Flucht über die Nordsee 86. Seemannsgarn im Märchenland

ahorn

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Seemannsgarn im Märchenland

Er schrieb alles mit, was ihm Frank mitteilte, versuchte, Verknüpfungen zu finden. Epilierer, drei Personen, zwei weiblich, einer männlich kritzelte er auf einen abgerissen Zettel.

»De Vries! Haben wir einen von diesen Ständern mit Papier, welches man umklappen kann?«
Der Mitarbeiter kratzte sich am Ohr. »Meinen sie eine Flipchart Chef?«

In der rechten Hand einen Filzschreiber, in der Linken den Zettel, krakelte er den Namen Tinette auf das jungfräuliche Blatt, zeichnete einen Pfeil und klierte Jannette an sein Ende.
Tinette, er bevorzugte den Ausdruck. Ex-Verlobte in Beisein von de Vries war ihm zu privat.
Er hatte sie gebeten, bekniet sich als das Geisterwesen auszugeben, um mehr zu erfahren. Gertrud war eine Verrückte, aber dies hatte er gelernt, irgendetwas Wahres versteckte sich immer hinter verwirrten Geister. War Tinette im Alleingang weiter gegangen? Hatte sie Kontakt mit Klara sowie Stephen aufgenommen? Ob sie in die Wohnung eingebrochen war, schloss er aus. Welcher Einbrecher epilierte sich die Beine, denn Frank hatte ihm verklickert, inwiefern die erste Probe, die mit den zerstörten Haaren, mit einer der Neuen übereinstimmte. Die Chance eines zufälligen Besuches strich er ebenfalls.

Joos drückte seinen linken Zeigefinger an die Wange, spreizte den rechten Unterschenkel ab, tippte mit der Schuhspitze auf den Boden und lächelte de Vries. »Besten Dank, dass sie mir beim Reifenwechsel geholfen haben. Dürfte ich Mal in ihr Bad und den Epilierer ihrer Frau benutzen«, säuselte er mit weiblich verstellter Stimme.
»Chef?«

Joos schüttelte den Kopf, schrieb Stephen, Klara direkt unter die ersten beiden Namen, klopfte abwechselnd auf den Männernamen sowie den seiner Verlobten. »Die hatten etwas miteinander!« Er strich über sein Kinn. »Nein! Sie gab sich als die Schwester aus.« Er deutete auf de Vries. »Lesbisch!«
De Vries zog den Kopf zurück. »Ich bitte sie! Wenn überhaupt schwul oder bin ich eine Frau«, stotterte er.
Was man von seinen Untergebenen alles bei einer nächtlichen Diskussion erfährt, schmunzelte Joos in sich hinein. Welcher richtige Mann trink Malve-Tee. Im war bewusst, warum er nie mit Tinette Sex hatte.

Klara als Frau enthaarte sich unter Umständen, möglicherweise, ihre Beine, aber Stephen. Ein einziges Mal hatte er ihn erblickt, er war kein Bär eher von zierlicher Gestalt, androgyn, zeugungsunfähig. Trotzdem Körperhaare mit einem Epilierer herausreißen Weiberkram. Das starke Geschlecht zu dem Joos sich zählte, zu weich dafür oder ihre Haare zu kräftig, fester verwurzelt. Einmal hatte ihn eine Freundin geärgert und war zu ihrer Freude mit so einem Ding über sein Schienbein gefahren. Tagelang schmerzte ihm seine Haut.

Nach Franks Information waren sie eher wie Cousin und Cousine, zumindest von den Genen aus gesehen. Mit diesem Vergleich erklärte Frank ihm, Joos die Zusammenhänge. Joos war auf fast allen Wissensgebieten tätig, jedoch Biologie interessierte ihn nicht, außer in der Gestalt eines anständigen Roten.
Cousin, Cousine waren kein Hindernis, um zu heiraten. Erstrecht, wenn sie kein Geschlechtsverkehr durchführten, jedenfalls der Mann sich nicht in der Frau ungeschützt entlud. Dazu war Stephen nicht in der Lage. Dass sie Geschwister waren, schloss Frank mit Bestimmtheit aus, wegen der Mitochondrien. Zumindest hatten sie dieselben Großeltern, väterlicherseits, wie er den Sachverhalt einschränkte, als hätte er, Joos es nicht begriffen.
Die Namen Loibl sowie Tütken flogen auf die Flipchart. Tütken strich er durch. Stephen war Franziskas Junge. Klara war Marias Kind und gab sich als Tanja Bärbels Nichte aus. Wer war Maria?

»Lisselotte«, murmelte er, schrieb sodann den Namen versehen mit einem Fragezeichen auf das Board. Er kannte die Frau nur aus Antons Berichten.
Er spreizte die Arme ab. »Warum hat mich Tinette zu Bärbel gelockt und mir den Jungen in Mädchenkleidern gezeigt?«
De Vries schritt auf ihn zu, tippte auf Stephens Namen. »Der?«
»Quatsch!«, zischte Joos und erzählte de Vries die Geschichte von Anton oder Antonia sowie Svenja, ohne zu viel von sich selbst preiszugeben.
»Glaub ich nicht! Die Kinder haben sie belogen.«

»Warum?«
»Chef«. De Vries kratzte sich an der Stirn. »Das ein Junge Ballett tanzt selten, die Tatsache als solche eher nicht beeindruckend.« Er stellte sich aufrecht hin, hob seine Arme über den Kopf, mit denen er einen Kreis formte. »Habe selbst getanzt«. Er benetzte seine Lippen und nahm die Hände herab. »Als Kind!« Er verschränkte die Unterarme »Aber, dass ein Tanzfreund bei der Mutter der Freundin als Mädchen herumläuft, damit sein tyrannischer Vater dieses nicht erfährt.« Er tippte an seine Schläfe. »Absurd! Wenn ich eine Frau wäre, sogar eine Busenfreundin hätte, die Derartiges von mir verlangen würde? Wissen sie, was da alles dranhängt. Falls er zum Schluss ein Mädchen werden will, die Untersuchungen, Hormon sowie der ganze Rest. Dann ist der Vater sogar Arzt. Das gibt Ärger. Nee! Die sind verwandt!« De Vries lehnte sich zu Joos vor. »Blut ist dicker als Wasser.«

Am Liebsten hätte er ihn umarmt, geküsst. Hätte ihm, de Vries bestimmt Freude bereitete. Er hat für ihn, Joos zwei Probleme mit einem Satz gelöst. Nein drei!
Sein Vater berichtet ihm vor Jahren beim Essen, dass eins der beiden Tütken Mädchen abgehauen sei. Nahne hatte ihm nie dergleichen erzählt. Fazit! Sie war wieder zurück.
Die Nachbarin von Maria, als er mit ihr verkehrte, hieß Olga, wie die Mutter von Anton. Er blieb bei dem Namen. Das Geschlecht spielte keine Rolle. Dann hatte Maria nicht ihm ihre eigene Adresse anvertraut, sondern die der Freundin. Welchen Grund sie gehabt hatte, schob er erst einmal beiseite.
Oder Olga war Sophia. Nur warum hatte sie ihren Namen geändert? Klara hatte Anton erschossen und sie war auf der Flucht – die grazile Svenja somit Tanjas Girl. Dann hatte sie einen Wurm. Sein Kind? Sie war aus dem Wagen gesprungen. Sie waren sich ähnlich. Tanja inhaftierten sie als Klara, davon ging er aus. Klara verzieht mit Bärbel sowie der Tochter ihrer Freundin nach Deutschland und lässt ihr Eigenes zurück. Was für eine Mutter?

»Sie glichen sich wie Bärbel und Sophia,« donnerte er de Vries entgegen.
»Wer?«
»Klara und Tanja? Sie haben die Rollen getauscht.« Joos tippte sich an die Oberlippen. »Na ja, sie kennen sich scheinbar aus, ein Mann, welcher eine Frau werden will, somit, wie sie sagten, Hormone schluckt, kann der ein Kind zeugen?«
»Nee! Aussichtslos! Warum?«

Er klopfte auf den Schriftzug Stephen. »Er epilierte sich die Hachsen! Würden sie, wenn sie immer eine Frau sein wollten, sich aber als Mann ausgeben, sich nicht einmal herausputzen, ein süßes, verführerisches Kleid anziehen, ihre Beine zeigen.«
»Habe mir bis jetzt keine Gedanken darüber gemacht. Was soll die Anmache überhaupt. Glauben sie nur …«
»Still! Ich muss nachdenken«, fuhr ihn Joos ins Wort.
Aufgewachsen in einem Mädcheninternat, sinnierte er. Gekürt zu einer Prinzessin, dann zum verknöcherten Großvater.

»Alfons hätte ihn verdroschen, wenn er in Mini und High Heels vor ihm getanzt hätte!«
»Alfons ist der Vater von Anton?«, schlussfolgerte de Vries.
»Nein! Aber Anton ist nicht verkehrt. Er ist zu seinem Papa nach Lesotho, der wusste, wie er war.«
»Ich verstehe nur Bahnhof!«
»Nur ein kurzer Weg. Stephen lernte Tanja kennen. Sie zeugten ein Spross und erst danach ließ er sich …« Joos fasste sich instinktiv an den Schritt. »Unser Kind«
De Vries griente. »Biologisch nicht möglich.«
»Sie hatten die Identitäten getauscht. Sie gab nicht vor Tanja zu sein. Sie war es. Folglich hatte Klara ihr Baby verloren.«
Er machte sich Vorwürfe. Hatte er Schuld auf sich geladen?

Joos stürmte zu seinem Schreibtisch, riss die oberste Schublade auf, schleuderte die Mappe mit dem kindlichen Skript neben sein Laptop, fischte einen Zettel heraus und drosch auf ihn ein.
»Falsche Fragen, falsche Antworten!«, grummelte er.
Er hatte Frank gebeten nach der Verwandtschaft zu analysieren. Seine Fragestellung aber genauer gewesen. Inwieweit ist Probe C für ihn Klara mit Probe A Bärbel sowie Probe B verwandt. Denn er ging zu dieser Zeit davon aus, dass B der Junge somit Anton war. Er hatte sich eine Meinung gebildet und verlangte von Frank einzig eine Bestätigung seiner Annahme. Einen haarsträubenden Ermittlungsfehler hatte er, Joos begannen. Wie oft trichterte er den Grünschnäbeln ein, dass, egal welche Vermutung sie hatten, immer nach allen Seite zu ermitteln. Das Positiv hinter C war nur eine Kontrolle. Bei A las er negativ. Sein Kartenhaus fiel zum Teil zusammen. Tanja wieder Klara und Olga nicht Bärbels Schwester. Anton mit ihr blutsverwandt, sogar mütterlicherseits. Er musste ein weiteres Mal mit Frank sprechen. Er wählte seine Nummer, aber er ging nicht ran.

Er betrachtet sein Kunstwerk, strich bei Stephens Name das zweite ‚e‘ schrieb ein ‚a‘ hinüber und ergänzte den Namenszug mit einen ‚i‘, kreuzte Jannette durch und kritzelte den Namen seiner Tochter drüber.
Dann verbannt er Klara sowie Tinette mit einer Linie. »Sie hat etwas mit ihr!«
Er dachte an Tinettes Illustration des Liebesspiels in der Scheune. Verbandelte Klara mit Josephine. »Sie hat etwas mit ihr!« Klara und Stephanie verbündeten sich. »Mit ihr!« Vielleicht hatte sich Tinette gleichermaßen bei Josephine eingeschlichen. »Mit ihr« – »Mit ihr«- »Mit ihr!«
Er wiederholte es, bis jede mit jeder verbunden.
Joos stieß de Vries an, welcher mit halb geschlossenen Augen auf seinem Schreibtischstuhl langsam wegdämmerte. »Was sagt uns das?«
»Zickenterror hoch vier! Das wird blutig«, stöhnte de Vries.
Er hatte auf einmal nicht nur drei, sondern vier Frauen, eine davon ein einstmaliger Mann. Josephine, obwohl Blödsinn, schloss er mit ein.

Keuchend stützte er sich auf den Schreibtisch auf, trommelte auf der Aktenmappe. Er schlug sie auf und dachte in diesem Augenblick an seinen Bruder. Was hatte er ihm gesagt, denk an die Geschichten von Nahne, jene er uns erzählt hat, als wir Kinder waren. Denk an Bernadette, Thorben, Shila sowie Fiete.
Entziffern konnte er wenig vom Text. Einzig die Überschrift und einen Namen Bernadette entschlüsselte er.
»Sie kennen sich doch mit Computern aus.«
De Vries gähnte. »Soweit ja.«
»Bekommt man Bücher?«
Es war eine Idee. Sein Vater hatte ihm Mal erzählt, Nahne hätte im Knast geschrieben.
»Wo?«
Er klappte den Deckel seines Laptops auf. »Im Internet?«
»Viel ja! Alle nicht!«
»Kinderbücher?« Er drehte de Vries den Rechner zu. »Fangen sie an?«
De Vries zuckte mit den Schultern. »Titel? Autor?«
»Nahne Tütken!«
»Nee!«
Joos strich mit dem Zeigefinger über die Überschrift des Skriptes. »Flucht über die Nordsee.«
»Drei Treffer!«
»Soll ich ihnen alles aus der Nase ziehen. Details!«, erboste sich Joos.
»Kram - verrissenes Werk nicht verfügbar!«
»Weiter!«
»Aim Hornby«
»Anschauen!«
»Nicht fertig! Schriftsellerportal. Leselupe«
»Nächste!
»Alter Schinken von einer Else von Memmert als E-Book verfügbar!«
»Runterladen«
De Vries tippte auf das Display. »Das muss man bezahlen!«
»Tun sie es. Immer weiter klicken. Mach ich genauso.«
Die Stirn gerunzelt starrte ihn De Vries an. »Ihre ganzen Kreditkartendaten sind auf ihrem Dienstrechner? Wenn die jemand abfischt, dann sich bei ihnen bedient«, gab er zu bedenken.
Joos schlug mit der Faust auf den Tisch. »Es ist mein Computer und Geld spielt keine Rolle.«
»Bitte ich wollte sie nur warnen.«
»Hat diese Memmert andere Bücher geschrieben?«
»Ja!«
»Darunter Shila oder Thorben?«
»Nee!«
Joos trommelte auf die Tischplatte. »Suchen sie Shila! Prinzessin Shila!«
»Volltreffer nur ein Roman«, triumphierte De Vries. »Prinzessin Shilas Weltraumabenteuer.«
»Kaufen! Hat der Autor andere Bücher.«
»Paul Krüger«, murmelte De Vries beim Tippen. »Eine ganze Menge.«
Joos fuchtelte mit den Händen. »Irgendetwas mit Thorben dabei.«
»Thorben Raubein. Mehrere Bände. Eins verfügbar.«
»Her damit! Sie kenne sich gut mit Computer aus?«
»Geht so!«

Er musste tiefer bohren, um zu klären, wer Klara war und daraus sein Handeln abstimmen.
»Ist es möglich um diese Uhrzeit in Erfahrung zu bringen, ob jemand in Belgien geboren ist?«
De Vries reckte sich, drehte den Kopf. »Das Netz kennt keine Nachtruhe, dennoch ist es illegal ohne Beschluss.«
»Das ist mir bekannt. Sie kennen meine Ansichten«, zürnte Joos. »Können sie es.«
»Ich kann.«
»Deutschland?«
»Nee!« Er kratze sich am Hinterkopf. »Aber ich kenne jemanden.«
»Vertrauensvoll?«
»Keinen Schimmer! Habe sie in einer Bar kennengelernt.«
Joos Stirn fiel in Falten und er rümpfte die Nase. »Sie!«
»Nur weil ich schwul bin, heißt es lange nicht, dass ich mich nicht mit Frauen abgebe«, erboste sich de Vries.
»Entschuldigen sie bitte!«
»Sie ist gut. Haben zwei Nächte im Netz gehackt.«
»Können sie sie anrufen?«
»Um diese Uhrzeit?«
»Sind diese Hacker nicht meistens nachts unterwegs.«
»Wird teuer.«
»Geld spielt keine Rolle.«

Joos klappte den Laptop zu, stopfte seine Unterlagen samt Skriptmappe in seine Aktentasche, dann wandte er de Vries seinen Rücken zu. »Rufen sie bitte Wouters an, um sechs Uhr zugriff beim Wehrmachtbunker.«
De Vries zog den Kopf in den Nacken und schüttelte sich. »Chef es ist zwei Uhr nachts, außerdem gibt es unzählige von diesen Betondingern.«
Joos drehte sich um. »Anrufen! Das ist ein Befehl. Er kennt den Bunker.«
Die Nase gerümpft deutete de Vries mit flacher Hand auf Joos. »Sie gehen jetzt Heim ins Bett oder wie?«
Joos streichelte den Laptop. »Nein. Lesen!«

weiter zum nächsten Teil 87. Befreit Alina
 



 
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