Flucht über die Nordsee 13: Kaum zu glauben

ahorn

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Ein Törn durch unbekannte Gewässer

Entdecker gehen das Risiko ein, bekannte Wege zu verlassen, neue Routen zu wählen.
Obwohl sie das Ziel, nur zu beschreiben vermögen, kein endgültiges Bild vorm Auge haben, verlangt man ihnen ab, immer auf Kurs zu bleiben.


Voll unter Segel

Kaum zu glauben!

Ein Harry-Potter-Rucksack sauste durch die Luft, traf, bevor dieser den Boden berührte, ein Poster, auf dem ein knabenhafter Musiker in ein Mikrofon schmachtete. Das Mädchen, welches das Gepäck durch den Raum geworfen hatte, schlürfte zu einem Bett mit rosa Wäsche. Sie setzte sich zwischen die wartenden Kuscheltiere. Ihre Zähne gefletscht, ergriff sie einen Hasen, schleuderte ihn zur Zimmertür. Worauf eine blondhaarige Frau in einem engen anthrazit farbigen Lederrock den Plüschhasen auffing, dann stöckelte sie auf ihren hochhackigen Schuhen zum Fenster. Sie legte das Tier auf einen Nachtisch ab, bevor sie rosa-weiß geblümte Vorhänge vor die Scheibe zuzog, sodass das Licht einer Straßenlaterne nicht mehr in den Raum fiel. Dann schritt sie auf das Mädchen im weißen Tennisrock zu, setzte sich zu ihr und grinste sie an.

Toni betrachte den Raum und strich über das Bett. „Warum muss ich hier schlafen?“
„Kind“, Tanja hob seinen Rock, grinste, „du kannst gerne bei Matthias schlafen.“
„Mama.“ Toni lächelte und verschränkte die Arme vor der Brust, „Ich kann nicht mit einem Jungen“, er sah zur Zimmerdecke, schmunzelte, „ein Bett teilen.“
„Toni.“ Tanja knuffte in seine Seite. „Deinen Humor hast du immerhin wieder.“
Er kniff die Augenbrauen zusammen, presste die Lippen aufeinander. „Torben. Mein Name ist Torben Rauhbein!“
Ihr Blick schweifte über ihn. „Nach einem Torben“, sie tätschelte seine Wange, „ziehst du mir nicht aus. Ich wusste gar nicht, dass du so viel Fantasie hast?“
„Wieso?“, fragte er und zupfte an seinem Ohrläppchen.
Tanja legte ihr Kinn auf den Rücken ihrer rechten Hand, klimperte mit ihren Wimpern, schaute andächtig, verlegen zur Zimmerdecke.
„Torben ist krank.“ Sie zog durch die Nase. „Er kommt später mit meiner Großtante nach!“
Er stupste sie an, sodass sie mit dem Rücken das Bett aufwühlte. „So!“, zischte er, klopfe dabei auf sein Brustbein. „Habe ich das nicht gesagt.“
Tanja stieß mit beiden Zeigefingern auf ihn ein. „Hast du wohl!“
„Habe ich nicht! Das ist total mädchenhaft!“
Sie setzte sich auf. „Hast du wohl!“ Sie räusperte. „Noch einen!“ Sie positionierte den Körper wie beim ersten Mal. „Ich bin froh“, sie lehnte ihren Kopf zur Seite. „Dass ich ein paar Tage mit Mama verbringen kann.“ Sie drehte eine Locke in ihr Haar. „Sie hat ja nie Zeit für mich!“
Toni ergriff seinen rechten Fuß, legte ihn neben das Gesäß ab und zupfte an den Zehen, und murmelte, wobei er ihr einen stechenden Blick zuwarf:
„Wenn die doofe Fragen stellen.“
Sie schüttelte den Kopf. „Trotzdem brauchst du mich nicht als Rabenmutter hinzustellen.“
Toni wandte die Unterseite seiner Hände nach oben, sah diese an und zuckte mit den Achseln.

Anstatt sie ihm half, mit dieser Situation klarzukommen, belustigte sie sich. Am liebsten wäre er abgereist, geflohen. Nie wieder würde er hierher zurückkommen. Warum auch? Sollte sie mit ihrer Jannette glücklich werden?
„Kann ich nicht“, flüsterte er, „bei dir schlafen?“
Sie ergriff seine Hand.„Antonia“. Er verdrehte die Augen. „Toni, das geht nicht. Stephen kommt heute Nacht heim, wenn er dich dann in unserm Bett vorfindet.“
Er zog seine Finger zurück. „Eurem was? Ich dachte, ihr macht das alles zum Schein.“
„Ja unser Bett. Erstens sind wir zwei erwachsene Menschen.“ Sie hob die Schultern. „Und zweitens, wie sieht es aus, wenn das glückliche Paar in getrennten Zimmern schläft.“

Toni senkte den Blick, seine Augen flirrten hin und her, seine Augenbrauen näherten sich einander. Sie begehrte Frauen, der Typ war ein Mann. Er war alt genug, um zu wissen, dass Erwachsene nicht nur ein Bett enterten, um zu schlafen. Sie war eine Frau, die selten mit ihren Reizen geizte. Wenn sie an Kerle vorbeitänzelte, dann pfiffen die ihr nach.
Tanja stand auf, zuckte mit den Schultern und hauchte: „Die paar Mal.“
Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper, wippte mit ihrem rechten Fuß.
„Wie kamst du auf diese blöde Idee? Wir hatten etwas anderes besprochen?“
Typisch, schoss es ihm durchs Gehirn, treibt man Erwachsene in die Enge, wechseln sie das Thema.
Toni erzählte ihr alles. Den ganzen Tag, den erlebt hatte, sogar sein Abenteuer in der Damentoilette. Welches sie mit einem Tupfen an ihren Augenbrauen, zu bestätigen schien.
Sie rieb ihre Nase. „Da hast du uns in eine Lage gebracht.“
„Ich wollte den Admiral.“ Er senkte den Blick. „Nur herausfordern.“
Tanja leckte über ihre weinrot bemalten Lippen, kratzte sodann ihr Genickt. „Das ging in die Hose.“
Sie legte ihre Hand auf seine Schultern, lachte.
Der Mund dünn, die Stirn kraus, wandte er sich von ihr ab. „Ich finde das nicht witzig!“
„Ich auch nicht. Ich denke nur an ihre nasse Hose.“
„An mich denkst du dabei nicht.“
„Nur an dich. Was hättest du mir vorgehalten, wenn ich gesagt hätte, das ist …“
Toni kreischte derart laut, dass er ihre Worte nicht vernahm. „Hör auf!“
„Was ist daran schlimm?“
„Voll ätzend.“
„Ätzend! Hast du einen Knall. Manchmal tickst du wirklich nicht richtig.“
Toni sackte in sich zusammen und zupfte am Rock. „Wie soll ich …?“
„Deine Probleme will ich haben. Sei einfach du, nehme es als Spiel. Du hast doch ausreichend Fantasie. Ich mache mir eher Sorgen über das Verhalten des Admirals, warum sie …“

Tanja schwang ihren Kopf. „Da steckt mehr dahinter. Das ist nicht ihre Art.“
Dann wandte sie sich erneut Toni zu.
„Du hast ihr nichts erzählt? Die Sache mit Jannette, dem Erbe und der Hochzeit?“
Er schloss die Augen, wackelte mit dem Kopf. „Nein!“
„Trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Mit ihrem religiösen Gehabe könnte sie uns gefährlich werden!“
Die Lider hochgezogen, zuckte er zurück. „Wie meinst du das?“
War Bärbel ein Feind? Es stimmte etwas nicht!
„Toni, wir spielen das Spiel mit. Du musst stark sein.“
Seine Augen formten sich zu Schlitzen.
Sie blinzelte ihn an. „Wir fordern sie heraus. Antonia!“ Ihre Arme umschlagen seine Körper. „Ich beschütze dich.“,

„Komm ab ins Bett mit dir! Hohl deine Zahnbürste. Ich zeige dir das Bad.“
Toni ging zu seinem Rucksack, der an der Stelle ruhte, an die er ihn geworfen hatte, nahm ihn auf, stellte ihn wieder mit einem Seufzer ab. An alles hatte er gedacht, nur nicht an einen Schlafanzug und an eine Zahnbürste.
Er eilte in den Flur. „Tanja!“
„Ich bin hier“, erklang ihre Stimme aus einem Raum.
Sie schritt aus dem Zimmer, schloss die Tür ab, hielt ein Bündel Stoff in ihren Händen.
„Hier herein“, forderte sie ihn auf.
Das Bad lag zwischen dem Raum, in dem er schlafen sollte und dem, aus jenen sie gekommen war.
Toni schielte über seine Schultern. „Wer schläft denn normalerweise. …?“
„Alina! Alina ist Franzis und Vales jüngste. Sie lebt im Internat und kommt morgen heim.“
„Das hast du mir bereits gesagt. Soll ich etwa …“
„Sie ist nett. Neugierig, aber nett.“
Toni hatte zwar nicht gefragt, trotzdem erklärte ihm die Schwester, wer sonst auf der Etage schliefe.
Matthias, Alinas Bruder, hatte die Kammer gegenüber vom Bad, erklärte sie. Ein Totenkopf mit einer 88 bewies ihm, wessen Art der Bewohner war. Dass sein Vater dieses tolerierte, verwunderte Toni. Tanja schien, seine Gedanken zu lesen.
„Den Scheiß hängt er jeden Tag wieder auf. Musst dir einmal die Höhle ansehen?“ Ein Stöhnen flog ihr aus der Kehle. „Sein Großvater hat ihn voll im Griff. Da kann Vale nichts machen.“
Am anderen Ende der Diele gegenüber von Alinas Zimmer hatten die Eltern ihr Schlafgemach.
Die Gäste logierten im Erdgeschoss sowie im Anbau.
„Schau nicht so. Ich habe dir schon einmal gesagt, ich trage keine Mädchensachen mehr.“
Toni schnappte sich das Seidennachthemd, den Slip, die Zahnbürste und verabschiedete sich wortlos.
„Schließ das Bad ab! Vale und Franzi stehen immer zeitig auf und gehen spät zu Bett, aber dieser …“, sie knurrte, schielte gleichzeitig über ihre Schulter. „Da musst du umsichtig sein.“

Sie wandte sich erneut ihm zu. „Ich spreche heute Abend mit den beiden. Wir sollten sie einweihen.“
Dann verschwand sie endgültig, ließ ihn allein. Mit zitternden Knien ging er in Alinas Zimmer. Er kaperte Koje. Bevor er ins Land der Träume segelte, verzierte, ein Lächeln sein Gesicht.



Weiberkram

Franziska wusch die Hände an ihrer Schürze ab, marschierte zum Küchentisch, ergriff einige Gläser.
Tanja band ihren Pferdeschwanz neu, lächelte und ging auf sie zu. „Warte, Franzi, ich helfe dir!“
Sie stellte die Gläser ab und flüsterte: „Schläft sie?“
„Ja. Setzt dich! Ich räume ab.“
Franziska schob ihren Rock an die Beine, setzte sich und grinste „Otonia is a richtig siasss Madl. Grod a bissal frech!“
Tanja kniff ihre Augen zusammen und presste die Lippen aufeinander.
„Pardon!“ Franziska zuckte mit den Achseln. „Ich vergesse immer, dass du kein Bayrisch verstehst. Sie ist für ihr Alter ziemlich keck.“
Ein Glas an ihre Brust gedrückt, spielte Tanja an ihrer Halskette und zog ihren Mund schief. „Sprechen wir vom selben Mädchen?“
„Lass die Sachen stehen“, forderte Franziska sie auf, „Das bisschen erledigte ich morgen.“
Sie erfasste eine Weinflasche, hielt den Flaschenhals oberhalb eines Weinglases. „Noch einen Schluck?“.
„Gerne“, entgegnete Tanja und setzte sich an Franziskas Seite. Dann stütze sie ihr Kinn auf und betrachtete sie.
„Eins verstehe ich nicht. Warum ist Anton, dein Ex-Mann, nicht mit ihr gegangen, obwohl sie schwanger war?“
Franziska klopfte auf Tanjas Arm, umklammerte mit der anderen Hand das Weinglas. „Ich habe es dir bereits erzählt“, presste sie hervor. „Er hatte nichts mit ihr. Eifersüchtig wollte er mich machen.“ Sie senkte den Kopf. „Alle Mannsbilder waren hinter ihr her. Schen war sie mit ihren langen Rabenhaaren“ Franziska grinste. „Die waren gefärbt, das sah man. Aber, sie strahlte etwas Mystisches aus.“ Franziska vergrub ihr Kinn in den Händen, wobei ihre Augen zu funkeln schienen. „Sie hatte etwas von einer Zigeunerin. In ihren langen schwingenden Rock, ihrer Bluse, dessen Ärmel sie über die Schulter gezogen hatte. Mei, wie sie tanzte. Barfuß am Lagerfeuer mit den Hüften tänzelnd, wie eine aus dem Orient.“
Sie nahm einen Schluck, kratzte sich am Genick. „Kind, musst verstehen, das waren damals verrückte Zeiten. Überall waren diese jungen Leut, in ihren Lagern. Die Welt wollten sie verbessern. Mei, recht hatten sie.“ Sie wandte ihr Gesicht dem Fenster zu. „Der Olde hätte am liebsten son Raket in den Hof gestellt, um den Bolschewisten es Recht zu zeigen.“
Tanja zog ihre Augenbrauen zusammen und drehte sich eine Locke ins Haar. „Sie war doch schwanger?“
Franziska schlug auf den Tisch und schimpfte: „Die Leut haben es geredet. I war schwanger vom Vale. In der Scheun sind wir gewesen. I war gramisch auf den Anton. Hätte mich nie der Gerti anvertrauen sollen. Gut ist sie geworden seit damals. Ich habe ihr vergeben.“ Sie rieb ihre Hände, dabei wandte sie ihr Gesicht ab. „Da war die Geschicht von der Amisha.“

Tanja kniff ein Auge zu. „Amisha?“
Franziska schlingerte den Kopf, den Hals. „So nannte sie sich. Ihren richtigen Namen kannte keiner.“ Sie zupfte an ihrem Glas. „Jedenfalls erzählte meine Schwester überall im Dorf, dass sie es mit dem Leibhaftigen in der Kirch auf dem Altar getrieben hätte.“
Tanja speerte den Mund auf. „Und dann?“
„Mein Vater hat mich gerufen. Was mir einfiele, mit dem Knecht, dem Damischen. Hab ihm gesagt, dass sie de Vale beschworen, und sie ihn verdammt hätte mich ebenfalls auf dem Altar. Bleed wa i. Wo bleibt da übahabt?“
„Wer?“
„De Vale. Da woite doch grod wenig des Obstlers zum Donau-Hof.“
„Wie?“
„Egal, de kommt bestimmt gleich. Hat sicher irgendeinen Parteibazi getroffen. Das de Mannsbilder immer mit de Politik. Verstehst? I ned.“
„Was ist aus Amisha geworden?“
„Vertrieben hat der Fone sie. Samt ihrer ganzen Gruppn, mit der Schrotflinte aus dem Dorf getrieben“ Sie lächelte. „Die Amisha ist dann mit ihrer Freundin nach Indien. Ihr Karma suchen.“ Sie rieb mit dem Zeigefinger an der Nase. „a nett’s Feundin hat’s gehobt.“
Franziska klopfte auf den Tisch. „Gut mit den oidn Gschichdn.“ Sie legte ihre Hand auf Tanjas Schulter. „Nach vorne müssen wir sehen. Mei bin ich froh das mein Bua dich jetzt hat.“ Sie grinste. „Du wirst ihm a guts Weib und er dir a gut Mo. Du wirst ihm seine Flausen austreiben, des spür i.“ Sie zwinkerte, klatschte sogleich in die Hände. „Wenn erst was Kleines unterwegs ist, dann seid ihr eine recht Familie. Und dann die Ontonia, wenn dein Tante auf Weltreise geht. Den brauch sie net mehr bei ihrem Vater wohnen. Mei wird des schee.“ Franziska stand auf, ergriff ihr Glas und drehte sich wie zum Tanz um ihre Achse.
Tanja zupfte an ihrer Kette. „Franzi, ich muss dir auch was sagen.“
Franziska richtet sich auf, lauschte. „Wart“, wisperte sie, hob ihren Zeigefinger und flüsterte: „Da Bua, da Lauscher, den Hias krieg ich auch noch hin.“
Sie schlich zur Küchentür, schloss sie lautlos.



Nestbau

Ein paarungswilliges Männchen segelt durch die Nacht auf dem Weg zum Nest des Weibchens. Lange in Zuversicht des Erscheinens, der frohen Botschaft haarte sie aus.
„Mach das Licht aus!“
„Warum?“
„Es soll nicht jeder sehen, dass du da bist.“
Der Mann tippte auf den Lichtschalter, stolperte auf das Bett zu, legte sich zu ihr.
„Las das!“
„Ich dachte?“
„Du kannst doch eh nicht. Alles klar mit deiner Tochter?“
„Welcher?“
„Hast du mehrere?“
„Du weißt, wie ich das meine. Bei dir ist alles gut gelaufen?“
„Alles nach Plan.“
„Wärme mich. Mir wird kalt!“, erklang die Frauenstimme zittrig. „Ich weiß nicht, ob wir das richtig machen?“
„Schätzchen! Richtig oder falsch! Es ist die einfachste Lösung. Für Sentimentalität gibt es da keinen Platz.“
Er liebkoste ihren Rücke, küsste ihre Schulter.
„Ja, Ja.“, kam es gedehnt über ihre Lippen.
„Hallo. Was machst du da?“
„Wenn du schon bei mir bist“.



Klabautermann

„Do liagt wa in meim Bett!“, schrie ein Mädchen.
Sie stand auf dem Flur, direkt an der geöffneten Tür ihres Kinderzimmers und deutete auf ihr Bett.
Franziska flüsterte: „Schätzchn sei leis.“ Sie hatten zuvor nacheinander das Obergeschoss betreten. Nun stellte sie sich an ihre Seite und tuschelte: „Des is de Ontonia. Tanjas Tochta“, tuschelte sie, stellte dabei eine Reisetasche neben dem Kind ab.
Das Mädchen stellte ihre Reisetasche ab und zischte: „Sprich Deutsch mit mir.“ Sie runzelte ihre Stirn. „Tanja hat eine Tochter? Ich dachte, sie hat einen Bruder oder derartiges?“
Franziska stöhnte, verdrehte die Augen. „Einen Vetter hat sie. Hat sie mir gesagt. Der hat ne Gripp oder so. Hom mia est gestan erfahrn!“
Das Mädchen stampfte auf. „Warum schläft sie in mein Bett?“
Franziska deutete auf Toni, der im Schlaf sich wandte. „Alina, Grod de Nochd. I hob für se an Luftmatratze hervorgeholt.“
Sie legte die rechte Hand auf Alina Schulter, worauf sie diese wegschob und eine Faust ballte.
„Trotzdem ist das mein Zimmer!“
„Sei liab zua ihr. Des Heisl is voi! Und …“, Franziska atmete durch. „Sie hat es nicht einfach, wusste ned einmal, ob se zur Hochzeit ihr Muada keman durft.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Ihr Vater soll a Tyrann sen. Sagt Stephen!“

Torbens Körper schwankte wie bei Windstärke fünf, obwohl die See glatt vor ihm lag. Er raffte das Segel, damit das Schlingern aufhörte. Ohne Erfolg. Er kämpfte sich zum Ruder vor. Eine Stimme erklang, wie aus dem Nichts. Wer rief ihn? Er war allein auf dem Boot.
„Hey! Hey!“, drang an sein Ohr.
War es der Klabautermann, der ihn warnte? Ihn vor Unheil schützte.
„Hey! Hey!“
Immer hörbarer vernahm er den Ruf. Zunehmend heftiger wühlte die See. Er sah zum Mast. Ein Mädchen mit rundem, sommersprossigen Gesicht, langen rotbraunen Zöpfen, die seitlich an ihrem Kopf baumelten, rief seinen Namen. War das sein Name?

„Antonia aufstehen!“

Er schlug die Augen auf. Düsternis überkam ihm, dann erhellt der Tag seine Netzhaut. Toni sah sich um. Es war nicht in seinem Zimmer, nicht in seiner Koje. Ein Mädchen, dessen Gesicht er im Traum gesehen hatte, saß neben ihm, wippte ausgelassen mit ihrem Hintern.
„Du liegst in meinem Bett!
„Wenn du weiter hüpfst, nicht mehr lange.“ Er gähnte. „Wie spät ist es?“
Sie spähte zum Fenster und gluckste: „Fast Mittag.“
Er zog seine Mundwinkel hinauf. „Welche Uhrzeit haben wir?“
„Neun!“
Toni tippte an seine Schläfe. „Ist das Mittag?“
Die Arme verschränkt, wandte sie ihren Blick ab. „Habe ja fast gesagt. Kommst wohl aus der Stadt. Bei uns steht man früh auf. Gleich nach dem Gocklenschrei.“
„Gocklenschrei?“
„Hahnenkrähen! Kannst du koa deitsch.“

Toni trocknete sich ab. Die morgendliche Dusche hatte ihm seine Kräfte geweckt. Ein gesicherter Start für den schwersten Törn seines Lebens. Der eine Tag mit Tanja hatte ihm zugesetzt. Jetzt nahm er die Kampfansage an, vier Tage die Rolle eines braven Mädchens, er verdrehte seine Augen, einer braven Tochter zu spielen.
Warum war er nur so doof gewesen? Hatte dem Reiz nicht widerstanden? Es war nicht das Schicksal, dass ihn gepackt hatte, sondern der Zufall. Die Tante schneiderte und änderte Kleidungsstücke, die sie oft durchwusch.
Toni ergriff seinen Rucksack, sah hinein. Er starrte auf die Badezimmerwand, gefolgt von einem Blick in den Sack. Er hob ihn an, drehte ihn in alle Richtung. Es war seiner, ohne Frage, und weniger der Inhalt, der ihn verwunderte. Er leerte ihn aus. Vor ihm auf dem Boden lagen Mädchensachen. Er durchwühlte die Garderobe, fasste sich an die Nase, betastete sein Ohrläppchen und schüttelte den Kopf.

Toni schritt auf Alina zu. Sie beschäftigte sich damit, den Inhalt ihrer Reisetasche in ihren Kleiderschrank zu räumen. Ihre Jeans hatte sie durch eine Latzhose getauscht. Dessen rechter loser Träger bei jeder Rotation gegen die Schranktür schlug.
Er zerrte an seinen nassen Haaren. „Hast du einen Föhn für mich?“
Sie verharrte mit einem Stapel Oberwäsche, wandte ihn ihr Gesicht zu. „Der Rock steht dir echt krass.“ Sie kicherte. „Krass grün. Könnte mir gefallen, solange“, sie stöhnte, „ich ihn nicht anziehen muss. Ich mag die Dinger nicht. Echt unpraktisch!“
Sie zuckte mit ihrem Kopf und befahl: „Antonia, komm mit! Die damische Schuluniform nervt mich eh. Weißt, warum de Junga Hosnn drogn dürfa? Echt ätzend!“

Sie gab ihm nicht den Haartrockner. Sie frisierte ihn. Ihr Geschnatter prasselte auf ihn ein, und er sann über die Sachen mit dem Rucksack nach.
Das Brummen des Föhns verstummt. Toni stellte sich, mit dem Gesicht zugewandt, vor den Badezimmerspiegel und strich mit den Fingern durch sein Haar. „Sieht echt scharf aus!“
„Danke. Ich frisierte gern mei Freindinna.“ Sie grinste. „Kimmsd zum Friahstück!“
Er nickte. „Ich komme gleich nach.“

Alina hüpfte die Treppe herunter, stieß auf der letzten Stufe mit Tanja zusammen. Mit einem Faustkick beförderte sie diese abwärts, schrie sie an und zeigte ihr einen Vogel. Woraufhin Tanja sie anblaffte, die Finger gespreizt, ihre Hand vor dem Gesicht wedelte, dann ihren Kopf in den Nacken warf und das Haus verließ.

Toni tappte durch das Kinderzimmer, stellte den Rucksack ab. Er schlich an Alinas Kleiderschrank, sah sich um und spähte hinein. Hosen, Pullover und T-Shirt lagen, hängten, mehr oder weniger ordentlich in ihm. Keinen einzigen Rock, geschweige ein Kleid fand er.



Weißwurst mit Brezeln

Eine stämmige Dame stand am Herd, knetete einen Teig und begrüßte Toni mit einem fröhlichen: „Grüß Gott.“
Franzi, mit bürgerlichen Namen Franziska Obermeier, war eine freundliche und mit ihrer mütterlichen Art, beliebte Frau im Dorf. Arrangierte sich im Landfrauenbund sowie im örtlichen Trachtenverein. Mit ein Grund dafür, dass sie die Traditionen der Gegend pflegte, die sie gerne zur Schau trug. Ihre Pensionsgäste erwarteten von ihr ein bäuerliches, niederbayrisches Äußeres, weshalb sie meist in Dirndl ihre Arbeit versah. Ihre zu einem Kranz geflochtenem mahagonibraunen Haare unterstrichen dieses Bild.
Sie bat Toni, an den mit einem kräftigen Mahl gedeckt Küchentisch. Alina und ihr Vater unterhielten sich. Er gesellte sich zu ihnen, verstand kein Wort in ihrem Dialekt. Die Augen verdrehend, haschte er sich ein Brötchen, schnitt es auf, schmiert Marmelade darauf.
Ein alter Mann mit krummen Rücken, gestützt durch einen Gehstock, geführt von einer Frau mit runzeligem Gesicht, faltigen Fingern sowie Armen, schlich in die Küche. Er setzte sich an Tonis Seite, betrachtete ihn mürrisch. Die Begleiterin schritt zu Alinas Mutter und ging ihr wortlos zur Hand.

Ohne von ihrer Arbeit aufzusehen, stieß Franziska der anderen in die Seite. „Na Voda moang is de Houchzeid dann kannst du di enlich schlafa legn!“
Der Angesprochene stampfte mit dem Krückstock auf den Boden. „Wos sogt meine missratene Brut?“
Toni schaute beide abwechselnd an, spähte zu Alina, wobei Marmelade von seinem Brötchen auf den Tisch tropfte.
„Dei Tochta meint moang is endlich Houchzeid und ‚s werd Zeid fia di des zeidliche zua segna“, mischte sich die andere ein.
Alina verdrehte zuerst ihre Augen, dann rutschte sie auf Toni zu und flüsterte: „Du verstehst kein Wort.“
Er nickte und stopfte sich das Brötchen in den Mund.
„Meine Großtante sagt, dass meine Mutter meint, ihr Vater, also mein Großvater, könne nach der Hochzeit endlich das seitliche Segnen“, übersetzte sie.
Toni schlug die Augen auf. „Wie meint sie das?“, flüsterte er mit vollem Mund.
Alina zuckte mir ihren Schultern und lauschte.
„Sie soi liaba aufpassn des ihr vadammta Oida sie ned oamoi mid sein bio kram vagifte. I übalebe sie no a boh Joare. I geh grod mitanand mid am Führa des hob i eahm gschwoan“, blubberte es über die Lippen von Alinas Opa.
„Sie soll lieber aufpassen, dass ihr verdammter Alter, mein Vater, sie nicht einmal mit seinem Bio-Kram vergiftet. Ich überlebe sie noch ein paar Jahre. Ich gehe zusammen mit dem Führer, das habe ich ihm versprochen“, übersetzte Alina erneut.
„Drink dei Bier und Guad“, donnerte die Frau zurück, die der Hausherrin half.
„Tante Gerti möchte, dass Opa sein Bier trinkt.“
Toni griff an sein Ohrläppchen, kniff ein Auge zu und zischte: „Das habe ich verstanden.“ Er rückte näher an Alina heran. „Wer ist Tante Gerti?“
„Opas Schwester!“
Gertrud alias Gerti, Franziskas Tante, half ihrer Nichte bei der Bewirtung der Gäste. Sie wohnte mit ihrem Bruder Alfons im ehemaligen Gesindehaus, gegenüber dem zu einer Pension ausgebautem Bauernhaus. Mit Hingabe pflegte sie Alfons, hatte nie geheiratet, keine Kinder. Obwohl sie sich mühte, war ihr Ansehen im Ort nicht hoch. Ein Umstand, den sie ihrem Lebenslauf schuldete.
„‘s is Zeid fia des zwoate Friahstück wo san meine Woasswürschd und de Breseln“, polterte wieder mal aus Gertruds Mund.
Sie schritt auf den Küchentisch zu, hob den Deckel eines Topfes. Dann fischte sie zwei Weißwürste aus dem Gefäß, legte sie auf einen Teller. Sie schnappte eine Brezel, donnerte diese neben das Bierglas, jenes vor dem verschrumpelten Mann stand.
„Do ess und dring aba sei endlich still!“
Valentin, Alinas Vater erhob sich, zischte dem Alten ein paar Flüche entgegen und verließ die Küche.
„Mama, ich gehe zu den Tieren“, zwitscherte Alina und wandte sich an Toni. „Kimmsd mid?“
Franziska rieb ihre mit Mehl bestäubten Finger an ihrer Schürze ab. „I docht, du hilfst beim Bacha?“
Alina pustete ihre Wangen auf und eilte aus der Küche.
Toni stand auf. „Frau Obermeier, ich kann ihnen helfen?“
Er wunderte sich selbst über seinen Satz. Bei der Tante floh er eher aus der Küche. Nur bei der Spekulation, mit Alina den Hof zu erkunden, und Kot besudelte Tiere zu streicheln, blieb er lieber bei den Damen.
Franziska schritt an ihm vorbei zur Zimmertür, packte eine Schürze von einem Haken, drehte sich zu Toni um. „Damit du dein Gewand nicht versaust, und sag Franzi zu mir, Ontonia.“
Mit Genuss knete er den Teig in Aussicht des fertigen Werkes, seinem geliebten Streuselkuchen.

Er schob die erste Komposition in den Ofen, da erschien Tanja in der Küche.
Sie schritt auf ihn zu, umarmte ihn und küsste ihn auf den Mund. „Morgen, meine Kleine, machst du dich nützlich?“ Die Brauen zusammengezogen, die Stirn gefaltet, musterte sie ihn und grummelte: „Das freut mich!“
„Franzi hat mir gezeigt, wie man Streuselkuchen backt.“
Franziska lächelte ihn an. „Dei Tochta is ma a grouse Hilfe. De werd moi a guade Heislfrau. Do kenn i mi aus.“
Tanja flechte die Zähne, wie ein angriffslustiger Wolf. „Darf ich die Bäckerin kurz entführen? Ich möchte ihr was zeigen.“
Getäuscht
Die Schultern hängend, trottete Toni ihr hinterher. Er hatte nichts verkehrt gemacht, verhalten, wie sie es ihm aufgetragen hatte.
Kaum waren sie außer Sicht- und Hörweite der Küche verschwunden, schwang ihre Hand an seinen Oberarm, und ihre rot lackierten, langen Fingernägel bohrten sich in seine Haut. Mit der anderen zerrte sie am Stoff des mintgrünen Rockes.
„Wo hast du die Sachen her?“
Er drehte sich aus ihrer Umklammerung, hob die Schultern.
„Aus meinem Rucksack, ich dachte …“
Tanja zog ihn, weiterhin den Arm festgekrallt, die Treppe empor direkt in Stephens Zimmer.

Stephens Raum war entgegengesetzt zu Alinas winzig, eher eine Abstellkammer. An der einen Seite stand ein Bett, welches Platz für einen Erwachsenen bat. Ein Kleiderschrank gegenüber nebst einem Schreibtisch unter dem Fenster vervollständigten das Mobiliar. Der geöffnete Schrank lud Toni zum Spicken ein. Der Inhalt war ordentlich gestapelt. Auf der Kleiderstange hingen in gleichen Abstand Bügel mit männlicher und weiblicher Oberbekleidung. Auf dem Boden lagen Haare. Ein für ihn schauerlicher Anblick. Der Schreibtisch war leer, abgesehen von einem mit einem Slip verziert Block, sowie einem Füllfederhalter, jener mittig parallel zur Tischkante angeordnet.

Tanja preschte zum Kleiderschrank, schloss ihn ab, steckte den Schlüssel in ihre Hosentasche. Im Anschluss daran schnappte sie die Damenbekleidung, die auf den Boden lag, den Slip, der auf dem Schreibblock ruhte, warf sodann alles auf das Bett. Bei dieser Aktion lösten sich einige Haare aus ihrem Pferdeschwanz, fielen auf ihre nackte Schulter.
Sie ergriff erneut Tonis Oberarme, fixierte ihn, bis er ihrem Blick nicht mehr standhielt und sein Gesicht abwandte.
„Lüg mich nicht an!“, schimpfte sie. Ihre gespannten Lippen, die gesenkten Augenbrauen verzerrte ihr Anglist dämonisch.
Er stupste sich an seine Nase. „Ich lüge nicht, die waren in meinen Rucksack.“
Tanja setzte sich aufs Bett, nahm ihn auf ihren Schoß und zupfte am Bund des Rockes.
„Ach, Toni. Du hättest mich fragen können. Glaubst du, ich hätte etwas dagegen gehabt. Einfach nehmen, geht nicht.“
Er sprang von ihren Beinen, hob den Saum des Rockes. „Ich wollte die Plünnen nicht!“
„Die Sachen habe ich für Alina gekauft. Letztes Wochenende, als du im Buchladen warst.“
Sie stand auf, marschierte durch die Kammer und kratze an ihrem Genick, dann ergriff sie seine Hand. „Ich war extra heute Morgen los, habe für dich Klamotten besorgt.“
„Ich war das nicht“, wiederholte Toni, ohne sie zu betrachten.
Tanja kaute an einem Fingernagel und murmelte: „Nur das Nötigste.“
Eine Hand an ihrem Haar ergriff sie eine Reisetasche, drückte diese ihm gegen den Oberkörper.
Er umklammerte die Tasche. „Ich war das wirklich nicht. Als ich heute Morgen meinen Rucksack öffnete, war ich selbst überrascht.“
Sie fuhr sich abermals durch Haar, drehte dabei eine Locke. „Wie?“
Er stellte die Tasche ab. „Wenn ich es dir sage!“
Tanja biss auf ihre Unterlippen. „Da läuft was schief.“ Sie legte eine Hand auf seine Schultern. „Ich glaube dir. Egal!“ Sie öffnete die Tasche, fischte ein Buch aus dieser und murmelte, ohne ihn anzublicken: „Wir verfahren wie gestern besprochen.“
Sie reichte ihm das Buch. „Ich habe dir was zum Lesen mitgebracht.“
Flucht über die Nordsee, las Toni.
Er wendete den Roman.
Die Tochter eines Reeders ist Zeuge am Mord an ihren Eltern. Sie kennt den Täter. Voller Angst flieht sie mit ihrem Segelboot über die Nordsee, um ihren Onkel zu entfliehen, schmökerte er.
Tanja klopfte an seine Hüfte. „Ich muss kurz weg!“
Ein letztes Mal sich umsehend, verließ sie die Kammer. Toni schnappte sich die Tasche, schlenderte in Alinas Zimmer.

Toni betrachte erneut die Reisetasche. Er hatte die Gleiche. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen schwang sein Blick auf den Rucksack. Warum hatte er es vergessen? Es war ein Weihnachtsgeschenk der Tante gewesen. Vor der jetzigen Krimiphase verschlang er alle Werke von J.K Rowling. Seine Schwester hatte ihn auf den Geschmack gebracht. Sie erhielt das gleiche Geschenk.



Er ist wieder da!

Tanja schritt mit verschränkten Armen auf und ab. Karl, im pechschwarzen Priesterhemd, saß auf einem klapprigen Gartenstuhl, trank ein Schluck Wein, zündete eine Zigarette an.

„Kind!“ Er betrachtete die hölzerne Decke des Balkons. „Setzte dich hin oder zieh deine Schuhe aus!“ Blauer Qualm stieg aus seinem Mund. „Ich will die Ruhe genießen.“ Er überschlug die Beine, zog an der Kippe. „Woher weißt du, dass ich hier bin?“
Tanja blieb stehen, zeigte auf ihn. „Sag Bärbel, sie soll nicht immer meine Kreditkarte benutzen!“
Karl hob den Hintern, faste an seine Gesäßtasche.
„Darum geht es dir, wieder mal ums Geld.“ Er sah durch das Fenster ins Innere des Hotelzimmers. „Die Absteige ist erschwinglich.“
Sie winkte ab. „Las deine Kröten stecken!“ Sie verflocht ihre Arme vor der Brust, starrte ihn über die Schulter an. „Was heckt ihr aus? Ihr steckt unter einer Decke. Ich weiß doch, dass ihr es miteinander treibt!“
Karl erfasste sein Weinglas, begutachtete den bordeauxfarbenen Tropfen. „Bärbel besichtigt Salzburg und ich gebe dir und deinem Stephen am Sonntag den Segen. Dies ist alles.“
Er schlürfte den Wein, rauchte. Dann stellte er das Gefäß ab, berührte eine Bibel. Sein Blick glitt über das Getränk, über seine Zigaretten. „Ich bin ein Mann Gottes, lebe enthaltsam.“ Er strich über den ihm zierenden Kugelbauch „Lebe im Zölibat. Ich hege eine gewisse Sympathie, aber Gott bewahre mich, beschränkt sich diese auf die geistige Ebene.“
Tanja spielte mit ihrer Halskette. Sie fixierte ihn, starr, ohne eine Wimper zu zucken. Seine Augen sprühten. Sie hatte nichts gegen ihn in der Hand, dennoch war sie fest davon Überzeugung. Er log.
„Kind, du hast mich ertappt“, gluckste er, schlug mit der flachen Hand auf seine Schenkel. „Du kennst mich zu gut. Du weißt, dass ich ungern lange Strecken fahre und die Zeiten, in den es mir nichts ausmachte, in fremden Betten zu schlafen, sind lange her.“ Er faltete seine Finger vor dem Bauch. „Ich will nicht nur dir den Segen geben. Einen alten Freund …“, er senkte seinen Kopf, „einen Weggefährten …“ Er griff sich an die Nase. Mit weit geöffneten Lider sah er zur Decke und brummelte „Einen Weg sind wir nie gemeinsam gegangen. Ein verirrtes schwarzes Schaf möchte ich retten.“

Sie hasste Karl, bewunderte ihn zugleich. Er schaffte es immer, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. Vor wenigen Minuten war sie Wut entbrannt in das Zimmer gehetzt, auf den Balkon gestürmt. Sekunden später stand sie, wie ein armseliges Schulmädchen, vor ihm, welches ihr Gedicht vergessen hat, dass sie stundenlang einstudiert hatte.
„Gebe es zu, oder warum wollt ihr ein Jahr nach Afrika.“
„Du bringst da etwas durcheinander.“ Er klopfte die Asche vom Glimmstängel. „Bärbel nimmt sich eine Auszeit. Hart genug hatte sie es in ihrem Leben.“ Er zeigte Tanja zum Beweis der Unschuld seine Handflächen. „Wohin weiß ich nicht! Ich werde für zwei Monate in das Land reisen, in dem ich gern gewirkt habe. Zurück zu den Wurzeln schreiten, mich besinnen, Gott dienen. Bevor ich meine neue Vokation antrete.“
„Wie?“
Karl schwang den Kopf, grinste. „Ich werde Bischof von Passau.“
Wieder hatte er es geschafft. Tanja schaute von ihm ab, setzte sich.
„Was hast du mit Tonis Rucksack gemacht?“
Er runzelte seine Stirn. „Rucksack?“
„Tonis Gepäck!“, preschte sie hervor und pochte in die hohle Hand.
„Das Kind hatte ihn vergessen, zu verwahren, und du weiß, wie rasch man Diebe anlockt. Liest du kein Tageblatt?“
„Hast du Tonis Sachen mit der aus der blauen Reisetasche mit dem grünen Anker vertauscht?“
„Was für eine Tasche?“ Er schlug an seine Stirn. „Bevor ich es vergesse.“ Er streckte den Oberkörper, rieb über seinen Rücken. „Die Kartons habe ich in deinen Keller getragen.“
„Danke!“
„Tonis Sachen habe ich nicht angefasst“. Sein Blick trübte sich ein. „Es reicht, dass Bärbel dem Kind diese abartigen Flausen erlaubt. Wie es herumläuft?“ Er faltete die Hände zum Gebet. „Gott verzeih mir! Ehrlich gesagt absonderlich.“
Er strich über ihre Finger. „Tanja, dich quält etwas?“

Er hatte sie endgültig eingewickelt. War sie erschienen, um ihn ins Gebet zu nehmen, nahm er ihr die Beichte ab.
Tanja flüsterte: „Ja.“ Sie knetete ihre Hände. „Er war wieder da!“
Karl zog eine Augenbraue in die Höhe. „Ist er erneut in dich gefahren?“
Sie senkte ihre Lider. „Wer?“
Der Priester bekreuzigte sich. „Der Satan!“
„Ja, er ist teuflisch, gleichsam echt.“
„Nein. Er steckt in dir. Er war damals bereits die Strafe für deine Mutter.“
Tanja schlug mit der Faust auf den Gartentisch. „Las meine Mutter aus dem Spiel! Ich habe ihn gesehen. Letzten Sonntag, da stand er vor meinem Bett.“
Erneut bekreuzigte sich Karl.
„Ich glaube, er hat es dieses Mal auf Toni abgesehen. Ein Auto hätte das arme Kind fast überfahren“, bezichtigte sie.
Die Worte des Retters kamen ihr wieder in den Sinn. „Fährst du nicht eine schwarze Limousine mit ausländischen Kennzeichen?“
Er legte die Hände auf seinen Schoß. „Schwarz ja. Limousine ist übertrieben.“ Er kratzte sich am Kinn. „Ich bin ein Mensch. Habe den Wagen in mein Herz geschlossen. Hätte ihn lange abgeben sollen.“
Tanja lehnte sich zurück. „Wo warst du letztes Wochenende?“
„Auf einer Synode in Köln. Warum fragst du?“
Sie beugte ihren Oberkörper. „Nichts!“ Tanja stand auf und drohte. „Last Toni in Ruhe!“
„Ich werde für euch beten.“ Er nickte, dann bekreuzigte er sie.
Tanja warf ihren Kopf in den Nacken, sodass ihr Pferdeschwanz wie zum Abschied ihm zuwinkte und verließ wortlos, die Hüfte schwingend, den Balkon.



Wia in am Hehnastoi

Gerti, Franzi, Tanja und Alina saßen in aufgekratzt Runde an der einen Seite des wuchtigen Eichentisches. Der grantige Fone hockte auf einem Schemel zwischen Küchentür und Esstisch. Seine gegerbten Hände ruhten auf dem Gehstock, sein Blick starr zum Fenster gerichtet. Still saß er da, fast friedlich, als bereitete er sich auf das baldige Ende vor. Die Damenrunde dagegen schienen sich bestens zu amüsieren. Sie gackerten, tranken Sekt, außer Alina, die hatte ein Glas Saft. Sie erbauten sich, als freuten sie sich auf den Nahen tot des Tyrannen.

Toni betrat den Raum, zugleich verstarb das Gegacker. Er zitterte. Schweißtropfen bildetet sich auf seiner Stirn. Mit zwergenhaften Schritten trippelte er auf die holden Frauen zu, deren Blicke auf ihm ruhten. Tanja lehnte sich zu Alina, tuschelte ihr etwas ins Ohr, woraufhin diese verschämt ihren Mund bedeckte und gluckste. Mit hängenden Armen, starren Augen, einem bibbernden Lächeln erreichte er den Tisch und hob seine schlotternde Hand.
„Hallo“
Das Gekicher brach wieder aus.
„Otoinia, komm zua, eazähle de Gschicht mid da Bärbl auf am Scheißheisl“, pustete Franziska, versprühte dabei Sekt.
Erleichtert darüber, dass sie nicht über ihn gelacht hatten, hockte er sich auf die Bank und erzählte allen Damen die Geschichte der Rasthaus-Toilette. Nachdem er geendet hatte, brandete das Gegacker erneut auf, verwandelte die Küche in einen Hühnerstall.
„Madl des is ma aa scho oamoi passiad“, summte Gertrud mit gehobenem Blick. Es gab kein Halten mehr, der Raum bebte in einer Lautstärke, dass sogar der alte Fone zuckte.

„Euch Weiberleid geht es gut“, übertönte Valentins Gruß das Vergnügen. „Mia Männa müssen schuften und ihr hobt a scheens Leben.“
Die Frauenzimmer, einschließlich Toni, ließen sich nicht einschüchtern, lachten weiter. Worauf sich Valentin abwandte, sich eine Flasche Bier öffnete, diese mit einem Zug leerte.
Mit einer Gebärde forderte Franziska ihren Ehemann auf, den Raum zu verlassen „Mo hast du nichts zu tun? Geh! De Kuche is grod fia uns Weiberleid, do hobt ihr Männa nix zua suchn!“
„Der Drecka will nicht mehr“, gab er zu verstehen und wischte die Lippen mit dem Hemdsärmel ab. Matthias Franzis jüngster Sohn betrat die Küche, setzte sich Toni gegenüber und beäugte ihn.
„Bua wos wuist du aa no do, schleich di, de kuch is fia euvh Mannsbilder heit tabu. Schleich di zua dein Viechern.“
Tanja tupfte sich, Valentin zugewandt, die Augen. „Soll ich einmal nachsehen?“ Sie hickste, weiterhin amüsiert.
„Was verstehst du Madl von a Drecka?“, entgegnete er und stand auf.
Sie folgte ihm. „Las mich schauen?“

Franziska rümpfte die Nase und rief: „Madels da letzt Kuacha!“
Sie sprang auf und rannte zusammen mit Gertrud zum Ofen. Beschwingt zog sie das Blech heraus, warf es auf die Arbeitsfläche. „Otoinia, dei Kuacha is ned gschn!“, kommentierte sie die Rettung.
Franziska wandte ihr Gesicht Toni zu. „Schneid auf!“
Sie platzierte mehrere Bleche Streuselkuchen auf den Tisch, an dem außer ihm weiterhin Matthias und Alina saßen, drückte ihm ein gewetztes Messer in die Hand. Ihre Tochter schnappte sich Streusel, woraufhin Franziska ihr auf die Finger schlug. „Genascht wird ned.“
Franziska schritt zu ihrer Tante und Toni schnitt den Kuchen in Portionen. Ihm lief das Wasser im Munde zusammen. Drei kleine Stücke glitten auf den Tisch. Er zwinkerte, Alina und ihr Bruder griffen zu.
„Otonia i sehe ois!“ Sie drohte mit einem Rührlöffel. „Alina. Du beziehst die Betten. Aishe Eltern kommen bald und wir wollen einen guten Eindruck auf sie machen.“ Darauf wandte sie sich ihrem Vater zu und brüllte: „Ned Voda.“
Alina bockte erst, dann stürmte sie, ohne ein Wort zu verlieren, aus der Küche.



Hias und die Killerschweine

Matthias richtete seine Augen auf Toni und stotterte: „Soll ich dir den Hof zeigen?
Franziska schritt auf die Kinder zu, wedelte mit den Händen, wie eine Bauersfrau, die ihre Hühner aus dem Stall trieb. „Na los, haut schon ab!“
Toni hatte keine Idee, der Situation zu entfliehen, daher gab er sich seinem Schicksal hin und trottete Matthias hinterher.

Bevor Matthias den Schweinestall betrat, stieg er in ein Paar Gummistiefel, schnappte sich ein Zweites und hielt dieses Toni unter die Nase.
„Zieh über!“
Toni glotzte in die Stiefel, an denen er bezüglich der Sauberkeit keinen Unterschied zwischen außen feststellte. Er rümpfte seine. Außerdem stanken sie erbärmlich.
„Dann mache dia ned die feina Schua dreckad. I putze sie dia ned.“
„Wie?“
„Breißn deitsch kannst aa ned. Mecker dann nicht, wenn deine Schuhe dreckig werden.“
„Ich sehe mich vor.“
Toni lüfte seinen Rock und hüpfte auf die Flecken, an denen sich kein Tierkot oder etwas Ähnliches lag. Dabei zog er sich sein T-Shirt vors Gesicht. Trotzdem kroch der Gestank ihm in die Nase. Matthias dagegen stelzte wie ein Großgrundbesitzer voraus.
Nicht ein einziges Schwein lag, stand oder suhlte sich im Stall.
„Wo sind die Tiere?“
„Draußen. Der Weg durch den Stall ist kürzer!“
Nachdem beide wieder an der frischen Luft waren, atmete Toni tief durch. Ein paar Meter mehr, ein Umweg, wäre ihm allemal lieber gewesen.
Matthias schnappte sich einen Eimer und schritt an ein Gatter, worauf sich alle Schweine erhoben, grunzten, und auf ihn zuliefen. Im hohen Bogen warf er Futter ins Gehege. Eine Sau drückte ihre Schnauze durch die Gitter, woraufhin er zwischen die Stäbe fasste und das Borstenvieh kraulte.
„Möchtest du sie streicheln?“
Toni überkreuzte seine Arme vor der Brust, umfasste seine Schultern, setzte ein Schritt zurück und wisperte: „Nein Danke.“
„De Lisa boasst ned!“
Matthias glitt in die Hocke. „Weist, Schweine sind wie Haie, musst du wissen, die fressen nur Menschen, wenn se Blut riechen, aber dann“, er strich mit den Handrücken über seine Kehle. „Bleibt vo dia nix übrig“
Toni umfasste seine Unterarme, wisch einen weiteren Schritt zurück und sah zu Boden.
„Wirklich?“
Matthias stand auf, reichte ihm die Hand und lächelte. „Nein! Die tun niemanden etwas.“
Mit weiterhin gesenktem Blick schielte Toni zum Gehege. „Habt ihr auch andere, zahme Tiere?“
„Komm mit!“
Sie setzten die Besichtigung fort. Toni mit vor der Brust verschränkten Armen immer ein paar Schritte hinter dem Bauernjungen, der leger, wie ein Cowboy auf Brautschau, die Hände in seine Hosentaschen gesteckt hatte. Toni verdrehte die Augen. Wie gerne hätte er ebenfalls die Finger vergraben, aber sein Rock hatte keine Taschen.
Matthias zeigte ihm die Kühe, die geruhsam zusammen mit den Schafen weideten. Nur die Ziegen hüpften umeinander und zwei Böcke buhlten, mit ihren Hörnern schlagend, um eine Zicke.
Auf dem Rückweg zum Bauernhaus besuchten sie den Pferdestall. Toni schützte abermals sein Gesicht. Sein Führer nannte ihm die Namen der Tiere, die in ihren Boxen standen.

Tonis Gedanken trieben zur Wette, die er, obwohl zurzeit wie ein braves Mädchen gekleidet, lange nicht gewonnen hatte.
Er deutete auf die Pferde. „Wo sind Tanjas?“
„Warum nennst du die Muada immer Tanja?“, grummelte Matthias, ohne auf seine Frage einzugehen.
Toni stotterte: „Ja – Ich sehe sie selten, wohne bei meinem Vater.“
Er blieb stehen, suchte nach den richtigen Worten. „Meistens sehe ich sie nur bei Bärbel … meiner Großtante und da nennt Toni … mein Onkel ... äh Cousin sie immer beim Vornamen.“
Matthias schüttelte den Kopf, hob den rechten Zeigefinger, ließ ihn wieder sinken. „Tanja hat hier keine Pferde.“
Toni stemmte seine Daumen in die Taille. „Hat sie mir aber erzählt!“
Matthias zuckte mit den Achseln. „Glaub di. Si hat ihre Pferde drüben in Österreich zustehen.“
Er zeigte ihm den Rest des Hofes, erklärte ihm, dass er für die Viecher, wie er sie nannte, Verantwortung trug, sowie Kindern das Reiten lehrte. Sein Vater bestellte die Felder und die Weiber kochten und kümmerten sich um die Pensionszimmer, wie, er unterstrich dies mit Pathos, es sich für anständige Weibsleut gehöre.
„Willst’s a mal?“
„Was?“
„Reidn.“
Dies war das Letzte, was er sich wünschte, aber direkt konnte er es ihm nicht an den Kopf werfen.
„Die Hochzeitsvorbereitungen, das Fest, ich weiß nicht, ob ich dafür Zeit finde.“
Matthias senkte seinen Kopf und kickte einen Stein. „Wenn’s moanst.“
Toni hatte keine Ahnung, aber aus einem unbekannten Grund hatte er ein schlechtes Gewissen.
„Später.“
„Wie später?“
„Vielleicht ziehe ich nach den Ferien zu meiner Mutter.“ Toni lächelte Matthias an. „Eigentlich ist es ganz nett hier.“

Zum Abschluss der Tour erreichten sie erneut die Schweine. Diesmal staksten beide nicht durch den Stall, stattdessen nahmen sie den gepflasterten Weg um das Gebäude herum. Er schritt nicht wie zuvor hinter Matthias her, sondern schlenderte dicht an seiner Seite.
„Antonia, du bist a komischs Madel. Des erst Madel, was i kenn, des ned kreisch und si auf de Viecher stürzt.“
Toni blieb stehen und schaute ihn mit zusammengekniffenen Augen über die Schulter an. „Ich stehe halt nicht auf Tiere!“
Matthias zeigte auf eine am Eingang zum Stall stehende Bank. „Wart! Setz di.“
Toni setzte sich, beobachtete seine Schwester. Tanja hantierte mit Valentin am Motor des Treckers,

Matthias flüsterte: „Das ist Schnuffi mein Lieblingskaninchen.“
Er legte das Kaninchen behutsam auf Tonis Schoß und setzte sich zu ihm. Toni strich über das weiche weiße Fell des Schlappohrs und sah den Jungen fragend an.
Matthias kraulte den Widder. „Schnuffi beißt nicht, schlägt nicht aus, ist einfach lieb.“

Er zuckte, denn der Jungen berührte seine Finger, trotzdem behielt Toni seine Hand an Ort und Stelle. Er vermochte ihn nicht einzuschätzen, einerseits hatte er von Tanja erfahren, wie gewalttätig er sein solle, anderseits war er liebevoll zu den Tieren. Mit gesenkten Lidern betrachtete, musterte er ihn, ihn, der in seiner oliven Militärhose, den Gummistiefeln, wie ein alter Bauer daherkam. Er checkte seine kurz geschorenen rotbraunen Haare, sein kantiges Gesicht, seinen kräftigen Wuchs, seinen athletischen Körper. Seine eisigen Augen.

Matthias‘ Daumen wich zurück, als Toni diesen berührte, daraufhin fragte er: „Du magst keine Menschen?“
Er nahm seine mit Schwielen überzogene Hand vom Tier, verzog grimmig sein Gesicht. „Wia kimmsd auf so oan Schmarrn!“
Toni zuckte mit der rechten Schulter, zupfte an seinem Ohrläppchen. Er stammelte: „Tanja hat mir von dir erzählt …“
„Tanja. Tanja. Sie is die Muada“, gab er erregt zurück. „Was will si über mi erzählt hab’n.“ Matthias zielte auf Tanja. „Wia a Mo hängt sie üba am Drecka, sollt sich lieber um di kümmern. Weibsleut gehör’n an Ofen, in die Küch, zu ihr Familie, vagabundiert nicht in de Welt herum und lässt Fleisch, Blut dahom.“
Matthias sprang auf, gestikulierte wild mit seinen Armen. Toni fasste ihn und starrte ihn an.
„Bleib. Wie meinst du das?“
Der Junge setzte sich wieder, schnaufte und knetet seine Hände.
Vor ein paar Tagen wäre er, Toni aufgesprungen, hätte diesem Blödmann verlassen. War es, weil er wie ein Mädchen gekleidet dasaß oder das weiche Kaninchen liebkoste. Er blieb.

Er ertrug das abstruse Weltbild des Jungen, die Ideologie des verknöcherten Großvaters. Die Philosophie des auserwählten Volkes, Hygiene des Blutes, in welchen Männer harte Kerle und Frauen hingebende Mütter wären, bis er es nicht mehr aushielt. Sein Verstand, seine Gefühle überwältigten ihn. Er zeigte ihm einen Vogel.
„Du bist ja voll der Nazi!“
Toni sprang aus, diesmal hielt Matthias ihn zurück. „Nein. Wir sind Reichsbürger.“
Die Stirn gerunzelt, schaute Toni ihn an.
„Die Nazis waren die, die die Juden vergasten“, winkte Matthias ab. „Widerwärtig.“
Toni verschränkte seine Arme, wandte sich ab. „Wer wir?“
„I und mei Opa“, johlte Matthias und klopfte wie Tarzan auf seine Brust,

Toni blieb. Er legte seine Hand auf Matthias Bein und spürte Sekunden später die kratzenden Schwielen des Jungen an seinem Knie. Versteinert blickte er in diese eisigen Augen, hörte zu.
Wie Matthias ihm berichtete, waren sie anders. Ihr Ziel war es, wieder Zucht und Disziplin ins Land zu holen. Ein Staat, in dem Frauen nicht halb nackt, oder in engen Hosen über die Straßen schlendern und Unzucht betreiben. Ein Ort, in dem aufrichtige Stämme in Sicherheit ihren Nachwuchs großziehen könnten. Sippen aus einem Vater, einer Mutter, ihren Kindern bestünden und nicht willkürlich zusammengewürfelt, egal welches Geschlecht sie hätten.

Er bekam Angstgefühl, nicht von diesem Knaben, in den Worten hing seine Sorge. Matthias beschrieb seine eigene Familie. Sondern Angst, er könnte ihm entgegenschreien, dass er jemand anders war, als er augenscheinlich war. Dennoch blieb er, still, kraulte das weiche Fell, Matthias Bein.
Hatte er eine richtige Familie? Hatte er Freunde? Lebte er nicht auch in seiner eigenen Welt, fern der Realität? Die Geschichten in den Büchern waren für ihn, wie das Gedankengut des Alten, der den Enkel missbrauchte.
Er vernahm nicht mehr die Äußerung, die an sein Ohr drangen. Erst die Worte Mann im Rock holten ihn wieder in die Realität.
War er enttarnt?
„Es gibt doch nechst scheißlicheres as a Mo in a Kleidl. Wegsperrn miassad ma de Pervasn.“
Toni schluckte. Es war ein Satz aus einem Roman, der ihm unwillkürlich über die Lippen floss. „Ich fände das abstoßend, wenn sich mein Freund an meinen Kleiderschrank bedienen würde.“
Matthias‘ Ergüsse verebbten, dafür sah er ihn verwundert an. „Hast du einen Freund?“
Er durfte unter keinen Umständen die Wahrheit sagen, dass er Gefühle für Tami empfand. Er hätte es nicht verstanden.
„Ja.“

Matthias versenkte sein Gesicht in seine Hände und schluchzte.
Er begriff nichts mehr. Der Junge, der vor Kurzem Fanfaren über die Reine des Volkes geschmetterte hatte, weinte, weil er ihm gesagt hatte, er habe einen Freund. Erst vermutete er, dass er sich in ihn verguckt hätte. Ein Umstand, der die Perfektion seines Auftretens unterstrich. Jedoch weinen? Er, Toni, wenn er ein Junge wäre, würde weggehen oder das Thema wechseln.
Das Fellknäuel zwischen seinen Fingern gab ihm Kraft.
Er legte eine Hand auf Matthias Schulter und flüsterte: „Erzähl!“
Matthias wischte mit seinem Hemdsärmel übers Gesicht, ballte eine Faust. „Ich will nicht, dass dieser Typ deine Mutter heiratet.“
Toni senkte die Arme, kniff die Augen zusammen und betrachte ihn über die Schulter. „Meinst du mit dem Typen dein Bruder.“
„Wenn den sonst den elenden perversen Verräter.“ Er flechte die Zähne. „In Stich gelassen hat er uns. Unsere Ideale verleugnet. Schau ihn dir an!“
Den Mund gespitzt, die Schulter hochgezogen, sah sich Toni um. Er erspähte niemand, den er nicht kannte, denn Stephen hatte er bisher nicht zu Gesicht bekommen.
Matthias ballte eine Faust, presste diese gegen sein Brustbein. „Eine große Sache sollte er mit meinem Vater aufziehen. Ein Land schaffen, in welchen wir endlich frei leben können.“
Toni blickte zum Trecker, auf dem weiterhin Tanja sowie Valentin hantierten.
Er richtete seine Hand auf diesen. „Mit deinem Vater?“
Matthias pochte gegen seine Schläfe und stöhnte. „Ach! Doch ned da. Vale ist nicht mein Vater. Er und mo Muada war’n ned zusammen, als i gezeugt wurde.“ Die Augenbrauen zusammengezogen, stierte er Valentin an. „Anton ist mo Vater!“
„Der Vater von Stephen?“
„Der wusste, wo es lang ging.“ Matthias‘ Kopf zuckte zum Trecker. „Ned so a Öko-Weichei“,
„Was hat er mit der Hochzeit zu tun?“, harkte Toni nach, obwohl er annahm, welche Tendenz das Gespräch annehmen würde.
„Wenn dea Stephen die Mutter ehelicht, bekommt er den Hof.“ Matthias fuhr sich mit der Hand über seine Haarstoppel. „De glam i sei zua blede, bin i aba ned. Wenn er ned heiratet, bekomme i den Hof, hat mo Opa ma vasprochn. Dann werden alle sehen, was ich aus dem Anwesen mache“, dröhnte es, wie ein Orakelspruch über den Bauernhof.
Seine Augen fingen an, so erschien es Toni, zu leuchten.
„I wird’s zu verhindern wissen.“ Matthias tippte auf sein Brustbein. „I. Dass des Bündnis ned zustand kimmd!“
Toni sprang auf. „Ticks du nicht mehr, Du hast voll das Rad ab“.
„Ihr Weib’s seid olle gleich. Oan stoakn Mo woite, aba, wenn dea richtig zuaschläg dann. Koa Ahnung von Ehre!“
„Kinder, Mittagessen!“, schallte Franziskas Stimme über den Hof.
Matthias stand auf. „Tschuidigung!“
Toni stellte sich auf seine Zehenspitzen und drückte Matthias einen Kuss auf die Wange. „Angenommen. Aber, wenn wir Freunde werden wollen, dann spreche Deutsch mit mir. Ich habe nur jedes Zweite …“
Das letzte Wort auf den Lippen erstarrte er. Was hatte er getan? Wie widerlich? Er, Torben Raubein, größter Pirat auf allen Weltmeeren, hatte einen Jungen geküsst.



Machtspiele

Toni aß gerne Rinderbraten, trotzdem stocherte er bloß im Essen herum. Der Blick von Matthias quälte ihn. Die trüben Augen, der Mund gespannt, walkte er seine Gabel. Es erschien ihm, als könnte er jeden Augenblick explodieren, an seinem Zwiespalt zerbrechen. Die stumpfsinnigen Ansichten seines Großvaters, der, neben dem Enkel kauerte, in diesem Moment roboterhaft, mechanisch, den Löffel zum Mund führte, stand der Sensibilität, die Matthias ihm gegenüber gezeigt hatte, entgegen, wie ein Orkan bei spiegelglatter See. Er wich seinem dümmlichen Grinsen aus. Entkam seinen Füßen, indem er die Beine überkreuzte, unter der Bank versteckte.
Toni starrte auf seine Gabel, die er zwischen den Fingern drehte. Schielte zu Alina, die an seiner linken Seite lümmelte, woraufhin dieses sich abwandte. Schlussendlich schaute er aus dem Fenster.


***

Ein Herr in einem kohlrabenschwarzen Nadelstreifenanzug schlich über den Hof. Die Augen bedeckt mit einer nachtschwarzen Sonnenbrille, in der Hand eine Aktentasche. Er schaute sich um, begutachtete die Gebäude. Dann schritt er auf eine Gruppe Halbwüchsigen zu, die abseits vom Hauptgebäude, unter einer Eiche standen. Der Anzugträger öffnete seine Tasche, holte einen Zettel hervor. Er wandte sich dem Längsten zu, welcher der Anführer zu sein schien. Gleichsam wie sein Kumpel, in olivgrünen Hosen und Springerstiefeln gekleidet und fragte: „Is dit de Hof van de Oberländer?“
„Alter, kannst nicht lesen. Steht doch am Tor dran“, schnauzte der Angesprochene den Herren an, spukte diesen vor die Füße und liebkoste einen Baseballschläger.
Der Besucher nahm seine Sonnenbrille ab, warf dem Jungen einen stechenden Blick zu, setzte sodann, ohne eine Wimper zu zucken, die Brille wieder auf.
Der Anführer hielt ihm den Schläger unter die Nase. „Komm Alter, mach die Fliege!“
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte sich der Herr ab, stapfte zurück zu seinem Auto.
Einer der Junge strich über seine Glatze. „Was war das für einer?“
„Da konn no ned oamoi deitsch“, gab der Kleinste aus der Runde zum Besten.
Die Gruppe fiel in ein grölendes Gelächter, nur der Kurze verstand sie nicht.
Ein Kleinwagen fuhr auf den Hof, hielt vor dem Bauernhaus.
„Komm, las uns verschwinden“, befahl der Anführer der Bande.
Ein Glatzkopf, dessen Hornbrille kaum zu seinem Aussehen passte, blieb stehen.
„Kalle, komm! Was ist?“, zischte der Boss.
„Sollen wir das wirklich machen“, stotterte der Brillenträger.
„Kneifen gibts nicht. Unser Gruppenführer hat uns einen Auftrag erteilt. Befehl ist Befehl!“
„Aber wir können ihm doch nicht wehtun?“
Der Anführer zückte seinen Schlagstock, drückte den Knüppel dem Zweifler ans Gesäß. „Wehtun, hört ihn an. Vergnügen wollen wir dieser Zecke bereiten.“
Die Gruppe johlte, bis auf einen.
„Wenn unser Führer sagt, er ist abartig, dann ist er das. Kapiert. Außerdem wird er bestimmt winseln, wenn er uns sieht.“
Der Anführer ließ von ihm ab, dann drückte er ihm einen Schlüssel in die Hand. Wortlos marschierte die Gruppe vom Grundstück.


***

Eine aparte Frau mit einer schwarzen Bobhaarfrisur stieg aus einem silbrig grauen Mittelklassewagen, rückte ihr rotes Minikleid zurecht. Dann schritt sie zur hinteren Tür, öffnete diese, half einer ergrauten Dame beim Aussteigen. Die Grauhaarige band sich ein Kopftuch um, und klettere aus dem Innern des Autos. Im selben Moment schwang die Beifahrertür auf. Ein grau melierter Herr in einem schwarzen Anzug stieg aus, gab der Dame seinen Arm und humpelte ins Bauernhaus.

Die Frau im roten Kleid flanierte in die Küche.
„Aishe“, kreischte Franziska. Sie sprang von der Bank, schritt den Ankömmlingen entgegen. „Herr Deniz, Frau Deniz!“
Sie begrüßte die Gäste mit einer Umarmung, hauchte jedem einen Kuss auf ihre Wangen. Dem Herren inniger als den Damen.
Alfons, Franziskas Vater erwachte aus seiner Lethargie. „Do stinkts! Hias bring mi hom.“
Matthias erhob sich, hielt dem Großvater die Hand hin.
„Hias“, bellte Valentin seinen Sohn an.
„Voda las ihn des hod si sowieso boid ealedigt“, zischte Franziska ihrem Gatten zu.
Er legte ein Lächeln auf, begrüßte Aishe sowie ihre Eltern, wie es zuvor die Gattin verrichtet hatte. Mit dem Unterschied, dass er die junge Frau präferierte, ihr sogar das Gesäß knetete.
„Herr Deniz, wir hatten eher mit ihnen gerechnet“, äußerte Franziska.
Aishes Vater verneigte sich vor der Hausherrin. „Entschuldigen sie bitte Frau Oberländer, unser Zug hatte Verzug“.
„Sie können gut Deutsch.“
Er ergriff ihre Hand, hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken. „Vierzig Jahre Österreich. Gnädigste.“
Sie klimperte mit den Wimpern und trällerte: „Herr Deniz, sie sind ja ein richtiger Charmeur. Setzten sie sich erst einmal. Ich habe für sie Rinderbraten gekocht“. Die Stirn gerunzelt betrachtete sie sein Bein. „Wie geht der Gesundheit?“
Er feigste: „Ganz wirds nimmer mehr, aber auf Dächern will ich ja nicht mehr steigen.“
Franziska berührte ihre Lippen. „Wir haben uns ungemeine Sorgen um sie gemacht. Kurz vor der Hochzeit ihrer Tochter.“
Der Alte hob seine faltigen Hände. „Gnädigste, das holen wir alles nach.“
Familie Deniz begrüßte den Rest der Anwesenden mit Handschlag.
„Mama konn i?“, fragte Alina.
„Wart bitte bis Aishe Ejdan gegessn hom, dann zeigst ihna ihr Zimma.“
„Mama, kann ich?“, wandte sich Toni an Tanja.
„Kind, du hosd nix gegessn!“, entgegnete Franziska.
Da er ohnehin kein Wort verstand, stand er auf, warf Alina einen mitleidigen Blick zu und verließ die Küche.

Unschlüssig, was er mit seiner Freiheit anfangen sollte, ging er in Alinas Zimmer. Seine Augen führten ihn zu ihrem Bücherregal, das er am vorigen Abend erspäht hatte.
Was wusste er von den Lesegewohnheiten, die Mädchen in ihrem Alter hatten? Nichts! Was ging es ihm an? Nichts! Trotzdem zogen die Werke ihn, wie Motten das Licht, an.
Er streifte über die Buchrücken, wie es Tami bei ihm damals vollführt hatte. Damals? Es war vor ein paar Tagen gewesen. Dennoch fern wie das Mittelalter von der heutigen Zeit. Er berührte Hanni und Nanni, die, nach Aussage der Tante, seine Schwester gelesen hatte, Geschichten von Mädchen und Pferden. Alle Bände von Joachim Masanneks Wilden Kerlen entdeckte er. Er zupfte an seinem Ohrläppchen. Warum las er keine Mädchenbücher, wenn sie typische Jungenliteratur verschlang? Er erspähte Joachim Friedrich und sein Herz schlug. Seine Werke, die Reihe Amanda X hatten ihm, die Tür für Kriminalgeschichten geöffnet. Alina wurde ihm sympathischer. Bevor er weiter stöberte, ehe er zu den Sachbüchern kam, lugte ein einzelnes Buch hervor.
„Entführt“, las er. Der Titel versprach einen ihm unbekannten Krimi.
„Ivan Sorokin“, flüsterte er.
Der Name, ein schwarzes Loch in seiner Erinnerungen. Er stellte das Taschenbuch wieder ins Regal.
Ihre Sachbücher faszinierten ihn mehr. Klassiker von Hoimar von Ditfurth standen neben Werken von Stephen Hawking und Newtons – Mathematische Grundlagen der Naturphilosophie. Er sah Alina mit anderen Augen. Daran änderte kein bisschen das Buch Du und dein Körper oder der Weg zur Frau. Er war am Ende der übersichtlichen Bibliothek angekommen. Die letzten Werke sagten ihm nichts. Er griff willkürlich zu.
„Für immer Dein“, murmelte er und schlenderte, obwohl sein Nachtlager längst aufgeblasen war, zu Alinas Bett. Er setzte sich im Schneidersitz auf das nicht mehr in Rosa gehüllte Lager. Denn die in dieser Farbe gehaltene Wäsche ruhte auf seiner Luftmatratze. Dafür erblickte er das Emblem eines Fußballclubs.

„Für immer Dein“, las er erneut, schlug das Buch an einer zufälligen Stelle auf und versank in den Zeilen.
Der Roman entpuppte sich als Liebesroman. Er erzählte die Geschichte des siebzehnjährigen Mädchens Sabine, die sich, nachdem diese sie befreit hatte, in ihre gleichaltrige Freundin Jenni verliebte.
Woraus sie Jenni erlöste, ergründete sich nicht aus den Zeilen. Er erfuhr allein in dem Kapitel, was zwei Teenager nachts in einem Bett trieben. Die Schilderung errötete ihn. Trotzdem nahm er sich vor, das Buch vom Anfang zu lesen, da eine Befreiung nach einem Krimi klang.

Alina stürmte herein. „Na. Sitzt bequem?“
Sie hüpfte, ohne auf eine Antwort zu warten, auf Toni zu und warf sich auf ihr Bett.
Sie strich mit ihren Fingerspitzen über sein Bein und flüsterte: „Mein Lieblingsroman. Die Sabine ist echt gut drauf. Wie sie das alles hinbekommt?“
Alina klimperte mit ihren Wimpern, schmiegte ihre Schulter an seine, trommelte auf den Buchrücken und schmachtete: „So wie sie möchte ich gerne sein.“
Er wich zurück, sah ihr in die Augen.
„Bist du …“
Sie bedeckte ihren Mund und kicherte. „Moanst i bin a Lesb? Wo hast du angefangen zu lesen?“ Sie schüttelte den Kopf, hüpfte vom Bett und zuckte, ein Grinsen auf ihrem Gesicht, mit den Schultern. „Oder …“
Toni legte das Buch zur Seite, beäugte die Zimmergefährtin, die sich vor ihm auszog. Ihm wurde heiß und kalt.
„Kimmsd mid?“, kam es gedämpft durch das T-Shirt, das sie über ihren Kopf zog. Das tat sie wortwörtlich, wie ein Junge griff sie mit der Hand an den Kragen, zog es über ihren Schopf. Toni entkleidete sich auf einer anderen Art, die ihm, oft in der Umkleide vor dem Sportunterricht, Hohn einbrachte.
„Was?“
„Ob du mitkommst? Bummeln, Eis essen.“
Alina stand, nur mit ihrem Slip bedeckt, vor ihm. Einfach so. Sie stupste mit ihren Zehen einen Fußball an, schoss diesen auf ihr Knie und dribbelte. Toni stierte, auf die Brüste, die bei jeder Ballberührung wippten. Er errötete.
„Kannst du des aa?“, kam es salopp über ihre Lippen, dabei pustete sie eine Strähne von ihrem Gesicht und verfolgten den Weg des Leders.

Er konnte es nicht. Toni beherrschte mehrere Kunststücke mit einem Ball, jedoch wie ein Fußballer zu dribbeln, dazu war er nicht imstande. Alina wollte ihm zum Wettstreit herausfordern. Er in seiner Arroganz nahm an. Er schob den Körper an die Bettkante, tippte mit den Zehen auf den Boden. Vor ein paar Tagen wäre er nie auf den Gedanken gekommen, hätte nicht gewagt, dieses zu zeigen. Er streckte sein rechtes Bein Alina entgegen, gleichzeitig das Linke nach hinten. Dann glitt er ab, bis sein Schritt den Teppich berührte. Es gelang ihm, obwohl er die Übung, seit der letzten Trainingsstunde nicht mehr geturnt hatte.

Alina klatschte. „Wow, 1: 0 für dich. Bist krass gelenkig!“, sie kickte den Ball gegen den Schrank, bückte sich und betrachtete seinen Schenkel. „Tut das nicht weh?“
„Nein“, log er, denn er hatte sich nicht aufgewärmt. Es kniff.
Achselzuckend schlenderte Alina zurück an ihren Kleiderschrank. Er nahm den Anlass wahr und machte ein paar Dehnungen.
„Wie ist denn dein älterer Bruder so?“ Er streckte seine Arme über den Kopf, bildete mit ihnen einen Kreis und beugte den Oberkörper wie eine Ballerina zur Seite.

Sie kicherte. „Du meinst deinen zukünftigen Stiefvater. Stephen ist doof!“
Sie zog sich an, erzählte dabei Antonia von ihrem Bruder.
Stephen hätte gleich nach seinem Jurastudium, erklärte sie, eine Stelle bei einem Fernsehsender in Hamburg bekommen und ebenda bis vor einem halben Jahr gelebt. Seit dieser Zeit wohne er wieder bei den Eltern, da er demnächst die Kanzlei eines entfernten Bekannten des Vaters übernähme. Soweit es ihr bekannt sei, solle dort ebenfalls Tanja arbeiten.

Alina stocherte mit einer Bürste durch ihr Haar und fluchte: „Blöde Dinger.“
Toni drehte sich in den Seitspagat, hockte sich auf die Knie, stand auf. „Soll ich dir helfen?“
„Gerne. Am liebsten würde ich mir die Haare abschneiden.“
Er kaperte ihre Haarbürste. „Warum?“,
Sie zog an einer Strähne. „Weil lange Haare unpraktisch sind!“
Toni stockte in der Bewegung. „Ich finde deine Haare wunderschön.“
Wallende Mähnen gefielen ihm. Unzählige Male hatte er Tanja frisiert sowie sie ihn. Seine Pracht war bis zum letzten Winter weitaus länger. Nicht üppig wie Alinas, trotzdem genoss er es, wenn Tanja sie bürstete. Er hatte sich vorgenommen, sie wieder wachsen zu lassen. Es war ein Unfall gewesen, bei dem er einen Teil der Länge verloren hatte.
Tanja und er hatten sein Boot ausgebessert. Sie hatte ihn gewarnt. Er solle sich einen Zopf knüpfen. Im selben Moment hatte Torben Besserwisser sich am frischen Kunstharz verfangen.
Er steckte Alina Haar hoch, schaute sich um und spurtete zu seinem Harry-Potter-Rucksack. Seine Baseballcape geschnappt, kehrte er zu ihr zurück und setzte ihr die Kappe, den Schirm zum Nacken gerichtet, auf den Kopf.
Toni überkreuzte seine Beine, bedeckte den Mund und kicherte. „Du siehst aus wie ein Junge.“
Alina steckte die Finger in die Taschen ihres Kapuzenshirts. Mit einer jungenhaft verstellten Stimme, brummte sie: „Jo!“
Sie packte seinen Arm und beide sausten aus dem Zimmer, hüpften die Treppenstufen herab. Toni bereits in Gedanken daran, den Stadtbummel zu nutzen, um mehr von dieser Familie zu erfahren.



Alte Liebe

Wie oft hatte sie sich diesen Moment vorgestellt. Getrieben von Furcht und Sehnsucht, sich zurückgezogen, fest entschlossen, alles abzublasen. Die Angst vor ihren Gefühlen stand im Wettstreit mit ihrem Plan. Sie lagen ihr im Wege, wie die Untiefe vorm rettenden Ufer. Die Jahre der Partnerschaft klopften an ihre Seele. Die Zeit der Trennung schnurrte zu einem Wimpernschlag zusammen.

Tanjas Fingernägel schwebten über Aishes Taille „Du hast es niemanden erzählt?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein! Niemandem.“
Die Lider, halb geschlossen, spielte sie mit Aishes Perlenkette. „Du hast es mir versprochen!“
„Ich halte meine Versprechen. Solange du deins hältst!“
„Als ich erfahren habe, dass du den Langweiler geheiratet hast“, gab Tanja mit einem sarkastischen Unterton zu verstehen, „habe ich mir vor Lachen in die Hose gemacht.“
Aishe rieb ihr Becken an Tanja und steckte ihre Hand in deren Gesäßtasche. „Woher weißt du, dass er ein Langweiler ist?“ Sie lachte und stieß ihre blau lackierten Fingernägel in das Hinterteil. „Kennt ihr euch nicht erst einige Wochen?“
Tanja stupste sie mit der Nase an. „Hast du mir erzählt“, dabei leckte sie über Aishes himbeerrot bemalten Lippen, bis sich ihre Zungen trafen.
Aishes schokoladenbraune Iriden fixierten Tanjas Augen „Du und Stephen?“
Tanja wandet sich aus der Umarmung. „Das hat andere Gründe, die kennst du.“ Sie senkte den Kopf und drehte sich eine Locke. „Es hat nichts mit mir, oder dir zu tun.“
Aishe runzelte ihre Stirn „Dabei bist du, wie du mir geschrieben hast, mit dieser Jannette zusammen. Oder habt ihr euch getrennt?“
„Gut. Sie ist in den Staaten. Weiß somit von nichts.“
Tanja befummelte Aishes Busen. Es war zwar gelogen, jedoch etwas anders fiel ihr, Tanja nicht ein, außerdem hatte sie dieses ebenfalls Toni erzählt, oder glaubte es zumindest.
Ihre Freundin schlang ihre Arme um ihren Hals und stöhnte. „Dass du den Stephen heiratest? Hey, sehe ich da ein Leuchten in deinen Augen.“
Tanja zwinkerte ihr zu. „Kannst ihn gerne haben.“
Die Wangen gespannt presste Aishe ihre Stirn an Tanjas und flüsterte: „Für ein Mannsbild ist er echt süß.“ Sie drückte ihr einen Kuss auf den Mund. „Besser als Friedl, der Macho.“
„Für mich ist der nichts. Entweder ein richtiger Kerl oder …“ Tanja liebkoste den Busen der Freundin. „Eine süße Puppe!“
Obwohl die Zeit zwischen ihnen stand, raste ihr Puls, sehnte sie sich gemeinsame Stunden herbei. Sie umfasste ihre zarte Taille, zog sie eng an ihren Körper. Ihre bebenden Lippen berührten ihren erregten Mund.
Aishe trennte sich von ihr. „Sehnsucht?“
Tanja schmatzte ihr einen Kuss auf den Hals, schloss die Augen, und glitt über ihr Dekolleté und murmelte: „Ein wenig.“
Aishe nahm sie bei der Hand. „Dich bedrückt irgendetwas?“
Tanja blickte zur Seite. Ihre sonst vollen Lippen verformten sich zu schmalen Bändern. „Er ist wieder da!“
Die Stirn gerunzelt, die Augenbrauen zusammengezogen, strich Aishe über Tanjas bebenden Mund. „Das Monster ist doch …“
„Ja! Nein!“ Tanja presste ihre Fingerspitzen auf ihre Schläfen. „Warum jetzt? Warum hier? Er wusste damals so viel.“
Aishes Mundwinkel erschlafften. „Ich verstehe dich nicht?“
„Rechne einmal nach?“, sprach Tanja mehr zu sich selbst. „Ich habe eine fürchterliche Vermutung.“
„Ach. Alles Phantome!“
Tanja löste die Umarmung, tupfte sich ein paar Tränen von der Wange und sah durch den Türspalt.
„Die Deerns kommen!“
Aishe ergriff ihre Hand, zog sie aus dem Zimmer und gluckste: „Die Deerns.“



Entführt?

Ein Mädchen schlug mit ihren Fäusten auf ein rosa geblümtes weißes Kleid und schrie: „Nein! Nein! Ich ziehe das nicht an.“
Die Frau im roten Minikleid strauchelte, fing sich, hielt erneut dem Kind das Kleidchen entgegen und streifte ihr schwarzes Haar über ein Ohr. Unbeachtet des Lächelns der Schwarzhaarigen, stampfte das Mädchen mit ihrem Fuß auf den Bodenbelag und brüllte: „Ihr habt gesagt, wir gehen Eis essen.“
Aishe faste Alina an der Schulter. „Gehen wir, versprochen. Deine Mutter möchte, dass du morgen etwas Anständiges trägst“, redete sie beschwichtigend auf sie ein.

Seit über einer Stunde immer wieder das gleiche Ritual. Toni blickte auf eine Wanduhr und revidierte seine Aussage, seit fast zwei Stunden. Er war genervt, wie Alina sich anstellte. Warum entschied sie sich nicht für ein Outfit? Sagte, ja, damit sie ihrer Schwägerin eine Freude bereitete.
Aishe, das hatte er herausgefunden, war die Ehefrau von Valentins Sohn aus erster Ehe. Sie war nett, scherzhaft und bildhübsch, mit ihren honigfarbenen Teint, ihren weiblichen Kurven sowie der Stupsnase, die ihr ein schelmisches mädchenhaftes Aussehen verlieh. Er verdrehte die Augen. Er hätte ihr keine Bitte ausgeschlagen, jedes Verlangen von ihr ohne Zögern erfüllt. Alina bockte, trotze. Warum?
Er selbst war vor einer Woche in derselben Situation gewesen, stur und ablehnend. Dann hatte er sich treiben lassen, wie eine Planke, die eine stürmische Nacht von einem Boot gerissen hatte. Zum Lohn hatte er ein Gefühl von Glück tief im Herzen empfangen. Es waren nicht die Kleider, die Tanja ihm übergestreift, sondern, dass er im Mittelpunkt gestanden hatte. Keine Randfigur, die mitgeschleppt wurde.
Diesmal war es anders. Alina war die Hauptperson, trotzdem bockte er nicht, lehnte nichts ab, schwamm mit. Mitschwimmen traf den Sachverhalt nicht exakt. Er machte mit. Aishes, Tanjas sowie seine gefüllten Taschen bewiesen dieses. Was er mit den Röcken, dem einhundert Prozent mädchenhaften T-Shirt und der Unterwäsche später anfangen wollte, entsagte es ihm. Sogar Tanja fiel diese auf, sodass sie ihn kurz zur Seite nahm. Worauf er ihr lapidar entgegnete, dass in ihren Schränken gleichfalls Kleider lägen oder hängen, die sie nie anzöge.
Den Klopfer hatte sich eher nach seine Meinung Aishe geleistet, als sie ihm einen Bikini aufnötigte. Was er damit sollte, ging ihm vollkommen ab. Was war klar! Aber wo? Er wendete sich zuerst wie ein Aal, spürte seine Scham, welche, derart kam es ihm vor, Tanja vernahm. Sie flüsterte ihm zu, er könne einen Rock darüber tragen. Eine für ihn unnötige Hilfe. Er hätte ihn sowieso genommen, denn er konnte Aishe nichts abschlagen.

Dabei hatte alles harmonisch angefangen, vor fast zwei Stunden. Wie bei Damen üblich, waren Aishe und Tanja, nach ihrer Ankunft in Passau, in ein Schuh- und Handtaschengeschäft gestürmt. Die beiden Damen stürzten sich kreischend auf exotisches Schuhwerk. Alina hatte ihn an die Hand genommen, um Taschen in Augenschein zu nehmen. Sie hatte sofort was gefunden, einen zierlichen ledernen Rucksack, derweil er einen Ständer mit Umhängetaschen inspizierte. Bei dem Anblick von Alinas Beute fiel ihm wieder das Mysterium seines Gepäcks ein. Mit einer mintgrünen Handtasche, die er nur geschnappt hatte, weil sie von ihrer Farbe zum Rock passte, war er zu Tanja spaziert, um ihr die Frage zu stellen.
Sie beantwortete sogar auf sein Anliegen, jedoch erst, nachdem sie Tonis Geschmack gelobt, ihm das lütte mintgrünen Objekt, in dem kaum eine Geldbörse Platz fand, sowie Alinas Fang erworben hatte. Tanja besann sich nicht, wo sie ihren Harry-Potter-Rucksack zuletzt gesehen hatte. Mehr entlockte er ihr nicht.

Aishe drückte die Arme an ihren Körper, presste ihre Lippen. „Alina es reicht. Wir nehmen dieses Kleid, damit basta und wenn es dir nicht steht, dein Pech. Dann bekommt es Antonia, die weiß es bestimmt zu schätzen und du gehst nackt“, haderte sie, obwohl ihr Grollen eher dem Gesang einer Meise glich.
Es hätte nicht viel gefehlt, und Alina wäre kreischend zu Boden gegangen. Tanja rettete die Situation. Sie brachte dem Kind einen Hosenanzug. Die Freude der Beglückten hielt sich anfangs in Grenzen, da so weit hatte sie dann nicht mitgedacht, besagter Anzug in Rosa gehalten war. Nachdem sie nochmals verschwunden war, um eine Kombination in Grau zu holen, formte sich ein Lächeln in Alinas Gesicht.

Toni war kein Mensch, der gesteckte Ziele außer Sichtweite verschwinden ließ. Seine meist wirren Gedanken, entpuppten sich im Nachhinein vom Ergebnis ausgesehen, überlegt und zielstrebig. Wenn er Memory spielte, dann deckte er nicht die Paare, die zusammen gehörten auf. Nein! Das unternahm er nie. Er berechnete, dass der letzte Schlag, der entscheidende bei diesem Spiel war. Somit merkte er sich alle Karten. Erst in dem Augenblick, wenn seine Mitspieler sich in Sicherheit wiegten, zockte er sie ab.
„Ich nehme es.“
Weshalb er diesen Satz ausgesprochen hatte, er ihm über die Lippen kam, war alles andere als gesteuert. Tanja sah dieses irgendwie anders. Sie nahm ihn wieder mal zur Seite, lobte ihn für seine Idee. Er hatte keinen Schimmer, welch Idee sie meinte, spürte jedoch am Zwinkern von Aishe, dass dieses gut war. Er somit in der Gunst der Frauen aufstieg, damit zu allem Überfluss ein rosa geblümtes weißes Kleid mit Rüschen sein Eigen nannte.


Diesmal schlug sein Matsch fehl. Anstatt, dass sie gemeinsam die Genüsse italienischer Spezialitäten genossen, verabschiedeten sich Tanja und Aishe, ließen die Mädchen vor dem Eiscafé zurück. Alina und Toni setzten sich an einen Tisch. Die Frauen überquerten die Straße.

Aishe marschierte voraus, Tanja folgte mit Abstand, da ein Schuhgeschäft sie kurz ablenkte. Eine schwarze Limousine fuhr vor, hielt an einer Bushaltestelle, mehrere Schritte von dem Laden entfernt. Der Fahrer öffnete das Beifahrerfenster, warf einen Gegenstand in einen Mülleimer. Er setzte seine Fahrt fort, nachdem ein Bus ihn mit Lichthupe verscheucht hatte. Anschließend parkte er ein paar Meter weiter, gegenüber dem Café, ohne aus dem Wagen auszusteigen. Tanja kam hinter dem Bus hervor, schloss zu Aishe auf, hakte sich bei ihr unter und schlenderte davon.

Alina etwas Brauchbares zu entlocken, war unmöglich. Sie war weiterhin lausig gelaunt. Schnatterte ohne Pause. Toni überschlug die Beine, verschränkte die Arme und betrachtete die Schaumbläschen seiner Erdbeermilch, die im Takt ihrer Worte, zerplatzten. Nach ihrer Ansicht hatte die ganze Welt sich gegen sie verschworen. Alle behandelten sie wie ein kleines Kind, obwohl sie fast erwachsen war. Eine Aussage, die ihn zum Schmunzeln anregte, da Alina gerade ein paar Tage älter war. Eine Tirade, ließ ihn aufhören, dass Stephen in einer Art mit ihr umging, wie ein Vater zu seiner bösen Tochter. Einen Umstand, den er nachfühlte.
Während einer Sekunde andauernden Sprechpause, wandte Alina sich der anderen Straßenseite zu, sie meinte, eine Schulfreundin gesehen zu haben. Sie gab ihm Bescheid, dass sie kurz zu ihr wolle. Er solle ihr eine zweite Bananenmilch bestellen. Sie stand auf, trottete zu dem Überweg, über den Tanja sowie Aishe gegangen waren, überschritt die Straße. Sie kam an der schwarzen Limousine vorbei, deren Fahrer Zeitung lass, blieb an dem Wagen stehen, schaute durch das geöffnete Beifahrerfenster ins Innere. Ein Laster hielt vor dem Überweg, sodass dieser vor dem Gefährt zum Halten kam. Die Kraftfahrzeuge, die bei Rot gehalten hatten, fuhren, nachdem sie grünes Licht bekommen hatten, an. Die schwarze Limousine war verschwunden.

Alinas Bananenmilch stand unangetastet auf dem Tisch, der Schaum hatte sich aufgelöst und das Glas, aus dem Toni seinen Erdbeershake getrunken hatte, ruhte mit einem letzten rosa Schleier daneben. Er rutschte nervös auf seinem Stuhl. Kurzzeitig kam er auf die Idee, sie anzurufen, aber wie? Er kannte ihre Nummer nicht, außerdem lag sein Handy bei den Oberländer. Liegengelassen hatte er es. Ohne Taschen? Seine Finger tasteten über die Handtasche. Hätte er sich nur eine von Tanja ausgeliehen? Er zuckte mit den Schultern. Dann, er sah auf das Glas mit der Bananenmilch, bestand zumindest die Chance, sie anzurufen. Er erhob sich, ergriff seine Taschen, tänzelte zum Kellner, bezahlte. Zumindest hatte Tanja ihm Geld zugesteckt.
Toni rannte über den Überweg, die Straße hoch und herunter. Schaute in Seitenstraßen, drückte die Schulter an seinen Hals. Die Stadt war ihm unbekannt und sein Orientierungssinn war! Er presste die Lippen aufeinander. Sein Mund entspannte sich kurz, er grinste, obwohl die Situation ihn auf keinen Fall amüsierte. War mädchenhaft.
Um der Gefahr zu entgehen, dass er sich verlief, rannte er zurück zum Eiscafé. Von Alina fehlte jede Spur. Der Tisch, an dem sie gesessen hatten, abgeräumt war. Er setzte sich auf den Rand eines Blumenkübels, erfasste seine Handtasche, quetschte sie, die Knie zusammen gepresst, zwischen seine Oberschenkel. Die Ellen eng am Oberkörper, den Blick ausweichend, den ihm die Passanten zuwarfen, wartete er auf ihre Rückkehr oder zumindest auf die Ankunft der Schwester. Bei dem Gedanken an Tanja schwang seine Gemütslage um.
Angst ergriff ihn. Hatte Tanja ihn nicht gewarnt? Hatte irgendwer Alina entführt? Er erinnerte sich an die schwarze Limousine, die gegenüber dem Eiscafé geparkt hatte. An die schwarze Limousine, die ihn in Bremen zweimal fast überfahren hatte. War dies alles Zufall? Gab es Zufälle? Wer steckte dahinter? Eine graue gesichtslose Eminenz wie im Blutigen Messer? Eine Macht, die einen Jungen entführt, ihn in Mädchenklamotten steckt, ihn zwingt, das Leben eines Mädchens zu führen, ihn zum Schluss, als er nicht mehr gebraucht wurde, ermorden ließ.
Toni schluckte, zupfte an seinem Rock und murmelte: „Immer so herumlaufen?“
Dass es keine graue Eminenz gab, war ihm bewusst, dennoch konnte er nicht den Gedanken abweisen, dass jemand die Strippen zog und da fiel ihm nur eine Person ein: der Admiral.
Wollte sie ihn bereits in Bremen verschleppen, diesen ihren Plan verworfen, da er sich ihr gefügt hatte? Erneut zupfte er an dem Rock. Das Internat? Alina besucht eins und wollten sie ihn nicht in eins stecken. Ein kalter Schauer der Angst rann über seinen Rücken. Sie schwebte in Lebensgefahr.
Oder verschleppten sie nach Bremen? Hatte sie ihm nicht gesteckt, dass sie Röcke sowie Kleider verabscheute? Abermals zupfte an seinem Rock, jedoch diesmal ließ er nicht los, sondern zog an dem Stoff, bis der Saum für ihn nach oben zu schweben schien und er, als dieser für ihn hoch genug, er einen Knicks machte.

Ein schelmisches Lächeln verzierte sein Gesicht. Warum grämte er sich, verspürte die unnütze Pein. Niemand starrte ihn an. Für die Passanten war er ein Kind in einem grünen Rock, somit ein Mädchen. Ein Mädchen, welches auf einem Blumenkübel saß und wartete. Niemand vermochte, in seine Seele zu schauen. Er rieb sich die Hände und schlug im Geiste einen Purzelbaum. Geschafft hatte er es. Seine Genialität, seine Dominanz hatten gesiegt. Wie doof und naive Mädchen waren. Erst Recht, wenn sie sich als Erwachsende aufspielten. Er brauchte sie nicht, diese dummen, einfältigen Frauen. Er thronte über sie. Denn er war ein Kind, das wusste, was es war. Zu einem echten Jungen gedieh er. Jedoch nicht dusslig und plump, wie die Knaben in seiner Klassen. Mit festem Ziel am Horizont steuerte er das Piratenschiff, machte keine Gefangenen. Er war der schlitzohrige Kapitän Torben Raubein, Schrecken der sieben Weltmeere.
Ohne einen Tropfen Blut hatte er die Sophia geentert. Blutvergießen, mit Gewalt ein Schiff zu übernehmen, eine Sache für Anfänger. Der geniale Pirat arbeitete mit dem Verstand, überließ es den Feinden mit Freude, die Beute auszuhändigen. Als wäre es ihr Bestreben gewesen und er der Verlierer. Er stand über dem Geschehen. Das Wochenende als brave Tochter würde er auf einer Backe absitzen. Ihr einen winzigen Gefallen entgegenbringen. Torben zu den anderen unter Deck zu schicken, auf Zeit verbannen und für sie zu Antonia zu werden. Dann? Freiheit.



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AlfredDeMichele

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Hallo @ahorn,

ich habe ein paar Rechtschreibfehler gefunden und wollte sie Dir zurückgeben :)

Das Mädchen, welches ihr Gepäck durch den Raum segeln gelassen hatte
legte das Tier auf einen Nachttisch und zog rosa-weiß geblümte Vorhänge vor die Scheibe, so dass das Licht einer Straßenlaterne nicht mehr in den Raum fiel. Sie lächelte das Mädchen im weißen Rock an, schritt auf sie zu und setzte sich zu ihr.
kam es schnippisch über seinen Mund.
(du schreibst das an mehreren Stellen zusammen)

„So habe ich das nicht gesagt!“, zischte Torben
(Ausrufezeichen, kein Fragezeichen)

Tanja setzte sich wieder mit einem Räuspern in Positur.
„Trotzdem brauchst du mich nicht als Rabenmutter hinzustellen!
(Ist keine Frage)

Anstatt dass Tanja ihrem Bruder half, mit dieser Situation fertigzuwerden, belustigte sie sich.
Schreibt sich diese Jannette wirklich so? Die meisten dieser Mädels schreiben sich Jeanette.

Ich dachte, ihr macht das alles nur zum Schein.
wie sieht es aus, wenn das glückliche Paar“, bei glücklichem Paar verzog Tanja angewidert ihr Gesicht, „in getrennten Zimmern schläft.“
Er begriff sie nicht. Sie hatte ihm gebeichtet, dass sie eher auf Frauen stand
Welches sie mit einem tupfen an ihren Augenbrauen, zu bestätigen schien.
Tanja leckte über ihre rot bemalten Lippen und kratzte ihr Genick.
„Wie meinst du das?
(Ist eine Frage)

Hohl deine Zahnbürste. Ich zeige dir das Bad.“ Torben schritt zu seinem Rucksack, der an der Stelle ruhte, an die er ihn geworfen hatte.
Das Bad befand sich direkt neben dem Raum, in dem er schlafen sollte und aus dem Tanja zuvor gekommen war.
„Wer schläft denn normalerweise …?“
Musst dir einmal seine Höhle ansehen!
(Ausrufezeichen)

Schließ bitte das Bad ab!
Ich spreche heute Abend noch mit den beiden.
... und schlief sofort ein.
Viel Glück,
Alfred
 

ahorn

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Ein Harry-Potter Rucksack flog durch die Luft und traf, bevor dieser den Boden berührte, ein Poster auf dem ein junger Musiker schmachtend, auf ein Mikrofon starrte. Das Mädchen, welches ihr Gebäck durch den Raum segeln gelassen hatte, schlürfte zu einem Bett mit rosa Wäsche und setzte sich zwischen die wartenden Kuscheltiere. Sie ergriff eines und schleuderte es in Richtung der Zimmertür. Worauf eine blondhaarige Frau in einem engen schwarzen Lederrock den Plüschhasen mit ihrer Rechten auffing. Die Blonde stöckelte auf ihren hochhackigen Schuhen zum Fenster, legte das Tier auf einen Nachtisch und zog rosa-weiß geblümte Vorhänge vor die Scheibe, sodass das Licht einer Straßenlaterne nicht mehr in den Raum fiel. Sie lächelte das Mädchen im weißen Rock an, schritt auf sie zu und setzte sich zu ihr.
„Warum muss ich hier schlafen?“
„Kind, du kannst auch mit Mathias ein Zimmer teilen!“, grinste Tanja.
Torben verschränkte seine Arme und sah zur Zimmerdecke.
„Mama, ich kann doch nicht mit einen Jungen …“, schnippte er.
Tanja knuffte ihre Faust an seine Taille.
„Antonia deinen Humor hast du immerhin wieder!“
Torben kniff seine Augenbrauen zusammen und presste seine Lippen aufeinander.
„Torben. Mein Name ist Torben!“
Seine Schwester ließ ihren Blick über seinen Körper schweifen.
„Nach einem Torben ziehst du mir nicht aus“, grinste sie, dabei strich sie seine Wange.
„Ich wusste gar nicht, dass du so viel Fantasie hast?“
„Wieso?“
Tanja legte ihr Kinn auf den Rücken der Finger ihrer rechten Hand, klimperte mit ihren Wimpern und schaute schüchtern zur Zimmerdecke.
„Torben ist krank. Er kommt später mit meiner Oma nach!“
Torben stupste seine Schwester an, sodass sie mit ihrem Rücken das Bett berührte.
„So habe ich das nicht gesagt!“, zischte Torben, seine Finger berührten sein Brustbein.
„Doch hast du!“
Torbens Zeigefinger fährt unter den Ausschnitt seines Oberteils und gleitet an diesem entlang.
„Hab ich nicht, das ist total mädchenhaft!“
„Hast du. Noch einen!“
Tanja setzte sich wieder mit einem Räuspern in Positur.
„Ich bin froh, dass ich ein paar Tage mit Mama verbringen kann. Sie hat ja nie Zeit für mich!“
Er nahm seinen rechten Fuß, legte ihn neben seinem Gesäß ab, verschränkte die Arme und warf Tanja einen stechenden Blick zu.
„Wenn die so doofe Fragen stellen!“
„Trotzdem brauchst du mich nicht als Rabenmutter hinzustellen!“
Torben drehte die Unterseite der Hände nach oben, während er sie ansah und mit den Achseln zuckte.
Anstatt Tanja ihren Bruder half, mit dieser Situation fertigzuwerden, belustigte sie sich. Am liebsten wäre er abgereist, geflohen. Nie wieder würde er hierher zurückkommen. Warum auch? Sollte sie mit ihrer Jannette glücklich werden?

Torben klimperte mit seinen Wimpern „Kann ich nicht jedenfalls bei dir schlafen?“
Sie nahm seine Hand.
„Antonia … Torben, das geht nicht. Stephen kommt heute Nacht heim, wenn er dich dann in unserm Bett vorfindet.“
„Eurem Bett! Ich dachte, ihr macht das alles nur zum Schein.“
„Ja unser Bett. Erstens sind wir zwei erwachsene Menschen und zweitens, wie sieht es aus, wenn das glückliche Paar“, bei glücklichem Paar verzog Tanja angewidert ihr Gesicht, „in getrennten Zimmern schläft.“
Torben senkte den Blick, seine Augen flirrten hin und her und seine Augenbrauen näherten sich an. Er begriff sie nicht. Sie hatte ihm gebeichtet, dass sie eher auf Frauen stand, aber der Typ, den sie heiraten wollte, war ein Mann. Wie sollte das gehen? Torben war alt genug, um zu wissen, dass Erwachsene nicht nur ein Bett enterten, um zu schlafen. Seine Schwester war eine weibliche Person, die selten mit ihren Reizen geizte. Die Kerle pfiffen ihr nach, wenn Tanja an ihnen vorbei tänzelte.
„Die paar Mal“, hauchte Tanja, dabei stand sie auf und zuckte mit den Schultern.

Tanja schlang ihre Arme um ihren Oberkörper und wippte mit ihrem rechten Fuß.
„Wie kamst du überhaupt auf diese blöde Idee? Wir hatten doch etwas anderes besprochen?“
Torben erzählte ihr alles. Den ganzen Tag, den erlebt hatte, sogar sein Abenteuer in der Damentoilette. Welches sie mit einen tupfen an ihren Augenbrauen, zu bestätigen schien.
„Torben, da hast du uns in eine Situation gebracht!“
Ihr Bruder senkte seinen Blick.
„Ich wollte den Admiral doch nur herausfordern!“
Tanja leckte über ihre rot bemalten Lippen und kratzte ihr Genickt.
„Das ging in die Hose“, grinste sie und legte ihre Hand auf seine Schultern..
„Ich finde das nicht witzig!“, schnauzte er sie an.
„Ich auch nicht. Ich denke nur an ihre nasse Hose.“

Sie schüttelte ihren Kopf.
„Da steckt mehr dahinter“, sann sie nach, „das ist nicht Bärbels Art. Sie hätte es nie zugelassen.“
Tanja legte ihre Hände auf seine Schultern und blickte intensiv in seine Augen.
„Und du hast ihr nichts erzählt? Die Sache mit Jannette, dem Erbe und der Hochzeit“
„Nein!“, zischte er.
„Trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Mit ihrem religiösen Gehabe könnte sie uns gefährlich werden!“
„Wie meinst du das?“
Torben verstand nicht. Wenn meinte sie mit wir? Und warum stellte sie Bärbel hin, als wäre sie ihr Feind. Es stimmte etwas nicht!
Tanja kniete sich nieder und ergriff seine Hände.
„Torben wir spielen das Spiel mit. Du musst stark sein.“
Seine Augen formten sich zu Schlitzen.
„Wir fordern sie heraus“, ihm zuzwinkernd, „Antonia!“.
Dann nahm sie ihn in ihre Arme.
„Ich beschütze dich“, ihm zuflüsternd.

„Komm ab ins Bett mit dir!“, forderte Tanja ihn auf, „Hohl deine Zahnbürste. Ich zeige dir das Bad.“
Torben schritt zu seinem Rucksack, der an der Stelle ruhte, an die er ihn geworfen hatte. Er nahm ihn auf, dann stellte er ihn wieder auf den Boden und seufzte. An alles hatte er gedacht, nur nicht an einen Schlafanzug und an eine Zahnbürste. Er hüpfte in den Flur.
„Tanja!“
„Ich bin hier!“, dabei schloss sie eine Tür zu einem angrenzenden Zimmer, ein Bündel Stoff in der Hand haltend.
„Hier herein“, forderte sie ihn auf.
Das Bad befand sich direkt neben dem Raum, in dem er schlafen sollte und aus dem Tanja zuvorgekommen war.
„Wer schläft denn normalerweise …?“
„Alina?“, zischend. „Alina ist Franzis und Vales jüngste. Sie lebt im Internat und kommt morgen nach Hause!“
„Soll ich etwa …?“
„Sie ist nett. Du musst dich ja nicht gerade vor ihr entblößen!“
Torben hatte zwar nicht gefragt, trotzdem erklärte ihm seine Schwester, wer sonst auf dieser Etage schlief.
Matthias, Alinas Bruder hatte seine Kammer gegenüber vom Bad ohne Tanjas Hinweis klar zu erkennen. Ein Totenkopf mit einer 88 bewies, wessen Art der Bewohner war. Dass sein Vater dieses tolerierte verwunderte Torben. Seine Schwester, schien seine Gedanken zu lesen.
„Den Scheiß hängt er jeden Tag wieder auf. Musst dir einmal seine Höhle ansehen?“, kopfschüttelnd. „Sein Großvater hat ihn voll im Griff. Da kann Vale nichts unternehmen.“
Am anderen Ende der Diele, gegenüber von Alinas Zimmer, hatten die Eltern ihr Schlafgemach, gleich neben dem Treppenhaus.
Die Gäste logierten im Erdgeschoss und im Anbau.

„Schau nicht so. Ich habe dir schon einmal gesagt ich trage keine Mädchensachen mehr“, hauchte Tanja, ihm ein Nachthemd und einen Slip übergebend.
Tanja gab ihm eine Zahnbürste, dann verabschiedete sie sich.
„Schließ bitte das Bad ab! Vale und Franzi stehen immer sehr früh auf und gehen spät zu Bett, aber dieser …“, über ihre Schulter weisend, „da musst du vorsichtig sein.“

Sie wandte sich letztmalig ihrem Bruder zu.
„Ich spreche heute Abend noch mit den Beiden. Wir sollten sie einweihen!“

Torben in seidiger Nachtwäsche kaperte Alinas Koje und schlief zu fort ein.
 
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ahorn

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zurück zum 11. Kapitel Die Fahrt

13. Kaum zu glauben!

Ein Harry-Potter Rucksack flog durch die Luft, traf, bevor dieser den Boden berührte, ein Poster auf dem ein junger Musiker schmachtend, auf ein Mikrofon starrte. Das Mädchen, welches das Gebäck durch den Raum geworfen hatte, schlürfte zu einem Bett mit rosa Wäsche. Sie setzte sich zwischen die wartenden Kuscheltiere. Mit geballter Hand ergriff sie einen Hasen, schleuderte ihn in Richtung der Zimmertür. Eine blondhaarige Frau in einem engen anthrazitfarbigen Lederrock fing den Plüschhasen mit der Rechten. Die Blonde stöckelte auf ihren hochhackigen Schuhen zum Fenster, legte das Tier auf einen Nachtisch. Sie zog rosa-weiß geblümte Vorhänge vor die Scheibe, sodass das Licht einer Straßenlaterne nicht mehr in den Raum fiel. Breit lächelnd schritt sie auf das Mädchen im weißen Rock zu, setzte sich zu ihr.

Torben betrachte den Raum. »Warum muss ich hier schlafen?« Er strich über das Bett.
»Kind«, Tanja hob seinen Rock, »du kannst auch mit Matthias ein Zimmer teilen!«, grinste sie.
»Mama«, lächelte Torben, verschränkte die Arme vor der Brust, »Ich kann doch nicht mit einen Jungen.« Er sah zur Zimmerdecke. »Mit einem Jungen ein Zimmer teilen«, schmunzelte er.
»Antonia« Tanja knuffte eine Faust in seine Seite. »Deinen Humor hast du immerhin wieder!«
Er kniff die Augenbrauen zusammen, presste die Lippen aufeinander. »Torben. Mein Name ist Torben!«
Sie ließ den Blick über ihn schweifen. »Nach einem Torben«, sie tätschelte seine Wange, »ziehst du mir nicht aus«, grinste sie, wich mit aufgerissenen Augen zurück. »Ich wusste gar nicht, dass du so viel Fantasie hast?«
Ihr Bruder zupfte an einem Ohrläppchen. »Wieso?«

Tanja legte ihr Kinn auf den Rücken der Finger ihrer rechten Hand, klimperte mit ihren Wimpern, schaute andächtig, verlegen zur Zimmerdecke.
»Torben ist krank.« Sie zog durch die Nase. »Er kommt später«, sie kippte ihre Linke dem Bruder entgegen, »mit meiner Oma nach!«
Er stupste sie an, sodass sie mit dem Rücken das Bett aufwühlte. »So!«, zischte er, berührte sein Brustbein mit der flachen Rechten. »Habe ich das nicht gesagt.«

Tanja stieß mit beiden Zeigefingern auf ihn ein. »Doch hast du!«
»Hab ich nicht!«, schnauzte er sie an, fuhr mit dem linken Mittelfinger am Ausschnitt seines Oberteils entlang. »Das ist total mädchenhaft!«
Sie setzte sich auf. »Hast du doch!« Sie räusperte. »Noch einen!«, flötete sie, positionierte den Körper, wie beim ersten Mal. »Ich bin froh« kippte Tanja ihren Kopf zur Seite. »Dass ich ein paar Tage mit Mama verbringen kann.« Sie drehte eine Locke in ihrem Haar, »Sie hat ja nie Zeit für mich!«
Torben nahm den rechten Fuß, legte ihn neben das Gesäß ab, zupfte an den Zehen.
Er verschränkte die Arme. »Wenn die so doofe Fragen stellen« murmelte er und warf Tanja einen stechenden Blick zu.
Sie schüttelte den Kopf. »Trotzdem brauchst du mich nicht als Rabenmutter hinzustellen!«, schnaufte sie.
Torben drehte die Unterseite der Hände nach oben, sah sie an und zuckte mit den Achseln.

Anstatt Tanja ihren Bruder half, mit dieser Situation fertig zu werden, belustigte sie sich. Am liebsten wäre er abgereist, geflohen. Nie wieder würde er hierher zurückkommen. Warum auch? Sollte sie mit ihrer Jannette glücklich werden?

»Kann ich nicht jedenfalls«, flüsterte er, schlug die Lider auf. »Bei dir schlafen?«
Sie nahm seine Hand.»Antonia«. Er verdrehte die Augen. »Torben, das geht nicht.« Sie stieß ihr Kinn vor. »Stephen kommt heute Nacht heim, wenn er dich dann in unserm Bett vorfindet«, gluckste sie.
Er zog die Finger zurück. »Eurem Bett!«, klagte er. »Ich dachte, ihr macht das alles nur zum Schein.«
»Ja unser Bett. Erstens sind wir zwei erwachsene Menschen.« Sie hob die Schultern. »Und zweitens, wie sieht es aus, wenn das glückliche Paar.« Angewidert verzog sie Gesicht. »In getrennten Zimmern schläft.«

Torben senkte den Blick, seine Augen flirrten hin und her, die Augenbrauen näherten sich an. Sie begehrte Frauen, der Typ war ein Mann. Er war alt genug, um zu wissen, dass Erwachsene nicht nur ein Bett enterten, um zu schlafen. Sie eine weibliche Person, die selten mit ihren Reizen geizte. Wenn sie an Kerle vorbei tänzelte, dann pfiffen die ihr nach.
Tanja stand auf, zuckte mit den Schultern. »Die paar Mal«, hauchte sie.
Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper, wippte mit ihrem rechten Fuß.
»Wie kamst du überhaupt auf diese blöde Idee?« Sie nickte mit dem Kopf. »Wir hatten doch etwas anderes besprochen?«

Typisch, schoss es ihm durch die Gehirnwindungen, treibt man Erwachsene in die Enge, wechseln sie das Thema.
Torben erzählte ihr alles. Den ganzen Tag, den erlebt hatte, sogar sein Abenteuer in der Damentoilette. Welches sie mit einen tupfen an ihren Augenbrauen, zu bestätigen schien.

Sie rieb an ihrer Nase. »Da hast du uns in eine Situation gebracht!«
»Ich wollte den Admiral.« Er senkte den Blick. »Doch nur herausfordern!«
Tanja leckte über ihre weinrot bemalten Lippen, kratzte ihr Genickt. »Das ging in die Hose«, lachte sie und legte die rechte Hand auf seine Schultern.
Der Mund dünn, die Stirn kraus wandte er sich von ihr ab. »Ich finde das nicht witzig!«, schnauzte er.
»Ich auch nicht«, gluckste sie hinter ihrem zugehaltenen Lippen. »Ich denke nur an Bärbels nasse Hose.«

Tanja schwenkte den Kopf. »Da steckt mehr dahinter«, sann sie nach. »Dass ist nicht Bärbels Art, sie hätte es nie zugelassen.«
Sie legte ihre Hände auf Schultern des Bruders.
Mit starren Blick fixierte sie seine Pupillen. »Und du hast ihr nichts erzählt? Die Sache mit Jannette, dem Erbe und der Hochzeit«
Er schloss die Augen, wackelte mit dem Kopf. »Nein!«, zischte er.
Sie legte die Lippen, presste sie aufeinander. »Trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Mit ihrem religiösen Gehabe könnte sie uns gefährlich werden!«
Die Lider hochgezogenen zuckte er zurück. »Wie meinst du das?«
War Bärbel ein Feind? Es stimmte etwas nicht!
Tanja sah zur Seite. »Torben wir spielen das Spiel mit. Du musst stark sein.«
Seine Augen formten sich zu Schlitzen.
»Wir fordern sie heraus«, pfiff sie. Sie hob den Kopf, schaute mit halb geöffneten Lidern in sein Gesicht, blinzelte ihm zu. »Antonia!«.
Sie nahm ihn in ihre Arme. »Ich beschütze dich!«, flüsterte sie.

»Komm ab ins Bett mit dir!«, forderte Tanja ihn auf, »Hohl deine Zahnbürste. Ich zeige dir das Bad.«
Torben schritt zu seinem Rucksack, der an der Stelle ruhte, an die er ihn geworfen hatte, nahm ihn auf, stellte ihn wieder mit einem Seufzer ab. An alles hatte er gedacht, nur nicht an einen Schlafanzug und an eine Zahnbürste.

Er eilte in den Flur. »Tanja!«
»Ich bin hier!«, erklang ihre Stimme aus einem Raum.
Sie schritt aus dem Zimmer, schloss die Tür, hielt ein Bündel Stoff in den Händen.
»Hier herein«, forderte sie ihn auf.
Das Bad lag zwischen dem Raum, in dem er schlafen sollte und dem, aus welchen sie gekommen war.
Torben zeigte zurück. »Wer schläft denn normalerweise …?«
»Alina?«, hauchte Tanja. »Alina ist Franzis und Vales jüngste. Sie lebt im Internat und kommt morgen nach Hause!«
Er legte die linke Hand an seine rechte Schulter. »Soll ich etwa …?«
»Sie ist nett. Du musst dich ja nicht gerade vor ihr entblößen!«, schmunzelte sie.

Torben hatte zwar nicht gefragt, trotzdem erklärte ihm die Schwester, wer sonst auf der Etage schlief.
Matthias, Alinas Bruder hatte die Kammer gegenüber vom Bad, offenbarte sie, ohne Tanjas Hinweis klar zu erkennen. Ein Totenkopf mit einer 88 bewies, wessen Art der Bewohner war. Dass sein Vater dieses tolerierte verwunderte Torben. Tanja schien seine Gedanken zu lesen.
»Den Scheiß hängt er jeden Tag wieder auf. Musst dir einmal sie Höhle ansehen?« Ein Stöhnen flog ihr aus der Kehle. »Sein Großvater hat ihn voll im Griff. Da kann Vale nichts unternehmen.«
Am anderen Ende der Diele gegenüber von Alinas Zimmer, hatten die Eltern ihr Schlafgemach.
Die Gäste logierten im Erdgeschoss und im Anbau.

»Schau nicht so. Ich habe dir schon einmal gesagt, ich trage keine Mädchensachen mehr«, geiferte Tanja,
Torben schnappte sich das Nachthemd, den Slip und die Zahnbürste, verabschiedete sich wortlos.

»Schließ bitte das Bad ab! Vale und Franzi stehen immer sehr früh auf und gehen spät zu Bett, aber dieser …«, knurrte sie, wies über ihre Schulter. »Da musst du vorsichtig sein.«

Sie wandte sich erneut ihrem Bruder zu. »Ich spreche heute Abend noch mit den Beiden. Wir sollten sie einweihen!«

Torben in seidiger Nachtwäsche kaperte Alinas Koje, schlief zu fort ein.

Franziska wusch die Hände an ihrer Schürze ab, marschierte zum Küchentisch, griff einige Gläser.
»Warte Franzi, ich helfe dir!«, lächelte Tanja sie an, band ihren Pferdeschwanz neu und stolzierte auf sie zu.
»Schläft sie«, flüsterte Franziska, stellte die Trinkgefäße wieder ab.
»Ja!«, hauchte ihr Gast, wies auf die hölzerne Bank. »Setzt dich, ich räume ab.«
Sie schob ihren Rock an die Beine, hockte sich nieder. »Otonia is a richtig siasss Madl«, grinste sie. »Grod a bissal frech!«
Tanja kniff ihre Augen zusammen, presste die Lippen aufeinander.
»Entschuldigung!« Franziska zuckte mit den Achseln. »Ich vergesse immer, dass du kein bayrisch verstehst«, flötete sie. »Sie ist für ihr Alter ganz schön keck!«.
Mit einem Glas in der einen Hand spielte Tanja mit der Anderen an ihrer Halskette. »Sprechen wir von Antonia?«, stotterte sie, sie zog ihren Mund schief.
Franziska berührte Tanjas Ellenbogen. »Lass die Sachen stehen«, forderte sie Tanja auf, »Das bisschen erledigte ich morgen.«

Sie ergriff eine Weinflasche, hielt den Flaschenhals oberhalb eines Weinglases. »Noch einen Schluck«.
»Gerne«, entgegnete Tanja, setzte sich an Franziskas Seite. Sie stütze ihr Kinn auf, betrachtete sie.
»Eins verstehe ich nicht. Warum ist Anton, dein Ex-Mann, nicht mit ihr gegangen, obwohl sie schwanger war?«
Franziska klopfte auf Tanjas Arm, umklammerte mit der anderen Hand das Weinglas. »Ich habe es dir doch schon gesagt«, schnaufte sie. »Er hatte nichts mit ihr. Eifersüchtig wollte er mich machen.« Sie senkte den Kopf. »Alle Mannsbilder waren hinter ihr her. Schen war sie mit ihren langen Rabenhaaren«, grinste Franziska. »Die waren gefärbt, das sah man. Aber, sie strahlte damit etwas mystisches aus.« Fransiska vergrub ihr Kinn in den Händen. Ihre Augen leuchteten. »Sie hatte etwas von einer Zigeunerin. In ihren langen schwingenden Rock, ihrer Bluse, dessen Ärmel sie über die Schulter gezogen hatte«, schmachtete sie. »Und mey wie sie tanzte. Barfuß am Lagerfeuer mit den Hüften schwingend, wie eine aus dem Orient.«
Sie nahm einen Schluck, kratzte sich am Genick. »Kind, musst verstehen, das waren damals verrückte Zeiten«, schnaufte sie, sah Tanja in die Augen. »Überall waren diese jungen Leut, in ihren Lagern. Die Welt wollten sie verbessern. Mey, Recht hatten sie!«, stöhnte Franziska, sie schaute aus dem Fenster zum Gesindehaus. »Der Olde hätte am liebsten son Raket in den Hof gestellt«, grunzte sie, erhob ihre Faust, »um den Bolschewisten es Recht zu zeigen.«

Tanja zog die Augenbrauen zusammen, drehte mit einem Zeigefinger Locken in ihr Haar. »Aber sie war doch schwanger!«, hackte sie nach.,
Franziska schlug auf den Tisch. »Die Leut haben es geredet«, schimpfte sie. »I war schwanger vom Vale. In der Scheun sind wir gewesen. I war gramisch auf den Anton!« Sie ballte ihre Fäuste, verzog ihren Mund. »Hätte mich nur nie der Gerti anvertraut«, zischelte sie. »Gut ist sie geworden seit damals. Ich habe ihr Vergeben.« Sie rieb ihre Hände, wandte ihr Gesicht ab. »Da war die Geschicht von der Amisha«, flüsterte sie.

Tanja kniff ein Auge zu. »Amisha?«, bohrte sie nach.
Franziska schlingerte den Kopf, den Hals. »So nannte sie sich. Ihren richtigen Namen kannte keiner.« Sie pausierte, sah in ihr Glas. »Jedenfalls erzählte meine Schwester überall im Dorf, dass sie es mit dem Leibhaftigen in der Kirch auf dem Altar getrieben hätte.«
Tanja speerte den Mund auf. »Und dann?«, wisperte sie.
»Mein Vater hat mich gerufen. Was mir einfiele mit dem Knecht, dem Damischen«, ihre Pupillen glänzten, »hab ihm gesagt, das de Vale von ihr beschworen wurde und sie ihm verdammt hatte mich ebenfalls auf dem Altar. …« , zischte sie durch die Zähne.
Tanjas Hände zitterten, ihre Augen flirten.
»Was ist aus Amisha geworden?«, bebte ihre Stimme.
»Vertrieben hat der Fone sie. Samt ihrer ganzen Gruppn, mit der Schrotflinte aus dem Dorf getrieben«, grummelte sie. Sie rieb mit dem Zeigefinger an der Nase. »Die Amisha ist mit ihrer Freundin nach Indien«, lächelte sie. »Ihr Karma suchen.«

Franziska klopfte auf den Tisch. »Gut jetzt mit den oidn Gschichdn.« Sie legte ihre Hand auf Tanjas Schulter. »Nach vorne müssen wir sehen«, pustete sie, »Mey bin ich froh das mein Bua dich jetzt hat«, grinste sie, strich mit den Fingern über Tanjas Wange. »Du wirst ihm ein guts Weib und er dir ein gut Mo. Du wirst ihm seine Flausen austreiben, des spür i«, zwinkerte sie. »Und wenn erst mal was Kleines unterwegs ist, dann seit ihr eine richtige Familie«, schwärmte sie, klatschte in die Hände. »Und dann noch die Ontonia, wenn dein Tante auf Weltreise geht. Den brauch sie net mehr bei ihrem Vater wohnen. Mey wird des schee.« Franziska stand auf, ergriff ihr Glas und drehte wie zum Tanz um ihre Achse.

Tanja zupfte abwechselnd an ihrer Kette, ihren Hals.
»Franzi ich muss dir auch was sagen«, stotterte sie.
Franziska richtet sich auf und lauschte.
»Wart«, wisperte sie, hob ihren Zeigefinger. »Da Bua, da Lauscher, den Hias krieg ich auch noch hin!«, flüsterte sie.
Sie schlich zur Küchentür, schloss sie lautlos.

weiter zum nächsten Teil 14. Alina
 
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2. Akt Ein Törn durch unbekannte Gewässer

Entdecker gehen das Risiko ein, bekannte Wege zu verlassen, neue Routen zu wählen.
Obwohl sie das Ziel, nur zu beschreiben vermögen, kein endgültiges Bild vorm Auge haben, verlangt man ihnen ab, immer auf Kurs zu bleiben.​


3. Kapitel Voll unter Segel

13. Kaum zu glauben!

Ein Harry-Potter Rucksack flog durch die Luft, traf, bevor dieser den Boden berührte, ein Poster auf dem ein knabenhafter Musiker in ein Mikrofon schmachtete. Das Mädchen, welches das Gebäck durch den Raum geworfen hatte, schlürfte zu einem Bett mit rosa Wäsche. Sie setzte sich zwischen die wartenden Kuscheltiere. Mit geballter Hand ergriff sie einen Hasen, schleuderte ihn zur Zimmertür. Eine blondhaarige Frau in einem engen anthrazitfarbigen Lederrock fing den Plüschhasen mit der Rechten. Die Blonde stöckelte auf ihren hochhackigen Schuhen zum Fenster, legte das Tier auf einen Nachtisch. Sie zog rosa-weiß geblümte Vorhänge vor die Scheibe, sodass das Licht einer Straßenlaterne nicht mehr in den Raum fiel. Breit lächelnd schritt sie auf das Mädchen im weißen Rock zu, setzte sich zu ihr.

Torben betrachte den Raum. »Warum muss ich hier schlafen?« Er strich über das Bett.
»Kind«, Tanja hob seinen Rock, »du kannst auch bei Matthias schlafen«, grinste sie.
»Mama«, lächelte Torben, verschränkte die Arme vor der Brust, »Ich kann doch nicht mit einen Jungen.« Er sah zur Zimmerdecke. »Ein Bett teilen«, schmunzelte er.
»Antonia« Tanja knuffte eine Faust in seine Seite. »Deinen Humor hast du immerhin wieder!«
Er kniff die Augenbrauen zusammen, presste die Lippen aufeinander. »Torben. Mein Name ist Torben!«
Ihr Blick schweifte über ihn. »Nach einem Torben«, sie tätschelte seine Wange, »ziehst du mir nicht aus«, grinste sie, wich mit aufgerissenen Augen zurück. »Ich wusste gar nicht, dass du so viel Fantasie hast?«
Ihr Bruder zupfte an einem Ohrläppchen. »Wieso?«

Tanja legte ihr Kinn auf den Rücken der Finger ihrer rechten Hand, klimperte mit ihren Wimpern, schaute andächtig, verlegen zur Zimmerdecke.
»Torben ist krank.« Sie zog durch die Nase. »Er kommt später«, sie kippte ihre Linke dem Bruder entgegen, »mit meiner Oma nach!«
Er stupste sie an, sodass sie mit dem Rücken das Bett aufwühlte. »So!«, zischte er, berührte sein Brustbein mit der flachen Rechten. »Habe ich das nicht gesagt.«

Tanja stieß mit beiden Zeigefingern auf ihn ein. »Hast du!«
»Hab ich nicht!«, schnauzte er sie an, fuhr mit dem linken Mittelfinger am Ausschnitt seines Oberteils entlang. »Das ist total mädchenhaft!«
Sie setzte sich auf. »Hast du wohl!« Sie räusperte. »Noch einen!«, flötete sie, positionierte den Körper, wie beim ersten Mal. »Ich bin froh« kippte Tanja ihren Kopf zur Seite. »Dass ich ein paar Tage mit Mama verbringen kann.« Sie drehte eine Locke in ihrem Haar, »Sie hat ja nie Zeit für mich!«
Torben ergriff den rechten Fuß, legte ihn neben das Gesäß ab, zupfte an den Zehen.
Er verschränkte die Arme. »Wenn die doofe Fragen stellen« murmelte er und warf Tanja einen stechenden Blick zu.
Sie schüttelte den Kopf. »Trotzdem brauchst du mich nicht als Rabenmutter hinzustellen!«, schnaufte sie.
Torben drehte die Unterseite der Hände nach oben, sah sie an und zuckte mit den Achseln.

Anstatt sie ihm half, mit dieser Situation klar zu kommen, belustigte sie sich. Am liebsten wäre er abgereist, geflohen. Nie wieder würde er hierher zurückkommen. Warum auch? Sollte sie mit ihrer Jannette glücklich werden?

»Kann ich nicht«, flüsterte er, schlug die Lider auf. »Bei dir schlafen?«
Sie ergriff seine Hand.»Antonia«. Er verdrehte die Augen. »Toni, das geht nicht.« Sie stieß ihr Kinn vor. »Stephen kommt heute Nacht heim, wenn er dich dann in unserm Bett vorfindet«, gluckste sie.
Er zog die Finger zurück. »Eurem was!«, klagte er. »Ich dachte, ihr macht das alles zum Schein.«
»Ja unser Bett. Erstens sind wir zwei erwachsene Menschen.« Sie hob die Schultern. »Und zweitens, wie sieht es aus, wenn das glückliche Paar.« Angewidert verzog sie Gesicht. »In getrennten Zimmern schläft.«

Torben senkte den Blick, seine Augen flirrten hin und her, die Augenbrauen näherten sich an. Sie begehrte Frauen, der Typ war ein Mann. Er war alt genug, um zu wissen, dass Erwachsene nicht nur ein Bett enterten, um zu schlafen. Sie eine weibliche Person, die selten mit ihren Reizen geizte. Wenn sie an Kerle vorbei tänzelte, dann pfiffen die ihr nach.
Tanja stand auf, zuckte mit den Schultern. »Die paar Mal«, hauchte sie.
Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper, wippte mit ihrem rechten Fuß.
»Wie kamst du auf diese blöde Idee?« Sie nickte mit dem Kopf. »Wir hatten was anderes besprochen?«

Typisch, schoss es ihm durchs Gehirn, treibt man Erwachsene in die Enge, wechseln sie das Thema.
Torben erzählte ihr alles. Den ganzen Tag, den erlebt hatte, sogar sein Abenteuer in der Damentoilette. Welches sie mit einen tupfen an ihren Augenbrauen, zu bestätigen schien.

Sie rieb an ihrer Nase. »Da hast du uns in eine Lage gebracht!«
»Ich wollte den Admiral.« Er senkte den Blick. »Nur herausfordern!«
Tanja leckte über ihre weinrot bemalten Lippen, kratzte ihr Genickt. »Das ging in die Hose«, lachte sie und legte die rechte Hand auf seine Schultern.
Der Mund dünn, die Stirn kraus wandte er sich von ihr ab. »Ich finde das nicht witzig!«, schnauzte er.
»Ich auch nicht«, gluckste sie hinter ihrem zugehaltenen Lippen. »Ich denke nur an ihre nasse Hose.«

Tanja schwenkte den Kopf. »Da steckt mehr dahinter«, sann sie nach. »Dass ist nicht ihre Art.«
Sie legte ihre Hände auf Torbens Schultern.
Mit starren Blick fixierte sie seine Pupillen. »Und du hast ihr nichts erzählt? Die Sache mit Jannette, dem Erbe und der Hochzeit«
Er schloss die Augen, wackelte mit dem Kopf. »Nein!«, zischte er.
Sie legte die Lippen, presste sie aufeinander. »Trotzdem sollten wir vorsichtig sein. Mit ihrem religiösen Gehabe könnte sie uns gefährlich werden!«
Die Lider hochgezogenen zuckte er zurück. »Wie meinst du das?«
War Bärbel ein Feind? Es stimmte etwas nicht!
Tanja sah zur Seite. »Toni wir spielen das Spiel mit. Du musst stark sein.«
Seine Augen formten sich zu Schlitzen.
»Wir fordern sie heraus«, pfiff sie. Sie hob den Kopf, schaute mit halb geöffneten Lidern in sein Gesicht, blinzelte ihm zu. »Antonia!«.
Sie nahm ihn in ihre Arme. »Ich beschütze dich!«, flüsterte sie.

»Komm ab ins Bett mit dir!«, forderte Tanja ihn auf, »Hohl deine Zahnbürste. Ich zeige dir das Bad.«
Torben schritt zu seinem Rucksack, der an der Stelle ruhte, an die er ihn geworfen hatte, nahm ihn auf, stellte ihn wieder mit einem Seufzer ab. An alles hatte er gedacht, nur nicht an einen Schlafanzug und an eine Zahnbürste.

Er eilte in den Flur. »Tanja!«
»Ich bin hier!«, erklang ihre Stimme aus einem Raum.
Sie schritt aus dem Zimmer, schloss die Tür, hielt ein Bündel Stoff in den Händen.
»Hier herein«, forderte sie ihn auf.
Das Bad lag zwischen dem Raum, in dem er schlafen sollte und dem, aus welchen sie gekommen war.
Torben schielte über seine Schultern. »Wer schläft denn normalerweise. …?«
»Alina?«, hauchte Tanja. »Alina ist Franzis und Vales jüngste. Sie lebt im Internat und kommt morgen nach Hause!«
Er legte die linke Hand an seine rechte Schulter. »Soll ich etwa …?«
»Sie ist nett. Neugierig, aber nett«, schmunzelte sie.

Torben hatte zwar nicht gefragt, trotzdem erklärte ihm die Schwester, wer sonst auf der Etage schlief.
Matthias, Alinas Bruder hatte die Kammer gegenüber vom Bad, offenbarte sie, ohne Tanjas Hinweis klar zu erkennen. Ein Totenkopf mit einer 88 bewies, wessen Art der Bewohner war. Dass sein Vater dieses tolerierte verwunderte Torben. Tanja schien seine Gedanken zu lesen.
»Den Scheiß hängt er jeden Tag wieder auf. Musst dir einmal die Höhle ansehen?« Ein Stöhnen flog ihr aus der Kehle. »Sein Großvater hat ihn voll im Griff. Da kann Vale nichts unternehmen.«
Am anderen Ende der Diele gegenüber von Alinas Zimmer, hatten die Eltern ihr Schlafgemach.
Die Gäste logierten im Erdgeschoss und im Anbau.

»Schau nicht so. Ich habe dir schon einmal gesagt, ich trage keine Mädchensachen mehr«, geiferte Tanja,
Torben schnappte sich das Seidennachthemd, den Slip, die Zahnbürste und verabschiedete sich wortlos.

»Schließ bitte das Bad ab! Vale und Franzi stehen immer zeitig auf und gehen spät zu Bett, aber dieser …«, knurrte sie, schielte über ihre Schulter. »Da musst du umsichtig sein.«

Sie wandte sich erneut ihm zu. »Ich spreche heute Abend mit den Beiden. Wir sollten sie einweihen!«

Torben kaperte in seidiger Nachtwäsche Alinas Koje. Ein dämonisches Lächeln verzierte sein Gesicht, bevor er ins Land der Träume segelte.

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