Flucht über die Nordsee 19: Stephen

ahorn

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Ausschau

Landleben

Sie klopfte an die grauen Betonwände, sprang vor die schwere Stahltür. Ihre zarten, zitternden Arme trommelten gegen das Metall.
Wie sie auch schrie oder klagte, die Tür blieb kalt und fest verschlossen. Tränen kullerten über ihre bleichen Wangen.
Ermattet sank sie zu Boden. Die Hände vor ihrem weißen Gesicht kauerte sie vor dem Ausgang ihres Verlieses. Sie umschloss ihre Knie, drückte ihre Schenkel an ihren Körper. Ihr Wimmern hallte durch den trostlosen Kerker.
Der fensterlose Raum, in dem sie gefangen war, umfasste die Fläche eines Eisenbahnabteils, in welchen sechs Reisenden Platz fanden. Eine an der Decke baumelnde Neonlampe warf ihr grelles Licht auf den grau-blau gestrichenen Boden, auf dem als einziges Möbelstück ein altes rostiges Feldbett stand.

Sie wusste nicht, wie lange sie schon in diesem Kerker verbrachte. Erinnerte sich nur daran, dass sie in die schwarze Limousine gestiegen war. Hatte ihre Mutter sie nicht immer gewarnt? Er sah seriös aus, in seinen eleganten Anzug, hatte nur nach dem Weg gefragt.
Sie gähnte. Die Betäubungsspritze, mit der er sie überwältigt hatte, zeigte weiterhin, ihr wirken. Sie vergrub ihr Gesicht zwischen den Beinen, da erlosch der Schein der Lampe. Jemand scharrte an der Tür. Mit einem Ruck sprang das Mädchen auf, versteckte sich auf der Seite des Raumes, zu der die Tür aufschwingen würde. Die Tür schwang auf. Sie sah nur eine Silhouette, die sich, angeschienen vom Licht der Freiheit, abzeichnete. Eine in einer Art Umhang gekleidete Gestalt erschien.
Eine blecherne Stimme erklang, diese forderte sie auf, sich ihrer Kleider zu entledigen, um zusammen ihre Sehnsüchte auszuleben.
Die Lippen bebend, kauerte sie sich, starr dem Kommenden, enger in die Ecke.
Die Gestalt erneuerte ohne Pathos seine Instruktion. Die Drohung, sonst sei ihre Zeit begrenzt, erzielte, dass sie in den Lichtkegel kroch.
Mit zitternden Knien stand sie auf, zog ihre Hose über ihre Beine, bis diese auf ihren Füßen lag. Ihre Zähne klapperten in ihrem gesenkten Kopf. Der Umhang des Wesens hob sich, eine rabenschwarz behandschuhte Hand zeigte auf sie.
Sie griff an den Kragen ihres T-Shirts und zog es über ihre Haare. Nur noch in Unterhose verschränkte sie die Arme vor ihrem Busen. Das Mädchen presste ihre schlotternden Schenkel zusammen. Ihr Entführer schüttelte nur mit dem Kopf, woraufhin sie wimmerte, die letzte Hülle von ihrer Hüfte streifte.

Ein Bündel Wäsche landete vor ihren entblößten Körper. Sie griff ins Halbdunkel. Ihre kalten Hände ergriffen das größte Wäschestück.
Erst nachdem sie das Etwa einige Male gedreht hatte, erkannte sie, dass es sich um eine Korsage handelte. Sie kannte diese Art Montur. Ihre Mutter trug sie, wenn sie ausging. Sie in einsamen Nächten allein ließ, um ihren Freuden nachzugehen. Die Hände bebend, stieg sie hinein, streifte mit Tränen auf den Wangen die Träger über ihre Schultern. Ihre kleinen Brüste verschwanden unter dem für sie zu großen Dessous. Sie kauerte sich nieder, tastete am Boden, dabei den Blick auf das Monster gerichtet. Ihr nacktes Gesäß berührte den kalten Beton, um die Strümpfe über ihre Beine zu streifen. Mit fahriger Bewegung befestigte sie die Nylons an den Spangen der Korsage.

Das schwarze Monster nickte zufrieden, dann befahl es, sie solle sich auf die Liege legen. Sie kroch auf allen vieren zur Pritsche. Hechelnd, mit Schweißperlen auf der Stirn, hob sie ihren Fuß auf das Gestell, klammerte sich zitternd daran fest und zog ihren Körper auf den Lumpen. Das Mädchen umklammerte seine Beine, steckte den Kopf zwischen die Knie, auf welche ihr Kinn schlotternd einschlug.
„Und wo ist der Slip …“


„Hier für dich.“
Toni empfing einen Schlag an der Schläfe und kreischte auf.
Der Gegenstand kam nach dem Abprall von der Stirn zwischen dem Buch und seiner Brust zur Ruhe.
Er schüttelte den Kopf, sah sich um. Benommen von den gelesenen Zeilen, verwirrt des Inhaltes, schaute er in Alinas Gesicht. Ihre kalten Augen starrten ihn an, als wäre sie allein den Fängen ihres Peinigers entflohen. Obwohl es seine Aufgabe gewesen wäre, sie zu befreien.
Sie streckte ihm ihre Faust entgegen. „Wo warst! Wos bisd fia a Freindin?“
Toni öffnete den Mund, richtete sich auf, legte eine Hand flach auf sein Brustbein und murmelte: „Ich habe dich gesucht“.
Alinas runzelte ihre Stirn. „Wie gesucht? Der Kellner hat mir gesagt, du hättest gezahlt und wärst gegangen. Ich bin zurück zum Parkplatz.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Tanjas Wagen stand nicht mehr an der Stelle, an der sie ihn geparkt hatte.“
Die Beine zusammengekniffen, rutschte Toni vom Bett. „Ich sage die Wahrheit.“ Er fasste ihre Hand, sperrte die Augen auf und stotterte: „Du warst so lange weg und ich habe mir Sorgen gemacht“.
Sie legte ihre Finger um ihre Taille.„So’n Typ hatte mich aufgehalten. Fragte nach dem Weg. Ich konnte ihn kaum verstehen. Dann hatte ich meine Schulfreundin aus den Augen verloren und ging sie suchen.“
Toni drückte ihre Hand. „Hast du deine Freundin gefunden?“
Sie schüttelte ihren Kopf und flüsterte: „Nein! Dafür meine Tage. Bin in eine Drogerie, dann warst weg“.
Ein Seufzer verließ seinen Mund, bevor er ihr über die Wange strich. „Warum hast du nicht angerufen?“
„Weil ich mein Handy vergessen habe.“
Sie deutete auf den Wäschebügel, den sie ihm an den Kopf geworfen hatte. „Zur Strafe“, sie kickte ihren Kopf nach hinten. „Soi i mi zum Hampl des Doafs machen!“

Alina schwang ihren Zopf auf den Rücken, stampfte zu ihrem Kleiderschrank, ergriff ohne Toni eines Blickes zu würdigen saubere Unterwäsche. Daraufhin ging sie zur Zimmertür.
An der Tür angekommen, wandte sie sich zu ihm um, lehnte ihren Kopf auf die Seite, musterte ihn und hob ihre Schultern. „Ich bin halt nicht so ein braves Mädchen wie du. Deshalb schlüpfst du in das Karnevalskostüm, und verklickerst meiner Mutter, dass du so eine Tracht schon immer tragen wolltest. Verstanden!“
Sie verließ endgültig den Raum.
Toni zupfte an seinem Ohrläppchen. Zumindest hatte sie klar und deutlich gesprochen. Hatte er eine Wahl? Wollte oder konnte er es sich leisten, Alina zum Feind zu haben? Er nahm den Bügel auf.

Alina stand in Unterhose in ihrem Zimmer, eine Hand an ihrem Bauch, ihre andere wies mit vorgestrecktem Zeigefinger auf Toni. „Wia siehst du den aus?“
Er senkte den Blick, betrachtete den um seine Beine wehenden Trachtenrock.
Alina hüpfte auf ihn zu, betastete die Bluse. „Die wird am Rücken geschlossen.“
Sie schob ihm das Kleidungsstück über die Arme. Sie half ihm ins Mieder und band ihm die Schürze um. Toni schritt zum Kleiderschrank, stellte sich mit dem Gesicht zum Spiegel. Seinen Kopf schwenkend, raffte er den Rock, bis sein Knie oberhalb der weißlichen Strümpfe frei lag. Er drehte den rechten Fuß, stieß die Spitze der Spangenschuhe auf den Boden. Nickte. Der Saum fiel auf seine Oberschenkel. Dynamisch kehrte er dem Schrank den Rücken zu, schielte über die Schulter und strich über sein Gesäß.
Wortlos wandelte er zum Fenster, presste das Becken gegen die Fensterbank. „Eigentlich!“ Er stütze sich ab und hauchte: „Ist es ganz schön bei euch“.
Ein Wagen fuhr auf den Hof.



Stephen

„Wo bleibst“, harschte Franziska den in die Küche eintretenden an.
Er setzte sich auf die Bank, hierbei rieb er seine Augen. Die Ellenbogen auf dem Tisch abgestützt, riss er den Mund auf, gähnte. Er betrachtete seine Hände. Finger, zart und gepflegt, die den Anschein verbreiteten, nie gearbeitet zu haben.
In einer weichen, beinahe weiblichen Stimmlage flüsterte er: „Hast du ein Kaffee?“.
Sie verschränkte die Arme. „Wann bisd du endlich mid am Heim fertig?“, geiferte sie. „Wia lang woit ihr no in da Kamma heisln?“ Ihr Zeigefinger wies ins Obergeschoss. „Wia’s do ausschaut!“ Sie stampfte auf ihn zu, legte ihre Hand auf seine schmalen Schultern. „Denk bitte an des Kind!“
Stephens müde Augen musterten Franziska. „Was glaubst du, was ich die ganze Zeit gemacht habe? Und red deutsch mit mir. Ich bin kein Mitglied deines Trachtenvereins.“ Er wandte den Blick ab, umgriff das Gefäß, dessen Inhalt vor ihm dampfte und kniff ein Auge zu. „Bis nach Mitternacht habe ich mit Friedl die Küche aufgebaut“.
Er nahm einen Schluck und grinste. „Na ja, ich habe ihm geholfen.“
Franziska setzte sich Stephen gegenüber. „Bist narrisch. Wenn die Leut …“ Sie legte ihre Hände in den Schoß, wobei Ihr Atem rasselte. „Soll ich dir, was vom Rindsbraten aufwärmen? Hast bestimmt nichts gegessen! Bist ja gleich früh morgens wieder los.“
Stephen kniff ein Auge zu. „Wie? Ich war gar nicht dahom. Bin nachts direkt nach München.“
Sie deutete zum Hoffenster. „Ich habe deinen Wagen gesehen“, polterte ihre Stimme, „als Vale, zu den Kühen ist.“
Er schürzte die Lippen, kniff erneut ein Auge zu und murmelte: „Franzi, ich weiß nicht, was du wieder gesehen hast. In der Zeit, in der Vale die Kühe melkt, saß ich im Zug nach München.“ Er strich durch sein dunkelbraunes Haar. „Hatte früh einen Termin bei Gericht.“

Franziska faltete ihre Hände, wie zum Gebet. „Du arbeitest dich irgendwann zu Tode“, empörte sie sich, mit einem Schnaufen gleich einer Dampflok, die einen Hügel erklimmt. „Hauptsache, es hat dich niemand gesehen.“
Er verengte die Augen und fauchte: „Ich habe dir gerade gesagt, dass ich stracks nach München bin.“ Stephen lehnte sich zu ihr vor. „Ich benötige das Geld.“ Sich von ihr abwendend klopfte er mit der Faust auf den Tisch. „Mit meinem Job in Hamburg allein schaffe ich das nicht!“
Ihre Faust schlug auf der Tischplatte ein. „Warum hast dir die Schulden aufgehalst.“
„Du meinst wohl geerbt.“
„Sprich nicht so.“
„Ist doch wahr.“
„Glaubst, für eine Mutter ist es ertragbar, zu wissen, dass das eigene Kind … nein. Das hält keine Mutter aus und nicht einmal an ein Grab treten zu können.“
Stephen tippte an seine Stirn. „Übertreibst maßlos. Ich hätte euch in Stich lassen können. Dann wäre dein Hof bald weg. Lange macht ihr es nicht mehr.“

Ihre Gesichtszüge entspannten sich, derweil sie mit ihrer Schürze eine Träne von ihrem Lid tupfte und schluchzte: „Ich weiß nicht, ob wir das alles richtig machen“.
Stephen erfasste Franziskas Hände. „Es wird alles gut.“
„Wenn die Geschichte auffliegt?“
„Außer dir, Vale und Gerti weiß niemand von früher. Und mit den Leuten aus dem Dorf hattet ihr keinen Kontakt. Das weiß ich.“
Sie deutete gen Gesindehaus. „Was ist mit dem Großvater?“
Stephen grinste. „Der ist blind und nicht allein mit den Augen.“
Er lehnte sich zurück, tupfte über seinen Schnurrbart, der seinem Gesicht eher groteske Züge gab, als ihm ein männliches Aussehen zu verleihen.

„Alte Geschichten.“ Franziska senkte ihren Kopf. „Wir haben uns alle verändert. Schau dir Vale an.“ Sie zwinkerte ihm zu. „Ich liebe dich, egal, wie du bist.“
Stephen schlug auf den Tisch und erhob sich. Er schritt auf die Küchentür zu, blieb jedoch kurz vorher stehen.
Die Augenbrauen zusammengezogen, sah er Franziska an. „Wo ist der Friedl? Er wollte noch das Schlafzimmer aufstellen und dann zu Aishe.“
„Der müsste gleich …“ Sie stemmte ihre Fäuste in die Taille. „Wollte nur kurz mit Tanja in die Stadt fahren.“
Er zog den Kopf zurück, kniff ein Auge zu. „Mit Tanja?“
„Ja“, zischte Franziska. „Tanja war vorhin mit Antonia, Aishe und Alina einkaufen und …“ Sie benetzte ihre Lippe. „Alina war verschwunden.“
Stephen bedeckte den Mund, starrte sie dabei an. „Verschwunden?“
„Verpasst haben sie sich. Alina ist dahom“, donnerte sie, als könne ihr Kind den Fingerzeig vernehmen.
Er senkte die Armen. Franziska stand auf und lauschte. Schritte erklangen aus dem Hausflur.
„Do keman de Madls!“

Toni hüpfte mit Alina im Schlepptau die Treppe herunter, lief an Stephen vorbei direkt zu Franziska. Er drehte sich um seine Achse, schwang den Rock, und zwinkerte der an der Tür zurückgebliebenen Freundin zu. Die Aktion, dieses Schauspiel, war er im Gedanken mehrmals durchgegangen. Er war es ihr schuldig, denn er hatte sie zurückgelassen. Sie in Gefahr gebracht. Sein Auftritt musste ihm glücken, denn nur derart gelang es ihm Franziska davon überzeugen, dass nicht Alina ihm die Kluft aufgedrängt hatte.
Er sah sich genötigt, die Leidenschaft widerzuspiegeln, die eine brave Tochter zeigt, wenn ein Traum sich erfüllte, den sie seit Langem hegte. Das schien ihm der beste Kurs, um das Vertrauen zu erlangen, welches er von ihr benötigte, damit er mehr herausfand. Von dieser seltsamen Familie, in die Tanja hineinheiratete. Immerhin hatte sie ihn zur Vorsicht geraten. Gewarnt hatte sie zwar eher vor dem Admiral, aber umsichtig wie ein Pirat vergrößerte er den Kreis der Gegner. Sicher war sicher.
„Ich wollte schon immer so eine schicke Tracht tragen“, log er Franziska an. „Alina hat sich erst gesträubt, dann hat sie es mir erlaubt.“ Angst keimte in ihm auf. Es war jedoch weniger die Angst, dass Franziska ihren Plan durchkreuzte, Alina anschrie, ihr die Hölle heiß machte, sondern eher die Angst, dass er sich selbst belog.
Franziska schlug die Hände an die Wangen. „Mei God bisd du schee. Wia a richtigs boarischs Madl.“
Sie stemmte ihre Fäuste in die Taille, lächelte ihn an und warf ihrer Tochter einen düsteren Blick zu. Die stechenden Augen gaben Alina zu verstehen, inwieweit sie ihr Verhalten gegenüber ihrer Instruktion missbilligte. Obzwar ihr mütterliches Grinsen eher eine zustimmende Aussage versprühte.
Franziska wandte sich der, von ihm fast überrannten, Person zu und jauchzte: „Stephn, meist du ned aa?“

Erst in diesem Moment erkannte Toni, dass sie nicht allein waren. Er kannte den Mann nicht, der, wie ein Geist in einer Gruselgeschichte, vor ihm auftauchte. Ein Wesen in seiner Fantasie, wie ein Riese mit Rauschebart, Hände wie Pranken, kantigem Kopf und in einer Lederhose, die schon Generationen vorher getragen hatten, hatte er erwartet. Er war enttäuscht von diesem Männlein mit dieser zierlichen jungenhaften Gestalt. Er war in seinem Plan nicht aufgetaucht, obwohl er eine Hauptperson in dem kommenden Schauspiel darstellte. Toni war nicht vorbereitet auf das Zusammentreffen. Tanja hatte ihn nicht eingewiesen, sowie es ihm nicht bekannt war, inwieweit sie Franziska und Valentin eingeweiht hatte. Die Reaktion von Tanjas zukünftigen Schwiegermutter lag nahe, dass sie von seiner wahren Existenz kein Wissen hatte.

Toni griff an ihren Rock, raffte ihn, vollführte einen Knicks. Erhob sodann, wie ein seinen Stamm begrüßenden Indianer, die Rechte und piepste „Hey“.
Stephen schritt auf Alina zu. „Schau dir an, wie hübsch Antonia auszieht.“
Alina lehnte, die Arme verschränkt, die Beine überkreuzt, an der Türzarge und verdrehte ihre Augen.
Er berührte ihre Schulter. „Früher hast du doch gerne die Tracht getragen?“
Ihre Lider aufschlagend, drehte sie ihren Körper weg, stellte sich breitbeinig vor ihm hin und schrie: „Früher! Was weißt du von früher?“.
Sie schlug mit der Faust auf seinen Bauch. Dann rannte sie aus dem Haus. Ihre Mutter folgte ihr, doch Stephen hielt sie zurück.
„Ich spreche mit ihr“, raunte er, dabei verließ er die Küche.

Franziska setzte sich wieder auf die Bank, vergrub ihr Gesicht in ihre Hände, wimmerte: „Wie hat sie sich verändert“. Toni trat an sie heran und legte zwei Finger auf ihre Schultern. „Seit Aishes Hochzeit ist sie so anders.“ Sie schwankte mit dem Kopf, als wollte dieser gleichsam eines Fisches sich fortbewegen, dabei tätschelte sie seinen Arm „Ich komme an sie nicht mehr heran. Du bist ein gutes Madl!“ Franziska pochte auf den Tisch, stemmte sich sodann hoch, seufzte, stöhnte kurz auf und strich sich übers Gesicht. „Wart!“ Sie wankte zum Küchenschrank, stupste an ihre Nase. „Ich habe da etwas für dich!“

Franziska stülpte eine reich mit goldenen Fäden verzierte Kappe über Tonis Schopf.
„Die hob i als junges Madl aufgehabt!“ Sie band die Kopfbedeckung unter seinem Kinn zu, verknotete die goldenen Riemen, schlang eine Schleife. „Alina wollte sie nie tragen, nicht einmal … früher.“ Sie schritt kopfschüttelnd zum Küchentisch, nahm einen Korb, den sie ihm über die Armbeuge hing. „Geh schon mal zu den Mannsbildern!“ Auffordernd deutete sie aus dem Fenster, welches den Blick zum Garten freigab. „Ich komm gleich nach.“
Toni begutachtete den Inhalt des Weidenkorbs und freute sich. Nicht über den Streuselkuchen, sondern darüber, dass Franziska nicht zu ahnen schien.

Schwer atmend band die Dame des Hauses ihre Haube. Bevor sie aufbrach, sah sie kurz aus dem Fenster zum Hof.



Zarissend Hosnn

Fridolin schlug auf das Lenkrad. „Es ist mir peinlich. Das ist mir noch nie passiert!“
Fridolin, Valentins Sohn und Ehemann von Aishe, war ein besonnener, seine Ziele verfolgender Mann. Lange hatte er um seine Frau gekämpft, erst mit der eigenen Familie, dann mit ihren Eltern. Verliebt hatte er sich bereits beim Abiturball, obwohl sie sich viele Jahre gesehen hatte, aber sich eher aus dem Weg gingen und das hatte Gründe. Er war hilfsbereit und zuvorkommend, wenn er einen Ausgleich erwartete. Ein Wesenszug, der ihm eine Macht gab, die er genoss.

Tanjas Fingerspitzen glitten über seinen Schenkel. „Kann jedem Mann passieren!“, flüsterte sie.
Er legte eine Hand auf ihr Knie. „Zumindest ist Alina wohl behalten zu Hause angekommen.“
Sie stiegen aus den Wagen. Fridolin schritt auf sie zu, umfasste ihre Taille.
Er näherte sich ihrem Gesicht, bis fast ihre Nasen sich trafen. „Du sprichst mit Aishe.“
Sie berührte seine Wange. „Versprochen ist versprochen.“
„Ich gehe mich erst einmal umziehen.“
Tanja stellte sich auf ihre Zehenspitzen, drückte ihr Gesicht an Friedls Körper und runzelte die Nase. „Duschen solltest du dich vorher!“
Blinzelnd schlang sie ihre Arme um seinen Hals, zog seinen Kopf an ihren, bis ihre Lippen seine berührten.
„Ein kleines Dankeschön“, raunte sie und löste die Umarmung.
„Wofür?“
Sie blinzelte ihm zu. „Für das.“ Sie hob ihr Bein, wackelte mit ihrem Fuß. „Und dass du gefahren bist.“ Sie stöckelte mit einem erotischen Hüftschwung ins Bauernhaus.



Kuchen und Schnaps für das Volk

Toni stellte seinen Korb ab und keuchte: „Boa. Ich kann nicht mehr“.
Alina lächelte ihn an. „Setzt di!“
Sie hatte ihr Fahrrad, an dem ihr Vater einen Anhänger befestigt hatte, abgestellt, und saß auf einer Bank am Dorfanger direkt neben einer Marienstatue.
Er zog seinen Rock stramm an sein Gesäß, setzte sich zu Alina, fasste sich hierauf an seine Knöchel und jammerte: „Meine Füße“.
Alina erfasste sein Handgelenk. „Nah“, sie schwang ihren Fuß. „Vor hundert Joarn gab es koa Turnschuhe“.
„Hundert Jahre?“, wiederholte Toni.
„De Klamotdn“, Alina zupfte an Tonis Schürze, „werden von Generation zu Generation weidergreicht.“
„Ich weiß nicht, was du hast?“ Er strich über das Mieder. „Ich finde es schick.“

Modisch wäre ihm lieber gewesen, dachte er sich, während er seinen Blick auf Aishe flotten Minikleid fixierte. Ihm sogleich Schweißtropfen über Stirn rannen. Der mehrlagige Rock, die dicken Kniestrümpfe, das derbe Mieder gepaart mit sommerlichen Temperaturen oberhalb zwanzig Grad erfreuten die alten Dorffrauen, nicht ihn. Die Damen bewunderten, lobten ihn, was für ein niedliches, schickes Mädchen er sei. Eine dieser Dorftratschen hatte ihm sogar eine Stola aus Spitze geschenkt. Das Tuch auf der Schulter erhöhte gleichsam seine Kerntemperatur. Er kicherte. Wie sich die Zeiten änderten? Vor ein paar Wimpernschlägen hatte er sich nach einer Hose gesehnt, um seine Finger zu vergraben. Stattdessen saß er schweißnass auf einer Parkbank, schaute zu Aishe und flehte sich ein luftiges Sommerkleid herbei.

Alina gluckste. „Jedenfois, bist du in da Familie aufgnomma.“
„Wieso?“
Sie klopfte ihm auf sein Haupt. “Du hosd die Häubchn gekriagt.“
Toni wandte sich zu ihr um, ließ die Mundwinkel hängen, zuckte dabei mit den Achseln.
Die Freundin setzte sich aufrecht hin und, erhob einen Zeigefinger.
„Mädchen.“ Sie tippte mit dem Finger auf ihre Brust. „Madl. Griagd von einer Dande oda ihra Oma, wenn sie zur Frau wern“, sie tippte abermals, jedoch diesmal auf Tonis Hut, „de Kappe.“ Sie platzierte ihre Handkante oberhalb ihrer Augenbrauen, streifte mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger über den Anger, als wäre sie ein Indianer, welcher nach einem Bleichgesicht Ausschau hielt, bis ihr Arm auf ihre Mutter deutete. „Heiradn de Haum.“ Sie bog sich vor Lachen. „Vastehst! Unta de Haum kema.“
„Haum? Was ist de Haum?“
„Die Haube“, sprach Alina, wobei sie jeden Buchstaben lang zog. „Mensch du musst aba dringend boarisch lehrna. So a Drachtengirl und dann houchdeitsch. Des gäd doch gar ned ob.“
„Häh?“
„Mensch schnallst nicht. Du musst bayrisch lehren, oder soll ich dir immer alles dolmetschen.“
„Du sprichst doch hochdeutsch?“
„Bin i inda Schui, nä i bin dahoam.“
„Wie?“
„Na gut. Bayrisch für Fischköpfe. Bin i inda Schule, nein i bin daheim.“
„Ist dein Internat nicht in Österreich?“
Alina verdreht ihre Augen. „Mann bist de bleed. Das ist a internationales Internat. Der Unterricht ist auf Englisch, und in der Freizeit sprechen wir Hochdeutsch. Damit sich koa Gruppen bilden. Vastehst!“
Egal, warum er die Kopfbedeckung trug und Alina ihm Nachhilfe in der Sprache der Ureinwohner gab, ihm war endgültig klar, dass Tanja Franziska nicht eingeweiht hatte. Und dass Alina von ihrer Schule alles andere als begeistert zu sein schien. Euphorie klang für ihn anders.
Toni berührte sein Brustbein, kniff ein Auge zu und zeigte auf Alina. „Wo ist da Haumchen?“
„Wos?“
„Dein Ding auf dem Kopf?“
„De Kappe.“ Sie schlug ihre Beine übereinander, verschränkte ihre Arme und grinste. „Verschollen!“
Er bedeckte seinen Mund. „Hast du es verloren?“
„Nein. Meine Dand Lotti ist vaschwundn, bevor se es ma übareichn konnte.“ Sie schüttelte den Kopf. „Wie aa, war ja no net geboan.“
Toni umfasste seine Brust mit dem linken Arm, stützte den rechten Ellenbogen auf der dazugehörigen Hand ab, schmiegte den Zeigefinger an die Unterlippe und runzelte die Stirn. „Verschwinden bei euch öfters Leute?“
Alina kratzte ihr Genick.
„Jannette!“, schoss es Toni aus der Kelle.
„Jannette ist ned vaschwundn.“

Es war im ersten Jahr, in dem sie das Internat besuchte, erzählte Alina. Da stand sie vor ihr. Sie hatte zuvor nie in ihrem Leben ihre Halbschwester gesehen. Seit diesem Tag hatte Jannette sie regelmäßig aufgesucht. Sie spazierten, radelten, bummelten in der Stadt oder sie fuhren zu Jannettes Pferden, galoppierten über die Wiesen. Sie gab ihr das, was ihre Mutter nie für sie hatte. Zeit. Zeit und Gunst, die ihr halfen, sich selbst zu finden. Es waren Gespräche von Frau zu Frau, mit Gefühl und Hingabe, trotzdem distanziert. Jannette nahm sie nie in den Arm, oder hauchte ihr gar einen Kuss auf die Stirn, wie es Franziska pflegte. Sie berührte Alina nie. Als hätte sie Angst, eine Grenze zu überschreiten. Ihre Schwester verlangte sogar von ihr nie über ihre Treffen zu sprechen. Einmal, im Streit mit Franziskas, hielt sie es nicht mehr aus. Sie warf ihr an den Kopf, dass Jannette sie verstand. Worauf ihre Mutter sie für verrückt erklärte, da diese, wie Franziska ihr versicherte, zurzeit in Estland lebe. Alina war wieder die Spinnerin, denn Beweise besaß sie nicht, nicht mal ein Foto.

„Ich glaube dir.“ Toni strich über Alinas Finger. „Du bist nicht verrückt.“
Tanja hatte ihr erzählt, dass sie mit Jannette gemeinsam ausritt. Alinas besuchte ein Internat in Österreich. Matthias erklärt ihm, ihre Pferde ständen gleich hinter der Grenze. Somit war für ihn klar, dass sie nicht spann. Aber woher wusste Matthias davon?
Alina strich ihm über den Arm.
Sie flüsterte: „Dann san mia scho zu dritt“, dabei schien sie Tonis Annahme zu bestätigten, indem sie ihre Augen verengte und ihre Mundwinkel herunterzog.
Alina und Jannette waren ausgeritten. Unverhofft tauchte Matthias auf. Was er kurz hinter der Grenze suchte, bekam sie nie heraus. Jedenfalls gestattete Jannette ihm, wenn er Zeit hätte, sich, um ihre Tiere zu kümmern. Ein Angebot, welches ihr Bruder gerne annahm. Dafür verlangte Jannette von ihm, dass er Stillschweigen bewahrte sollte.
Alina ballte ihre Hände zu Fäusten. „Dess Sau, wia konnte i eahm grod vatraun.“
Toni verstand zwar nur jedes zweite Wort, nahm jedoch an, dass ihr Wutausspruch keine Lobeshymne auf ihren Bruder war.
„Wie meinst du das?“
Sie wandte sich ab, presste ihre Hände auf den Schoß, knetete ihre Finger. „Des is a andere Geschichte.“

„Aber Stephen hat doch Kontakt zu deiner Schwester“, fiel es Toni ein. Es war Jannette, die Tanja gebeten hatte, wegen dieses Testaments, ihn zu heiraten.
Alina lachte, tippte an ihre Stirn und zischte: „Stephen. Der ist doch nicht echt“, dabei wedelte sie mit der Hand vor ihrem Gesicht.

Jannette hätte ihr gestanden, dass sie sich mit ihrem Bruder nach dem Studium verzankt, seit dem kein Wort mehr mit ihm gewechselt hätte, erzählte ihm Alina. Stephen bestreite dieses, hätte zum Beweis Alina und Jannette zu einem gemeinsamen Musicalbesuch in Hamburg eingeladen.
Kurz nach Ostern sollte die Reise stattfinden. Ihre Eltern wären darüber froh gewesen, dass sie etwas mit ihrem Bruder unternehme.
Stephen holte Alina von der Schule ab, fuhr mit ihr zuerst gen Passau, um sich mit Jannette am Rathaus zu treffen. Sie warteten, bis er die Nase voll hatte, sie anrief. Sie verweilte in ihrem Hotel. Beide fuhren hin, Stephen stieg aus, wies sie an, im Wagen zu warten.
„Wenn glaubst, i bin neigierig“, zischte Alina, legte ihre Hand auf die Brust, „dann liagst foisch. Ma war langweilig. Ich bin dann hoch und im Flur habe ich sie schon streiten gehört.“

Jannette fuhr Stephen an, berichtete Alina, er könne diese paar Monate bis zur Hochzeit durchhalten, wieder verschwinde, wenn es ihm gefalle. Was ging ihr das blöde Testament an. Sie spiele nicht mehr mit, es wäre jetzt an ihm, klar Schiff zu machen. Woraufhin er ihr vorgeworfen hätte, dass sie dafür verantwortlich wäre, ohne sie würde Stephen noch existieren. Hätte sie bloß nie den Kontakt zu Alina aufgenommen, hätte Jannette eingeworfen. Er hätte nie etwas von dem Testament erfahren.
Toni verdeckte seinen Mund. „Du weißt von dem Testament?“.
„Klaro. De Eawachsene glam oiwei, mia Kinda kriegn nix mid, obwohl’s ganze Doaf weis. Das war es aber nicht, worüber sie sich gestritten hatte.“
Stephen hätte Jannette an den Kopf geworfen, fuhr Alina fort, dass ihr Lebenswandel sie auseinandertriebe. Er nur eine Randfigur in ihrem Leben wäre. Gut, er habe das Kind gefunden, sagte sie, aber das Kind bedürfte einer guten Mutter, keiner verständnisvollen Schwester. Sie könne es nicht weiter belügen.
Er sollte reinen Tisch machen, verriet Alina. Immer, wenn er sie bräuchte, sollte sie alles für ihn erledigen. Sie wäre nur für die Drecksarbeit da. Worauf er ihr entgegenwarf, dass sie auch ein Interesse daran hätte, nicht leer ausginge.

Toni bedrückte Alinas Aussage, machte ihm gar Angst. Immerhin hatte er Wissen, was sie nicht besaß. Wenn er dabei berücksichtigte, dass sie das Gespräch durch eine geschlossene Tür verfolgt hatte, und Stephen alles andere als eine brummende oberbayrische Stimme seine eigen nannte, hatte der Streit für ihn einen von ihr abweichenden Kern.
Alina klopfte mit dem Handballen an ihre Stirn und keuchte: „Vastehst! De Stephn is ned mei Bruada“, dabei zeigte sie Toni eine Faust. „Er ist ein Hochstapler, gibt sich nur als mei Bruada aus!“

Toni wies ihr einen Vogel. „Weil er den Hof erben will. Das müssten die deinen wissen?“
Sie zuckte mit der Schulter und flüsterte: „Woass i ned“, dabei lehnte sie ihren Rücken gegen die Parkbank. “Vuileicht steckn sie unter einer Decke, dennoch …“
„Was geht es dir an?“, fragte er, und stupste gegen ihre Brust „oder möchtest du den Hof erben.“
Alina wandte sich ab. „Ach.“ Sie spuckte. „Der Hof ist mir schnuppe. Wäre froh, wenn er weg wäre.“ Sie senkte ihren Kopf. „Hast du mir nicht zugehört? Dieser falsche Stephan hatte von“, sie schwang ihren Körper, drückte die Nase an Toni „dem Kind“, sie sackte in sich zusammen, „erzählt, dass Jannette nie mit ihm in Kontakt hätte treten sollen.“
Er zog den Kopf zurück. „Und?“
Alina schlug gegen ihr Brustbein. „Ich bin das Kind!“

Toni zupfte an seinem Ohrläppchen. Und eher, um sich selbst zu beruhigen, schmetterte er ihr entgegen: „Quatsch! Deine Eltern sind Valentin und Franziska …“
„Aber ich gehöre nicht dazu, bin anders.“ Sie zog ihre Augenbrauen zusammen, während sie, wie ein auf ein Baumstamm einschlagender Specht, nickte. „Warum haben sie mich ins Internat gesteckt?“
„Weil du dort besser gefördert wirst!“
„Ach. Es ist wie in einer normalen Schule.“ Auf Tonis Oberschenkel einschlagend, zeterte sie: „Jedenfois deaf die Muada meina Voda ned heiradn!“
Dieser eine Satz erschauderte ihn. Alina ging davon aus, dass Stephen ihr Vater wäre und … Zank. Zerwürfnis. Bruder und Schwester. Was musste in ihrem Kopf vorgehen?
Toni schaute gen Himmel. „Warum? Weil wir dann Schwester sind?“
Alina ergriff seine Hand, legte ein breites Grinsen auf ihre Lippen. „Des waarad ma scho recht. Bessa ois da Hias, des Sau!“ Sie richtete sich auf, blinzelte Toni zu. „Mit einer Schwester kam man einfach besser quatschen, alles Anvertrauen. Wie mit Jannette, als ich glaubte, sie wäre meine Schwester.“
Damit war es raus. Toni musste ihr helfen, aber wie ohne seine eigene Identität ihr preiszugeben.

Alina faltete ihre Hände, quetschte diese zwischen ihre Knie und flüsterte: „Ich hab dir nicht alles erzählt“. Sie leckte über ihre Lippen. „Ich mag deine Mutter.“ Sie hob ihre Schultern bis zum Hals und verdeckte, dabei ein Kichern von sich gebend, ihren Mund. „Und dich. Ich habe Angst, dass die beiden, wenn sie verheiratet sind, sich verlieben.“ Sie wandte sich ihm zu und flüsterte zu: „Die schlafen miteinander“.
Toni drehte sich der Kopf, ohne dass er ihn bewegte. Vor einer Sekunde versuchte Alina ihm durch die Blume zu verklickern, wer ihre Eltern waren, um ihm kurz darauf zu verstehen zu geben … Die tickte doch nicht richtig in der Birne.
Toni runzelte seine Stirn. „Wer? Wie?“
„Mein Vater“, wisperte sie, wandte sodann ihren Kopf, als hätte sie Angst, belauscht zu werden. „Deine Mutter.“
Toni tat, als hätte er nichts verstanden.
Er hielt sich den Mund zu. „Vale und Tanja?“
Alina schlug ihre flache Hand an die Stirn. „Quatsch!“
„Ach“, er hob den rechten Zeigefinger, „Dein angeblicher Vater und meine angebliche Mutter“, interpretierte er ihre Aussage, hob die Schulter, und hoffte, dass sie seinen Versprecher nicht bemerkt hatte. Zögernd legte er seine Hand auf ihr Knie. „Und. Was ist da daran schlimm? Sie heiraten.“
Alina schob seine Hand von ihrem Bein. „Willst du mich nicht verstehen!“ Sie starrte ihn an. Ihre Lippen vibrierte. „Dann kommen Jannette und er nie wieder zusammen.“
Toni zupfte an seinem Ohrläppchen. Sie war durchgeknallt. Er begriff ihr Geschwafel nicht, da seine Schwester, wie diese ihm gebeichtet hatte, mit Jannette ein Verhältnis hätte. Es reichte einfach nicht aus, ein Kleid zu tragen, eine brave Tochter zu mimen, um ein Mädchen zu verstehen. Frauen und Männer waren eben Grund verschieden. Vielleicht lag, wie in jeder Seemannsgeschichten, in dieser Aussage, gleichwohl er dieses Vorurteil hasste, ein wahrer Kern.

„Es war letzte Wochenende am Vatertag“, nahm Alina den Faden wieder auf.
„Himmelfahrt“, korrigierte Toni.
„Von mir aus Himmelfahrt, der Tag, an dem die Kerle besoffen durchs Dorf laufen“, fauchte sie.
„Okay!“
„Meine Mutter hatte mich nach Hause geholt.“ Sie steckte ihre Zunge heraus, verdrehte dabei ihre Augen. „Um ihr bei den Hochzeitsvorbereitungen zu helfen.“
„Da hast du sie erwischt“, gluckste Toni und fing sich einen Anrempler ein.
„Bisd bled.“ Alina kicherte, dann zischte sie: „Natürlich ned. In da Nochd! Ich musste mal raus und na ja. Das Bad ist ja gleich neben Stephens Zimmer“. Sie klimperte mit ihren Wimpern und flüsterte: „Ich bin ja nicht neugierig. Aber“, sie versenkte ihren Kopf zwischen den Schultern, „ich habe zweideutig, eindeutige Gebräuche gehört“.
„Eindeutig, zweideutig“, gab Toni zu verstehen.
„Jetzt höre endlich auf“, Alina knirschte mit den Zähnen, „mit diesen jungenhaften, neunmalklugen Verbesserungen, sonst kündige ich unsere Freundschaft. Ich habe durch das Schlüsselloch geschaut. Viel sieht man nicht durch ein Loch, aber es reichte aus.“
Toni riss seine Augen auf, schämte sich sogleich. „Konntest du aufs Bett schauen?“
„Nein!“, kam die zornige Antwort. „Sie stieg aus dem Bett und ich glotze auf ihre Scheide.“
„Es war eine Frau?“
Er fing sich erneut einen Seithieb ein.
Alina pickte an ihrer Schläfe, streckte im selben Augenblick ihre Zunge heraus. „Hast du irgendwann ein Männchen mit Muschi erblickt. I kam a entblößte Frau vo am nackdn Kerl unterscheidn.“ Ihre Arme schnellten empor, gleichzeitig sie zwischen ihre Schenkel starrte. „Beim Mo hängt do wos!“ Sie lachte. „Außerdem habe ich dir gesagt, dass ich ihre Vulva sah! Wenn ich nicht wüsste, dass du ein Mädchen bist, könnte man fast glauben, du wärst oin Zipfelklatscher.“
„Zipfelklatscher?“
„Schanzträger!“

Er zuckte zurück, er musste sich zurückhalten, sonst war die Fassade dahin.
„Es war Tanja?“, fragte er, obwohl er wusste, dass seine Schwester an diesem Tag auf Spitzbergen verweilte.
„Sie hat sich nach vorn gebeugt.“ Alina legte ihre Hand zwischen ihre Schenkel, rieb. „Um sich mit einem Schneizdiache trocken zu wischen.“
„War sie im Bad?“, entgegnete er, kniff ein Auge zu.
„Bist du nicht aufgeklärt?“
Tonis Augenbrauen trafen sich. „Wieso?“
Alina wackelte von einer Pobacke auf die andere. „Wenn a Mo bei dia do undn.“ Sie lehnte sich über Tonis Schritt. „Den Glibba reintut. Glaubst ned, do kimmd wieda wos ausse!“
„Ist ja ekelhaft!“ Er schüttelte sich, stellte sich vor, ein Junge würde, was für ihn abstrus war, sein Glied aus ihm entfernen und eine Schleimspur hinter sich herziehen.
Alina rümpfte die Nase. „Find i aa. Ich könnte mir nicht vorstellen“, würgte sie die Worte hervor, „dass so ein Wurm in mich eindringt und seinen Schleim in mir verteilt“. Sie setzte sich aufrecht hin, sah zum Himmel, verdrehte die Augen. „Obwohl, Gaudi macht’s scho.“
Toni umfasste die Parkbank, presste seine Lippen aufeinander, erschrocken darüber, dass er seine Fantasie an einer Stelle ansetzte, die Alina mit ihren nicht erreicht hatte. Verwundert über ihren letzten Satz, der ihrer Aussage in einer für ihn nicht billigenden Art widersprach. Um seine Gedanken wegzuspülen und dafür mehr zu erfahren, fragte er: „Stephen, hast du gesehen?“
„Nee! Grod sei Haxn.“
„Durchs Schlüsselloch?“
„Na! I gib’s zua. Die Tür stand einen Spalt offen. Aber grod oin klitzekleinen.“
„Da konntest du seine Beine sehen.“
„Na! I häd doch mid meina Kopf de Dia.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Ich habe einen Spiegel aus dem Bad geholt. Zuagseng hob i, aber grod sein Hitern und sei Haxn. Na, du weist. Wie er seinen Hintern und sie gestöhnt hat.“
„Machst du das öfters?“
„Was?“
„Erwachsende bei, du weißt schon?“
„May, wos is den dabei? Was glaubst, wie viele im Heuschober schnackseln, während Hias ihren Plärren Reitunterricht gibt.“
„Schnackseln?“
„Madl lern Bayrisch. Vögeln, bumsen, ficken!“
„Alina!“
„Na glaubst du, i schau weg, wenn a Bulle auf a Kua, oda a Hengst auf a Stute springt. Natua! Klar! Kimmsd hoid aus da Stod.“
„Stod?“
„Stadt!“
Toni zupfte an seinem Ohrläppchen. Stadt! Wenn Alina recht mit ihrer Annahme hatte, und sie wirklich Tanja gesehen, konnte es gleichfalls sein, dass Tanja sich mit dieser Jannette getroffen hatte. Er schmiegte sich an Alinas Körper und strich über ihren Oberschenkel. „Wie machen es eigentlich Frau?“
„Was?“
„Schnackseln!“
Alina rückte von ihm ab. „Bisd du a Lesb?“, harschte sie ihn an.
Toni wiegelte ab. „Nein!“
„Dann is’s jo guad“, gab sie ihm zu verstehen und senkte den Kopf. „Wie machst du es denn?“
„Was?“
„Masturbieren?“
Toni spürte, wie er rot anlief, während Alina ihm ihren Mittelfinger entgegenstreckte.
Themen hatten Mädchen. Wenn er sich vorstellte, er würde mit einem Freund, den er nicht besaß, derartige Sachen besprechen? Allein die Wörter, die Alina in ihren zarten Mund nahm, trieben ihn mehr Blut in den Kopf.
„Ich meine nur. Es könnte eine Frau gewesen sein.“
„Na! I hab dir gesagt, i hab sein Haxn gesehen, welch Frau hat Haare auf den Beinen.“
Toni hob seine Stirn, spitzte den Mund. „Ja!“ Er grinste. „Bärbel!“
„Du meinst die Tante deiner Mutter? Die ist doch schon alt.“
„Dann ist Tanja gegangen und Stephen blieb in seinem Zimmer?“, fragte Toni, um Zeit zu gewinnen. Wer log, wer sagte die Wahrheit? Hatte ihn Tanja angeschwindelt oder spann Alina.
Alina schlug gegen ihre Stirn. „Mo bin i bled!“
„Blieb er in seinem Zimmer?“
„Wos gäd des mi an?“ Alina beugte sich vor und drückte Toni einen Kuss auf den Mund. „I dank dia!“
Obwohl der Kuss ihm gefallen hatte, hatte er keine Ahnung, was sie meinte. Er verspürte auch keine Lust mehr daran, nachzufragen.
„Ob er in seinem Zimmer blieb, weiß ich nicht. Aber Jannette habe ich dann auf dem Hof gesehen.“
Er glotzte sie an. „Jannette?“
„Ja. Jannette! Nicht direkt. Jedenfalls bestieg sie ihren Wagen. Sie hat einen schnittigen roten Sportwagen, den erkenne ich im Dunkeln.“
„Du bist nicht neugierig?“
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich auf die Toilette musste“, harschte sie ihn an. „Jedenfalls hat sie, bevor sie fuhr, deine Mutter vorm Auto begrüßt.“
Tonis Kinnlade fiel herab.
Alina legte einen Arm um seine Schulter und hauchte: „Ich sehe wir Madels verstehen uns“, dabei gab sie ihm erneut, diesmal auf seine Wange, einen Kuss.

„Otoinia!“, schrie Valentin.
Alina deutete auf die Gruppe Erwachsener, die sich an einem Bauernhaus amüsierten, kicherten. „Ich glaube, du wirst gerufen.“
Er schlug sich an die Stirn.„Mensch, der Kön. Ich sollte den Männern den Obstler bringen.“
Alina stand auf, latschte zu ihrem Anhänger, übergab Toni zwei Flaschen. Er legte die Buddeln in seinen Korb, hing diesen über seine Armbeuge und wanderte los.

Auf der Hälfte seines Weges stieß er mit Matthias zusammen.
„Schickse, kannst nicht aufpassen?“, flaumte dieser ihn an, grapschte sich ein Stück Kuchen und lief auf eine an der Seite des Angers marschierenden Gruppe olivgrün gekleideter Glatzköpfe zu.
Matthias erreichte die Truppe, begrüßte sie, indem er seine zur Faust geballten Finger in die Luft reckte. Der Anführer trat an ihn heran, stieß ihn mit beiden Händen gegen die Schultern. Dann nahm er ihn in den Schwitzkasten, bis Matthias mit hochrotem Kopf zusammensackte.



Kuacha fia den Oidn

„Kommst du mit auf eine Runde?“, fragte Alina Toni nach dem Abendessen.
Es war schon spät am Abend und er wollte mehr von Jannette, Stephen und ihrer Schwester erfahren. Die Füße schmerzten ihm, obendrein hatte er sich vorgenommen, vor Alina ins Bett zu gehen.
Zumindest hatte sie sich wieder eingekriegt. Gut, es war sein Fehler gewesen, obwohl Aishe ihn durch die Blume gewarnt hatte, als sie das Kleid schloss. Dabei wollte er sich nur aus dieser Tracht schälen und etwas Luftigeres anziehen. Es hing an der Tür von Alinas Kleiderschrank. Irgendwie konnte er nicht widerstehen. Manchmal, dieses gestand er sich gerne zu, war er fies. Die Reaktionen der Erwachsenen, nachdem er in die Küche gekommen war, beflügelten ihn. Mit erhobenem Haupt schritt er auf sie zu, woraufhin Matthias seine Hand ergriff und mit dem Wort: Gnädigste, ihn zum Tisch führte. Alina hatte nur die abfällige These im entgegengeworfen, dass er wie die Klara Sesemann aus der Heidi aussähe. Teilweise gab er ihr recht. Sogar für seinen Geschmack hatte das weiße, mit rosa Blüten verzierte Kleid, übermäßig viele Rüschen sowie Spitze.

Gertrud hielt ihn auf. Sie hatte eine zerrissene Hose in der Hand.
„Otoinia tust mir een gefallen“, raunte sie, strich ihm über die Haare und schüttelte ihren Kopf.
„Da Friedl hod heid in da Stod sei Hosn zerissen. De mog i flickn.“ Daraufhin zeigte sie auf einen Teller, auf dem Kuchen lag. „Kannst du am Voda sei Kuacha bringn.“ Sie lächelte Toni an, schritt an den Küchenschrank, entnahm ein Fläschen, tropfte ein wenig von dem Inhalt auf die Teigware. „Des is sei Medizin, aba grod a paar Dropfa sonst bring es ihn um. Sogt da Doktoa.“
Sie stellte das Medikament auf den Küchentisch, verließ die Küche.
Die Schultern hängend, betrachtete Toni den Kuchen und die Medizin, atmete tief ein und trottete zu dem Großvater, welcher den Enkel mit seinem Wahn verführte.

Toni stand vor Alinas Kleiderschrank, strich über sein neues Slipshirt und schmunzelte. Zumindest trug er kein Damennachthemd, dafür hatte sich Tanja übertroffen. Das Shirt war pink, mit Rüschen an den Ärmeln und am Saum. Auf der Brust prangte die Aufschrift Only For Real Girls.
„Oh! Schon bettfertig. Schick! Aber mir zu barbiehaft.“
Es war Alina. Nur mit einem Handtuch bekleidet, betrat sie ihr Zimmer.
„Ich habe mich geduscht.“
Toni lächelte sie an. Dass sie nicht ihren Kopf in die Kloschüssel gesteckt hatte, damit ihre Haare nass wurden, war ihm bewusst. „Ich auch, aber meine Haare wasche ich morgen.“ Dies war zwar gelogen, jedoch als Dreckspatz wollte er vor ihr nicht gelten.
„Du stehst grod do, gibst ma moi oan frischn Schlofanzug aus den Schrank, den blaun den mog i am Liabsdn.“
Toni folgte ihrem Befehl und wusste nicht, wo er seinen Blick hinwenden sollte. Da sich Alina mit dem Handtuch ihre Haare frottierte.
Sie kam auf ihn zu, schnappte sich den Schlafanzug und warf diesen auf ihr Bett. „Kannst du mir meine Haare kämmen? Das kannst echt gut. Die Bürste ist im Bad.“
Er holte ihre Bürste und als er zurückkam, hatte sie sich zumindest bekleidet.
„Schläft’s sich gut auf der Luftmatratze?“
„Geht so“, antworte Toni, während er sie frisiert.
„Kannst auch bei mir im Bett schlafen.“
Toni schluckte. „Danke fürs Angebot.“ Er eilte zu seiner Tasche, schnappte sich das Buch, das Tanja ihm geschenkt hatte, und hielt dieses demonstrativ hoch. „Ich will dich nicht stören.“
Alina zwinkerte ihm zu. „War nur eine Frage.“

Er legte sich auf die Luftmatratze, nahm das neue Buch zur Hand.
Warum hatte Tanja ihn belogen, dachte er und schlug Flucht über die Nordsee auf.
Bevor er den ersten Satz zu Ende gelesen hatte, fielen ihm die Augen zu.



Risikoreiche Wende

Toni drückte sein Becken an die Fensterbank. Wandte sodann seinen Kopf und guckte zu der auf dem Bett liegenden Freundin. Der rote Schein der aufgehenden Sonne umspülte sein Haar. Er berührte das Smartphone, strich über das Display und betrachtete das Foto der von ihm begehrten Hanse-Jolle Sophia.

Er war bis auf zwei Bootslängen an ihn herangekommen. Die letzte Tonne lag zum Greifen nah. Es ging um die Ehre, die Würde seiner Familie. Nie hatte jemand den schwarzen Joos besiegt. Den Mann, der nur zum großen Rennen, wie ein Geist anreiste, den Sieg abräumte, dann wieder verschwand.
Schon viele Jahre war er nicht mehr erschienen. Den letzten Wettkampf hatte er gegen seinen Vater bestritten. Er kannte die Geschichten vom Großvater. Die Sophia schnitt durchs Wasser, wie ein Schwertfisch beim Beutefang. Mit fester Hand am Steuer sah er den schweren finsteren Wachsmantel, den Elbsegler auf seinem Schopf. Er roch den derben Dunst der Pfeife, die der schwarze Joos nie aus dem Mund nahm.

Die abschließende Tonne lag vor ihm. Die letzte Halse würde ihn zum Sieg bringen. Das Fock fiel. Torbens Jolle holte trotzdem Fahrt auf. Die Sophia war wendiger als der alte Kahn vom ihm. Er riss die Augen auf. Der Kerl hisste wieder sein Vorsegel, sein Schiff legte sich bedrohlich zur Seite. Joos schwang seinen Oberkörper über Board.
Der Sieg so nahe, flog davon. Er war zu leicht für ein derartiges Manöver. Die Zähne zusammengepresst hörte er Tanja. Ihre Worte. Seine Gedanken eilten zu dem Wochenende, an dem sie ihm bewiesen hatte, dass alles möglich ist, wenn er nur mutig war. Torben hing sich in die Seile, hisste die Fock, lehnte sich über Board, bis nur noch seine Füße das Boot berührten. Dann schoss er dahin. Er schaute in Joos von einer schwarzen Sonnenbrille geziertes Gesicht, sah, wie ihm die Pfeife aus der Klappe fiel und die Nordsee diese dauerhaft verschlang. Ein paar Meter trennten ihn vom Sieg. Er riss seine Arme hoch.



Ein Wort

„Ja!“, schrie die schweißnasse Frau, senkte ihre Arme und sackte schlaff auf den nackten Körper des Mannes, auf dem sie saß.
Sie atmete schwer, pumpte mit ihrem Oberkörper. Er befingerte ihre Pobacken, vergrub seine Finger in ihren Hintern und hechelte.
„Schon fertig. Lange kein Sex mehr gehabt?“
Sie drückte ihm einen Kuss auf den Mund „Keinen Richtigen!“, gab sie ihm atemlos, keuchend zu verstehen.
Er stemmte sie von seinem Oberkörper. „Was soll das heißen?“ Der Mann griff ihr an die Schultern. „Gehst fremd?“,
Die Frau packte seine Arme, drückte diese an ihr Becken und tänzelte mit ihrer Hüfte.
„Wenn, dann geht es dich nichts an, wir sind kein Paar. Geschäftspartner! Wenn du zuschauen willst, ruf mich vorher an.“
„Also doch!“
„Was?“
„Du hast einen anderen.“
„Dass ihr Kerle immer an Sex denken müsst.“ Sie zwickte ihn in seinen Bauch. „Wenn, dann hättest du mir einen anderen Job besorgt.“
Er hielt ihr Becken fester, sodass ihre Bewegung zum Erliegen kam.
„Hey, hör mal zu.“ Er schlug auf ihren Hintern. „Du kommst zu mir, bettelst mich an, dir etwas zu besorgen, damit du nicht von mir abhängig bist und dann beschwerst du dich!“
Die Frau nahm wieder seine Hände, legte sie auf ihre Brust, schwenkte abermals ihr Becken.
„Entschuldigung, ich benötige das Geld, aber ich bitte dich. Tanzen?“ Sie rollte von ihm herunter, zog ihre Knie an. Er drehte sich auf den Bauch, stemmte den Oberkörper hoch, robbte rückwärts zu ihren Füßen.
Die Frau umfasste ihre Beine. „Dabei in diese geifernden Gesichter glotzen.“

Er öffnete ihre gefalteten Finger und drückte ihre Schenkel auseinander.
„Es fasst dich doch niemand an?“ Er strich über ihre Knie, legte sich zwischen ihre Beine und glitt mit seinem Gesicht an ihren Oberschenkel entlang.
Sie schob ihren Oberkörper zum Kopfende des Bettes. „Ach, ich habe keine Lust mehr.“
Sie hievte ihr Knie über seinen Körper und setzte sich auf die Bettkante. Beim Aufstehen warf sie ihm eine Decke auf den Schädel.
Er lugte hervor. „Was soll das?“
Sie tippte mit einem Zeigefinger auf ihr Brustbein. „Hey! Ich bin nackt.“
Er schaute unter das Laken. „Hallo, wir hatten gerade Sex und vor den Kerlen ziehst du dich auch aus!“
„Schau weg!“, donnerte sie erneut. „Wir hatten Sex und die Männer zahlen, dass sie mich anglotzen dürfen. Denk immer daran, wir haben einen Deal.“
„Ich kenne Zeiten, da war das aber anderes“, kam es gedämpft unter der Decke hervor.
Sie griff nach ihrem Slip. „Früher war vieles anders.“ Sie zuckte mit den Schultern und zog sich an.

„Hey! Ich bin noch nicht fertig“, drängte er.
„Hast doch zwei gesunde Hände.“
Sie lachte, wandte sich vom Knäul aus Wäsche und Mensch ab, lehnte ihren Kopf zur Seite, schnappte sich ihren Büstenhalter und schlang diesen um ihren Oberkörper.
„Woher wusstest du überhaupt, dass ich hier bin?“
„Wenn du nicht willst, dass man erfährt, wo du bist, dann stelle dein Auto nicht auf dem Hotelparkplatz ab.“
Sie stützte ihre Hände in die Taille. „Genau! Das ist mein Zimmer. Du kannst verschwinden!“
Der Mann lüpfte die Decke. „Langsam, schau erst einmal in meine Jacketttasche.“
„Unten bleiben“, befahl sie, schritt auf seine Jacke zu, griff in die Innentasche.
Eine kleine schwarze Schachtel lag auf ihrer Hand. Sie öffnete die Box. Ein Brillantring kam zum Vorschein.
„Für mich?“, Sie starrte den Ring an. „Willst du damit sagen.“
„Ja. Wenn ich geschieden bin?“,
Sie steckte sich das Schmuckstück auf ihren linken Ringfinger, auf dem bereits ein Siegelring ruhte. Zusammen mit dem glitzernden Klunker sprang sie zurück ins Bett. Derweil sie ihren Büstenhalter öffnete, küsste sie ihn, kletterte beschwingt auf seinen Körper und setzte sich auf seine Beine.
„Aber vorher habe ich noch eine Aufgabe zu erledigen“, gab er ihr zu verstehen, schmetterte ihr einen Klaps auf ihre Pobacke, „Hohlen, was mir gehört.“

Sie schob ihren Slip über ihre zarten Beine. „Ich habe ebenfalls etwas zu erledigen“, sie neigte ihren Kopf. „Pump mal deinen Freund auf.“
„Das ist Frauenarbeit“, befahl er.
Sie küsste ihn zwischen den Schenkeln.
„Und?“ Seine Finger gruben sich in ihr Schultern.
Sie hob ihren Kopf, wischte über ihre Lippen. „Wie und?“
„Deine Antwort auf meine Frage?“.
„Ich zeige dir meine Antwort.“
Sie umschlang seinen Hintern, dabei senkte sie erneut ihren Oberkörper.
Er verdrehte seine Augen und massierte ihren Nacken. „Und ich erzähle dir eine Geschichte.“



Elegante Dame

Jenny nahm ihr Entermesser zwischen die Zähne, raffte ihren Rock und sprang in die Takelage. Mit den Füßen voran schwang sie auf den fiesen Bonnet zu, landete breitbeinig vor ihm. Sie stach mit einem Hieb in seinen Hals. Mit blankem Entsetzten in den Augen brach er zusammen. Ein Fußtritt von Jenny genügte, um ihn über die Rehling zu stützen. Die Schatulle mit den Brillanten nahm er mit in die Tiefe der See. Sie jubelte vor Glück. Freilich hatte sie den Schatz verloren, aber ihn besiegt. Sie war nicht mehr die Seeräuberbraut, sondern der Kapitän auf diesem finsteren Schiff.

„Bernadette jetzt Licht aus“, befahl eine Frau und gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn und löschte die Petroleumlampe.
„Mama, es ist so spannend“, nölte Bernadette. „Jenny hat gerade den fiesen Bonnet besiegt.“
„Ja, du und deine Piratengeschichten!“
Die Mutter strich der Tochter eine braune Haarsträhne von der Stirn.
„Wenn ich groß bin, werde ich auch Seeräuber“, verkündete sie, dabei klopfte sie auf ihre Decke.

Bernadette erschrak. Stimmengewirr erklang aus dem Hausflur. Sie stand auf. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Empore, die ihr einen Blick auf den Hauseingang freigab. Ihr Vater schrie in einer für sie unverständlichen, dennoch nicht fremden Zunge. Es war die Sprache ihrer Großeltern, die lange vor ihrer Geburt vom ferner Brügge nach Wilhelmshaven gesogen waren, um dort ein Handelskontor zu eröffnen.
Ein Streit brach aus. Die Stimmen lauter. Bernadette sah den Mann nicht, mit dem ihr Vater stritt, nur seine Schuhe. Ihre Mutter sprang mit erhoben Armen vor ihren Gatten. Dann sah das Kind, wie ein blitzender Säbel durch den Bauch ihrer Mutter ihren Vater durchbohrte.
Bernadette schlug die Hände vors Gesicht.


Ein Schrei halte durch den Raum.
„Leg doch endlich das Buch zur Seite“, befahl Tanja, riss ihm die Lektüre aus den Händen.
„Du hast es mir geschenkt.“ Toni griff, sein Gesicht schmerzverzerrt, an sein Ohrläppchen.
„Ich kann nichts dafür, dass dein zweites Ohrloch fast zugewachsen ist.“ Tanja steckte ihm eine bei der Aktion aus der Frisur gelösten Haarsträhne fest. „Hättest öfter Ohrringe tragen können.“
„Ein Pirat trägt nur einen Ohrring“, murmelte Toni, dabei präsentierte er seine Hände, wie ein Hund die Pfoten, wenn dieser nach einer Leckerei bettelt.
Tanja ließ, die an seinem Ohrläppchen baumelnden zarten Glieder durch ihre Finger gleiten.
Sie berührte den kleinen, am Ende der Ohrkette pendelnden Ankern. „Na, ich glaube nicht, dass Piraten so schöne Ohrringe tragen. Las dich anschauen.“ Sie drehte Toni um seine Achse. „Aishe hat Geschmack, das muss ich zugeben, die Kette mit dem goldenen Segelboot, die sie dir zusammen mit den Ohrringen geschenkt hat, könnte auch mir gefallen. Du siehst jetzt aus wie eine elegante Dame!“

Aishe in einem roten Kostüm gekleidet, betrat in das Zimmer und flanierte auf Toni zu.
„Kommt! Sie warten schon auf euch.“ Sie blinzelte Tanja zu. „Du bist so hübsch wie deine Mutter!“
Tanja verschränkte ihre Arme, runzelte die Stirn.
„Fast“, schmachtete Aishe.
Toni schritt zur Tür, sehnte sich nach dem großen Sieg. Den Erfolg, den schwarzen Joos zu besiegen. Dann zuckte er mit den Achseln und verließ den Raum.



Das Amt wartet nicht!

„Hast du alles in die Wege geleitet?“, fragte Bärbel Gertrud, nachdem sie ihren fliederfarbigen Kostümrock gerichtet und die Fahrertür von Karls Wagen geschlossen hatte.
Gertrud schielte zuerst über ihre Schulter, dann flüsterte sie: „Ja. Alles läuft nach Plan, wenn ihr euch an die Absprache haltet!“
Bärbel knetete ihre Finger, presste die Lippen zusammen, sah sich gleichfalls um, tuschelte: „Ich habe Tanja im Griff“.
Gertrud verzog ihr Gesicht zu einer Fratze. „Ich freue mich schon auf Franzis blöde Visage.“
Die Lider halb geschlossen, die Schultern hängend, starrte Bärbel sie an. „Nur, weil sie dir den Hof weggenommen hat?“
„Ach. Narrisch hat sie sie gemacht. Dass die Zigeunerin mit dem Valentin, und sie in der Kirch getriebn hom. Wäre ich damals im Dorf gewesen, rausgetrieben de Deife olle samt, häd i. Aber als ich kam, war er schon weg.“
Mit fester Stimme, jedoch mit einem Lächeln, entgegnete Bärbel: „Entsetzlich!“
„Dann beichtet mir die Franzi, dass s schwanga vom Vale. Raustreiben hätte mein Bruder sie sollen!“

Gertrud ließ ihrem Herz freien Lauf.
Alfons hatte Franziska ihr die Geschichte abgenommen, dass der Valentin verhext wäre, berichtete Gertrud. Sie verstand die Welt nicht mehr. Ihre Lisselotte, das arme Kind, stellte man als verrückt hin, weil sie ihren Großvater zu einem gottesfürchtigen Leben bekehrte; abschwören dem menschenverachtenden Wahn. Franziska dagegen gelang es ständig, ihren Vater, um den Finger zu wickeln. Spielte ihm die Gefolgstreue vor. Dabei verhöhnte sie ihn, machte sich über ihn lustig. Ein paar Monate vergingen, dann haute sie mit ihrem Anton ab. Gertrud ließen sie mit ihrem wirren Bruder zurück. Keine Nachricht hatte sie von ihrer Nichte erhalten. Weit über ein Jahr später kam ein Brief, dass Alfons Großvater von einem gesunden Mädchen wäre.
„Weggeben hat sie ihr erstes Kind“, geiferte Gertrud, „der Deife!“
Bärbel zuckte zurück. „Wie!“
„Gsogt hod sie es ma“, sie erhob ihre geballte Hand. „Ois sie wida Hoam zrugg gekrochn kam“.
Anton, Franziskas erster Ehemann wollte den Bastart, wie er das Kind bezeichnet hätte, nicht großziehen, ein eigenes Kind wäre sein Ziel, erklärte Gertrud. Ihrem Bruder sei es egal gewesen. Er hatte einen Stammhalter, den er, nachdem Franzi wieder zu Hause gewesen war, unter die Aufsicht genommen hatte, um ihn nach seiner Vorstellung zu erziehen. Da Franziska ihn mit dem Anton verlassen hatte, krönte er Stephen zum Alleinerben.

Gertrud schielte über den Hof zum Gesindehaus.
„I häd mei Bruada eawürgn könna. Wia bled da war“, sie schnürte ihre Hände um einen imaginären Hals. „Als dann mir die Franzi unter Tränen de Schlange. Des ihr Bua nach dem Motorradelunfall koa Kinda mehr bekommen konn. Vastehst.“
Jedenfalls erreichte sie bei ihrem Bruder, wie sie es Bärbel sagte, dass er den Nachlass ändere. Stephen nur erben würde, wenn er verheiratet und ein Kind gezeugt hatte.
Bärbel runzelte ihre Stirn, schaute sich abermals um, beugte sich zu ihr vor. „Ich verstehe nichts mehr. Er ein Nachkommen? Wie? Was habe ich damit zu schaffen?“
„Bisd du ‚etz aa bled gewoadn. Meinst da Alfons hod ma ned alles gebeichtet. Du bist perfekt.“ Gertrud erhob ihre Faust. „Und jetz hear zua. Da dämliche Rechtsanwoid, da dämliche, hod ins Testament und a Kind hod aufgnomma.“
Bärbel hob ihr Gesicht zum Himmel, kratzte sogleich ihr Genick. „Ein Kind kann es geben, wenn er mit meiner Nichte verheiratet ist und sie bekommt Nachwuchs.“
Mit zitternden Fingern legte Gertrud ihre Hände auf Bärbels Schultern. „Bitt! Sie hod doch scho a Kind. De Otoinia. Hättest du ma aa song könna. Es darf nicht zu der Hochzeit keman, verstehst“, sie ergriff Bärbels Oberarm. „Verstehst.“
„Alles klar, wenn du dich an unsere Übereinkunft hältst. Ich verstehe dich. Auch ich wurde betrogen, nicht vom Vater, sondern von meiner Mutter.“ Bärbel winkte ab, drehte der Alten den Rücken zu und murmelte: „Jetz is de Dande totoi duachgeknoit.“

„Die Braut kommt!“, schallte Valentins Stimme über den Hof.
„Der Admiral“, fluchte Tanja, drückte Toni ihren Blumenstrauß in die Hand, worauf dieser jenen an seinen presste. Tanja marschierte auf Bärbel zu. Eine Strähne löste sich aus ihrer Hochsteckfrisur und fiel auf ihr cremefarbenes Jackett.
Bärbel wandte sich Tanja zu, pikte, wie ein Specht, an die Stirn, „Spinnt ihr Total!“
„Steht dir!“
„Was?“
Tanja zupfte an Bärbels fliederfarbenen Blazer. „Das Kostüm.“
Bärbel presste ihre Augen zusammen und schlug sich gegen die Stirn. „Unwichtig“, gab sie eher gleichgültig zu verstehen, bevor sie ihren Zeigefinger gen Toni richtete.
Er von der beschützenden Schwester befreit, verharrte mit überkreuzten Beinen in seinem eisblauen Etuikleid.
Tanja berührte ihr Brustbein. „Warum wir?“, konterte sie. „Du hast dich nicht an unsere Absprache gehalten.“
Bärbel verschränkte ihre Arme. „Deine Tochter Antonia. Wenn die erfahren …“
„Woher …?“
„Ich habe meine Quellen. Mir bleibt nichts verborgen. Warte ...“
„Das war Toni selbst, aber du hast Alinas Sachen in den Rucksack gesteckt“, fiel ihr Tanja ins Wort.
„Welche Sachen von Alina?“
„Die mintgrüne Kombination, die ich für Franziska in Bremen gekauft und in die blaue Reisetasche mit dem grasgrünen Anker gelegt habe.“
„Keinen Schimmer, wovon du sprichst.“
„Toni wollte dich mit dem Rock auf die Palme bringen. Wegen des Internats!“
Bärbel schlug sich erneut an die Stirn. „Wie Rock?“
„Meinen alten Tennisrock, dass du den aufgehoben hast.“
Die Erinnerungen, welche sie mit dem Rock verbannt, schossen ihr durch Gehirn. Beschwingte Tage ohne Sorgen im Glück fingen sie wieder ein. Ein Glück, welches sie Toni wünschte. Denn nie kommt die Zeit der Jugend zurück.
Sie lächelte Bärbel an. „Erinnerst du dich?“
„Ach ja, stimmt. Habe ich vergessen. Hätte ich das gewusst.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Na ja, ein paar Stunden, dann sind wir auf dem Heimweg.“
„Wieso?“
„Wie dämlich kann man nur sein. Was haben die Obermeiers gesagt?“
„Nichts.“
Bärbels Augen zuckten. „Du lügst!“
„Ich habe ihnen nichts darüber erzählt, was wir vorhaben.“
„Na ja. Egal“ Bärbel sah auf ihre Uhr. „In einer Stunde platzt ohnehin die Bombe, dann sind wir weg. Du weißt, was du sagen musst“.
Die Lippen geschürzt, drückte Tanja ihre Finger auf ihre Schläfen. „Manchmal habe ich den Eindruck, …“ Sie winkte ab. „Egal. Ja!“
„Hast du es dir anders überlegt. Mir wäre es Recht. Das weißt du?“

Tanja pochte auf Bärbels Brust.
„Ich weiß nichts. Erzählst mir ja nie etwas. Wenn wir dabei sind, dann sag es mir. Ist Karl dein Geliebter?“.
„Nein! Mir erzählst du auch nicht, was …“
„Ich habe meine Gründe. Das geht dich nichts an!“
„Hauptsache, du gefährdet unseren Plan nicht.“
„Ich gehe vorsichtig vor, keine Angst. Bin ich blöd?“
Bärbel streckte ihren Hals, wandte ihr Gesicht erneut Toni zu. Dieser presste seine Arme an seinen Oberkörper, die Hände verspannt auf Höhe des Beckens. Die Lippen zu einem verkrampften Lächeln verzogen, hob er den rechten Unterarm und winkte ihr mit den Fingern zu.
„Irgendwie sieht Toni süß aus.“
Die Braut wandte den Kopf. „Finde ich auch.“
Ein Lächeln flog über Bärbels Lippen.
„Woran denkst du?“
„Eine Idee“, zischte Bärbel hervor. „Später!“

Valentin klatschte in die Hände. „Tanja, komm, wir müssen!“,
Worauf Bärbel murmelte: „Ich kümmer mich um Toni.“
„Sei nicht zu streng“, bat Tanja sie und wandte sich zum Gehen.
Bärbel ergriff ihren Oberarm. „Was hast du den gesagt, wo Toni ist?“
„Krank!“
„Wir lassen ein zwölfjähriges Kind allein zu Hause.“
„Nö, Toni ist zweiundzwanzig, oder?“
Kopfschütteln schritt Bärbel auf Karls Wagen zu, während Tanja zu Valentin aufschloss.
„Was ihr Weiber immer so treibt?“
Franziska, die aus dem Haus trat, nahm Tanja die Antwort ab. „Schee machen mia uns. Schee!“



Voll daneben

„Warte, bis wir zu Hause sind!“, zürnte Bärbel, kaum, dass er die Beifahrertür geschlossen, der Tante zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange gedrückt hatte. „Das ist schneller, als es dir lieb ist.“
Toni zupfte an seiner Strumpfhose und wisperte: „Aber“.
Bärbel schlug auf seine Hand, zischte: „Reiß dir keine Laufmasche“, dabei glotzte sie ihn an. „Wer hat dir diese Ohrringe geschenkt?“.
Er senkte sein Haupt. „Aishe.“
Kopfschüttelnd schnalzte Bärbel, wandte sodann ihr Gesicht von ihm ab, grinste und nickte. „Nur Boote hast du im Kopf.“
Die Augen trübe, betastete Toni die Ohrhänger. „Das sind Anker“, gluckste er, legte dabei seine Rechte flach auf den Anhänger der goldenen Kette. „Das ist eine Jolle.“
Bärbel konterte: „Ist doch dasselbe“. Ein mädchenhaftes Grinsen hüpfte über ihre Lippen. „Solltest du öfter tragen. Stehen dir.“

Da war es wieder. War Toni beständig der Ansicht, sein Onkel Karl hätte auf Bärbel einen beruhigenden Einfluss, erweiterte er das Karma des Priesters auf sein Fahrzeug.
Zum zweiten Mal innerhalb von drei Tagen verließ ihn, bei der Einschätzung der Reaktion seiner Tante, der Instinkt.
Mit hundertprozentiger Sicherheit war er davon ausgegangen, dass sie, getrennt von allen fremden Einflüssen, ihm die Hölle heiz machen würde. Ihn zur Rede zu stellen. Ihm Monologe an den Kopf warf. Ihre höfliche Art vergaß, um ihm bis ins Trauzimmer Vorwürfe entgegenzuschmettern. Mit puterrotem Gesicht all die Gäste um sich herum ignorierte. Ihm lauthals klarmachte, dass es ihm nicht zugestand, derart verunstaltet, vor aller Welt zu wandeln.
Er war wie ein expressionisches Bild geschminkt und damit sein Auftritt überzeugender wirkte, hatte Aishe seine Fingernägel im Stile Picassos lackiert. Einzig und allein, um sie zu erzürnen. Denn Tanja hatte ihn gewarnt. Diese Warnung hatte er in der Weise ausgelegt, dass sie Angst hatte, er würde die Eheschließung gefährden.
Die Wut in ihm verblasste im Gegensatz zu der auftauchenden Scham. Die Pein Matthias und erst recht Alina gegenüber. Hatte er ihnen nicht vor dem gestrigen Abendessen, einzeln, getrennt, versprochen, die Hochzeit noch zu verhindern. Seiner Freundin, weil er sie liebenswert fand und ihren Bruder? Toni senkte den Blick bei dem Gedanken. Er kannte keinen Grund, diesem Jungen zu helfen, dessen Gedankengänge ihn anwiderten. Ein Gefühl, ein Zwang tief im Herzen, trieb ihn.



Der letzte Auftrag

Die morgendlichen Strahlen der Sonne brachen sich an den Fensterfronten der Passauer Altstadt, und hüllt die Straßenfronten in ein weiches Licht. Eine Dame wandelte über einen Innenhof. Die ausladende Krempe ihres rubinroten Hutes wippte bei jedem Schritt gegen ihre Stirn. Der wie ein Bleistift spitze Absatz ihres rechten Pumps verfing sich in einer Fuge des Kopfsteinpflasters. Sie strauchelte. Die an ihren Unterarm hängende cremefarbene Henkeltasche schwang gegen ihre Hüfte, blieb an ihren cremeweißen Gürtel hängen, sodass sie vollends die Balance verlor und auf ihre Knie fiel. Sie rappelte sich empor, fluchte und trippelte auf einen blutroten Sportwagen zu. Beim Öffnen der Fahrertür erfasste sie den schwingenden Rock ihres Kleides und schwang diesen um ihre Beine. Jenes leuchtete in derselben Farbe, wie ihr Hut, nur das unzählige blütenweiße Tupfen auf ihm prangten.
Sie glitt in das Fahrzeug. Nachdem sie ihre Handtasche auf den Beifahrersitz abgestellt hatte, packte sie an den Rückspiegel. Sie streckte ihren Hals, bis ihre Stirn auf dem Spiegel erschien. Ihr behandschuhter rechter Zeigefinger tupfte ihre aristokratisch gepuderten Wangen, fuhr über die marsrot bemalten Lippen. Ein mit einer Sonnenbrille bedecktes Männergesicht huschte hinter ihrem Spiegelbild vorbei.

Sie begann, ihren Kopf zu drehen. „Was machst du in meinen Wagen?“
„Zehn Punkte in der B-Note“, erschallte es, gefolgt von einem hämisch Lachen einer hellen, piepsigen Männerstimme. „Dein Strumpf ist kaputt.“
Sie betrachtete das Malheur. „Scheiße!“, fluchte sie und wandte ihr Haupt.
„Nicht umdrehen“, befahl er.
Sie rieb über ihre Nase. „Wir wollten uns erst am Nachmittag treffen“, konterte sie, „Wie bist du hereingekommen?“
„Diese alte Kiste.“ Er kicherte. „Ganz einfach!“
Sie öffnete das Handschuhfach. „Dann erzähl mir, was du herausbekommen hast?“, fragte sie, dabei spähte sie ins Fach. „Aber beeile dich, ich habe einen unaufschiebbaren Termin.“
Der Mann öffnete seine lederne Aktentasche.
Sie raffte ihren Rock. „Hast du ein Paar Strümpfe dabei?“
Er holte ein Notizbuch hervor. „Ich nein? Wieso?“
„Einer würde reichen.“
„Du solltest eher lernen, auf diesen Stöckelschuhen zu gehen.“
„Ich schritt bereits auf High Heels, da hast du noch in die Windel geschissen.“
„Dann hast du dich aber gut gehalten.“ Er benetzte seinen rechten Zeigefinger, schlug das Buch auf und las: „10. Mai fünfzehnnullfünf Zielobjekt verlässt Wohnung“.
Sie erhob ihre Hand. „Zusammenfassung reicht.“
„Also“, ergriff er das Wort. „Das Mädchen fuhr auf ihrem Fahrrad. War ziemlich schnell die Kleine, kam kaum hinterher. Jedenfalls erreichte sie unbeschadet das Brautmodengeschäft Chez Nicole. Verblieb dort.“ Er blätterte um. „Eine Stunde später verließ sie wieder die Boutique, nahm aber nicht ihr Rad, sondern ein altes Damenrad. Fuhr wieder zurück.“
Die Frau richtete ihr schneeweißes Halstuch. „Dann?“
„Sie hatte sich nur umgezogen“, er stöhnte, „und fuhr erneut in den Laden. Ich habe dann gewartet. Nichts geschah.“ Das Gesicht des Mannes wankte im Spiegel. „Musste dann dringend. Sah dann noch im Rückspiegel, wie ihre Mutter das Geschäft betrat.“
Die Dame in Rot zuckte mit dem Kopf. „Ihre Mutter, war dort?“
„Komm ich später zu.“ Erneut wandte er das Blatt. „Eine gefühlte endlose Zeit später, erschien ein weiteres Mädchen, sicherlich eine Angestellte, mit einer Tasche und fuhr mit dem Damenrad davon.“
Sie glitt mit einem Finger über das Lenkrad. „Das andere Mädchen. Dass du observieren solltest?“
„Die kam später mit ihrer Mutter aus dem Geschäft. Sie gingen durch den Park.“ Der Mann wackelte mit dem Hintern. „Habe mein Auto stehen gelassen. Bin zu Fuß hinterher. Es fing langsam an, zu dämmern.“
Sie leckte sich über die Lippen und pfiff: „Wo sind sie hin?“
„Observationspunkt nullzwei!“
Die Nase gerümpft, die Stirn gerunzelt, starrte sie durch die Windschutzscheibe. „Wie?“
Der Mann mit der Sonnenbrille schlug die erste Seite des Blockes auf, murmelte: „Punkt nullzwei. Wohnung Bärbel Tütken.“
„Aha. Weiter!“

„Jetzt wird es ganz komisch. Ich also hinterher. Konnte das Mädchen gerade noch retten.“
„Retten?“, fuhr sie ihm ins Wort.
„Ja, jemand wollte sie überfahren.“ Erneut fing er an zu blättern, diesmal ans Ende seiner Niederschriften. „Ein schwarzer Volvo S90 neueres Baujahr mit belgischen Kennzeichen.“
Sie zog ihre Augenbrauen zusammen, wiederholte: „Mit belgischen Kennzeichen“.
„Ja.“ Er grunzte. „Der Fahrer hätte Shila …“
„Gesundheit“, entgegnete die Frau.
„Das Mädchen heißt Shila.“
Ihr Kopf kippte zur Seite. „Woher weißt du das?“
„Hat sie mir gesagt? Also. Jedenfalls. Ich habe sie gerettet. Die Mutter war ganz wirr. Hat sie mit ihrem Bruder verwechselt.“ Er atmete durch. „Jedenfalls, sie sind dann ins Haus und ich zu meinen Wagen.“

Sie rieb über ihre bleiche Wange. „Was passierte die nächsten Tage?“
„Nichts besonders. In Observationspunkt Nullzins war kein Mädchen mehr. Klar war ja in Nullzwei. Machte Besorgungen. Ging zur Schule.“
Die Dame griff an ihr Genick. „Der Junge?“
„Wer? Welcher Junge?“
„Fiete, der Junge, was hat er gemacht?“
„Was weiß ich.“ Er zuckte mit den Schultern „Ich hatte von dir den Auftrag, das Mädchen zu beobachten.“
Er blätterte weiter. „Am 16. fuhren sie mit einem Priester nach Niederbayern.“
„Alle vier?“
„Gehe von aus. Wenn du das meinst? Ich hatte den Auftrag …“
„Spar dir das!“
„Also. Jedenfalls. Shila belud den Wagen. Diese Bärbel ging dann zum Bäcker. Ich hinterher. Hatte selbst Hunger. Jedenfalls gab die Verkäuferin mit den Worten für Toni jener Bärbel ein Stück Streuselkuchen. Worauf sie antwortete: heute nicht. War lecker.“
„Was?“
„Der Streuselkuchen. Also wenn, dann da. Kann ich wirklich empfehlen.“
Sie spitzte ihre matten Lippen. „Dann sind sie gefahren?“
„Gehe von aus. Ich musste noch zahlen, dann waren sie weg.“ Er lachte. „Habe dann den Paketbotentrick angewandt.“
Die Frau verzog ihr Gesicht. „Wie Trick?“
„Also. Hab im Haus geklingelt, Paket für Tütken. Eine alte Schachtel sagte mir, dass die Tütkens nach Bayern seien. Konsequenz: Observationspunkt Nulldrei. Bin dann in die Wohnung.“ Wieder erschallte sein piepsiges Gelächter. „Einfaches Schloss!“
Die Augen verdrehend wackelte sie mit ihrem Kinn, wie eine Kuh beim Wiederkäuen. „Irgendetwas gefunden?“
„Nee. Normale Unterkunft. Nur, dass im Mädchenzimmer nur noch die Möbel standen, sonst war alles leer geräumt.“ Er atmete tief durch. „Bin dann zum Bahnhof. Die Bahn ist günstiger.“

Er entnahm einen zweiten Block aus der Aktentasche, schlug ihn auf. „Gestern fuhren dann Shila, ihre Mutter, der Junge und“, er pfiff, „eine heiße Braut einkaufen. Ich immer am Ball. Sprach dann den Jungen an. Wollte ihn ein wenig aushorchen“, gab er an, dabei schnaufte er wie ein Bulle beim Besteigen eines Weibchens. „Er ging einfach weiter. Musste dann meinen Leihwagen umparken. Stand an einer Bushaltestelle.“
Die Dame schüttelte ihren Kopf.
„Hab ihn dann in einer Drogerie wiedergefunden“, er stockte. „Wieder so eine komische Sache. Der Junge hat sich Tampons gekauft. Hab ihn darauf angesprochen. Er fauchte mich an und verließ das Geschäft.“
Er klappte sein Notizbuch zu, steckte es in die Aktentasche.
Sie schlug ihre Augen auf, dabei zog sie ihren Kopf zurück und schlug auf das Lenkrad. „Das ist alles?“
„Soweit ja.“
Die Frau zeigte zur Beifahrertür. „Steig aus. Mir reicht’s. Das hätte ich auch herausbekommen.“
„Mein Honorar?“
Sie öffnete ihre Handtasche.
„Könnest du mich zu meinen Wagen bringen? Er steht außerhalb der Stadt. Ein Mietwagen ist sehr auffällig!“
Die Dame startete ihren Sportwagen. Der Motor heulte auf. Mit quietschenden Reifen verließ sie den Hinterhof.

Der Mann deutete auf einen in einer Parkbucht stehenden schwarzen BMW. Nachdem der Porsche zum Stehen gekommen war, drückte er den Beifahrersitz nach vorn.
„Danke fürs Bringen“, flüsterte er und kletterte aus dem Fahrzeug.
Die Frau kurbelte die Scheibe herunter. Er schritt um den Sportwagen. Sie nahm die Handtasche, entnahm einen Briefumschlag und überreichte ihm diesen.
Der Mann ging zu seinem Wagen, öffnete den Umschlag. Mehrere Meter entfernt, wendete der Porsche.
Er lief zurück auf die Fahrbahn, hielt lose leere Blätter in der Hand. Das rote Auto beschleunigte, unbeachtet, der die Arme emporstreckenden Person. In letzte Sekunde sprang er zur Seite. Nur bemerkte er nicht den Lastkraftwagen, der auf der entgegengesetzten Spur zu spät bremste.



In letzter Sekunde

Die Fahrerin quetschte ihren Busen ans Lenkrad, wandte ihren Kopf und steuerte einen Parkplatz an. Mit einem Reifen traf sie die Bordsteinkante, der Anlasser ratterte, bevor der Motor den Dienst einstellte. „Angekommen“, kommentierte sie. „Vergiss deine Handtasche nicht“, wies sie ein hübsches Mädchen auf dem Beifahrersitz an. „Und.“ Ihr Zeigefinger kreiste vor ihrem Gesicht, während das Mädchen spürbar stolz über ihr eisblaues Kleid strich. „Eine Dame steigt immer mit beiden Füßen gleichzeitig aus einem Auto aus.“

Es hatte den Anschein, dass Valentin, Franziska sowie Tanja lange vor Toni und Bärbel angekommen waren. Franziska stolzierte wie ein aufgeschrecktes Huhn auf und ab, starrte pausenlos auf ihre Armbanduhr. Valentin stand an der geöffneten Tür des Standesamtes, spähte in dessen Inneres, sodann im Wechsel auf den Platz. Nur Tanja schien es gelassen zu nehmen. Sie saß auf einer Bank und beobachtete das Schauspiel ihrer zukünftigen Schwiegereltern.
Toni verabscheute unpünktliches Erscheinen. Bärbel trichterte ihm immerfort ein, eher zu früh als zu spät einzulaufen. Dabei traf in diesem Fall dem Admiral die Schuld. Der Admiral hatte normalerweise eine Gabe, welche er, sowie seine Schwester, abgesehen sie schipperten auf hoher See, nicht besaßen. Orientierungssinn.

Ein silbrig grauer Volkswagen hielt direkt neben dem Wagen von Karl. Fridolin, Aishe, Alina sowie Matthias stiegen aus. Dabei hatten sie vor Bärbel und Toni den Hof verlassen.
Erleichtert atmete Toni aus. Zumindest waren sie nicht die Letzten. Ohne, dass er sie darum aufrief, nahmen Alina und Matthias ihn, in einer herzlichen Art, als hätte sie sich tagelang nicht gesehen, in Empfang.
„Aishe wären wir mit meinem Wagen gefahren, mit mir am Steuer, dann wären wir schon lange da“, bellte Fridolin seine Gattin an. Sie lehnte sich an das Fahrzeug, streife ihre Turnschuhe von den Füßen und schlüpfte in Pumps. „Ihr Frauen hab einfach keinen Orientierungssinn“.
Sie richtete ihren Kostümrock. „Ihr Männer mit euren Vorurteilen“, empörte sie sich. „Dabei habt ihr null Schimmer. Ich wollte nicht“, sie schaute über ihre Schulter auf die Hacken ihrer Schuhe, „auf diesen Absätzen vom Parkhaus hierherlaufen.“
Er zeigte demonstrativ auf das Pflaster. „Dann ständen wir aber nicht auf dem Fußweg. Wie man sieht, gehören Frauen nicht ans Lenkrad. Normalerweise fährt der Mann, wie sich das gehört.“
Aishe stöckelte auf ihn zu und strich über sein Gesäß.
„Normalerweise zerreißt Mann sich nicht die Hose. Jedenfalls nicht beim Autofahren“.
Das Ehepaar ließ Toni zurück. Nach ein paar Wimpernschlägen folgte er ihnen. Alina und ihr Bruder nahmen ihm in ihre Mitte und reichten ihre Hände.

Japsend, als hätte sie einen Marathonlauf hinter sich, fuhr sich Franziska in die Haare. „Wo bleibt da Bua bloß?“
Ihr Mann versuchte, sie zu beruhigen. „Der kommt gleich“. Dann zeigte er auf die gegenüberliegende Seite des Rathausplatzes. „Da! Ich seh ihn.“
Tanja spazierte auf die Gruppe zu. Toni imponierte es, wie gelassen sie wirkte. Sein Puls dagegen raste, schnürte ihm die Kehle zu.
Sie stellte sich an Bärbels Seite, steckte dieser ein Taschentuch zu.
„Glaubst du, ich weine bei dieser Hochzeit.“
Tanja runzelte die Stirn, blinzelte sodann Toni zu „Nein! Du hast Lippenstift auf der Wange.“
Ihr Gesicht von Toni abgewandt, wischte sie sich den Abdruck ab und zerrte Tanja aus der Gruppe.

„Wo bleibst du nur?“, fuhr Franziska Stephen an.
„Ich habe verschlafen.“
Toni verdeckte seinen Mund und gluckste. Empfand er am Vortag das Aussehen von Stephen eher enttäuschend, so verspürte er in diesem Augenblick einen Anflug von Vergnügen.
Standesgemäß, wie Valentin, gekleidet in Tracht, knielange Lederhose, Janker und Hut mit Gamsbart stand er da. Allein, dass die Krachlederne ihm wie eine zweite Haut die Oberschenkel einschnürte, eng, wie sie meistens Frauen trugen. Die Jacke dagegen zu weit, ferner verschließen, als hätte schon sein Großvater sie getragen. Die Krönung war im wahrsten Sinn des Wortes seine Kopfbedeckung. Wie ein Diadem thronte sie auf seiner Prinz-Eisenerz-Frisur.
Tonis Scham dämpfte sich beim Anblick dieses Mannes, welcher sich, derart schien es ihm, mit Genuss blamierte. Es machte gar für ihn den Anschein, dass Stephen sich einzig für ihn in dieses zum Totlachen verrückte Kostüm geschmissen hatte. Denn eins erblickte er, oder vermisste er eher, als hätte Stephen vor, es zu präsentieren, ein für einen hosentragenden Mann entscheidendes Detail.
Toni wechselte seinen Blumenstrauß von der Rechten zur Linken, und strich demonstrativ sein Kleid glatt. Er hatte keinen Grund, sich zu schämen. Er, Torben Raubein, trug, obwohl er nach seinen Genen eindeutig ein Junge war, ein Kleid. Ein eisblaues Etuikleid, welches er sich selbst erwählt hatte. Es war nur ein Kleidungsstück. Dieses diente einzig und allein dazu, einen Körper zu bedecken. Toni zupfte am Rocksaum. Knapp zu bedecken, revidierte er sich und wandte sich wieder Franziska zu.
Franziska erhob ihre Hand und zeterte: „Wia kannst du am Dog doana Houchzeid vaschlafa. Und wo hosd du gschlafa?“. Sie schwang ihren Kopf derart entfesselt, dass ihre Haube verrutschte.
Er zuckte mit den Schultern. „Im Hotel.“
Fridolin sprang Stephen zur Seite. „Die Brautleute dürfen nicht am Abend vor der Hochzeit unter einem Dach schlafen“, erklärte er, wobei er seinen Arm um Stephens Taille legte, jener sogleich sich aus der Umklammerung löste.
„De Dradition gilt doch grod fia de Kirchliche“, konterte Franziska.
Ihr Mann packte sie am Oberarm und zog sie zur Rathaustür. „Das können wir später klären“, harschte er sie an. „Der Amtmo wartet eh schon auf uns!“

Toni sah sich um, suchte Bärbel und Tanja, um ihnen ein Zeichen zu geben. Lange brauchte er nicht zu spähen. Die beiden standen bereits neben dem Eingang. Sie hatten ein Wortgefecht. Kein Laut trat an sein Ohr, sehr wohl ihre Gestik sprach Bände. Außergewöhnlich war es nicht für die beiden. Mal hingen sie wie Ganoven zusammen, mal duellierten sie sich. Diesmal war nach seinem Einschätzen er der Zankapfel. Denn sie blickten zu ihm herüber, zeigten sogleich unverhohlen mit ihren Fingern auf ihn. Er schloss aus, dass sie Matthias meinten. Dieser stand zu Tonis Überdruss neben ihm und versuchte, seine Hand zu erhaschen.
Nachdem Stephen das Standesamt betreten hatte, beendeten sie ihren Disput und folgten diesem.

Die Kinder wieselten die Treppenstufen zum Trausaal herauf und trafen auf Aishes Eltern sowie Gertrud. Nachdem auch die restlichen Erwachsenen das Ziel erreicht hatten, schwang die Tür zum Saal auf. Der Standesbeamte hopste von einem Bein auf das an andere, sah auf seine Armbanduhr, bis die Gesellschaft ihren Platz einnahm.
Das Brautpaar setzte sich direkt hinter dem Schreibtisch. Die Eltern des Bräutigams samt Kinder, Bärbel und Toni neben Alina in der ersten Reihe. Der Rest verteilte sich in den abseitigen Rängen.
Der Beamte begrüßte die Gäste und schmetterte ohne Pathos den Geladenen seine Rede entgegen. Er sprach von Zweisamkeit, Glück und Treue. Nachdem er dem Bräutigam das Ehegelübde abgenommen hatte, wandte er sich der Braut zu.
„Willst du Tanja Sengbein-Tütken, den anwesenden Stephen Dohnhöfer zu deinem anvertrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren, dann antworte mit, ja ich will?“
Sie wrang ihren Brautstrauß, schaute zu Bärbel, zuckte mit den Achseln, wandte erst ihr Gesicht Alina, sodann Toni zu, dann der Saaldecke und schloss ihre Augen.



Ohne Ausweg

Valentin schlug mit der Hand aufs Lenkrad und knurrte: „Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist“, dabei bebte seine Oberlippe. „Haben doch alles tagelang durchgesprochen. Sie war damit einverstanden.“
Stephen zog sich an der Kopfstütze des Fahrersitzes empor. „Davon geht die Welt nicht unter“, summte er und schaute über die Schulter des Fahrers. „Wir werden sie finden.“
„Dass sie gleich eine Watschen verteilt.“
„Pass auf“, schrie Stephen, zeigte auf eine in Reihe und Glied über einen Zebrastreifen marschierenden Gruppe Glatzköpfe. „Willst du zu allen Überfluss einen Unfall haben?“
„Wär nicht schad um die!“ Valentin lachte. „Sie hätte einfach rauslaufen können.“
„Hauptsache, sie verrät nicht alles. Sie sitzt gewiss in ihrer Lieblingsbar und lässt sich volllaufen.“ Er wandte den Kopf zum Beifahrersitz, lehnte sich so weit vor, wie sein Gurt es ihm erlaubte „Zupf nicht an deiner Strumpfhose. Sonst reißt du dir eine Laufmasche. Du hast hundertprozentig keinen Ersatz dabei.“
Toni streifte seinen Rock glatt, presste die Lippen zu einer Linie, wandte sein Gesicht dem Beifahrerfenster zu und verschränkte die Armen.
Derweilen begutachtete Tanja im Schein des Tageslichtes einen Ring. Sie verformt ihren Mund zu einem Lächeln, streichelte Stephens Rücken und säuselte: „Ich hätte nie vermutet, dass du mir einen Brillantring schenkst“.
Er wandte sich zu ihr. „Ach!“, raunte er. „Ist geliehen.“ Er hob die Schultern. „Habe vergessen, welche zu kaufen.“
Sie kreuzte die Arme. „Deiner?“.
Er fiel in den Sitz. „Ist der Ehering von Fridolin.“
„Wie passend“, zischte Tanja, zerrte den Klunker vom Finger, warf ihn Stephen auf den Schoß.
Die Mundwinkel nach unten gezogen, starrte sie wie Toni aus dem Fenster.

Die grün uniformierten Jugendlichen marschierten am Wagen vorbei. Valentin legte den Gang ein, drückte das Gaspedal nieder.
„Stephen. Hast du unseren Wohnungsschlüssel dabei?“, fragte Tanja, ohne sich ihm zuzuwenden.
Er runzelte die Stirn. „Glaubst du, Gertrud ist in der Wohnung?“,
Sie spielte mit ihrer Halskette. „Quatsch!“
Valentin bog links ab und fuhr rechts heran. Tanja stieß die Wagentür auf, zischte Stephen, derweil sie ausstieg, ein gebrummeltes Arschloch entgegen. Den Kopf in den Nacken geworfen, die Nase gen Himmel umschritt sie Valentin Wagen.

Tanja stellte sich mit überkreuzten Beinen an der Fahrerseite von Valentins Opel. Ihre Arme auf das Fahrzeugdach gelegt, ragte ihr Kopf ins Innere. „Fahrt in Gertruds Kneipe!“, trug sie auf und trommelte auf das Verdeck. „Wir treffen uns dann im Restaurant.“ Sie raffte den Kostümrock, kniete nieder. „Komm Antonia!“, befahl sie, dabei winkte sie ihm zu.
Er schaute sie über die Schulter an und tippte auf seine Brust.
„Geh lieber mit deiner Muada“, trug ihm Valentin auf. „Gertruds Kaschemme is nix fia gloae Madl!“
Toni verdrehte die Augen, stieg, wie es die Tante ihm beigebracht hatte, aus dem Wagen. Er straffte sein Kleid, bevor er zur Haustür trippelte.
Tanja drückte die Tür zum Treppenhaus auf. „Im Erdgeschoss ist Stephens Kanzlei.“
Toll! Was ging ihm die Kanzlei dieses Stephen an. Nichts. Ein Gutes hatte es, er konnte sich in aller Ruhe Gedanken darüber machen, wie er weiter vorgehen wollte. Der Plan mit dem Admiral war vollends in die Hose gegangen. Anstatt sie ihm eine Standpauke hielt, versank sie in Stille. Oder im Gegenteil? Nach der Trauung schien es ihm, als würde sie es eher genießen. Seine Pein aufsaugen. Jedes, ach, Frau Tütken, was haben sie für eine elegante Großnichte, oder, wenn Tanja neben ihr verweilte, brave Tochter, verwandelte sich, gepaart mit Bärbels dämonischen Blick, zu einem Schlag. Gesteigerter wurden diese Vorwürfe gar von den Bezichtigungen fast eine Frau. Abgesehen davon, dass für ihn die Titulierung jeglicher Logik widersprach, war es auf ihn bezogen eher ein Affront, ein Schlag ins Gesicht, denn er war ein Pirat.
Der einzige Höhepunkt, der ihn aufheiterte, war die Backpfeife gewesen, die Gertrud nach Tanjas Jawort ihr entgegen geschmetterte hatte. Nicht, dass er den Gewaltakt billigte, immerhin war Tanja seine Schwester, dennoch empfand er eine Art Genuss.

Hintereinander stiegen sie die Treppe herauf. Tanja öffnete die Wohnungstür, hing den Schlüssel an ein Schlüsselbrett, warf ihre Handtasche auf eine Garderobe. Ohne ein Wort zog sie eine Schublade des Schrankes auf, schnappte zwei Paar Haussocken, hielt Toni eins davon hin. Er legte seine Henkeltasche ab, nahm die Socken, zog, wie die Schwester, die Schuhe aus, schlüpfte in die Strümpfe.
Tanja führte ihn durch die Wohnung. Zeigte ihm die schneeweiße Küche mit Arbeitsflächen aus polierten Granit, an deren Oberfläche sich das Sonnenlicht reflektierte. Sie öffnete die Tür zum Bad, dessen blendender Marmor die Jungfräulichkeit der Räumlichkeit unterstrich. Bevor Toni wieder zu Tanja in den Flur ging, schlenderte er durch das Wohnzimmer. Seine Hand strich über den blütenweißen Schrank, seine Fingerkuppen berührten die in Anthrazit gehaltene Sitzlandschaft.

Tanja zeigte mit dem rechten Daumen auf eine Tür. „Das ist Stephens Zimmer“, murmelte sie, legte die Finger auf die Türklinke, des Raumes daneben und offerierte mit einem Aufschrei des Entzückens, dass dieses sein Zimmer sei.
Es roch nach frischer Farbe.
Toni kreischte: „Rosa!“
„Stephen war der Ansicht für ein junges Mädchen die richtige Farbe“, kicherte Tanja, mehr, als dass sie es sprach „Komm, geh, rein schau es dir genau an.“
Toni trippelte in den Raum. Die Tür flog ins Schloss. Er war allein. Mit einem Schritt schoss er zur Tür, zog an der Klinke, hielt diesen sogleich in der Hand.
Er trommelte an das Türblatt und brüllte „Tanja“. Keine Stimme drang an sein Ohr. Er warf den Türgriff auf den Boden, spurtete zum Fenster. Die Lippen gepresst, drehte er am Fenstergriff. Wie festgeklebt blieb dieser in seiner Position. Er sah durchs Glas. Tanja schritt unterhalb des Geschosses auf dem Fußweg vorbei. Er klopfte. Er trommelte. Keine Reaktion. Mit zitternden Knien wandte er sich dem Zimmer zu, außer einem alten Feldbett war der Raum leer. Er lief erneut zur Tür, hämmerte mit voller Wucht gegen das Holz, schaute zu Boden, rannte zum Fenster.
Vier kahlköpfige Halbstarke überquerten die Straße. Toni schlich zur Zimmertür, legte ein Ohr an das Türblatt. Die Wohnungstür schlug zu. Jemand scharrte an der Tür zu seinem Zimmer. Er zuckte zusammen, versteckte sich auf der Seite des Raumes, zu der die Tür aufschwingen würde, kauerte sich in die Zimmerecke. Die Tür schwang auf, eine in einer Art Umhang gekleidete Gestalt erschien. Er sah nur die Silhouette, die sich, angeschienen vom Licht der Freiheit, abzeichnete.



Unter Verdacht

Tanja deutete auf das Sofa. „Komm, setz dich! Willst du was trinken?“
Toni schlenderte zur Sitzlandschaft „Ja! Hast du eine Cola-Light?“
„Bestimmt!“, erklang es aus der Küche.
Er ließ sich auf dem ausladenden Möbelstück nieder, erst gerade, sodass der Rock aufwärts rutschte. Daraufhin überschlug er die Beine, mit dem Ergebnis, dass der Saum weiter nach oben schnurrte. Das Gesicht angelaufen schob er die Oberschenkel zur Seite, winkelte seine Unterschenkel ab und zerrte das Kleid, bis an die Knie. Er saß zwar nicht bequem, jedoch niemand vermochte ihm, zwischen die Schenkel zu schauen.
Er zupfte an seinem Ohrläppchen. Niemand! Er war allein mit Tanja in der Wohnung. Da er davon ausging, dass er in dem Fummel bis zum Nachmittag gefangen war, lag es für ihn auf der Hand, zu üben. Immerhin verhüllte das, für den Abend erwählte, Partykleid kaum mehr seinen Körper. Somit für ihn folge recht, rechtzeitig eine weibliche Grazie an den Tag zu legen. Eine Grazie, welche ihm zwar abging, jedoch seine Fassade unterstrich.

Tanja erschien im Wohnzimmer, stellte die Gläser ab und gluckste: „Sitzt du bequem?“
Ihre Anmache, zeigte ihm auf, dass er alles andere als perfekt war.
Er schwankte, verlor beinahe den Halt. „Ja, Ja. Bequem.“
Tanja schmunzelte, setzte sich an seine Seite und winkelte ihre Beine ab.
Er musterte ihre Position, kopierte diese und ergriff die Initiative.
„Was ist mit deinem Kind? Was hast du falsch gemacht? Seit wann heißt du Dohnhöfer-Tütken.“
Tanja wiegelte mit den Händen ab. „Langsam, langsam. Eins nach dem anderen.“ Sie umfasste ihr Knie. „Der Admiral hat mich nach Omas Tod adoptiert. Aus steuerlichen Gründen. Wegen der Wohnung.“
„Und ich?“
„Geht nicht. Das Vormundschaftsgericht hätte etwas dagegen. Außerdem“, sie verdrehte die Augen, „heiß ich seit heute Dohnhöfer-Tütken. Wie du mitbekommen hast.“
Sie nahm die Cola, hielt diese Toni entgegen, worauf er jene schnappte.
Tanja kicherte „Der Umhang ist ein Poncho. Ich war im Keller. Um dorthin zu kommen, muss ich über den Hof.“ Sie zeigte zum Fenster und zuckte mit den Achseln. „Es hatte angefangen zu regnen?“
Toni schluckte herunter, keinesfalls die Cola, sondern die Spuke, die sich in seinem Mund gesammelt hatte. Er hatte ihr nicht verraten, weshalb er in Hysterie ausgebrochen war. Die Scham ihr es einzugestehen, verbat es ihm. Ihre Begründung war logisch. Er konnte nicht widerlegen, ob es geregnet hatte. Der Himmel war weiterhin mit dichten bleigrauen Wolken verhängt und ließ Passau in eine abendliche Dämmerung versinken.
Dennoch ahnte er, dass sie log. Sie hatte auf eine Frage geantwortet, die er ihr nicht gestellt hatte. Somit war es kein Versehen, wie sie bekundete, sondern Absicht gewesen. Geplant. Dann war es kein Zufall, dass er Alinas Buch las. Tanja kannte seine Vorliebe. Sie wusste, dass er in einer ungestörten Stunde Alinas Bücher studierte. Demnach hatte sie es platziert. Nein! Für immer Dein gehörte nicht in die Bibliothek eines dreizehnjährigen Mädchens, soweit dieses der Ansicht von Erwachsenen war. Es zählte zu den verbotenen Werken. Alina wäre es aufgefallen. Versteckt hätte sie es, wie er seine verbotenen Bücher vor dem Admiral verbarg.
Ein Schauer rann über seinen Rücken. Alina hatte es nicht von dieser Jannette, sondern von Tanja erhalten. Sie war daraufhin ein Teil des Planes. Alinas kurzzeitiges Verschwinden arrangiert, geplant, damit er freie Bahn hatte, in ihrem Zimmer zu stöbern.
Halt! Jannette, Tanja. Alinas Gerede von ihrer Mutter, ihrem Vater, welches er teilweise als geistigen Durchfall wahrgenommen hatte, machte einen Sinn. Wenn, wenn er Tanja mit Jannette verschmolz, obgleich Sinn zu hoch getrabt war. Tanja hatte sich gegenüber Alina als Jannette ausgeben. Alina war sogar der festen Überzeugung. Ihr Verlangen, die Heirat zu unterbinden, somit folgerichtig. Eine Ehe zwischen Geschwistern war sicherlich auch in Oberbayern mehr als grenzwertig. Durch sein, Tonis Erscheinen platze jedoch eine Bombe. Er und sie waren fast gleichen Alters, Zwillinge damit für Alina ausgeschlossen. Da er indes die Tochter von Tanja war, musste in ihrer Gedankenwelt Stephen ihr Vater sein.
Verrückt, total verrückt. Welche Chancen hatte er, Alina aus ihrem Wahn zu treiben. Es existiert echt nur eine und diese kam für ihn zur Zeit, so Leid es ihm tat, nicht infrage.
Ihm fröstelte es. Sogar der Sommerrock, der Tennisrock, den er wie zufällig auf der Waschmaschine vorfand, obendrein die Tasche ... Gegebenenfalls gar die ganze Hochzeit, einzig und allein für ihn inszeniert war, um ihn auf einen Kurs zu drängen, welchen er ablehnte. Aus freien Stücken nie segeln würde. Schlicht, der Sinn ihres Vorhabens blieb ihm verborgen.

Tanja ergriff das Sektglas, und spielte sofort mit ihrer Halskette. Für ihn ein Zeichen, dass sie verlegen war.
„Eigentlich war das alles Jannettes Idee.“
Toni rümpfte die Nase. „Das hast du mir schon gesteckt.“
Tanjas Kopf pendelte wie der Zeiger eines Metronom. „Aber nicht die ganze Wahrheit.“ Sie biss auf ihre Unterlippe, damit war für ihn klar, dass sie gleich dem Großvater Seemannsgarn spann. Dennoch lauschte er ihren Worten, denn in Seemannsgeschichten verbarg sich immer ein wahrer Kern.
„Ich sollte nicht Stephen heiraten“, presste sie hervor, quetschte das Glas. „Nur so tun.“
Er wich zurück. „Ich war dabei.“ Auf seiner Stirn bildeten sich Falten. „Du hast ihn geheiratet!“
Tanja schwang ihren Arm. Sekt tropfte auf ihr Kostüm. „Deinetwegen!“
Toni ballte eine Faust und legte diese auf sein Brustbein. „Meinetwegen?“
Tanja zupfte an ihrem Glas. „Nein! Nicht wie du denkst.“
Sie faste an ihr Genick. „Also“, begann sie und legte eine Hand auf Tonis Knie.


Weiter zu Falsches Spiel
 
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