Fieber

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Ralf Langer

Mitglied
Fieber

Seit den Tagen der ersten Fieberschübe sehe ich klarer.
Es ist, als ob mit jeder Hitzewelle etwas in mir schwindet, abstirbt, sich wandelt.
Etwas, das meine Wahrnehmung, wie mir nun deutlich wird, beeinflußt hat.
Ich lächle viel. Trotz der Schmerzen, die mich mein Körper empfinden lassen will.
Soma. Nicht mehr als eine Form, eine Hülle für kausale Schlacke, die sich im Laufe des Lebens abgelagert hat, die ich nun beginne herauszuschwitzen.
Was übrig bleibt ist Essenz. Ich spüre es immer deutlicher.
Noch stört der Körper. Noch dringen seine Signale irritierend auf mich ein.
Hunger am häufigsten.
Aber kein Großer mehr. Nichts was wirklich schmerzt.
Nur noch Appetit. Eine Erinnerung an eine Gewohnheit. Der diminuativste Anspruch den das Fleisch erhebt.
Aber ich gebe mich diesem Wegelagerer nicht hin.
Fleisch! Der gordische Knoten löst sich auf.
Bald nur noch Garn, den der Schöpfer, wie ein Koch, um eine Roulade wickelte um das Fleisch
in einer Form zu halten, die ihrer Natur nicht entspricht.
E = mc2 .
Der Schüttelfrost löst diese Gleichung nach E hin auf.

Ich habe den Fernseher gestern endgültig ausgeschaltet. Die Geräusche stören meine Konzentration.
Jetzt, da meine Sinne sich schärfen, reicht mir der Blick von der Couch zum Fenster hinaus um die Welt zu begreifen.
Ich höre wie Nachts die Ratten auf dem Hinterhof die Mülltonnen des Discounters durchwühlen. Die tapsenden Klänge ihrer Schritte. Und dann reden sie miteinander. Erst hielt ich es für Einbildung. Aber ein heftiger Fieberschub lies mich die Dinge anders vernehmen.
Ja, sie reden.
Und sie lachen viel. Vielmehr als ich wahrhaben wollte. Man weiß ja das Ratten viel zu lachen haben.
Und wie sie lachen.Vor allen Dingen über Haltbarkeitsdaten auf Verpackungen.
„Nie war das Leben so einfach.“ Sie johlen. „Werft nur alles weg.“ So spricht der Rattenkönig.
„Unser Tisch ist reichlich gedeckt.“
Das wiederum freut die streunenden Katzen. Alle werden satt.
Essen! Banalitäten.
Von mir nur Kopfschütteln.
Aber die Ratten können es nicht wissen. Weiß es überhaupt jemand außer mir:
Der Geist wird stärker, wenn der Körper schwach ist.

Schritte im Hausflur lenken mich ab. Ich kenne den Rhythmus dieser Schritte;
Zwei Stufen gleichzeitig. Inne halten. Dann eine Stufe und wieder von vorn.
Füße auf dem Weg zur Arbeit.
Mein Nachbar. Ingenieur. Verfahrenstechniker. Was ihn vorantreibt?
Auch Hunger. Aber ein Anderer. Hunger nach Wochenende. Schon Montags beschleunigen sich seine Schritte. Bis Freitags erhöht sich das Tempo. Dann, ab 16.00 Uhr, wenn er geduscht ist, wenn die Seife die Monotonie der Fünf Tage Woche von der Haut gespült hat, ändert sich das Muster.
Müßiggang.
Die Treppenstufen hinab werden die nächsten zwei Tage einzeln genommen. Nichts tun. Ich sehe ihn.
Sehe den Tresen. Höre das Bier seine Kehle hinunterrauschen. Wochenende. Bierdurst.
Ich bleibe liegen. Rätsle über Haltbarkeitsdaten von gezapftem Bier.
Der Rattenkönig wüßte es. Aber Ratten trinken kein Bier. Biojoghurt reicht als Flüssigkeit.

Mein Urin hat seine Farbe geändert. Wie der Himmel. Von meinem Lager aus sehe ich ihn nur zwischen dem Parkhaus und der Hinterwand des Schauburg Kinos hervorluken. Ein Stück, das mit zusammengekniffenenen Augen, zwischen Daumen und Ringfinger passt.
Der Himmel schiebt sich ins Violette, der Harn ins dunkelgelbe. Der Harn riecht intensiver. Auch ein Akt der Befreiung. Der Himmel hat keinen Geruch. Er ist Farbe. Die Stare beäugen ihn argwöhnisch vom Dachsims
des Kinos aus. Die Farbe gefällt ihnen nicht. Das Violette scheucht sie auf.
Nicht so die Drossel.
In den ersten Tagen hatte ich sie gar nicht bemerkt. Ganz unscheinbar sitzt sie zwischen den welkenden Blättern meiner Balkonpflanzen und singt.
Es ist eine Bachfuge, wie ich mittlerweile festgestellt habe.
„Toccata und Fuge in D minor“
Natürlich ist es eine eigenwillige Interpretation. Eine Drosselversion.
Aber es passt, passt zu den Starenschwärmen, die sich sammeln, passt zu der Farbe des Himmels.
Auf eine eigentümliche Art und Weise bringt die Drossel mein Fleisch zur Resonanz.
Während ich liege, vibriere ich, schwinge. Vor allem vom Basslauf. Er sorgt dafür, dass ich zu schweben beginne.
Leichtigkeit ist eine der letzten Stufen des Fiebers.


Ich bin aufgestanden. Ganz langsam auf den Balkon gegangen. Es hat die Drossel nicht verscheucht.
Sie sitzt weiterhin zwischen den Pflanzen und singt.
Ich spüre mittelmeerisches auf meiner Haut. Muß das Salz sein, denke ich. Ja, Salz ist Essenz.
Wie leicht alles geworden ist.
Dann brechen die Stare auf.
 

Ralf Langer

Mitglied
Fieber

Seit den Tagen der ersten Fieberschübe sehe ich klarer.
Es ist, als ob mit jeder Hitzewelle etwas in mir schwindet, abstirbt, sich wandelt.
Etwas, das meine Wahrnehmung, wie mir nun deutlich wird, beeinflußt hat.
Ich lächle viel. Trotz der Schmerzen, die mich mein Körper empfinden lassen will.
Soma. Nicht mehr als eine Form, eine Hülle für kausale Schlacke, die sich im Laufe des Lebens abgelagert hat, die ich nun beginne herauszuschwitzen.
Was übrig bleibt ist Essenz. Ich spüre es immer deutlicher.
Noch stört der Körper. Noch dringen seine Signale irritierend auf mich ein.
Hunger am häufigsten.
Aber kein Großer mehr. Nichts was wirklich schmerzt.
Nur noch Appetit. Eine Erinnerung an eine Gewohnheit. Der diminuativste Anspruch den das Fleisch erhebt.
Aber ich gebe mich diesem Wegelagerer nicht hin.
Fleisch! Der gordische Knoten löst sich auf.
Bald nur noch Garn, den der Schöpfer, wie ein Koch, um eine Roulade wickelte um das Fleisch in einer Form zu halten, die ihrer Natur nicht entspricht.
E = mc2 .
Der Schüttelfrost löst diese Gleichung nach E hin auf.

Ich habe den Fernseher gestern endgültig ausgeschaltet. Die Geräusche stören meine Konzentration.
Jetzt, da meine Sinne sich schärfen, reicht mir der Blick von der Couch zum Fenster hinaus um die Welt zu begreifen.
Ich höre wie Nachts die Ratten auf dem Hinterhof die Mülltonnen des Discounters durchwühlen. Die tapsenden Klänge ihrer Schritte. Und dann reden sie miteinander. Erst hielt ich es für Einbildung. Aber ein heftiger Fieberschub lies mich die Dinge anders vernehmen.
Ja, sie reden.
Und sie lachen viel. Vielmehr als ich wahrhaben wollte. Man weiß ja das Ratten viel zu lachen haben.
Und wie sie lachen.Vor allen Dingen über Haltbarkeitsdaten auf Verpackungen.
„Nie war das Leben so einfach.“ Sie johlen. „Werft nur alles weg.“ So spricht der Rattenkönig.
„Unser Tisch ist reichlich gedeckt.“
Das wiederum freut die streunenden Katzen. Alle werden satt.
Essen! Banalitäten.
Von mir nur Kopfschütteln.
Aber die Ratten können es nicht wissen. Weiß es überhaupt jemand außer mir:
Der Geist wird stärker, wenn der Körper schwach ist.

Schritte im Hausflur lenken mich ab. Ich kenne den Rhythmus dieser Schritte;
Zwei Stufen gleichzeitig. Inne halten. Dann eine Stufe und wieder von vorn.
Füße auf dem Weg zur Arbeit.
Mein Nachbar. Ingenieur. Verfahrenstechniker. Was ihn vorantreibt?
Auch Hunger. Aber ein Anderer. Hunger nach Wochenende. Schon Montags beschleunigen sich seine Schritte. Bis Freitags erhöht sich das Tempo. Dann, ab 16.00 Uhr, wenn er geduscht ist, wenn die Seife die Monotonie der Fünf Tage Woche von der Haut gespült hat, ändert sich das Muster.
Müßiggang.
Die Treppenstufen hinab werden die nächsten zwei Tage einzeln genommen. Nichts tun. Ich sehe ihn.
Sehe den Tresen. Höre das Bier seine Kehle hinunterrauschen. Wochenende. Bierdurst.
Ich bleibe liegen. Rätsle über Haltbarkeitsdaten von gezapftem Bier.
Der Rattenkönig wüßte es. Aber Ratten trinken kein Bier. Biojoghurt reicht als Flüssigkeit.

Mein Urin hat seine Farbe geändert. Wie der Himmel. Von meinem Lager aus sehe ich ihn nur zwischen dem Parkhaus und der Hinterwand des Schauburg Kinos hervorluken. Ein Stück, das mit zusammengekniffenenen Augen, zwischen Daumen und Ringfinger passt.
Der Himmel schiebt sich ins Violette, der Harn ins dunkelgelbe. Der Harn riecht intensiver. Auch ein Akt der Befreiung. Der Himmel hat keinen Geruch. Er ist Farbe. Die Stare beäugen ihn argwöhnisch vom Dachsims
des Kinos aus. Die Farbe gefällt ihnen nicht. Das Violette scheucht sie auf.
Nicht so die Drossel.
In den ersten Tagen hatte ich sie gar nicht bemerkt. Ganz unscheinbar sitzt sie zwischen den welkenden Blättern meiner Balkonpflanzen und singt.
Es ist eine Bachfuge, wie ich mittlerweile festgestellt habe.
„Toccata und Fuge in D minor“
Natürlich ist es eine eigenwillige Interpretation. Eine Drosselversion.
Aber es passt, passt zu den Starenschwärmen, die sich sammeln, passt zu der Farbe des Himmels.
Auf eine eigentümliche Art und Weise bringt die Drossel mein Fleisch zur Resonanz.
Während ich liege, vibriere ich, schwinge. Vor allem vom Basslauf. Er sorgt dafür, dass ich zu schweben beginne.
Leichtigkeit ist eine der letzten Stufen des Fiebers.


Ich bin aufgestanden,ganz langsam auf den Balkon gegangen. Es hat die Drossel nicht verscheucht.
Sie sitzt weiterhin zwischen den Pflanzen und singt.
Ich spüre mittelmeerisches auf meiner Haut. Muß das Salz sein, denke ich. Ja, Salz ist Essenz.
Wie leicht alles geworden ist.
Dann brechen die Stare auf.
 

Ralf Langer

Mitglied
Fieber

Seit den Tagen der ersten Fieberschübe sehe ich klarer.
Es ist, als ob mit jeder Hitzewelle etwas in mir schwindet, abstirbt, sich wandelt.
Etwas, das meine Wahrnehmung, wie mir nun deutlich wird, beeinflußt hat.
Ich lächle viel. Trotz der Schmerzen, die mich mein Körper empfinden lassen will.
Soma. Nicht mehr als eine Form, eine Hülle für kausale Schlacke, die sich im Laufe des Lebens abgelagert hat, die ich nun beginne herauszuschwitzen.
Was übrig bleibt ist Essenz. Ich spüre es immer deutlicher.
Noch stört der Körper. Noch dringen seine Signale irritierend auf mich ein.
Hunger am häufigsten.
Aber kein Großer mehr. Nichts was wirklich schmerzt.
Nur noch Appetit. Eine Erinnerung an eine Gewohnheit. Der diminuativste Anspruch den das Fleisch erhebt.
Aber ich gebe mich diesem Wegelagerer nicht hin.
Fleisch! Der gordische Knoten löst sich auf.
Bald nur noch Garn, das der Schöpfer, wie ein Koch, um eine Roulade wickelte um das Fleisch in einer Form zu halten, die ihrer Natur nicht entspricht.
E = mc2 .
Das Fieber löst diese Gleichung nach E hin auf.

Ich habe den Fernseher gestern endgültig ausgeschaltet. Die Geräusche stören meine Konzentration.
Jetzt, da meine Sinne sich schärfen, reicht mir der Blick von der Couch zum Fenster hinaus um die Welt zu begreifen.
Ich höre wie Nachts die Ratten auf dem Hinterhof die Mülltonnen des Discounters durchwühlen. Die tapsenden Klänge ihrer Schritte. Und dann reden sie miteinander. Erst hielt ich es für Einbildung. Aber ein heftiger Fieberschub lies mich die Dinge anders vernehmen.
Ja, sie reden.
Und sie lachen viel. Vielmehr als ich wahrhaben wollte. Man weiß ja das Ratten viel zu lachen haben.
Und wie sie lachen.Vor allen Dingen über Haltbarkeitsdaten auf Verpackungen.
„Nie war das Leben so einfach.“ Sie johlen. „Werft nur alles weg.“ So spricht der Rattenkönig.
„Unser Tisch ist reichlich gedeckt.“
Das wiederum freut die streunenden Katzen. Alle werden satt.
Essen! Banalitäten.
Von mir nur Kopfschütteln.
Aber die Ratten können es nicht wissen. Weiß es überhaupt jemand außer mir:
Der Geist wird stärker, wenn der Körper schwach ist.

Schritte im Hausflur lenken mich ab. Ich kenne den Rhythmus dieser Schritte;
Zwei Stufen gleichzeitig. Inne halten. Dann eine Stufe und wieder von vorn.
Füße auf dem Weg zur Arbeit.
Mein Nachbar. Ingenieur. Verfahrenstechniker. Was ihn vorantreibt?
Auch Hunger. Aber ein Anderer. Hunger nach Wochenende. Schon Montags beschleunigen sich seine Schritte. Bis Freitags erhöht sich das Tempo. Dann, ab 16.00 Uhr, wenn er geduscht ist, wenn die Seife die Monotonie der Fünf Tage Woche von der Haut gespült hat, ändert sich das Muster.
Müßiggang.
Die Treppenstufen hinab werden die nächsten zwei Tage einzeln genommen. Nichts tun. Ich sehe ihn.
Sehe den Tresen. Höre das Bier seine Kehle hinunterrauschen. Wochenende. Bierdurst.
Ich bleibe liegen. Rätsle über Haltbarkeitsdaten von gezapftem Bier.
Der Rattenkönig wüßte es. Aber Ratten trinken kein Bier. Biojoghurt reicht als Flüssigkeit.

Mein Urin hat seine Farbe geändert. Wie der Himmel. Von meinem Lager aus sehe ich ihn nur zwischen dem Parkhaus und der Hinterwand des Schauburg Kinos hervorluken. Ein Stück, das mit zusammengekniffenenen Augen zwischen Daumen und Ringfinger passt.
Der Himmel schiebt sich ins Violette, der Harn ins dunkelgelbe. Der Harn riecht intensiver. Auch ein Akt der Befreiung. Der Himmel hat keinen Geruch. Er ist Farbe. Die Stare beäugen ihn argwöhnisch vom Dachsims
des Kinos aus. Die Farbe gefällt ihnen nicht. Das Violette scheucht sie auf.
Nicht so die Drossel.
In den ersten Tagen hatte ich sie gar nicht bemerkt. Ganz unscheinbar sitzt sie zwischen den welkenden Blättern meiner Balkonpflanzen und singt.
Es ist eine Bachfuge, wie ich mittlerweile festgestellt habe.
„Toccata und Fuge in D minor“
Natürlich ist es eine eigenwillige Interpretation. Eine Drosselversion.
Aber es passt, passt zu den Starenschwärmen, die sich sammeln, passt zu der Farbe des Himmels.
Auf eine eigentümliche Art und Weise bringt die Drossel mein Fleisch zur Resonanz.
Während ich liege, vibriere ich, schwinge. Vor allem vom Basslauf. Er sorgt dafür, dass ich zu schweben beginne.
Leichtigkeit ist eine der letzten Stufen des Fiebers.


Ich bin aufgestanden,ganz langsam auf den Balkon gegangen. Es hat die Drossel nicht verscheucht.
Sie sitzt weiterhin zwischen den Pflanzen und singt.
Ich spüre mittelmeerisches auf meiner Haut. Muß das Salz sein, denke ich. Ja, Salz ist Essenz.
Wie leicht alles geworden ist.
Dann brechen die Stare auf.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Ralf,

muss man eigentlich erst Fieber krigen, um soetwas zu schreiben; - und vor allen Dingen: Es zu bemerken?
Ich glaube, ich brauche auch mal einen 'Fieberschub'.
Gerne gelesen!

Herzlichst
yours Hagen


____________
Nichts endet wie geplant!
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo hagen,

hatte in den letzten zwei wochen ne echt schwere
grippe, und in der zeit seltsame dinge an mir und an meiner
umwelt bemerkt.
daraus entstand die idee für diese geschichte.

freue mich über deinen kommentar

gruß ralf
 

Ralf Langer

Mitglied
Fieber

Seit den Tagen der ersten Fieberschübe sehe ich klarer.
Es ist, als ob mit jeder Hitzewelle etwas in mir schwindet, abstirbt, sich wandelt.
Etwas, das meine Wahrnehmung, wie mir nun deutlich wird, beeinflußt hat.
Ich lächle viel. Trotz der Schmerzen, die mich mein Körper empfinden lassen will.
Soma. Nicht mehr als eine Form, eine Hülle für kausale Schlacke, die sich im Laufe des Lebens abgelagert hat, die ich nun beginne herauszuschwitzen.
Was übrig bleibt ist Essenz. Ich spüre es immer deutlicher.
Noch stört der Körper. Noch dringen seine Signale irritierend auf mich ein.
Hunger am häufigsten.
Aber kein Großer mehr. Nichts was wirklich schmerzt.
Nur noch Appetit. Eine Erinnerung an eine Gewohnheit. Der diminuativste Anspruch den das Fleisch erhebt.
Aber ich gebe mich diesem Wegelagerer nicht hin.
Fleisch! Der gordische Knoten löst sich auf.
Bald nur noch Garn, das der Schöpfer, wie ein Koch, um eine Roulade wickelte um das Fleisch in einer Form zu halten, die ihrer Natur nicht entspricht.
E = mc2 .
Das Fieber löst diese Gleichung nach E hin auf.

Ich habe den Fernseher gestern endgültig ausgeschaltet. Die Geräusche stören meine Konzentration.
Jetzt, da meine Sinne sich schärfen, reicht mir der Blick von der Couch zum Fenster hinaus um die Welt zu begreifen.
Ich höre wie Nachts die Ratten auf dem Hinterhof die Mülltonnen des Discounters durchwühlen. Die tapsenden Klänge ihrer Schritte. Und dann reden sie miteinander. Erst hielt ich es für Einbildung. Aber ein heftiger Fieberschub lies mich die Dinge anders vernehmen.
Ja, sie reden.
Und sie lachen viel. Vielmehr als ich wahrhaben wollte. Man weiß ja das Ratten viel zu lachen haben.
Und wie sie lachen.Vor allen Dingen über Haltbarkeitsdaten auf Verpackungen.
„Nie war das Leben so einfach.“ Sie johlen. „Werft nur alles weg.“ So spricht der Rattenkönig.
„Unser Tisch ist reichlich gedeckt.“
Das wiederum freut die streunenden Katzen. Alle werden satt.
Essen! Banalitäten.
Von mir nur Kopfschütteln.
Aber die Ratten können es nicht wissen. Weiß es überhaupt jemand außer mir:
Der Geist wird stärker, wenn der Körper schwach ist.

Schritte im Hausflur lenken mich ab. Ich kenne den Rhythmus dieser Schritte;
Zwei Stufen gleichzeitig. Inne halten. Dann eine Stufe und wieder von vorn.
Füße auf dem Weg zur Arbeit.
Mein Nachbar. Ingenieur. Verfahrenstechniker. Was ihn vorantreibt?
Auch Hunger. Aber ein Anderer. Hunger nach Wochenende. Schon Montags beschleunigen sich seine Schritte. Bis Freitags erhöht sich das Tempo. Dann, ab 16.00 Uhr, wenn er geduscht ist, wenn die Seife die Monotonie der Fünf Tage Woche von der Haut gespült hat, ändert sich das Muster.
Müßiggang.
Die Treppenstufen hinab werden die nächsten zwei Tage einzeln genommen. Nichts tun. Ich sehe ihn.
Sehe den Tresen. Höre das Bier seine Kehle hinunterrauschen. Wochenende. Bierdurst.
Ich bleibe liegen. Rätsle über Haltbarkeitsdaten von gezapftem Bier.
Der Rattenkönig wüßte es. Aber Ratten trinken kein Bier. Biojoghurt reicht als Flüssigkeit.

Mein Urin hat seine Farbe geändert. Wie der Himmel. Von meinem Lager aus sehe ich ihn nur zwischen dem Parkhaus und der Hinterwand des Schauburg Kinos hervorluken. Ein Stück, das mit zusammengekniffenenen Augen zwischen Daumen und Ringfinger passt.
Der Himmel schiebt sich ins Violette, der Harn ins Dunkelgelbe. Der Harn riecht intensiver. Auch ein Akt der Befreiung. Der Himmel hat keinen Geruch. Er ist Farbe. Die Stare beäugen ihn argwöhnisch vom Dachsims
des Kinos aus. Die Farbe gefällt ihnen nicht. Das Violette scheucht sie auf.
Nicht so die Drossel.
In den ersten Tagen hatte ich sie gar nicht bemerkt. Ganz unscheinbar sitzt sie zwischen den welkenden Blättern meiner Balkonpflanzen und singt.
Es ist eine Bachfuge, wie ich mittlerweile festgestellt habe.
„Toccata und Fuge in D minor“
Natürlich ist es eine eigenwillige Interpretation. Eine Drosselversion.
Aber es passt, passt zu den Starenschwärmen, die sich sammeln, passt zu der Farbe des Himmels.
Auf eine eigentümliche Art und Weise bringt die Drossel mein Fleisch zur Resonanz.
Während ich liege, vibriere ich, schwinge. Vor allem vom Basslauf. Er sorgt dafür, dass ich zu schweben beginne.
Leichtigkeit ist eine der letzten Stufen des Fiebers.


Ich bin aufgestanden,ganz langsam auf den Balkon gegangen. Es hat die Drossel nicht verscheucht.
Sie sitzt weiterhin zwischen den Pflanzen und singt.
Ich spüre mittelmeerisches auf meiner Haut. Muß das Salz sein, denke ich. Ja, Salz ist Essenz.
Wie leicht alles geworden ist.
Dann brechen die Stare auf.
 
Hallo Ralf

Eine gute und doch ziemlich originelle Geschichte.
Längeres krank sein, kann die Fantasie durchaus stärker anregen.

lg dunkelkristall
 
K

KaGeb

Gast
Hallo Ralf,

mal wieder - wie so oft - ein Supertext von dir, da mach ich doch glatt eine LA-OLA-Welle im Breakdance-Stil vor meinem Display.

Wenn jetzt noch diese verflixten kleinen Strichelchen, die den Lesefluss steuern, allesamt richtig gesetzt bzw. ab und zu nicht fehlen würden, dann ... Aber auch so ein wunderbar guter und schlauer Text.

L.G. Karsten
 

Ralf Langer

Mitglied
Fieber

Seit den Tagen der ersten Fieberschübe sehe ich klarer.
Es ist, als ob mit jeder Hitzewelle etwas in mir schwindet, abstirbt, sich wandelt.
Etwas, das meine Wahrnehmung, wie mir nun deutlich wird, beeinflußt hat.
Ich lächle viel. Trotz der Schmerzen, die mich mein Körper empfinden lassen will.
Soma. Nicht mehr als eine Form, eine Hülle für kausale Schlacke, die sich im Laufe des Lebens abgelagert hat, die ich nun beginne herauszuschwitzen.
Was übrig bleibt ist Essenz. Ich spüre es immer deutlicher.
Noch stört der Körper. Noch dringen seine Signale irritierend auf mich ein.
Hunger am häufigsten.
Aber kein Großer mehr. Nichts was wirklich schmerzt.
Nur noch Appetit. Eine Erinnerung an eine Gewohnheit. Der diminuativste Anspruch den das Fleisch erhebt.
Aber ich gebe mich diesem Wegelagerer nicht hin.
Fleisch! Der gordische Knoten löst sich auf.
Bald nur noch Garn, das der Schöpfer, wie ein Koch, um eine Roulade wickelte um das Fleisch in einer Form zu halten, die ihrer Natur nicht entspricht.
E = mc2 .
Das Fieber löst diese Gleichung nach E hin auf.

Ich habe den Fernseher gestern endgültig ausgeschaltet. Die Geräusche stören meine Konzentration.
Jetzt, da meine Sinne sich schärfen, reicht mir der Blick von der Couch zum Fenster hinaus um die Welt zu begreifen.
Ich höre wie Nachts die Ratten auf dem Hinterhof die Mülltonnen des Discounters durchwühlen. Die tapsenden Klänge ihrer Schritte. Und dann reden sie miteinander. Erst hielt ich es für Einbildung. Aber ein heftiger Fieberschub lies mich die Dinge anders vernehmen.
Ja, sie reden.
Und sie lachen viel. Vielmehr als ich wahrhaben wollte. Man weiß ja das Ratten viel zu lachen haben.
Und wie sie lachen.Vor allen Dingen über Haltbarkeitsdaten auf Verpackungen.
„Nie war das Leben so einfach.“ Sie johlen. „Werft nur alles weg.“ So spricht der Rattenkönig.
„Unser Tisch ist reichlich gedeckt.“
Das wiederum freut die streunenden Katzen. Alle werden satt.
Essen! Banalitäten.
Von mir nur Kopfschütteln.
Aber die Ratten können es nicht wissen. Weiß es überhaupt jemand außer mir:
Der Geist wird stärker, wenn der Körper schwach ist.

Schritte im Hausflur lenken mich ab. Ich kenne den Rhythmus dieser Schritte;
Zwei Stufen gleichzeitig. Inne halten. Dann eine Stufe und wieder von vorn.
Füße auf dem Weg zur Arbeit.
Mein Nachbar. Ingenieur. Verfahrenstechniker. Was ihn vorantreibt?
Auch Hunger. Aber ein Anderer. Hunger nach Wochenende. Schon Montags beschleunigen sich seine Schritte. Bis Freitags erhöht sich das Tempo. Dann, ab 16.00 Uhr, wenn er geduscht ist, wenn die Seife die Monotonie der Fünf Tage Woche von der Haut gespült hat, ändert sich das Muster.
Müßiggang.
Die Treppenstufen hinab werden die nächsten zwei Tage einzeln genommen. Nichts tun. Ich sehe ihn.
Sehe den Tresen. Höre das Bier seine Kehle hinunterrauschen. Wochenende. Bierdurst.
Ich bleibe liegen. Rätsle über Haltbarkeitsdaten von gezapftem Bier.
Der Rattenkönig wüßte es. Aber Ratten trinken kein Bier. Biojoghurt reicht als Flüssigkeit.

Mein Urin hat seine Farbe geändert. Wie der Himmel. Von meinem Lager aus sehe ich ihn nur zwischen dem Parkhaus und der Hinterwand des Schauburg Kinos hervorluken. Ein Stück, das mit zusammengekniffenenen Augen zwischen Daumen und Ringfinger passt.
Der Himmel schiebt sich ins Violette, der Harn ins Dunkelgelbe. Der Harn riecht intensiver. Auch ein Akt der Befreiung. Der Himmel hat keinen Geruch. Er ist Farbe. Die Stare beäugen ihn argwöhnisch vom Dachsims
des Kinos aus. Die Farbe gefällt ihnen nicht. Das Violette scheucht sie auf.
Nicht so die Drossel.
In den ersten Tagen hatte ich sie gar nicht bemerkt. Ganz unscheinbar sitzt sie zwischen den welkenden Blättern meiner Balkonpflanzen und singt.
Es ist eine Bachfuge, wie ich mittlerweile festgestellt habe.
„Toccata und Fuge in D minor“
Natürlich ist es eine eigenwillige Interpretation. Eine Drosselversion.
Aber es passt, passt zu den Starenschwärmen, die sich sammeln, passt zu der Farbe des Himmels.
Auf eine eigentümliche Art und Weise bringt die Drossel mein Fleisch zur Resonanz.
Während ich liege, vibriere ich, schwinge. Vor allem vom Basslauf. Er sorgt dafür, dass ich zu schweben beginne.
Leichtigkeit ist eine der letzten Stufen des Fiebers.


Ich bin aufgestanden,ganz langsam auf den Balkon gegangen. Es hat die Drossel nicht verscheucht.
Sie sitzt weiterhin zwischen den Pflanzen und singt.
Ich spüre mittelmeerisches auf meiner Haut. Muß das Salz sein, denke ich. Ja, Salz ist Essenz.
Wie leicht alles geworden ist.
Dann brechen die Stare auf.




http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=ho9rZjlsyYY
 
I

Inky

Gast
Hallo, Ralf - heute erst entdeckt und gerne gelesen! So ein Fieberschub kann schon eine Grenzerfahrung sein, das wußten die alten Schamanen schon längst und haben noch ordentlich Feuerwasser nachgereicht...


Zit.: "...Der Geist wird stärker, wenn der Körper schwach ist..."
Mein Vorschlag:
Der Geist führt ein starkes Eigenleben, wenn der Körper schwach ist.

Lieben Gruß, Inky
 
I

Inky

Gast
Mit einem "starken Geist" assoziiere ich, glasklar in der Birne zu sein.
Wenn ich an meine letzte Transmutations-Grippe denke, war ich eine Woche lang geistig Feuer, dann Asche und erst nach 14 Tagen Phönix...
Inky
 
K

KaGeb

Gast
Hallo Ralf,

noch ein paar Ideen (und Hinweise auf fehlende Kommata, die ich zwar blau markiert habe, die aber nur bei verschärfter Betrachtung ins Auge fallen)
Vielleicht kannst das Eine oder Andere gebrauchen. Ein toller Text!

___________________________________________________________

Seit [strike]den Tagen der[/strike] [blue]den[/blue] ersten Fieberschübe[blue]n[/blue] sehe ich klarer.
Es ist, als ob mit jeder Hitzewelle etwas in mir schwindet, abstirbt, sich wandelt.
Etwas, das meine Wahrnehmung, wie mir nun deutlich wird, beeinflußt hat.
Ich lächle viel. Trotz der Schmerzen, die mich mein Körper empfinden [strike]lassen will[/strike] [blue]lässt[/blue].
Soma. Nicht mehr als eine Form, eine Hülle für kausale Schlacke, die sich im Lauf[strike]e[/strike] des Lebens abgelagert hat, die ich nun beginne herauszuschwitzen.
Was übrig bleibt[blue],[/blue] ist Essenz. Ich spüre es immer deutlicher.
Noch stört der Körper. Noch dringen seine Signale irritierend auf mich ein.
Hunger am häufigsten. [blue]Am häufigsten Hunger[/blue] [red](weiß auch nicht, aber i-wie klingt es so - für mich - runder)[/red]
Aber kein Großer mehr. Nichts[blue],[/blue] was wirklich schmerzt.
Nur noch Appetit. Eine Erinnerung an eine Gewohnheit. Der diminuativste [red](auf dieses Wort würde ich verzichten!)[/red] Anspruch[blue],[/blue] den das Fleisch erhebt.
Aber ich gebe mich diesem Wegelagerer nicht hin.
Fleisch! Der gordische Knoten löst sich auf.
Bald nur noch Garn, das der Schöpfer[strike],[/strike] wie ein Koch[strike],[/strike] um eine Roulade wickelte[blue],[/blue] um das Fleisch in einer Form zu halten, die ihrer Natur nicht entspricht.
E = mc2 .
Das Fieber löst diese Gleichung nach E hin auf. [red](Hier würde ich die Formel noch mal in Worten stellen)[/red]

Ich habe den Fernseher gestern endgültig ausgeschaltet. Die Geräusche stören meine Konzentration.
Jetzt, da meine Sinne sich schärfen, reicht mir der Blick [strike]von der Couch[/strike] zum Fenster hinaus[blue],[/blue] um die Welt zu begreifen.
Ich höre[blue],[/blue] wie Nachts die Ratten auf dem Hinterhof die Mülltonnen des Discounters durchwühlen. [strike]Die tapsenden Klänge ihrer Schritte[/strike] [blue]Ihre tapsenden Schritte[/blue]. [strike]Und dann reden sie miteinander[/strike] [blue]Sie reden miteinander[/blue]. Erst hielt ich es für Einbildung. Aber ein heftiger Fieberschub [strike]lies mich die Dinge anders vernehmen[/strike] [blue]sorgte für Klarheit[/blue].
[strike]Ja, sie reden.[/strike]
Und sie lachen [strike]viel[/strike]. [strike]Vielmehr als ich wahrhaben wollte[/strike]. Man weiß ja[blue],[/blue] das Ratten viel zu lachen haben.
Und wie sie lachen.Vor allen Dingen über Haltbarkeitsdaten auf Verpackungen.

„Nie war das Leben so einfach.“ Sie johlen. „Werft nur alles weg.“ So spricht der Rattenkönig.
„Unser Tisch ist reichlich gedeckt.“
[red]Vielleicht prägnanter so:[/red]
[blue]"Nie war das Leben einfacher", johlen sie, "werft nur alles weg", meint der Rattenkönig, "unser Tisch ist reich gedeckt."[/blue]

Das wiederum freut die streunenden Katzen. Alle werden satt.
Essen! Banalitäten.
Von mir nur Kopfschütteln.
Aber die Ratten können es nicht wissen. Weiß es überhaupt jemand außer mir:

Der Geist wird stärker, wenn der Körper schwach ist.
[red]Vielleicht:[/red] [blue]Der Geist wird stärker, je schwächer der Körper. [/blue]

Schritte im Hausflur lenken mich ab. Ich kenne den Rhythmus dieser Schritte;
Zwei Stufen gleichzeitig. Inne halten. Dann eine Stufe und wieder von vorn.
Füße auf dem Weg zur Arbeit.
Mein Nachbar. Ingenieur. Verfahrenstechniker. Was ihn vorantreibt?
[red]"Schritte" wiederholt sich im 2. Satz, vielleicht sowas wie:[/red]

[blue]Schritte im Hausflur lenken mich ab, ich kenne den Rhythmus: zwei Stufen zugleich, innehalten, dann eine, dann wieder von vorn. Füße auf dem Weg zur Arbeit - mein Nachbar, Ingenieur, Verfahrenstechniker. Was ihn vorantreibt?[/blue]

Auch Hunger. Aber ein Anderer. Hunger nach Wochenende. [strike]Schon Montags beschleunigen sich seine Schritte.[/strike] Bis Freitag[strike]s[/strike] erhöht sich das Tempo. Dann, ab 16.00 Uhr, wenn er geduscht ist, wenn die Seife die Monotonie der [strike]Fünf Tage[/strike] Woche von der Haut gespült hat, ändert sich das Muster.
Müßiggang.
[strike]Die Treppenstufen hinab werden die nächsten zwei Tage einzeln genommen.[/strike] Nichts tun. Ich sehe ihn.
Sehe den Tresen. Höre das Bier seine Kehle hinunterrauschen. Wochenende. [strike]Bierdurst.[/strike] [red]Das Bild mit der Kehle reicht (mir) völlig aus ...[/red]
Ich bleibe liegen. Rätsle über Haltbarkeit[strike]sdaten[/strike] von gezapftem Bier.
Der Rattenkönig wü[strike]ß[/strike][blue]ss[/blue]te es. Aber Ratten trinken kein Bier. [blue]Lieber[/blue] Biojoghurt [strike]reicht als Flüssigkeit[/strike].

Mein Urin hat seine Farbe geändert. [strike]Wie der Himmel[/strike] [blue]Der Himmel auch[/blue]. Von meinem Lager aus sehe ich ihn nur zwischen [strike]dem[/strike] Parkhaus und [strike]der[/strike] Hinterwand des Schauburg Kinos [strike]hervorluken[/strike]. Ein Stück, das mit zusammengekniffenenen Augen zwischen Daumen und Ringfinger passt.
Der Himmel schiebt sich ins Violette, der Harn ins Dunkelgelbe. Der Harn riecht intensiv[strike]er[/strike]. [strike]Auch ein Akt der Befreiung[/strike]. Der Himmel hat keinen Geruch. Er ist Farbe. Die Stare beäugen ihn argwöhnisch vom Dachsims
des Kinos aus. Die Farbe gefällt ihnen nicht. Das Violette scheucht sie auf.

Nicht so die Drossel.
In den ersten Tagen hatte ich sie gar nicht bemerkt. Ganz unscheinbar sitzt sie zwischen den welkenden Blättern meiner Balkonpflanzen und singt.
Es ist eine Bachfuge, wie ich mittlerweile festgestellt habe.
„Toccata und Fuge in D minor“
Natürlich ist es eine eigenwillige Interpretation. Eine Drosselversion.
Aber es passt, passt zu den Starenschwärmen, die sich sammeln, passt zu der Farbe des Himmels.
Auf eine eigentümliche Art und Weise bringt die Drossel mein Fleisch zur Resonanz.
Während ich liege, vibriere ich, schwinge. Vor allem vom Basslauf. Er sorgt dafür, dass ich zu schweben beginne.
Leichtigkeit ist eine der letzten Stufen des Fiebers.
[red]GENIAL!!![/red]


Ich bin aufgestanden,ganz langsam auf den Balkon gegangen. Es hat die Drossel nicht verscheucht.
Sie sitzt weiterhin zwischen den Pflanzen und singt.
Ich spüre mittelmeerisches auf meiner Haut. Muß das Salz sein, denke ich. Ja, Salz ist Essenz.
Wie leicht alles geworden ist.
Dann brechen die Stare auf.
[red]UND DAS AUCH!!![/red]

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Wirklich klasse geschrieben!!!!

Liebe Grüße
 

Ralf Langer

Mitglied
Fieber

Seit den ersten Fieberschüben sehe ich klarer.
Es ist, als ob mit jeder Hitzewelle etwas in mir schwindet, abstirbt, sich wandelt.
Etwas, das meine Wahrnehmung, wie mir nun deutlich wird, beeinflußt hat.
Ich lächle viel. Trotz der Schmerzen, die mich mein Körper empfinden lässt.
Soma. Nicht mehr als eine Form, eine Hülle für kausale Schlacke, die sich im Laufe des Lebens abgelagert hat, die ich nun beginne herauszuschwitzen.
Was übrig bleibt ist Essenz. Ich spüre es immer deutlicher.
Noch stört der Körper. Noch dringen seine Signale irritierend auf mich ein.
Hunger am häufigsten.
Aber kein Großer mehr. Nichts was wirklich schmerzt.
Nur noch Appetit. Eine Erinnerung an eine Gewohnheit. Der kleinste Anspruch den das Fleisch erhebt.
Aber ich gebe mich diesem Wegelagerer nicht hin.
Fleisch! Der gordische Knoten löst sich auf.
Bald nur noch Garn, das der Schöpfer, wie ein Koch, um eine Roulade wickelte um das Fleisch in einer Form zu halten, die ihrer Natur nicht entspricht.
E = mc2 .
Das Fieber löst diese Gleichung nach E hin auf.

Ich habe den Fernseher gestern endgültig ausgeschaltet. Die Geräusche stören meine Konzentration.
Jetzt, da meine Sinne sich schärfen, reicht mir der Blick von der Couch zum Fenster hinaus um die Welt zu begreifen.
Ich höre wie Nachts die Ratten auf dem Hinterhof die Mülltonnen des Discounters durchwühlen. Höre ihre tapsenden Schritte. Sie reden. Erst hielt ich es für Einbildung. Aber ein heftiger Fieberschub schärfte auch diesen Sinn.
Sorgte für Klarheit:
Ja, sie reden.
Und sie lachen. Man weiß ja, das Ratten viel zu lachen haben. Und wie sie lachen.Vor allen Dingen über Haltbarkeitsdaten auf Verpackungen.
„Nie war das Leben so einfach.“ Sie johlen. „Werft nur alles weg.“ So spricht der Rattenkönig.
„Unser Tisch ist reichlich gedeckt.“
Das wiederum freut die streunenden Katzen. Alle werden satt.
Essen! Banalitäten.
Von mir nur Kopfschütteln.
Aber die Ratten können es nicht wissen. Weiß es überhaupt jemand außer mir:
Der Geist wird stärker, wenn der Körper schwach ist.

Schritte im Hausflur lenken mich ab. Ich kenne den Rhythmus dieser Schritte;
Zwei Stufen gleichzeitig. Inne halten. Dann eine Stufe und wieder von vorn.
Füße auf dem Weg zur Arbeit.
Mein Nachbar. Ingenieur. Verfahrenstechniker. Was ihn vorantreibt?
Auch Hunger. Aber ein Anderer. Hunger nach Wochenende. Bis Freitags erhöht sich das Tempo. Dann, ab 16.00 Uhr, wenn er geduscht ist, wenn die Seife die Monotonie der Woche von der Haut gespült hat, ändert sich das Muster.
Müßiggang.
Die Treppenstufen hinab werden die nächsten zwei Tage einzeln genommen. Nichts tun. Ich sehe ihn.
Sehe den Tresen. Höre das Bier seine Kehle hinunterrauschen. Wochenende.
Ich bleibe liegen. Rätsle über Haltbarkeitsdaten von gezapftem Bier.
Der Rattenkönig wüsste es. Aber Ratten trinken kein Bier. Biojoghurt reicht als Flüssigkeit.

Mein Urin hat seine Farbe geändert. Der Himmel auch. Von meinem Lager aus sehe ich ihn nur zwischen dem Parkhaus und der Hinterwand des Schauburg Kinos hervorluken. Ein Stück, das mit zusammengekniffenenen Augen zwischen Daumen und Ringfinger passt.
Der Himmel schiebt sich ins Violette, der Harn ins Dunkelgelbe. Der Harn riecht intensiver. Der Himmel hat keinen Geruch. Er ist Farbe. Die Stare beäugen ihn argwöhnisch vom Dachsims
des Kinos aus. Die Farbe gefällt ihnen nicht. Das Violette scheucht sie auf.
Nicht so die Drossel.
In den ersten Tagen hatte ich sie gar nicht bemerkt. Ganz unscheinbar sitzt sie zwischen den welkenden Blättern meiner Balkonpflanzen und singt.
Es ist eine Bachfuge, wie ich mittlerweile festgestellt habe.
„Toccata und Fuge in D minor“
Natürlich ist es eine eigenwillige Interpretation. Eine Drosselversion.
Aber es passt, passt zu den Starenschwärmen, die sich sammeln, passt zu der Farbe des Himmels.
Auf eine eigentümliche Art und Weise bringt die Drossel mein Fleisch zur Resonanz.
Während ich liege, vibriere ich, schwinge. Vor allem vom Basslauf. Er sorgt dafür, dass ich zu schweben beginne.
Leichtigkeit ist eine der letzten Stufen des Fiebers.


Ich bin aufgestanden,ganz langsam auf den Balkon gegangen. Es hat die Drossel nicht verscheucht.
Sie sitzt weiterhin zwischen den Pflanzen und singt.
Ich spüre mittelmeerisches auf meiner Haut. Muß das Salz sein, denke ich. Ja, Salz ist Essenz.
Wie leicht alles geworden ist.
Dann brechen die Stare auf.




http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=ho9rZjlsyYY
 



 
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