Ferdinand besteigt einen Pythagoras-Baum

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ferdinand, von Forscherdrang gefasst,
greift im Keller nach der alten Leiter,
und er schleppt sie bis zur Wiese weiter,
lehnt sie an an einen untern Ast.

Und er klettert auf den Baum mit Hast,
dabei wäre es gewiss gescheiter,
suchte er sich vorher zwei Begleiter.
Nun schwebt er allein im Laubpalast.

Im Geäst ist er schon bald gefangen,
und fühlt sich schwach und sehr verwirrt,
weil er sich dort hoffnungslos verirrt.
Wird er jemals wieder heimgelangen?

Jeder Ast ist jedem andern ähnlich,
Ferdinand erwartet Hilfe sehnlich.
 
Dieses Gedicht finde ich auch interessant. Ich komme nur nicht drauf, warum der Titel „Pythagoras-Baum“ heißt.
Oder ist vielleicht P[blue]h[/blue]ythagoras gar nicht der allen bekannte?

Außerdem habe ich einen kleinen Tipp:

Im Geäst ist er schon bald gefangen,
und fühlt sich [blue]ganz[/blue] schwach und sehr verwirrt,
weil er sich dort hoffnungslos verirrt.
Wird er jemals wieder heimgelangen?
Sonst wäre dort eine Silbe zu wenig.

Gruß,
Marie-Luise
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ferdinand, von Forscherdrang gefasst,
greift im Keller nach der alten Leiter,
und er schleppt sie bis zur Wiese weiter,
lehnt sie an an einen untern Ast.

Und er klettert auf den Baum mit Hast,
dabei wäre es gewiss gescheiter,
suchte er sich vorher zwei Begleiter.
Nun schwebt er allein im Laubpalast.

Im Geäst ist er schon bald gefangen,
und fühlt sich sehr schwach und sehr verwirrt,
weil er sich dort hoffnungslos verirrt.
Wird er jemals wieder heimgelangen?

Jeder Ast ist jedem andern ähnlich,
Ferdinand erwartet Hilfe sehnlich.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ferdinand, von Forscherdrang gefasst,
greift im Keller nach der alten Leiter,
und er schleppt sie bis zur Wiese weiter,
lehnt sie an an einen untern Ast.

Und er klettert auf den Baum mit Hast,
dabei wäre es gewiss gescheiter,
suchte er sich vorher zwei Begleiter.
kraxelt nun allein im Laubpalast.

Im Geäst ist er schon bald gefangen,
fühlt sich schon sehr schwach und sehr verwirrt,
hat sich dort schon hoffnungslos verirrt.
Wird er jemals wieder heimgelangen?

Jeder Ast ist jedem andern ähnlich,
Ferdinand erwartet Hilfe sehnlich.
 
Danke, Bernd, das habe ich nicht gewusst, habe auch nicht nach Pythagoras-Baum gegoogled. Auf jeden Fall sehr interessant für mich.
Ich kannte eben nur den Satz des Pythagoras.
Wie ich schon sagte, gefallen mir solche Gedichte.
Viele Grüße,
Marie-Luise
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
das ist das Haus vom Nikolaus vom Haus vom Nikolaus vom Haus vom Nikolaus vom Haus vo

fühlt sich schon sehr schwach und sehr verwirrt,
hat sich dort schon hoffnungslos verirrt.
Wird er jemals wieder heimgelangen?
Aber die Gesetzmäßigkeit ist nicht äußerlich, fremdbestimmt, undurchschaubar usw., sondern in jedem Glied der Kette dieselbe. Befindet sich Ferdinand an einer Stelle, hat er den Zugang zu allen. Dann ist er nicht gefangen, sondern frei. Und nicht verwirrt, sondern er hat das Prinzip, den Schlüssel der Ordnung.
Oder übersehe ich da etwas?
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist wie bei dem Labyrinth. Du kennst alle Wege und findest nicht hinaus.

Ich habe ein Werk hierzu gefunden:

http://universaar.uni-saarland.de/monographien/volltexte/2012/22/pdf/Rede_83.pdf
(pdf)
Labyrinthische Bücher –
Jorge Luis Borges und die
bildende Kunst
Festvortrag im Rahmen der
Akademischen Feier zum
65. Geburtstag von
Manfred Schmeling
Monika Schmitz-Emans
Mein Gedicht ist noch nicht vollkommen, eigentlich fehlt der größere Teil.


Das einfachste Labyrinth hat keine Mauern, und doch gelingt es dir nicht, zu entkommen.

Ferdinand könnte entkommen, wenn er immer in Richtung dickerer Stämme klettert, ohne abzurutschen - oder wenn er die Leiter wiederfindet.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
ich schlug die walnußschale auf

Ja, das ist das Argument: man kann nicht raus.
Aber man kann hindurch, man kann an alle Stellen hingelangen, systemimmanent.

Aus dem Jetzt kann man auch nicht herausfallen, auch nicht eigentlich aus dem Ichbezug des Selbstbewußtseins. Das Jetzt erlaubt aber die Erinnerung, den Bezug auf die Gedächtnisinhalte, und das Durchdenken abstrakter Strukturen. Und das Selbstbewußtsein ist Licht und Bühnenboden der Erfahrungen, der Imaginationen und inneren Experimente, wo Gedanken mittels Gedanken mit Gedanken verknüpft werden. Kurz: Gedanken erhellen einander.

Man kann ja auch kaum sagen, man sei in den Gedanken gefangen - das ist, als sagte man, das Licht würde einen vom Sehen abhalten.

Aber es gibt immer den Gegengedanken, den Ansatz: Wir seien zumindest in der Sprache gefangen. Und in Erzählungs- und Beschreibungs-Labyrinthen.

Nun höre ich das seit meiner Jugend, und es ist eine beliebte Behauptung
1. seit Gorgias ("Es gibt nichts, und wenn es etwas gäbe, wäre es nicht erkennbar, und wenn es etwas gäbe und es wäre erkennbar, wäre es nicht mitteilbar")
und 2. seit dem Beginn der Neuzeit, vor allem seit den englischen Empiristen und Kant, und so weiter und weiter.

Der Bonner Lyrikpreis (wenn ich das nicht verwechsle) hatte doch zuletzt das Thema "Im Labyrinth". Natürlich war ich nicht unter den ersten 30, die man veröffentlichte - ich hatte "operation walnuß", "daidalos lehrt kaspar das sprechen auf drei weisen", "die drusenlöcher im flint" und "theseus" eingesandt. Es ist immer eine interessante Erfahrung, daß man als altbacken dasteht, schon der Reime und der gefälligen Musikalität wegen, während die gleichen Dinger in der Leselupe oder (um ein anderes Feld zu nennen) in poetry slams als "unverständlich" und "kryptisch" scheitern.

Nein, weder jener Wettbewerb noch dieses Forum hier sind Labyrinthe. Es geschieht alles ganz offen, ist klar einsichtig und - hier kommunizieren wir doch konkret, hier konkretisieren wir Kommunikation. Widerspruch konturiert das Verständnis.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
ja, das Gedicht ist metasprachlich, es ist nicht "im Labyrinth", sondern - doch: es beschreibt, aber nicht das Labyrinth, sondern den verzweifelten Ferdinand.

Womit wir wieder bei dem Gedanken wären: das Fraktal sprachlich zu repräsentieren.
 

James Blond

Mitglied
Widerspruch

Ein Baum ist kein Labyrinth, sondern besteht immer aus einer strengen Hierarchie aus Ästen, er ist eindimensional organisiert: man kann über die Zweige nur in Richtung der Spitzen oder der Wurzel gelangen. Verirren ist demnach (selbst für Raupen) schlecht möglich.

Das Hauptproblem beim Besteigen von Bäumen ist das anschließende Herabsteigen, weil es andere Fähigkeiten erfordert als das Heraussteigen.

Dies gilt für alle Arten von Bäumen.

Leitern, die man "an an" etwas lehnt, bestehen vermutlich aus Redundanzsprossen. :)
 

James Blond

Mitglied
Na und?

Solange es unklar ist, ob es sich dabei um Ferdinand Porsche, Ferdinand Lassalle, Ferdinand Magellan oder gar um Ferdinand VI. von Spanien handelt, lassen wir ihn besser zwischen den Ästen verrotten, als willkommene Kost für vorbeikommende Hirnräupchen.
 
James, mir graut vor dir!

Ich glaube, es war
Ferdinand Stoliczka,
Botaniker, Zoologe, Geologe, Landvermesser und Paläontologe,

der im Alter noch diesen speziellen Baum erkunden wollte, aber schon etwas verwirrt war.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist Ferdinand ohne etwas. Es ist der aus dem "Buch Ferdinand".
http://www.leselupe.de/lw/search.ph...e=selected&action=dosearch&getdaily=&pagenum=

Ferdinand erscheint es als Labyrinth, obwohl es ein Baum ist, er brauchte nur dem Geäst in Richtung immer dickerer Äste folgen.
Allerdings fände er die Leiter dabei nicht, mit der er herunterkommt.
Er ist entnervt, weil ringsum alles gleich aussieht.
Hätte er einen Fallschirm dabei, könnte er springen.
Hätte er starke Stricke dabei, könnte er sich herunterhangeln.
Am Stamm kommt er kaum herunter, der ist dick und scharfkantig und glatt.
 
Lieber Bernd,
so hatte ich es auch verstanden und fand, wie du ja gemerkt hast, dein „Ferdinand-Gedicht“ und den Pythagoras-Baum interessant. Doch die wissenschaftlichen Abhandlungen von Mondnein fand ich ein wenig befremdlich.
Deswegen meine ein wenig spöttischen Bemerkungen.
Verzeih mir!

Gruß,
Marie-Luise
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Kein Problem. Ich danke Dir. Und Mondneins Erklärungen zwingen zu schärferem Nachdenken, zu genauerer Betrachtung. Ihm danke ich auch, ganz ausdrücklich. Er hat hier den Finger auf der Schwachstelle.
 

James Blond

Mitglied
Ah, dann gibt es neben Ferdinand, dem Stier und Ferdinand, der Ameise noch die literarische Figur Ferdinand als Alter Ego?

Mir deucht, dein Ferdinand stolpert sich durch das Labyrinth der Sprachlogik. Ob er dort mit Hilfe der Mathematik wieder herausfindet, bleibt vorerst offen.

Grüße
JB
 



 
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