem Text ist das Teil der Selbstironie. Eine Reduktion bis aufs Mark, die soweit geht, dass, und das ist vielleicht jetzt Zufall, dass andere Lyrikgewohnte wie Kad Sgart gar keinen Zusammenhang mehr erkennen können. Ob das jetzt gut ist oder nicht, ist für mich gar nicht relevant, mir war eher die Karikatur des Prozesses wichtig.

Monochrom
 

Monochrom

Mitglied
Der Titel des Textes "fehlerzeichen" bezieht sich übrigens auf das Fehlen der Interpunktion.

Ein Expimeriment bei diesem Text kann sein, an bestimmten Stellen Fragezeichen zu setzen... auch das gibt andere Bedeutungsinhalte.

bist ein
schriftsteller?
denkst du?
bist du
verwunschen?

etc...

Monochrom
 

Tula

Mitglied
Hallo Monochrom

Mit deinen Erklärungen stimme ich ganz und gar überein, aber ob das alles so aus deinem Text hervorgeht bzw. dem Leser zugänglich wird, ist eine andere Sache.

"wir blicken begrenzt" - da steht so etwas wie 'betrachten und erkennen', kein künstlerisches Umsetzen und Reduzieren (also dichtend, schreibend). Vielleicht wäre da 'formen' o.ä. richtiger.

Andererseits bedeutet 'auf das Wesentliche reduzieren' so etwas wie eine 'Sicht-Erweiterung', du reduzierst die Anzahl der Bäume, damit der Leser den Wald erkennen kann. Es geht also um keine Art der 'Begrenzung' sondern das Gegenteil. Diese Metapher stimmt so nicht.

LG
Tula
 

Monochrom

Mitglied
Hi Tula,

sorry, hab ich noch nicht verstanden.

Oder ggf. meinst Du, was ich sagen wollte...

Ist doch gerade der Prozess dabei, mit diesen beiden Ausschlägen der Waagschale, die mich dabei beschäftigte.

Reduktion ist ja genau in diesem Wechselspiel, in der Balance von
"Tag- Nacht"
"Freude- Schmerzen"

und

Der Blick, der begrenzt wird, und nahe ans Unaussprechliche geht, oder nahe uns Unverständliche...

Naja, ich komme so allmählich zum Ergebnis, dass der Text wohl nicht so funktioniert wie geplant.

Danke,
Monochrom
 

Ralf Langer

Mitglied
Versuch einer Annäherung

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bist ein
schriftsteller
denkst du
bist du
verwunschen
der tag die nacht
seltsames ich
blicken wir
begrenzt
sehe ich dich
um die häuser
schleichen
allein
mitten in
schmerz
freude
es bleibt
unaussprechbar

Hallo Monochrom,

ich versuche deinen Text anzunehmen

beim ersten Lesen stutzte ich über den Begriff „Schriftsteller“, denn ich erwartete eher den „Dichter“, bzw. den „Lyriker“. Da dieses naheliegend war, und ich davon ausgehe, das der „Schriftsteller“ bewußte gesetzt wurde, grübelte ich ein wenig um die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der drei Begriffe(Zeichen).
Hm, der Schriftsteller scheint mir der Oberbegriff zu sein. In diesem Sinne ist jeder Lyriker Schriftsteller aber nicht jeder Schrfiftsteller Lyriker.
Mithin hat der Begriff „Schriftsteller“ aber auch eine sinngemäße Bedeutung, die sich mir folgender maßen erschließt:

In diesem Wort liegt ja ein Arbeitsvorgang eben das „Stellen“ bzw „ Zusammenstellen“ von Schrift.
Hier habe ich den Eindruck von „körperlicher“ Arbeit. Das Schrift-stellen ist ein Begriff bei dem das poetische, das geniale verschwindet. Es klingt nach ausschließlich „bewußtem“ Tun.

Also sieht sich, so wie ich es sehe, das lyrische ich als ein „Arbeiter“, in diesem Sinne ist alles beschrieben „profan“.

Das scheint mir der entscheidende Blick auf die Deutungshoheit diese Stückes zu liefern.
In diesem Sinne bildet:

bist ein
schriftsteller
denkst du

eine Einheit, da der Begriff des „Denkens“ ( als Prozeßimplantiert wurde.

Dann stolpere ich“begrifflich“ über ein in seiner Einfachheit dennoch komplexes Wort. Es ist dieses kleine „ES“.

Ein Wort, das ich nicht sehr mag. Es ist auf eine bestimmte Weise „ bedeutungslos“ da es sich auf alles, also auch auf Nichts bezieht.

Also gehe ich auf die Suche nach nach „Sinn“.

schmerz
freude
es bleibt
unaussprechbar


das ist der schriftstellerische Zusammenhang (im engeren Sinne) der Schriftsetzung.

Auf den ersten Blick würde ich hier umformulieren

schmerz
freude
bleibt es
unaussprechbar

So würde sprachlich „korrekt“ ein semantischer Zusammenhang zwischen den ersten drei Zeilen und den zwei letzten Zeilen entstehen. Es läse sich auch „flüssiger“. Seis drum.

Hier kann ich nur meinem Empfinden folgen:

„es“ bezieht sich auf „unaussprechbar“. Was aber ist das?

Das „Unaussprechbare“ hat kein Wort. Es kann nicht genannt(bzw. benannt) werden.
Vielleicht ensteht es im Schweigen?. Eher sehe ich Schweigen als Stumm. Es ist kein „organisches Problem. Es ist ein Faktisches.

Ich sehe hier, wenn auch etwas vage, das Schreiben, also das Tun des Schriftstellers schlechthin.

Das „es“ ist das ausdruckslose Bemühen, der Prozeß der in seiner Gänze erst zum Text führt.

Und wenn ich es richtig deute, wird dieser Prozeß im „Mittelteil“ deines Stückes angeführt.

P.S.
ich habe beim Verfassen meiner Einlassungen bewußt auf das Lesen der vorherstehenden Anmerkungen verzichtet um einen eigenen unverfäschten Eindruck meiner Erkenntnisse zu vermitteln

Lg
Ralf
 

Monochrom

Mitglied
Hi RL,

vielen Dank fürs Reinschauen.

Das "Es" in seiner Bedeutung in diesem Text ist die Markierung der Ersetzbarkeit.

Denn das ist der Antipode, oder der Akzent, je nach Duktus.

Das Schweigen, die Stille, das "es" unaussprechbar ist.

Der Fluch des Schreibens, oder gerade deshalb, der Dämon, der alle Schrift ausufern lässt, wenn das treffende Wort nicht auftaucht (im Denken).

Bei Deiner Version bezieht sich das es... "bleibt es unaussprechbar" auf den Prozess des Schaffens, auf den momentanen Arbeitsgang. Du weist damit auf ein Verb hin.

In meiner Version "Es bleibt unaussprechhbar" bezieht es sich auf den Urzustand, den Kern, die Angst, den Antrieb des Schaffens. Es ist hier eher auf Substantive bezogen, nicht auf Verben.

Ich rätsele noch, welche Version dann besser trifft.

Und jetzt sind wir coolerweise genau an dem Punkt!!!

Welche Formulierung würde beides umgreifen?

Dann wäre der Text fertig.

Wie immer sind Deine Kommentare ein hoher Gewinn,

Ciao,
Monochrom
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo maonochrom,
es trifft die Version besser, die deinem Empfinden entspricht.
Hier gibt es kein richtig oder falsch(nach meinem Verständnis).

Apropos:

das ich mich deinen texten leichter annähern kann, als andere liegt wohl daran, das wir uns im Kern unseres Seins mit sehr ähnlichen Fragen beschäftigen.
Die Antworten sind nicht gleich. Aber das wäre ja auch sehr einseitig
Lg
Ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Monochrom,

hier mal mein Subtext zu deinem Gedicht

fehlerzeichen

bist ein schriftsteller (wortsteller - schriftsetzter)
denkst du
bist
du -
verwunschen :
der tag die nacht
seltsames ich (seltenes- vielleicht besser gespalten im Hinblick auf die nächste Zeile)
blicken wir (Wir? Das wir erschließt sich nicht. Es ssei das lyrische ich ist fraktal)
begrenzt
sehe ich dich (mich oder uns)
um die häuser
schleichen
allein
mitten in (im, bessersyntaktisch, glaube ich)

schmerz
freude

es bleibt (bleibt es)

unaussprechbar (das pfählende Wort-Anleihe aus einem meiner Gedichte)






fehlerzeichen

bist ein schriftsetzer
denkst du
bist
du - verwunschen :
der tag die nacht
seltenes ich
sehen wir
uns entgrenzt
um die häuser
schleichen
allein
inmitten von
schmerz
freude
bleibt es :
das pfählende Wort


Während des Scheibens dieses Subtextes hab ich spontan nochmal umgebaut. Ist kein Vorschlag zur Verbesserung.Nur Gedanken/Gänge durch deine Worte

Ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Nachtrag:

inmitten von
schmerz
freude
bleibt es :
das pfählende Wort

Die Zeilen

schmerz
freude

sind klanglich supotimal
irgendwie Suche ich nach einem anderen Gegensatzpaar, jedoch habe ich keins.
Vielleicht entdeckt mich ja moch das ein oder andere Wort.

Ralf
 

Monochrom

Mitglied
Hallo, Hi RL,

bin gerade zeitlich knapp. Ich melde mich hoffentlich bald zu den neuen Kommentaren.

Nicht sauer sein,

Grüße,
Monochrom
 

Monochrom

Mitglied
Hallo Ralf,

endlich kann ich Dir auf Deine letzten Komms zum Text antworten. Hoffe, dass ich damit noch Interesse erzeuge.

zu Deinen Textanmerkungen:

„seltsames ich“ – Dein Vorschlag „seltenes ich“: finde ich besser. Seltsam ist eine individuell formbare Betrachtungsweise. Seltenes ist eine universelle Wertung. Sehr gut. Danke.

„blicken wir“: Das „wir“ bezieht sich auf die Allgemeinheit. Wir alle blicken „begrenzt“. Das ist eher metaphorisch.

„mitten in“: Das „in“ impliziert die Verbindung der Antiphrase „schmerz- freude“ – „schmerzfreude“

„es bleibt“: Ich möchte diesen Vers als einen betonten Auftakt so stehen lassen: unbetontes es, betontes bleibt

Sorry für die späte Rückmeldung,
Monochrom
 

revilo

Mitglied
bist ein
schriftsteller
denkst du
bist du
verwunschen
der tag die nacht
seltsames ich
blicken wir
begrenzt
sehe ich dich
um die häuser
schleichen
allein
mitten in
schmerz
freude
es bleibt
unaussprechbar

Guten Morgen, Lyrik ist bei mir nicht grundsätzlich eine Frage des Verstehens, obwohl ich kads Einwurf gut nachvollziehen kann...was der Autor mit seinem Gedicht sagen will, ist mir völlig wurscht....entweder der Text kommt bei mir an oder nicht....er tut es leider nicht...das liegt zum Einen an der abgehackten Sprache, die mir einfach zu gewollt ist.....und zum Anderen liest sich das für mich wie eine zufällige Ansammlung einzelner Sätze, die nicht zusammenpassen wollen....eher wie eine Skizze einzelner Ideen, die zu einem Gedicht zusammengepackt wurden....du weißt sicher, dass ich deine Dichtkunst sehr schätze, aber dieser Text rauscht einfach so an mir vorbei,drängt sich nicht auf und ist ganz schnell weg.....LG revilo
 

Monochrom

Mitglied
Hi revilo.

Das ist sicher keine lyrik die einen vom Hocker haut. Sehe ich ähnlich.
Das Thema ist einfach zu abgegriffen und leider kommt die avisierte Ironie nicht deutlich genug raus.

Grüsse
Monochrom
 



 
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